Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
firstprince

Bewertungen

Insgesamt 20 Bewertungen
12
Bewertung vom 07.04.2023
Nachtjagd
Fjell, Jan-Erik

Nachtjagd


sehr gut

Des Rätsels Lösung liegt in der Vergangenheit- Spannender Thriller

"Nachtjagd" von Jan-Erik Fjell ist der sechste Teil einer Reihe um den Osloer Kriminalkommissar Anton Brekke und ein Thriller, der geschickt verschiedene Handlungs- und Zeitstränge einführt und diese befriedigend am Ende zusammen führt und es dabei schafft, die Spannung konstant hoch zu halten und für fesselnde Wendungen zu sorgen.

Es gibt zwei Haupthandlungsstränge, einer spielt 2006 in einem amerikanischen Todestrakt in Texas statt und der andere in der Gegenwart in Norwegen.
Nathan Sudlow ist wegen Mehrfachmordes zum Tode verurteilt und bricht kurz vor seiner Hinrichtung im Jahre 2006 sein Schweigen über Ereignisse in seinem Leben, die in den Jahren 1989 und später 1994 auf einer Hurtigruten-Kreuzfahrt stattgefunden haben.
In der gegenwärtigen Zeitebene wird eine grausam zugerichtete Frauenleiche entdeckt. Der Mord erinnert an die Taten des entflohenen Serienmörders Stig Hellum. Anton Brekke und Magnus Torp werden mit dem Fall betraut und versuchen, den vor Jahren bei einer Verlegung in ein anderes Gefängnis geflüchteten Stig Hellum zu finden. Doch dann taucht eine weitere Leiche auf und der Fall wird immer verworrener.

"Nachtjagd" lässt sich anfangs etwas Zeit und fokussiert sich mehr auf die verschiedenen Charaktere, allen voran Nathan und Anton, der mit einer bakteriellen Entzündung alsbald außer Gefecht gesetzt wird und vom Krankenhaus aus die Ermittlungen seines jüngeren Kollegen Magnus verfolgt. Der parallel erzählte Handlungsstrang rund um Nathan Sudlow verwirrt hierbei zunächst eher leicht, als das er Klarheit bringt. Doch mit der Zeit weiß auch dieser einen zu fesseln, um dann in einem spannenden gemeinsamen Finale zu enden.
Trotz alledem konnte der Thriller mich von Beginn an in seinen Bann ziehen. Dank verschiedener Perspektiven, kurzer Kapitel und einiger Cliffhanger fliegt man nur so durch über 500 Seiten und man rätselt mit, was hinter den Morden steckt und ob Stig Hellum wirklich zurück ist.
Neben der Sogwirkung, kann er auch mit einer vielschichtigen und glaubhaften Charakterzeichnung und einer atmosphärisch düsteren Beschreibung der Handlung aufwarten.

Kurz: Ein gut konstruierter, rätselhafter und atmosphärisch fesselnd geschriebener Thriller von Anfang bis Ende, der durch zwei tolle Ermittlerduo und interessanten Charakteren überzeugen kann.

Bewertung vom 07.04.2023
Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3
Seeburg, Uta

Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3


sehr gut

Der gleiche Fall, 20 Jahre später - bildreich erzählt

Der historische Kriminalroman "Der treue Spion" erzählt bildreich und fesselnd mittels zwei Zeitsträngen das Rätsel um einen verschwundenen französischen Diplomaten 1896 in München.

Im Jahr 1896 folgt man Gryszinski wie er es zunächst mit dem Vermisstenfall eines französischen Diplomaten aus dem Münchener Hotel Vier Jahreszeiten zutun bekommt. Bald darauf wird die Leiche eines Erfinders in München gefunden, der in Verbindung zum Vermisstenfall steht. Ehe sich Gryszinski versieht, befindet er sich gemeinsam mit seiner Frau auf einer Reise quer durch Europa, um dem Geheimnis um den verschwundenen französischen Diplomaten und den Geheimplänen über eine Erfindung, die telegrafische Falschmeldungen ermöglichen soll, befindet.
20 Jahre später wird sein Sohn Fritz erneut mit dem ungelösten Vermisstenfall konfrontiert, der ähnlich wie sein Vater auch auf Reisen quer durch Europa geschickt wird, um das Rätsel endlich zu lösen.

