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Buchwoerter

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2024
Gussie
Wortberg, Christoph

Gussie


sehr gut

GUSSIE

Konrad Adenauer kennt man. Doch über die starke Frau, seine Unterstützerin und seiner zweiten Frau ist allgemein nur wenig bekannt. Christoph Wortberg nahm das zum Anlass die beeindruckende Person Auguste "Gussie" Adenauer in den Mittelpunkt zu rücken.

I N H A L T:
1948. Die Frau im Bonner Johannes-Hospital weiß, dass sie nur noch wenige Tage zu leben hat. Auf dem Sterbebett lässt sie Szenen ihres Lebens an sich vorbeiziehen. Gussie Zinsser ist 24, als sie den 19 Jahre älteren Witwer Konrad Adenauer heiratet und zur Stiefmutter seiner drei Kinder wird. Sie schenkt fünf Kindern das Leben, doch ihr Erstgeborener stirbt nach nur vier Tagen. Als Frau des Kölner Oberbürgermeisters steht sie in der Öffentlichkeit und engagiert sich eigenständig sozial und politisch. Hitlers Machtübernahme verändert alles. Adenauer muss sich vor den Nazis verstecken. Allein gelassen mit ihren Kindern, versucht Gussie, das schwierige Leben im Dritten Reich zu bewältigen. Bis sie von der Gestapo vor eine unmenschliche Wahl gestellt wird.

M E I N U N G:
"Hinter jedem erfolgreichenh Mann, steht eine starke Frau" - ist gewiss eine Weisheit die strittig ist. Gussie Adenauer würde ich dennoch als starke Frau beschreiben, die ihre eigenen Träume, Berufswünsche und Träume hinten anstellte, um Konrad Adenauer vollumfänglich unterstützen zu können. Alleine diesen Schritt finde ich sehr aufopferungsvoll. In Wortbergs Roman "Gussie" steht Auguste Adenauer im Mittelpunkt. Eine Kombination aus Fiktion und biographischen Wahrheiten bilden die Grundlage dieses außergewöhnlichen Romans. Jedem Kapitel wird ein Briefauszug vorangestellt, die zumeist Gussies Empfindungen, Ansichten oder Ängste perfekt umrahmen. Gussie wirkt auf mich stark, absolut nahbar und selbstreflektiert. Als Leser:in begleiten wir Gussie auf ihr Sterbebett, von dem sie, ihr Leben Revue passieren lässt. So erzählt Wortberg von Gussie Zinsser Jugend, dem Kennenlernen von Adenauer, ihrer Rolle als Ehefrau, Mutter, Tochter und Frau des Oberbürgermeisters - und ja, auch von den dunklen Kapiteln ihres eindrücklichen Lebens. Mithilfe eindrücklicher Bilder, einer klaren Sprache und den Briefauszügen gelingt es dem Autor eine nachvollziehbare Atmosphäre zu schaffen, ohne dabei in Rührseligkeiten abzudriften. "Gussie" ist die perfekte Mischung aus Biographie und Fiktion, die einen tief in die Lebenswelt Auguste Adenauers hineinzieht.

Gussie Adenauer - eine beeindruckende Frau, die so viel mehr zu bieten hat, als nur die Frau Konrad Adenauers gewesen zu sein. Unbedingt lesen.

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Bewertung vom 17.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


sehr gut

LICHTUNGEN

"Gut war man geworden. Im Wegsehen, Weghören. Auch: Wegdenken." (S. 137) - ein Zitat, welches nicht aktueller sein könnte.

I N H A L T:
Zwischen Lev und Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen weitet ihre Lebensentwürfe und verändert ihre Beziehung für immer. Voller Schönheit und Hingabe erzählt Iris Wolff in ihrem großen neuen Roman von zeitloser Freundschaft und davon, was es braucht, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen.

