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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
robertp
Wohnort: 
Guntramsdorf

Bewertungen

Insgesamt 26 Bewertungen
Bewertung vom 20.08.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


ausgezeichnet

Krise, aber überwiegend heiter
Das Titelbild zeigt uns eine geheimnisvolle Dschungelstadt. Ein Raubtier blickt uns bedrohlich ins Gesicht und über allem steht der volle Mond. Das Titelbild ist ansprechend und schon nach einigen Seiten gefällt mir dieses Buch außergewöhnlich gut. Der Krieg an der Grenze zu Europa, Ben ein Schweizer, der nicht weiß wohin er im Fall der Fälle flüchten soll. Obwohl die Lage nicht lustig ist, ist der Humor in den Zeilen immanent. Während die NATO vom Atomkrieg ausgeht stellt seine noch Ehefrau Marina fest, dass kein Olivenöl mehr im Haus ist.
Ben ist Jude, Verfolgung liegt in seinen Genen, seine neue Freundin Julia ist eine Schweizer Künstlerin. Bei ihr verbringt er die Hälfte der Woche, da er Sorgerecht und Bett mit Marina teilt – wohnen ist teuer in der Schweiz. Hals über Kopf will die Noch-Ehefrau nach Brasilien, ein Atomanschlag ist unvermeidlich sagen die Medien. Marina nimmt ihren Ehemann mit nach Recife. Ben wollte eigentlich nach Petropolis, wie sein Vorbild Stefan Zweig. Und so geht es ins Exil – „.. er konnte unmöglich mit Julia nach Brasilien fahren …. Brasilien war ein Flucht-, kein Urlaubsziel, das musste man strikt trennen ..“ (S. 35).
Eine tragisch komische Geschichte breitet Micha Lewinsky hier aus. Der Autor aus der Schweiz kommt aus dem Filmgenre und das merkt man dem Roman auch an. Die Handlung findet in Innenräumen statt, die Schweiz und Brasilien bieten die große Hintergrundkulisse. In seinem zweiten Buch schreibt der Drehbuchautor über einen erfolglosen (Drehbuch)Autor – einige Dialoge entspringen vielleicht aus eigenem Erlebnissen.
Der Protagonist sieht in seinem Leben immer die Möglichkeiten, er kann sich aber nicht entscheiden, also folgt er dem geringsten Widerstand. „Vielleicht war das Flickwerk aus Neurosen … das Ben großspurig „sein Leben“ nannte …“ (S.167). Letztlich kommt es zu einer Aussprache mit Marina und einer Rückkehr in die Schweiz. Zuvor erlebt er aber ein enttäuschendes Erlebnis beim Besuch der Casa Zweig.

Für alle die sich kurzweilig unterhalten wollen und dem Humor, auch dem jüdischen, nicht abgeneigt sind.