Abwechselnd aus den zwei Zeitebenen erzählt, die geschickt und logisch miteinander verknüpft werden, baut sich nach und nach Spannung auf, um dann in einem wendungsreichen und spannenden Finale zu enden, das Lust auf eine Fortsetzung macht.
Durchaus atmosphärisch und detailliert beschrieben, auch wenn manchmal etwas zu viel, findet das damalige Zeitgeschehen und das Leben der Hauptpersonen Eingang in die gut erzählte Handlung.
Dank der bildreichen Beschreibung der beiden Protagonisten, Vater und Sohn, erhält man schnell vielschichtige Charakterporträts der beiden, doch auch die Charakterzeichnung der anderen handelnden Personen kann überzeugen.

Auch wenn es sich um den 3. Teil einer Reihe um den Major Gryszinski handelt, muss man die vorherigen Bände nicht gelesen haben, um sich zurechtzufinden und Gefallen an dem stimmungsvoll gut erzählten sowie spannend konstruierten historischen Kriminalroman zu finden.
Für Fans der Reihe und Liebhaber bildhaft erzählter historischer Krimis.

Bewertung vom 11.03.2023
Der weiße Fels
Hope, Anna

Der weiße Fels


sehr gut

Sprachlich tolle Abenteuerreise zu einem geheimnisvollen Felsen

"Der weiße Fels" von Anna Hope ist ein interessantes Konzept, schön geschrieben und absolut fesselnd. Der Roman erzählt vier getrennte Geschichten, die Jahrhunderte auseinanderliegen und nur durch den gleichnamigen Weißen Felsen verbunden sind. Der titelgebende Weiße Fels ist in der indigenen Kultur der Wixarika ein heiliger Ort, an dem die Götter geboren wurden und der Ort, an dem alles Leben begann, was ihn zu etwas Besonderem und Heiligem macht.. Für die vier Personen, die im Fokus der vier Geschichten aus vier verschiedenen Zeiten stehen, spielt der Weiße Fels, der vor San Blas, an der Küste Mexikos aus dem Pazifik ragt, eine zentrale Rolle in ihrem Leben. Bei den Personen und Namensgeber für die Kapitel handelt sich um "Der Leutnant" (1775), "Das Mädchen" (1907), "Der Sänger" (1969) und "Die Schriftstellerin" (2020).

Die Handlung springt in der Zeit zurück und vorwärts, beginnend in der Gegenwart mit einer Person, die als "Die Schriftstellerin" bezeichnet wird und mit einem Kleinbus voller anderer Menschen zu dem Felsen pilgert, um für die Geburt ihres Kindes zu danken. Von der Gegenwart geht es dann in die Sechzigerjahre, den Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und schließlich ins sechzehnte Jahrhundert. Der Sprung zurück ins Jahr 1969 folgt mit einen Sänger, der von Jim Morrison inspiriert ist und der sich auf einer Tournee nach Mexiko befindet und dabei ist, sich selbst mit Alkohol und Drogen zu zerstören. Die dritte Geschichte erzählt anhand eines jungen Mädchens vom grausamen Sklavenhandel mit den Ureinwohnern, den Yoeme aus der Region Sonora, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Zwangsarbeiter nach San Blas gebracht wurden. Die vierte Geschichte "Der Leutnant" spielt im Jahre 1775 und handelt von der spanischen Kartierung der Küste und die Aneignung des Gebiets als Teil des spanischen Imperiums.

Bei allen vier bekommt man einen Einblick in ihre Welt und wie sie in irgendeiner Weise mit dem Felsen in Berührung kommen. Die Zeitachse bewegt sich vor und zurück, sodass man beim Lesen leicht zwischen den Figuren wechseln kann. Es gibt kein endgültiges Ende für eine der Geschichten, sondern nur einen Einblick in das Leben der Personen in dem Moment, in dem sie mit dem Felsen in Kontakt kommen. Genau hier liegt auch mein Problem mit dem Roman als Ganzes. So hätte ich gerne noch mehr über die verschiedenen Personen erfahren und auch wie und ob sich ihr Leben nach der Begegnung mit dem Felsen geändert hat. So enden die Geschichten teils doch etwas abrupt und wirken so unvollendet. Auch kann ich kein wirklich verbindendes Element außer dem Weißen Felsen und die Suche der handelnden Personen nach Antworten, Hoffnung, Glauben und Führung durch den Felsen zwischen den vier Geschichten ausmachen, der eine romanübergreifenden Aussage ermöglicht. So bleibt das Gefühl zurück, dass irgendetwas "fehlt".