M E I N U N G:
Ein Buch über Freundschaft, Rebellion und Freiheit. Ein Buch, welches in Rumänien spielt, welches Ostblock und Öffnung der Grenzen vereint. Ein Buch mit zarten Sätzen, vielen Leerstellen und ganz viel Herz.
Wolffs neuer Roman "Lichtungen" erzählt von der Freundschaft zwischen Lev und Kato, die nach einem Unfall des jungen Levs ganz zart beginnt. Besonders ist, dass der Roman rückwärts erzählt wird. Diese Perspektive finde ich sehr spannend und gelungen, denn wir gehen gemeinsam zu dem Beginn der Freundschaft zurück. Wir sehen unsere Vergangenheit in einem ganz anderen Licht, deuten Erinnerungen anders oder heben Aspekte hervor. Das Wissen von heute verändert die Wahrnehmung der Vergangenheit. Lev und Kato bleiben mir in weiten Teilen fern, so richtig lassen sie mich nicht in ihre Freundschaft hinein sehen. Es sind eher kleine Streiflichter, in denen mir die Bedeutung ihrer Freundschaft, näher gebracht wird. Sie erzählen von den Hürden, einer Kindheit in Rumänien, Repressalien und die Suche nach der eigenen Freiheit. Besonders Lev kleine, ruhigen Rebellionen haben mich inhaltlich gefesselt. Sprachgewaltig ist der Schreibstil der Autorin. Der Inhalt kam mir an einigen Stellen viel zu kurz. Kaum angefangen, da war das Buch schon zu Ende.

Selten bin ich sprachlich so in ein Buch versunken. Ein zartes, teils poetisches Buch mit vielen Leerstellen. Diese kleinen Lücken regen zum nachdenken und interpretieren an.

Bewertung vom 19.09.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


ausgezeichnet

NICHTS IN DEN PFLANZEN

"Verliebtheit ist ein merkwürdiger Zustand, den man gezielt und selbstwirksam anleiert, um schließlich trotzdem überrascht zu sein, wenn er mit voller Wucht über einen hinwegfegt und das ohnehin mittelmäßige Wahrnehmungsspektrum des Menschen auf genau einen Teil reduziert." (S. 43)

M E I N U N G:
Was für ein ungewöhnliches Buch! Ein Abtauchen in einer mir völlig unbekannten Welt: die Medienbranche. Glamourös, Konkurrenzdenken und sehr viel Alkohol. Leila ist in dieser Medienbranche gefangen: sie ist jung, kreativ und gilt als Ausnahmetalent. Jetzt muss sie nur noch endlich ihr Drehbuch beenden, um durchzustarten. Mit Leila erschafft Haddada eine Antiheldin. Auf weiten Teilen ist mir Leila äußerst unsympathisch, ihr Handeln lässt sich nicht immer für mich nachvollziehen und ihre Entscheidungen sind fragwürdig. Leila gibt allen anderen die Schuld für ihre Schreibblockade. Ursache ist sie selbst. Ihre Prokrastination endet in Partys, Beziehungen und selbstherbeigeführte Konflikte. Eingebildete schwarze Fliegen tummeln sich vor ihrem Laptop, ihr Verhalten wirkt depressiv fast manisch. Haddadas Roman lässt sich leicht lesen. Die junge Drehbuchautorin bleibt mir über weite Teile fremd, was vielleicht an ihre Abgebrühtheit liegt. Denn einen richtigen Einblick in ihre Gedankenwelt gibt sie einen nicht.Die vielen menschliche Hüllen mit "L"-Namen, die Belanglosigkeit der Medienbranche und der Druck auf Autor:innen sind eindrucksvoll. Definitiv möchte ich nicht mit Leila tauschen.

Ein moderner Roman mit ungewöhnlichem Inhalt: eine junge, teils überforderte Drehbuchautorin inmitten der Scheinwelt der Medienbranche, die an ihre persönlichen Grenzen gerät. Ein gutes Buch, welches mich jedoch nicht vollends überzeugen konnte.

Bewertung vom 13.09.2023
Das Summen unter der Haut
Lohse, Stephan

Das Summen unter der Haut


ausgezeichnet

DAS SUMMEN UNTER DER HAUT

Schnell noch die letzten Sommertage in einem Buch einfangen! Das gelingt definitiv mit Sephan Lohses Coming-out-of-age-Roman "Das Summen unter der Haut". Freibad, grenzenlose Freiheit und die erste große Liebe - warten hier auf dich.