Bewertung vom 19.08.2024
Reise nach Laredo
Geiger, Arno

Reise nach Laredo


sehr gut

Der müde König
Das Titelbild ist auf den ersten Blick unspektakulär – alles rot. Blickt man näher hin, entdeckt man zwei Reiter, die auf eine kahle rote Festung zureiten.
Die Geschichte wird vom „Privatmann“ Karl erzählt. Karl ist eigentlich Karl V (1500-1558) Kaiser des Hl. Römischen Reiches und König von Spanien. Seine Titel hat er zurückgelegt und er lebt jetzt zurückgezogen in seinem Palast neben dem Kloster von Yuste, wo alle auf seinen Tod warten.
Karl ist alt und sehr krank – die Gicht plagt ihn. Schon ein Bad erfordert eine wissenschaftliche Übung in Hydraulik und Mechanik. Der Umgang mit seinen Mitmenschen erscheint mir mehr aus einem Meister gegen Knecht Verständnis zu entspringen. Männer und Frauen warten darauf ihn zu bedienen, der Tod (Geier) kreist schon über ihm, aber loslassen will er noch nicht. In seinem Spezialstuhl hält er Hof, sagt beleidigende Dinge und fühlt, dass er beleidigt, kann aber nicht anders.
Seinen Frieden findet er einzig im Schlaf und dieser wird ihm durch Laudanum (Opiumtinktur) ermöglicht. Und hier – im Schlaf - beginnt die Reise nach Laredo. Karl reitet mit dem Jungen Geronimo, seinem illegitimen Sohn, mit Pferd und Esel los. Auf Grund seiner Schmerzen muss er aber den Esel benutzen. Auf der Reise treffen sie ein Geschwisterpaar, retten es aus Kalamitäten und reisen gemeinsam weiter. Die Vier verbringen lange Zeit in einem Gasthof eines verlassenen Dorfes. Essen, Trinken und Kartenspielen wechseln einander ab, die Zeit scheint stillzustehen. Ein tragisches Vorfall führt letztlich zur Weiterreise nach Laredo (an der Atlantikküste im Norden Spaniens) wo sich Karl und Geronimo im Meer ein Bad gönnen.
Der Klappentext macht ziemliche Anspielungen auf Don Quijote und dieses Buch habe ich in meiner Jugend ganz gerne gelesen. Tatsächlich haben die beiden Bücher nur die Reise durch Spaniens Hinterland gemeinsam. Im Buch von Arno Geiger sind kaum komische Situationen zu finden. Der geschichtlich wahre Hintergrund wird literarisch durch die „Reise“ ergänzt. Geiger arbeitet die historischen Figuren im Roman zu Antagonisten der Queste um. Die karge Landschaft, das Leben der Menschen im Hinterland (.. des hohen einsamen Landes ..) Spaniens und die Lebensbedingungen der Cagots werden geschildert. Die Cagots waren Ausgestoßenen, die sich einem Enten- oder Gänsefuß aus Stoff anhängen mussten. Ihnen war ein normales Leben verwehrt, sie hatten keine Rechte – Analogien zum 20. Jahrhundert werden deutlich.
Die Reise endet mit einer großen Welle, die über Karls Kopf hinweg bricht, der Exkaiser stirbt in seinem Bett in Yuste.
Für alle die Lust haben eine historische Figur in einer fiktiven, aber glaubhaften, Reiseerzählung kennenzulernen. Ich habe ziemlich viel über das Leben in Spanien im 16. Jahrhundert erfahren.

Bewertung vom 05.08.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


ausgezeichnet

Freiheit gesucht
Eilish Stack, Wissenschaftlerin, Mutter von vier Kindern und verheiratet mit Larry wohnt in einem nicht weit entfernten Irland.
Larry wird bei einer Demo von der Polizei inhaftiert und verschwindet im Dschungel der Gerichtsbarkeit. Notstandsgesetze werden einberufen und immer stringenter angewendet. Die Schwester von Eilish, vor Jahren nach Kanada verzogen, bittet diese sich ins Ausland abzusetzen, aber die verzweifelte Frau will weder Heimat noch Ehemann verlassen. Der ältere Sohn geht in den Widerstand, ihr dementer Vater wird nach Kanada überführt, das Eigenheim liegt alsbald in einer Kriegszone und wird teilweise zerstört. Immer noch hält Eilish daran fest zu bleiben, da geschieht das nächste Unglück.
Paul Lynch schreibt von einer Zukunft, die schon eingetreten ist. Kriege in Syrien, aktuell in der Ukraine und Israel bedrohen die Menschen. Per Gesetz werden demokratische Werte abgeschwächt wie zuletzt in Amerika und Ungarn. Somit ist die Geschichte keine Utopie sondern eine Wahrheit und sie zeigt, dass der Mensch sich selbst der größte Feind ist.
Der Autor beschreibt in aufwendiger Bildsprache die Geschehnisse - "Du kannst den Wind nicht aufhalten, .. und der Wind wird durch das ganze Land wehen, .." S. 134 oder " .. das ist ein schwarzes Loch, das sich vor uns auftut, .. und selbst wenn das Regime gestürzt wird, das schwarze Loch wird weiter wachsen und dieses Land auf Jahre verzehren .." S. 155.
Ich habe einige Seiten gebraucht, um mich in die Sprache des Autors einzulesen, je weiter das Geschehen fortschreitet, desto schwieriger wird es die Gedanken von Eilish von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Man ist erschüttert zu lesen wie schnell Bürgerrechte zu leeren Worthülsen verkommen und Menschen zu Dingen werden.
In der Geschichte die völlig aus der Sicht von Eilish erzählt wird, war mir ihr dementer Vater die liebste Figur. Der Mann ist so realistisch dargestellt, so als würde er neben einem stehen. Ich habe mich gefreut als klar wurde, dass er nicht verschollen sondern in Kanada gelandet ist.
Für alle, die über die gegenwärtige Weltlage, ihre Kriege etc. literarisch aufbereitet lesen wollen. Alles Leid, dass ein Krieg mit sich bringt wird geschildert und man hofft, dass dies einen selbst nicht betreffen wird - aber schnell kann. Ein weiteres Buch zum Thema kann ich noch empfehlen - John Lanchester: Die Mauer.