Die Stärke des Romans liegt ganz eindeutig in seiner sprachlichen Gestaltung. Durch den ganzen Roman zieht sich ein poetischer und emotionaler Schreibstil, der einen in seinen Bann zu ziehen weiß. Ebenso zeugt das Buch auch von einer guten Recherche und spricht gekonnt Themen wie z. B. kulturelle Aneignung und Klimawandel an.

Alles in allem ist "Der weiße Fels" von Anna Hope ist ein wunderschön geschriebener Roman mit einer fesselnden Handlung und gut entwickelten Charakteren, in die man sich leicht hineinversetzen kann, der sich als Ganzes jedoch unvollständig und etwas unzusammenhängend anfühlt.

Bewertung vom 09.03.2023
Mit den Augen des Opfers / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.3
Strobel, Arno

Mit den Augen des Opfers / Max Bischoff - Mörderfinder Bd.3


sehr gut

Solider Krimi statt Thriller

Im 3. Band der "Mörderfinder"-Reihe um den Fallanalytiker Max Bischoff geht es wie gewohnt spannend, auch wenn etwas gemächlicher als sonst zu. So ist der 3. Band eher als ein gut geschriebener und konstruierter regionaler Krimi anzusehen anstatt eines Thrillers.

Mit diesem Hilfegesuch hat Max Bischoff nicht gerechnet, die ihm wenig wohlgesinnte Polizeirätin und Chefin des KK11 in Düsseldorf Eslem Keskin bittet Max um Hilfe in einem alten unaufgeklärten Vermisstenfall und zwar den um Peter Kautenberger vor 22 Jahren. Keskin hat neue Hinweise in Form eines privaten Tagebuches erhalten und möchte, dass Max inoffiziell im Weinort Klotten an der Mosel ermittelt. Dort angekommen, merkt Max jedoch schnell, dass seine Nachforschungen nicht von allen Dorfbewohnern gern gesehen werden und dass die damaligen Freunde des Vermissten etwas verschweigen. Kaum beginnt Max mit seinen Ermittlungen, taucht schon die erste Leiche auf und bald schwebt auch Max in Lebensgefahr.

Wie gewohnt lässt der anschauliche und klare Schreibstils Strobels einen durch die Seiten fliegen. Kurze Kapitel und Kapitel aus Sicht einer zunächst unbekannten Person sorgen für zusätzliche Spannung. Der Fall ist gut durchdacht und logisch aufgebaut. Nach und nach kommt ein weiteres Puzzleteil dazu, auch die ein oder andere Wendung, die zu überraschen weiß. Ebenso können die glaubwürdige Charakterzeichnung und die gute Ausarbeitung der Beziehungen zwischen dem "Ermittlerteam" rund um Max überzeugen.

Trotzdem konnte der Krimi mich nicht komplett begeistern, da mir besonders Max als Fallanalytiker zu kurz kam. In seinen Ermittlungen war davon nämlich kaum etwas zu spüren. Es las sich eher wie "normale" Ermittlungsarbeit, der fallanalytische Aspekt kam nicht wirklich zur Anwendung.

Insgesamt ist "Mörderfinder - Mit den Augen des Opfers" ein solider Krimi für Strobel Verhältnisse, aber einer mit angezogener Handbremse, was Spannung und Ausgestaltung des Falles angeht. Für Fans auf jeden Fall lesenswert.

Bewertung vom 09.03.2023
Dschomba
Peschka, Karin

Dschomba


sehr gut

Eigenwillig und feinfühlig erzählter Roman über das Leben in der Fremde

"Dschomba" von Karin Peschka ist ein unaufgeregt erzählter Roman über das Fremdsein sowie ein feinfühliges Porträt eines Dorfes und ihrer Bewohner.