M E I N U N G:
Von Büchern, die in Freibädern spielen, kann ich einfach nicht genug bekommen. Da ploppen bei mir direkt Gefühle und Gerüche auf: Sonnencreme auf der Haut, der Geruch nach Freibadfritten vermischt mit penetrantem Chlorgeruch. Zwischen Eiscreme, Handtüchern und dem Schwimmbecken spielt sich auch ein kleiner Teil von Julles Geschichte ab. Der Hauptprotagonist ist 14 Jahre alt, etwas orientierungslos, voller Fragen und einfach mitten in der Pubertät. Julle und seine Familie sind mir auf Anhieb sympathisch. Wie in jeder Familie läuft nicht alles rund. Das Familienband ist dennoch eng. Lohse zeichnet warmherzig die verschiedenen Nuancen zwischen Freundschaft und Liebe. Die Unsicherheiten der Pubertät sind dabei immer spürbar. Wird seine erste große Liebe erwidert?
Der Schreibstil ist sehr präzise und klar. Tatsächlich kommt es mir in Teile so vor, als würde ein 14 Jähriger wirklich schnörkellos von seinem Leben berichtet. Etwas schade ist, dass der Klappentext inhaltlich fast alles vorweg nimmt. Mit knapp 180 Seiten eignet sich Lohses Roman hervorragend für einen Ausflug an den See oder ins Freibad. Fallen lassen, Gerüche einatmen und nochmal kurz den Sommer der 1970er erspüren!

Lohse gelingt ein kurzweiliger Sommerroman über die erste große Liebe und der Suche nach Orientierung in der Pubertät in sommerlicher Atmosphäre.

Bewertung vom 24.07.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


weniger gut

EINE VOLLSTÄNDIGE LISTE ALLER DINGEM, DIE ICH VERGESSEN HABE

"In meiner Familie hat man keine Wahl, das Wollen wird einem diktiert." (S. 12)

I N H A L T:
Sie ist die Tochter, die stets unsichtbar war neben ihren braven, blonden Schwestern. Sie ist die alleinerziehende Mutter, die sich stets nach mehr Freiheit und Unterstützung sehnte. Sie ist die Überempfindliche, die stets mehr spürte als andere. Sie ist jemand, der Veränderungen hasst. Doch irgendetwas muss geschehen. Denn ihre Kinder sind im Begriff auszuziehen, und sie muss sich verkleinern, ihr altes Leben ausmisten, herausfinden, was davon sie behalten, wer sie in Zukunft sein will.

M E I N U N G:
Aussortieren, aufräumen und das Leben überdenken. Doris Knecht widmet sich in ihrem neuen Roman den Themen Wendepunkte, Selbsterfahrung und Neubeginn. Wie ist es, wenn die Kinder plötzlich ausziehen? Man das eigene Zuhause aufgeben und eine neue Bleibe finden muss? Eine Wohnung die gefüllt ist mit Emotionen, Erinnerungen und dem warmen Gefühl von Zuflucht und Zuhause. Autofiktional begleiten wir Knecht in verschiedene Phasen ihres Lebens: erfahren mehr von ihrer Kindheit, dem Mutter sein und den Zweifeln. Die Selbstreflexion und der Umbruch einer Frau, deren Leben sich verändert, konnten mich nicht so richtig ansprechen. Die Idee die Vergangenheit und die Zukunft gleichermaßen zu sortieren bzw. zu reflektieren finde ich sehr spannend. Die Umsetzung empfand ich als holprig. Die Protagonistin sehr kritisch, negativ und ausschweifend, erzählt verschiedene Episoden ihres Lebens. Dabei kommt es einem so vor, als würde sie über fast jeden Aspekt negativ urteilen. Emotional und thematisch konnte es mich leider nicht berühren. Eine Erzählung, die mich einfach nicht angesprochen hat.

Ein Wendepunkt im Leben. Leider kann mich Doris Knecht sprachlich und inhaltlich nicht mit ihrem neuen Roman erreichen.

Bewertung vom 13.07.2023
Elternhaus
Mank, Ute

Elternhaus


weniger gut

ELTERNHAUS

"Sie redeten um etwas herum. Um etwas, das zwischen ihnen lag wie ein Berg, dessen Namen und dessen Höhe sie nicht kannten." (S. 81)

I N H A L T:
Sanne, die nur ein paar Straßen von ihren Eltern entfernt lebt, bekommt deren Alltag hautnah mit. Immer häufiger muss sie helfen, den Eltern wächst das Haus über den Kopf. Und so beschließt sie, dass die beiden umziehen müssen. Als ihre Schwester Petra von den Plänen erfährt, ist sie entsetzt. Wie kann Sanne die Eltern entwurzeln? Das angespannte Schwesternverhältnis wird auf eine existentielle Probe gestellt. Und beide müssen sich die Frage stellen, wann sie sich so unglaublich fremd geworden sind? Und wie es sich anfühlt, plötzlich kein Elternhaus mehr zu haben?