Bewertung vom 15.07.2024
Das Schicksal der Fluchträger - Teil 1: Träume und Erinnerungen
Niklas, Philipp C.

Das Schicksal der Fluchträger - Teil 1: Träume und Erinnerungen


gut

Ein im Wasser liegendes, dunkles Schwert ziert den Umschlag und auch der Titel verheißt Unheil im Land Errion. Der Untertitel weist darauf hin, dass noch mindestens ein Folgeband erscheinen wird. Zwei Burschen - Kellen und Fionn - wie Huck Finn und Tom Sawyer, wollen sie auf Abenteuer aufbrechen als sie ein havariertes Segelschiff finden. Als sie dieses wieder flott machen stoßen sie auf ein altes schäbiges Schwert. Als Fionn dieses berührt kommt es zu einer Reaktion und er wird zum sogenannten Fluchträger. In der Folge wird versucht ihm das Schwert wieder abzunehmen. Dabei wird sein Heimatdorf verwüstet und er findet Zuflucht in der Burg seines Herzogs. Parallel dazu wird die Geschichte von Samanta erzählt, die als Junge Sam verkleidet in den Minen von Nindis arbeitet, um ihre Familie durchzubringen.
In diesem ersten Teil haben die beiden Geschichten keine Beziehung zueinander. Wie diese zusammengeführt werden, wird wahrscheinlich der nächste Band zeigen. Mir hat das Schicksal von Sam besser gefallen, hier ist mehr Dynamik – das Mädchen ist ständig der Gefahr ausgesetzt entlarvt zu werden. Die Story in der Mine ist auch viel spannender erzählt, es wird nicht viel herumgeredet sondern bleibt sozusagen immer am Punkt.
Fionn’s Geschichte wird für mich sehr ausgewalzt und verzettelt sich in unzähligen Details, die in diesem Band nicht aufgelöst werden. Somit bleibt sowohl das Verhältnis der beiden Burschen zueinander unbestimmt (wird aus Freundschaft Liebe?), als auch das Schicksal des Fluchträgers total offen, da die Verfolger ebenfalls in einer scheinbar ausweglosen Situation stagnieren.
Für alle die Fantasiebücher a la Tolkien lieben und sich viel Zeit nehmen wollen, um das „Schicksal des Fluchträgers“ auch zu erleben.