So merkwürdig der Einstieg in die Handlung des Romans ist, so eigenartig ist auch der sprachliche Stil des Romans.
Der Serbe Dragan Džomba tanzt eines Nachts 1954 nackt auf dem Eferdinger Pfarrfriedhof und wird dabei misstrauisch von den Dorfbewohnern beäugt. Zunächst findet Džomba dank des Dechants Quartier im Pfarrhaus, bis er dort jedoch wieder ausziehen soll. Seine neue Unterkunft ist dann eine Hütte auf dem "Serbenfriedhof". Mit der Zeit knüpft Džomba zu manchen Dorfbewohnern freundschaftliche Bande, wiederum andere werden nie ihren Argwohn und ihr Misstrauen ihm gegenüber los. Das Fremde und Seltsame bleibt Džomba immer erhalten, auch noch Jahre später, als die 10-jährige Wirtstochter ihm gelegentlich ein Bier serviert und eine gewisse Verbindung und Faszination ihm gegenüber verspürt.

Zu Beginn der eher spannungsarmen Erzählung wird man mit dem Geheimnis um das rätselhafte Verhalten von Džomba konfrontiert sowie mit einem Schreibstil, der es einem anfangs nicht wirklich leicht macht, in die Geschichte hineinzufinden. Kurze und abgehackte Sätze wirken beim Lesen auf einem fremd und seltsam wie Džomba den Dorfbewohnern. Doch je mehr man über Džomba und die Gemeinde Eferding mit seinen Bürgern kennenlernt, desto mehr gewöhnt man sich an den eigenartigen Schreibstil und sieht in ihm eine feinfühlige und liebevolle Charakterzeichnung.
Erzählt auf zwei Zeitebenen und durchsetzt mit Erinnerungen aus der Vergangenheit, wird nach und nach das Geheimnis um Džomba gelüftet, das eng mit der Vergangenheit des Dorfes Eferding als Kriegsgefangenlager verknüpft ist.
Die Handlung kommt dabei ohne große Spannungsmomente auf, plätschert teilweise wie Donau dahin, weiß jedoch trotzdem zu fesseln. Es entsteht hierbei ein überzeugendes, berührendes und differenziertes Porträt des Protagonisten, des Dorflebens und der Dorfbewohner.

"Dschomba" ist ein Roman, dem man Zeit geben muss, auf einen zu wirken.
Wem der eigenwillige sprachliche Stil nicht abschreckt, wird mit einer interessanten und feinfühlig erzählten Geschichte über ein nahezu vergessenes Kapitel österreichischer Dorfgeschichte sowie über das Leben in der Fremde belohnt.

Bewertung vom 09.03.2023
In blaukalter Tiefe
Hauff, Kristina

In blaukalter Tiefe


sehr gut

Spannend erzählter Segeltörn in die Katastrophe

"In blaukalter Tiefe" von Kristina Hauff ist ein fesselnder, kammerspielartiger Spannungsroman, der von der ersten Seite an einen beim Lesen in seinen Bann zieht.
Erzählt aus verschiedenen Perspektiven begleitet man Caroline, ihren Mann Andreas, Andreas Anwaltskollegen Daniel und dessen Frau Tanja, wie gemeinsam mit dem Skipper Eric zu einem Segeltörn in die schwedischen Schären aufbrechen. Was als eine sorgenfreie Auszeit vom Alltag geplant war, endet jedoch schon bald in einer Katastrophe, denn schnell wird deutlich, dass jeder seine eignen Geheimnisse hat und dass unter der nach außen ruhig wirkenden Fassade im inneren Konflikte brodeln, die drohen, sich ihren zerstörerischen Weg nach draußen zu bahnen. Zudem scheint der Skipper Eric nicht der zu sein, der er vorgibt zu sein...