M E I N U N G:
Das Elternhaus: Heimathafen, Erinnerungen und Schauplatz so vieler Momente. Ich glaube, dass man kein Gebäude so genau kennt, wie das eigene Elternhaus. Ute Mank thematisiert in ihrem neuen Roman den Bruch mit dem Elternhaus, das Verlassen und die damit verbundenen Emotionen. Die drei Schwestern Sanne, Petra und Gitti könnten nicht unterschiedlicher sein. Zwischen ihnen steht eine laute Leere ungesagter Worte und der Verkauf des Elternhauses. Ute Mank hat es mir schwer gemacht mit ihrem neuen Roman. Sprachlich und emotional habe ich so gar nicht in das Buch hinein finden können. Mehrmals habe ich überlegt das Buch abzubrechen. Die ständigen Perspektivwechsel zwischen Sanne und Petra sind kurzweilig, bieten jedoch wenig Inhalt. Die Spannung, Neugierde und das Ziel des Buches blieben mir in weiten Teilen fern. Von der dritten Schwester Gitti, die als Verbindungstür zwischen beiden Schwestern dient, erfährt man kaum etwas. So plätschert die Handlung, trotz der wirklich toll gewählten Thematik, vor sich hin. Die Angst, das Bedauern, vielleicht auch die Wut um das Elternhaus erreichen mich nicht. Die Eltern spielen eine Nebenrolle. Vielmehr geht es um die zerrüttete Geschwisterperspektive, ein Aufeinander zugehen und missglückter Kommunikation. 

"Elternhaus" erzählt von Geschwistern, deren Grundpfeiler mit dem Verkauf des Elternhauses ins Wanken kommen, die ihre Beziehung beleuchten und gar nicht so genau wissen, wann aus Schwestern Fremde wurden. Sprachlich und emotional konnte mich "Elternhaus" leider nicht überzeugen. 

Bewertung vom 03.11.2022
Als die Welt zerbrach
Boyne, John

Als die Welt zerbrach


sehr gut

• ALS DIE WELT ZERBRACH •

"Der Junge im gestreiften Pyjama" ist eines der bewegendsten Bücher, die ich je gelesen habe. Mit "Als die Welt zerbrach" schafft John Boyne eine Fortsetzung des Weltbestsellers.

I N H A L T:
Am Ende ihres Lebens erinnert sich Gretel an die verhängnisvollen Ereignisse ihrer Kindheit: Ihre Geschichte, die Geschichte der Tochter eines Lagerkommandanten, deren Bruder auf tragische Weise verschwand, erzählt so klug wie sensibel von den Folgen einer lebenslangen Schuld.

M E I N U N G:
Ich glaube, dass "Der Junge im gestreiften Pyjama" fast jedem in Buch-oder Filmform bekannt ist. Die kindliche Unschuld, die auf eine tragische und brutale Gegenwart knallt, hat mich damals sehr mitgenommen. Meine Erwartungen an eine Fortsetzung waren dementsprechend hoch und die Vorfreude gewaltig! Im Mittelpunkt der Handlung steht ganz klar die individuelle Schuldfrage. Ist Gretel für die Taten als zwölfjähriges Kind mitverantwortlich? Wie viel wusste sie von der Arbeit ihres Vaters als KZ-Kommandeur? Gretel blickt hochbetagt durch alltägliche Erinnerungen und Augenblicke in ihre Vergangenheit zurück. Längst Verdrängtes kommt zum Vorschein. Gretel als erwachsene, alte Frau ist mir teils sympathisch und in einigen Momenten zuwider. Die Intention des Autors die Schuldfrage zu klären, falls dies überhaupt möglich ist, ist für mich nicht geglückt. Die Handlungsweisen der 90jährigen Gretel sind mir teils suspekt und nicht nachvollziehbar, vor allem das Ende betreffend. Trotzdem hat mich Boyne mit der Fortsetzung gefesselt, unterhalten und nachdenklich gestimmt. Den Fokus auf die Flucht vor der Schuld einer zwölfjährigen und die lebenslangen Folgen der Taten ihres Vaters zu legen, sind ergreifend.

📖 Ein Buch, durch das man hindurchrauscht und welches sich lohnt zu lesen.