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Nachtgedanken
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München

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Bewertung vom 20.10.2012
Eifler Zorn
Pistor, Elke

Eifler Zorn


ausgezeichnet

Bereits mit den zwei ersten Romanen um die Polizistin Ina Weinz Gemünder Blut und Luftkurmord zeigte Elke Pistor ein besonderes Talent zur Figurenzeichnung. Ihr nun vorliegender dritter Roman der Reihe, Eifler Zorn, zeichnet sich wieder durch eine besonders intensive Nähe zu den Protagonisten aus.

Auch hier arbeitet die Autorin mit verschiedenen Zeitebenen, die sie geschickt verwebt. Ein Teil spielt in Gemünd Anfang des 20. Jahrhunderts und sie beschreibt die damaligen Verhältnisse in einem Erziehungs- und Ausbildungshaus für Jungen akkurat, aber nie voyeuristisch. Der Leser nimmt teil am Leben dieser Jungen, die teils aus nichtigen Gründen aus ihren Familien gerissen wurden und hier mit Drill und Strenge bis hin zur Brutalität zu guten kaisertreuen Untertanen erzogen werden sollen. Paul ist ein intelligenter Junge, der in dieses Leben hinein katapultiert wird und vor die Wahl gestellt wird, sich opportunistisch zu verhalten oder seine Lebensträume zu begraben.

Wie weit geht ein Mensch um sich selbst und die, die er liebt, zu schützen und wie wirken seine Handlungen auch noch nach Jahrzehnten nach? Diesen Fragen geht Elke Pistor auch im zweiten Erzählstrang nach. Dieser ist in der Gegenwart angesiedelt. In einem Abrissgebäude in Gemünd wird eine Leiche gefunden, die dort möglicherweise schon länger liegt. Ihr fehlen beide Hände. Ina Weinz, die sich mittlerweile als Streifenpolizistin ganz gut eingelebt hat, zieht die Kripo Bonn hinzu. Auch die ermittelnden Kollegen sind keine Unbekannten, Judith, deren Mentorin sie einst war und die jetzt eine steile Karriere gemacht hat, und Sauerbier, der kurz vor der Pensionierung steht, müssen ihre Kompetenzstreitigkeiten hintanstellen, um noch einen weiteren Mord zu klären, der Parallelen zum ersten Fall hat.

Die Ereignisse werde teilweise aus Ina Weinz' Sicht in der Ich-Perspektive erlebt, was eine ganz besonders Nähe zu diesem interessanten Charakter schafft. Nicht nur die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen werden deutlich, sondern auch das Privatleben der Polizistin, das sich letztendlich nur schwer vom dienstlichen trennen lässt, wird sehr eindringlich geschildert. Sie muss mit einer veränderten Lebenssituation zu Recht kommen, die sicher so manchen überfordern würde. Ina, die schon damit abgeschlossen hatte, kinderlos zu bleiben, hat die Verantwortung für eine pubertierende Dreizehnjährige übernehmen müssen und findet sich nun auf einmal in der Rolle der alleinerziehenden berufstätigen Mutter wieder.

Neben einer Handlung, die ihre Spannung auch, aber nicht nur, aus den beiden scheinbar gegensätzlichen Erzählsträngen bezieht, ist es vor allem die Figurenzeichnung, die diesen Krimi zu etwas Besonderem macht. Jede der handelnden Figuren sieht sich irgendwann einmal mit einer Grenze konfrontiert, an der sie sich entscheiden muss, ob sie sie überschreitet oder im schlimmsten Fall zu Grunde geht. Das geht unter die Haut und bringt den Leser emotional sehr nah an die Figuren.

Mein Fazit:
Auch ohne großes Blutvergießen und Gemetzel ist Eifler Zorn ein spannender Roman, der tief in die menschliche Seele blicken lässt.