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7jochen
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Aichach

Bewertungen

Bewertung vom 24.08.2009
Westwand
Messner, Reinhold

Westwand


gut

Wer in diesem Buch Berichte über klassische Westwandrouten erwartet, wird enttäuscht sein. Wer sich aber auf die in einen Bericht über die Ortler-Westwand-Besteigung von 2004 eingebetteten Reflexionen von Reinhold Messner einlässt, wird es trotzdem spannend und lesenswert finden.
Messner dürfte dieses Buch vor allem aufgrund seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit dem Tod seines Bruders Günter anlässlich der Nanga Parbat Besteigung "in die Feder geflossen sein", auch deswegen, weil der Film von Vilsmeier bald in die Kinos kommt. Nachwievor hat der die Angriffe von Funktionären, Journalisten und auch Insidern nicht verwunden und wehrt sich dagegen.
Auch wenn man im Buch oft die Messner eigene Hybris verspürt, so hat er es eigentlich nicht nötig sich aufgrund seiner konsequent gelebten "Fair Means" Einstellung zum Klettern gegen die vielen Kritiker zu verteidigen. Auch seine Einstellung zum immer leistungs- und rekordbetonten "Speedbergsteigen" der letzten Jahre, zum Verkürzen einer alpinistischen Tour auf die Bezwingung einer vorher abgesicherten Schlüsselstelle, wird vielen Puristen aus dem Herzen sprechen.
Wichtig ist sicherlich seine Betonung der Elemente, die das Bergsteigen wirklich ausmachen und vom Klettergarten unterscheiden.
Das Buch rekapituliert die Entwicklung vom jungen Draufgänger mit unbändigem Drang zur "Freiheit im Fels" über den Höhenbergsteiger bis zu den Erfahrungen im späteren Alter in den Wüsten der Welt. Messner betont dabei immer den Selbstzweck seiner Erstbesteigungen und Alleingänge und wehrt sich gegen alle Vereinnahmungen seiner Person und seiner Aktionen für idealisierende oder politische Auseinandersetzungen mit der Natur und dem Bergsteigen.
Gerade die Bezüge auf die Aktionen in der "grünen Phase" von Messner sind radikal, hier hat er abgeschlossen mit der ideologischen Auseinandersetzung mit Umwelt- und Alpenzerstörung, was bei ihm zählt, ist nur die persönliche Aktivität.
Der Klimawandel, dessen universelle Verwendbarkeit in der öffentlichen Diskussion langsam unerträglich wird, wird auch von Messner mehrdimensional betrachtet. Vor dem Hintergrund der Gefahr abbrechender Seracs in der 2004 er Ortlerbesteigung stellt der Autor Überlegungen über die Gefahrlosigkeit dieser Route in späteren Jahren nach dem Abschmelzen der Eiskappen an. Aber auch hier bleibt die aktuelle Gefahr, mit der sich die Auseinandersetzung lohnt, nicht die aktivistische Herangehensweise an das globale Problem.
Philosophischen Tiefgang bekommt das Buch bei den Überlegungen zur Verantwortbarkeit des Verzichts auf Sicherungsmittel beim ausgesetzten Klettern. Hier vertritt Messner das Grundrecht jeden Individuums, seinen persönlichen Grad der Exponiertheit oder auch einfach der Freiheit im Tun selbst zu bestimmen. Hier wirkt er kämpferisch wie eh und je und gibt all denen Rückhalt, die sich nicht bevormunden lassen wollen.
Mit dem Schluss des Buches kommt in den Passagen über die Klettererlebnisse mit seinem Sohn tatsächlich auch etwas an Altersweisheit und Versöhnlichkeit.
Alles in allem lesenwert für "Messner-Fans", aber auch für alle, die klassisches Bergsteigen dem Sportklettern und den immer "chililgeren" Ausrichtungen von Alpenververein und Co. nichts abgewinnen können.

7 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.