Von Beginn an wird ziemlich schnell klar, dass jedes Mitglied der Segelgemeinschaft auf Zeit sich etwas anderes von dem Segeltörn verspricht.
Dank der kurzen Kapitel und der häufigen Perspektivenwechsel gewinnt man einen guten Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt aller handelnden Personen sowie einen Eindruck der angespannten Stimmung und Dynamik innerhalb der Gruppe. Die so gewonnene Außen- und Innenperspektive ermöglicht so ein vielschichtiges und detailliertes Gesamtbild der Lage auf dem Segelschiff. Das Bild, das hierbei von den einzelnen Charakteren gezeichnet wird, ist hierbei alles andere als positiv und wenig sympathisch, doch genau hier liegt der Reiz der unheilvollen Geschichte.
Konstant wird so die Spannung hochgehalten und man fragt sich, wann die unterschwellig feindliche Stimmung explodieren wird und es zur Katastrophe kommt.
Einzig Carolines als Charakter konnte mich nicht so richtig überzeugen, da teilweise zu überzogen und zu wenig glaubwürdig.
Neben der scharfen und klugen Charakterisierung der handelnden Personen sticht der atmosphärische und bildliche Schreibstil hervor. Die stimmungsvolle Beschreibung der Küstenlandschaft verstärken den bedrohlichen und geheimnisvollen Ton des Romanes. Man fühlt sich regelrecht als Teil der Segelgemeinschaft, bei der man nebenbei auch etwas über das Segeln lernt.

Insgesamt ist "In blaukalter Tiefe" von Kristina Hauff ein atmosphärisch beklemmender, thrillerartiger und gut konstruierter Roman, dessen Stärke in der Charakterisierung der Personen und ihrer Geheimnisse und inneren Konflikte liegt. Zudem lässt die Spannung zu keinem Zeitpunkt spürbar nach lach und das Ende weiß zu überraschen.

Bewertung vom 05.02.2023
The Man I Never Met - Kann man lieben, ohne sich zu kennen?
Cook, Elle

The Man I Never Met - Kann man lieben, ohne sich zu kennen?


sehr gut

Bei Anruf Liebe

3.5 von 5 Sternen

Ein falscher Anruf wird Hannahs und Daveys Leben für immer verändern.

Hannah ist Single und lebt in London. Sie ist eine junge Frau, die mit ihrem Leben zufrieden ist, sie verbringt Zeit mit ihrer besten Freundin und deren Mann.
Davey ist Brite, aber er lebt seit seiner Kindheit in den USA.
Als Davey sich verwählt und anstatt bei seinem Gesprächspartner für sein Jobinterview bei Hannah anruft, kreuzen sich ihre Wege zum ersten Mal, auch wenn nur übers Telefon. Noch am selben Abend schickt Davey eine SMS, in der er ihr mitteilt, dass er den Job bekommen hat und dass er dafür bald nach London umziehen wird. In den nächsten Tagen und Monaten werden aus Kurznachrichten, die zu Telefonaten und schließlich zu Videoanrufen werden. Sie werden zu Freunden, doch aus den Freundschaftsgefühlen wird bald mehr.
Als Daveys Umzug kurz bevorsteht, können beiden nicht aufhören, darüber nachzudenken und freuen sich darauf, endlich zusammen zu sein. Hannah beschließt, ihn vom Flughafen abzuholen, aber Davey taucht nicht auf, und der Grund dafür ist ein, der alles verändern wird.

*enthält Spoiler*

"The Man I Never Met" ist eine Liebesgeschichte voller Glück und Hoffnung, aber auch eine, die man so nicht erwartet.
Der Titel ist Programm, denn bis fast zum Ende des Buches werden Hannah und Davey sich nicht treffen und der Grund ist ein trauriger. Denn kurz bevor Davey nach London umziehen will, wird bei ihm Krebs festgestellt und es sieht nicht gut aus.
Während für Davey beginnt die Chemotherapie in den USA beginnt, versucht Hannah nach dem Schock in England für ihn dazu sein, was jedoch auf Dauer nicht so leicht ist. Man folgt beiden, wie sie jeweils getrennt voneinander versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, neue Wege gehen, sich voneinander entfernen und dann wieder einander näher kommen über einen längeren Zeitraum hinweg.

Erzählt aus Hannahs und Daveys Perspektive
bekommt man einen guten Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt und wünscht sich ein Happy End für beide.
Trotz des schweren und emotionalen Themas ist der Roman locker und leicht geschrieben und zeichnet sich durch eine gute und glaubwürdige Charakterdarstellung aus.
Einzig zum Ende hin verliert sich der Roman etwas in zu vielen Zufällen und kitschigen Momenten. Weniger wäre hier mehr gewesen.