Bewertung vom 22.06.2024
Darwyne
Niel, Colin

Darwyne


ausgezeichnet

Das Titelbild zeigt einen finsteren Mangrovenwald. Auf den gewaltigen Wurzeln liegt eine Rieseneidechse und wartet. Ja worauf ? Auf den Jungen Darwyne, den niemand mag oder ein kleines Beutetier? Im Slum Bois Sec, im Dschungel Französisch-Guayanas, lebt der Bub gemeinsam mit seiner Mutter und deren, sich stets erneuernden, Liebhabern. Darwyne will bei seiner Mutter und dicht am Wald leben, wenn möglich sein Leben lang, auch wenn er Stiefväter von Acht bis Tausend hinnehmen muss. Dieser Wald gibt ihm die Kraft sein Leben, andere Menschen, die Schule zu überstehen.
Die den Dschungel liebende Sozialarbeiterin Mathurine erkennt diese Verbindung, sie fühlt sich dem Jungen nahe, kann aber längerfristig keine Bindung zu ihm aufnehmen.
Wir erlesen die Geschichte eines außergewöhnlichen Jungen mit einer heimlichen Gabe. Eines Sohnes, der seine Mutter wahnsinnig liebt und deshalb alles erträgt, damit sie ihn zurückliebt. Auf der Strecke bleiben die Fremden - Männer die Darwyne fürchten und sich nicht zu wehren wissen.
Mathurine ist die einzig positiv besetzte Person in diesem Roman. Allen andere ist Gewalt, Missbrauch und animalische Wildheit immanent. Die Sozialarbeiterin sehnt sich nach einem Leben im Einklang mit der Natur, so wie Darwyne es bereits lebt, schreckt aber vor der Gewalt, die dieses Leben braucht zurück.
Für alle die Lust haben sich auf eine düstere Familiengeschichte in den Tropen einzulassen. Unheimlich und langsam steigert sich die Spannung und löst sich in einem gewaltigen Tropensturm, der alles zerstört auf.
Die Ähnlichkeit des Namens Darwyne mit Charles Darwin (Evolutionstheoretiker) ist natürlich vom Autor gewollt.

Bewertung vom 12.05.2024
Allzumenschliches
Meurisse, Catherine

Allzumenschliches


sehr gut

Philosophische Leckerbissen
Ich gestehe, dass ich für dieses Buch länger als eine Woche gebraucht habe. Eine grapic novel, ein Comic mit knapp hundert Seiten – überall Bilder, das hätte ja schneller gehen sollen – denkt man sich. Tatsächlich konzentriert „Allzu menschliches“ von Catherine Meurisse ein Lexikon der Philosophie auf engsten Raum und mit viel Witz. 46 mal hat sie auf je zwei Seiten ein Zitat oder die Essenz der Gedanken der jeweiligen Person eingefangen und mit einem Schlusswitz neutralisiert. Ohne diesen Schlussgag würde man in der jeweiligen Idee verharren und (in meinem Fall wohl) verzweifeln. Die Geschichten werden in den Alltag einer modernen Frau gestellt. Der männliche Denker (nur 3 Frauen finden hier Platz) verfügt über den Raum, den seine Gedanken mehr oder weniger befüllen, sprich als Sprechblase überfüllen oder lautmalerisch ausschmücken. Der Autorin bleibt das letzte Panel (Zeichnung) um sich mit einer witzigen Bemerkung/Darstellung aus der Gedankenwelt zu befreien.
In dem Buch finden sich überwiegend Franzosen (20) gefolgt von acht Deutschen Denkern. Den Griechen, die ja die Philosophie erfunden haben, werden fünf Kapitel gewidmet. Platon der mit seinem Höhlengleichnis wohl Bekannteste wird mit knapp 50 Buchstaben treffend desavouiert.
Die Zeichnerin und Autorin hat sich hier selbst als Beobachterin oder Fragende in jedem Kapitel eingebracht. Mit mehr (Martin Heidegger) oder weniger (Platon) Text füllt sie die die Zeichnungen. Diese sind vor allem bei der Darstellung der Gelehrten äußerst wirklichkeitsnahe. Der Hintergrund ist meist nur monochrom, Ortsdarstellung/Häuser/Landschaften sehr detailliert ausgeführt.
Das Handlettering von Olav Korth und die Übersetzung von Kilian Pithan sind sensationell gut gelungen.
Für alle die Zeit und Lust haben sich auf ein philosophisches Abenteuer einzulassen, Bilder mehrmals anzusehen und sich vor langen Textpassagen nicht fürchten – sie erhalten ein kurzweiliges Studium und eine Einführung in die Gedanken der letzten dreitausend Jahre.