"The Man I Never Met" von Elle Cook ist ein emotionaler Liebesroman, bei dem das Kennenlernen, das sich (Wieder)finden sowie das Hoffen im Vordergrund stehen.
Nette und gefühlvolle Liebesgeschichte für Zwischendurch mit zwei sympathischen Protagonisten.

Bewertung vom 05.02.2023
Sibir
Janesch, Sabrina

Sibir


sehr gut

Sprachlich toll erzählte Kindheit des Vaters in Sibirien

"Sibir" von Sabrina Janesch ist eine sprachlich eindrucksvoll und von der eigenen Familiengeschichte beeinflusste erzählte Geschichte über Vertreibung, Heimat und das Fremdsein.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht Josef Ambacher, der als 10-jähriger gemeinsam mit seiner Familie wie auch Hunderttausend anderer Deutscher nach Sibirien in die Fremde von der Sowjetarmee verschleppt wird. Jahre später kommt er nach Deutschland und ist dort wie auch in der Steppe Kasachstan Fremder. Verwoben wird seine Geschichte mit der seiner Tochter Leila, die selbst das Fremdsein aufgrund ihrer polnischen Mutter spürt und sich daran macht, die nachlassende Erinnerungen ihres Vaters zu behalten, sodass sein Lebensgeschichte nicht in Vergessenheit gerät. Josefs Schicksal steht für das vieler Deutscher, die 1945 nach Sibirien vertrieben wurden und erinnert eindringlich daran.

Ständig wechselnd zwischen der Vergangenheit in Sibirien und den 90er-Jahren in der Mühlheide wird die Geschichte aus Sicht von Josef und Leila erzählt, wodurch eine vielschichtige Charakterzeichnung beider entsteht.
Atmosphärisch erwacht hierbei unter der Feder von Janesch die sibirische Landschaft zum Leben. Gerne hätte ich noch mehr aus der Kindheit Josefs gelesen und mehr aus der Zeit während und nach der Vertreibung und der Rückkehr nach Deutschland gelesen. So blieben für mich manche Handlungsstränge etwas zu sehr an der Oberfläche oder erschließen sich mir nicht ganz.
Darüber hinaus wird auch deutlich mit welchen Herausforderungen, Problemen und Anfeindungen Josef als Kind zu kämpfen hatte und die ihn und seine Tochter auch noch in Deutschland begegnen. Es wird aber auch spürbar, welche Kraft, sie aus ihrer Gemeinschaft ziehen, aber auch welche Schatten aus der Vergangenheit noch über ihnen liegen. Als nach Zusammenbruch der Sowjetunion neue Aussiedler aus Russland kommen, treteb alte Erinnerungen hervor während Josef den neuen Ankömmlingen hilft. Die Geschichte regt dabei zum Nachdenken über Heimat an und gibt auch Einblicke in das Leben der "Russlanddeutschen".

Trotz der leichten emotionalen Distanz mancher Textstellen ist "Sibir" ein wichtiges Buch über das Schicksal vieler Hunderttausend Deutscher in der Sowjetunion nach 1945 und ist aufgrund der Thematik Vertreibung, der Bedeutung von Heimat sowie Leben und Ankommen in der Fremde zeitlos aktuell. Mit großer sprachlicher Eleganz schafft es die Autorin ein berührendes von der Geschichte geprägtes Familienporträt zu erzählen, von dem ich gerne noch mehr erfahren hätte.

Bewertung vom 05.12.2022
Wintersterben
Krüger, Martin

Wintersterben


sehr gut

Schweigen in den Alpen

"Wintersterben" von Martin Krüger ist ein spannender Thriller mit Gruselelementen, der in den Schweizer Alpen spielt.

Valeria Ravelli wird beauftragt, den Mord an einem ehemaligen BKA-Ermittler und Fremdenlegionär aufzuklären. Gefunden wurde dessen schon mumifizierte Leiche, die Spuren von längerer Folter aufweist, in einer Höhle in den Walliser Alpen. Gemeinsam mit einem Kollegen ermittelt sie in dem Fall. Dafür begibt Valeria sich in das Dorf Steinberg, in dem ihr eine Welle des Schweigens und der Feindseligkeit ausgehend von den eigenbrötlerischen Einwohnern entgegenschlägt. Jeder Dorfbewohner scheint Geheimnisse zu haben. Je mehr sie ans Licht bringt, desto stärker begibt sie sich in Gefahr und es beginnt ein Spiel um Leben und Tod.