Bewertung vom 29.04.2024
Unter dem Moor
Weber, Tanja

Unter dem Moor


ausgezeichnet

Tanja Weber (Berlinerin, schreibt viel, auch unter Pseudonymen wie Marie Matisek oder Henrike Engel) spielt in „Unter dem Moor“ mit der Zeit und unterschiedlichen Perspektiven. Sie erzählt die Geschichten dreier deutscher Frauen, die sich im Stettiner Haff (die zweitgrößte Lagune der Ostsee) aufhalten und dort generationsübergreifend miteinander verbunden sind.
Im Heute findet die Ärztin Nina, die sich eine Auszeit gönnt, im Moor Menschenknochen und wird in das Leben der ehemals als Landgrafen berühmt/berüchtigen Familie Von Wetzlaff einbezogen.
Die Tote ist Sigrun, Ehefrau von Achim Wetzlaff und schon Jahrzehnte verschwunden – in den Westen geflohen hieß es in der Familie.
Gine Heuer muss 1936 ihr Landjahr auf dem Gut derer Von Wetzlaff abdienen. Für sie heißt es durchhalten, aushalten und kämpfen.
Tanja Weber springt durch die Jahrzehnte und verwebt die Geschichten der Frauen immer stärker ineinander. Es ist spannend als Leser immer mehr Verbindungen zu erkennen, denn letztlich haben die Frauen ihre eigenen, interessanten Schicksale und auf den ersten Blick nichts miteinander gemeinsam..
Mir gelingt es nicht aus der Geschichte auszusteigen, ich lese sie beinahe in einem Zug durch. Nicht nur bekommt man eine spannende Geschichte – fast einen Krimi – zu lesen, nein auch über die Landschaft an der polnischen Grenze und deren Geschichte erfährt man – zumindest für mich – viele Neuigkeiten.
Für alle Leser die eine neue Seite der Geschichte von Ost-/Westdeutschland anhand einer klug gemachten Familiensaga aus weiblicher Sicht kennenlernen wollen. Männer werden sicherlich auch gerne mitlesen.

Bewertung vom 17.04.2024
Mit den Jahren
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren


ausgezeichnet

Schon als ich das Titelblatt gesehen hatte, wollte ich dieses Buch lesen. Die drei Personen (ein Mann, zwei Frauen) strahlen eine heftige innere Kraft aus. Sie stehen an einem Geländer und sind sichtlich miteinander intensiv verbunden. Wohin diese Verbindung führt zeigt der Roman, der sich dem Leser beim Umblättern offenbart.
Die Autorin Jana Steenfatt (Hamburgerin und lebt in Leipzig) hat die handelnden Personen gekonnt in eine Umgebung gestellt, die sie kennt. Lukas, ein Maler, kommt aus einem „guten“ Haus Hamburgs und hat Eva geheiratet. Die beiden haben zwei Kinder und leben in Leipzig, wo auch Jette arbeitet.
Langsam treiben die Figuren aufeinander zu. Jette lernt Lukas kennen und beginnt eine Beziehung. Neu ist, dass sie einen Mann zu sich lässt, ist sie doch bisher nur mit Frauen zusammengewesen. Schicksal oder Zufall lässt auch die beiden Frauen einander kennenlernen.
„Bei einem gleichschenkeligen Dreieck sind zwei Seiten gleich lang, während die dritte Seite die Basis bildet.“ Im Dreieck Lukas-Jette-Eva ändert sich die Basis ständig, doch sind sie (ohne es noch zu wissen) jeweils ein gewichtiger Teil des Ganzen.
Die Figuren sind einem alsbald ans Herz gewachsen. Keinem wünscht man ein schlimmes Ende, jedoch schwebt beim Umblättern jedes Mal ein solches drohend über dem Zenit. Die Kleinfamilie wächst einem ans Herz, Jette ist sofort sympathisch. Jede Seite wird immer rascher gelesen und am Ende steht man da und denkt sich „hätte ich gedacht, dass es wirklich so ausgehen kann?“
Für alle die eine Liebesgeschichte lesen möchten, die eigentlich keine ist, sondern eine Beobachtung dreier Menschen die Spuren ineinander hinterlassen.

Bewertung vom 28.03.2024
Der blaue Salamander
Ventura, Luca

Der blaue Salamander


sehr gut

Blau wie das Meer
Blauer Salamander:
1. Lucertola Azzurra (blaue Eidechse): weist eine blaue Pigmentierung der Schuppen aus und ist nur in Capri (Italien) beheimatet.
2. Eine Handtasche deren Existenz nur einmalig bekannt ist (Eignerin Sofia Loren), wurde aber ursprünglich für Giorgio De Lulla exklusiv angefertigt, der sie seiner Frau schenkte daher gibt es zwei Exemplare.
Der Autor Luca Ventura (Pseudonym) hat eine Serie von Büchern über die Polizsten der Insel Capri geschrieben und nimmt die Geschichte des blauen Salamanders als Basis seines neuesten Romans.
Die bekannten Modistin Rosalinda Fervidi wird im Beichtstuhl der Kirche von Capri erdrosselt aufgefunden. Als mutmaßlicher Täter wird der Straßenkehrer Salvatore von den ermittelnden Beamten aufs Festland überführt. Der einheimische Polizist Enrico Rizzi ist jedoch von seiner Unschuld überzeugt und nimmt die Suche nach dem Täter auf der Insel auf. Gemeinsam mit seiner Kollegin Antonia Cirillo verfolgen die „Agenti“ verschiedene Spuren und stoßen so auch auf das Geheimnis der blauen Salamander Handtasche.
In diesem Fall wird die Zusammenarbeit des Duos stark belastet. Cirillo empfindet die bestimmende Art ihres Kollegen, der die Unschuld des Straßenkehrers als gegeben ansieht, als unprofessionell. Sie selbst möchte nach allen Seiten korrekt ermitteln (wurde sie doch nach Capri zwangsversetzt) um möglichst rasch wieder aufs Festland zu ihrem Sohn zurückzukommen.
Lustiges Detail – scheinbar gibt es nur einen Straßenkerhrer auf Capri, denn als dieser verhaftet wird steigt das Müllaufkommen der Touristen sichtbar und man befürchtet neapolitanische Verhältnisse.

Ich habe keinen der vier vorangegangenen Romane gelesen, konnte mich aber rasch in die italienische Mentalität einlesen. Die Agenti sind mir schnell vertraut geworden und ihre Probleme waren für mich nachvollziehbar und im Kontext des Romans verankert.
Jetzt im Nachhinein erinnert mich der Roman an die Geschichten von „Bruno Chef de police“ von Martin Walker. Auch hier ermittelt ein Polizist inmitten seiner Freunde, kocht mit ihnen, streitet und verträgt sich wieder.
Also für alle die Italien und Vespa fahren lieben, sowie bei einem Krimi auf Blut verzichten können.

Bewertung vom 12.03.2024
Im Schatten des Thronfolgers
Neumeyer, Christine

Im Schatten des Thronfolgers


sehr gut

Frühling in Kakanien
1909: Kammermeister, Gutsverwalter, Barone und Freiherrn spielen die Hauptrollen im neuen Fall der Kriminalabteilung zum Schutz des Hauses Habsburg mit dem Ermittlerduo Pospischil und Frisch.
Im Schloss Artstetten, dem Sommersitz des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand wird im Zuge eines Neubaus ein totes Baby entdeckt. Die beiden Geheimagenten werden in den wunderschönen Nibelungengau gesandt um unauffällig zu ermitteln.
Neben der Aufklärung des mysteriösen Todesfalls müssen auch noch Erpressungen und ein weiterer Mord aufgeklärt werden. Mit Ruhe und modernen Hilfsmittel (tragbare Kamera) gelingt den beiden Polizisten dies auch.
Der Fall gerät etwas ins Hintertreffen, da sich die Autorin mehr für das Leben und die Umstände des „gemeinen Volkes“ interessiert. Schilderungen des nicht wirklich einfachen Lebens der Bauern, Hebammen und Ärzte werden unaufgeregt und eindringlich an den Leser gebracht. Die Natur („alles aus der Region“) lenkt das Leben der Menschen. Auch die Liebe hält Einzug im Leben des Herrn Pospischil, wenn auch (vorerst?) nur für eine kurze Woche.
Für alle Leser die sich gerne mit der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzen. Die Moderne mit Automobilen, Frauen in Männerberufen und moderner Malerei (Sezessionisten) hat Einzug im Leben der Kakanier genommen.