Von Beginn an schafft es der Autor durch relativ kurze Kapitel und viele Wendungen den Spannungsbogen aufzubauen und hochzuhalten, der in einem rasanten Finale und einem Cliffhanger endet. Aus wechselnden Perspektiven folgt man Valeria und ihrem Kollegen Colin Baines, wie sie nach und nach dem Geheimnis rund um den BKA-Mann aufdecken und die Wand des Schweigens brechen. Besonders gut gelungen ist dem Autor die Erzeugung einer düsteren und beklemmenden Atmosphäre. Mit wenigen Worten fühlt man den Regen auf der Haut, ist den feindseligen Blicken der Dorfbewohner ausgesetzt und wird das unheimliche Gefühl, nicht los, beobachtet zu werden. Gekonnt wird hierbei mit Realität und Einbildung gespielt, sei es in dem Alpendorf oder in der stark abgeschirmten Luxusvilla eines zwielichtigen reichen Industriellen.
Einzig zum Ende hin schwächelt die Handlung ein bisschen und wirkt zu überladen und abgedreht im Vergleich zum Rest der Geschichte. Weniger wäre hier mehr gewesen verliert die Handlung doch so ein bisschen an Glaubwürdigkeit.

Nichtsdestotrotz ist "Wintersterben" ein spannender Thriller von Anfang bis Ende, der vor allem durch seine atmosphärisch düsteren Beschreibungen punkten kann.

Bewertung vom 05.12.2022
Die Stunde der Hyänen
Groschupf, Johannes

Die Stunde der Hyänen


weniger gut

Hyänen ohne Biss

"Die Stunde der Hyänen" von Johannes Groschupf ist eine Milieustudie mit Krimi- und Spannungselementen, die mich leider nicht wirklich überzeugen konnte.

Brennende Autos, Berlin-Kreuzberg als Handlungsort, brisante Themen und interessante Charaktere aus unterschiedlichen Milieus, die durch die Brände mehr oder weniger direkt miteinander verbunden sind, stehen im Mittelpunkt dieses Romans.

Eine intensive und klare Sprache lässt einen in das Leben der handelnden Personen eintauchen und es wird teils auch ein gutes Charakterbild gezeichnet trotz mancher Klischees. Doch schon nach den ersten Seiten verliert der Roman deutlich an Fahrt und ich musste mich trotz der kurzen Kapitel nahezu zwingen weiterzulesen. Zum Spannungsabfall hat geführt, dass zum einen schon ziemlich früh klar ist, wer der Brandstifter ist und man Zeuge wird, was ihn antreibt und zum anderen, dass sich eher auf das Leben und die Probleme der einzelnen Hauptpersonen fokussiert wird als auf die Handlung. Zwar werden hier interessante Beobachtungen angestellt, jedoch verliert sich die Erzählung teils in Nebensächlichkeiten und die Ermittlungen treten in denen Hintergrund, was ich so nach Lesen des Klappentextes nicht erwarte habe. Auch dass Jette ein Super Recognizer ist, spielte kaum eine Rolle.
War der Anfang streckenweise langatmig und verlor sich in uninteressanten Erzählungen, überschlugen sich die Ereignisse zum Ende hin regelrecht und die Handlung insgesamt verlor an Tiefe und Glaubwürdigkeit.
Der Autor versucht mehrere Themen wie z. B. Brandstiftung, Kindermissbrauch, Sekten, Mobbing und Beziehungsgewalt in zu wenig Seiten zu packen und lässt so die Chance verstreichen, ihnen alle die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdient hätten.

"Die Stunde der Hyänen" ist ein Roman, der vielversprechend beginnt und mit einer guten Handlungsidee aufwartet, doch leider zu viel auf einmal sein will und dadurch sein Potenzial verschenkt. Eine überfrachtete Handlung mit Längen im ersten Teil und Charaktere, die zum Ende hin an Profil verlieren, sorgen eher für Frust als spannenden Lesegenuss.

12