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Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1165 Bewertungen
Bewertung vom 03.01.2025
Not your Darling
Blake, Katherine

Not your Darling


sehr gut

Das Lip Girl

„… Männer scheinen gern mal Pechsträhnen zu haben, wenn du in der Nähe bist.“ (S. 338)
Margaret arbeitet in der Nähe von Liverpool in der Kosmetikabteilung von Woolworth und träumt davon, Maskenbildnerin in Hollywood zu werden. Als sie einen amerikanischen Schieber kennenlernt, der Probleme mit dem Zoll hat, erkennt sie ihre Chance und reist als seine Frau Loretta mit ihm nach Amerika. Sie zwingt ihn noch, sie nach Hollywood zu bringen, bevor sie ihm sein Geld klaut und ein neues Leben beginnt. Sie lernt einen sehr schönen mittellosen jungen Schauspieler kennen, den sie heiratet, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Ihre Ehe ist ein Desaster, aber sie schafft es tatsächlich, einen Job bei DEM Maskenbildner Hollywoods zu ergattern. Unter ihrem neuen Namen Loretta Darling fängt sie ganz unten an und arbeitet sich hoch, ist bald als das „Lip Girl“ bekannt, weil sie ein Faible für Lippenstifte hat. Doch wie schon in England, begegnen ihr auch in Hollywood jeden Tag übergriffige Männer, die sich an den jungen Frauen, egal ob Angestellte oder Schauspielerinnen, schadlos halten. Aber sie hat sich geschworen, das nicht mehr hinzunehmen …

Katherine Blake hat mich mit „Not your Darling“ überrascht und schockiert. Auf der einen Seite zeigt sie das Glamourleben Hollywoods, die Stars und Sternchen und wie man mit den richtigen Beziehungen in die Club, auf wichtige Partys oder einen Job bekommt.
Loretta ist gewitzt, schlau und zielstrebig. Sie ergreift jede Chance und nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden Tricks. Aber sie ist nicht bereit, wirklich alles für ihren Traum zu tun und wehrt bzw. rächt sich auf sehr subtile Weise gegen Belästigungen. Sei es durch ein Schlafpulver im Drink, eine allergieauslösende Pflanze in der Kosmetik oder noch Schlimmeres – sie zahlt es den Peinigern heim.
Denn Katherine Blake zeigt auch die Drogenpartys der Filmschaffenden, wie die jungen Frauen ausgebeutet, sexuell belästigt und vergewaltigt werden und ihnen dann auch noch eingeredet wird, dass sie selbst schuld daran wären. Wenn eine der Schauspielerinnen schwanger wird, zahlt das Studio wenigstens die Abtreibung, die anderen Mädchen müssen allein klarkommen. Hier hätte ich mir eine Triggerwarnung gewünscht. Außerdem hätte gern etwas genauer gewusst, was früher bei Loretta zu Hause passiert ist, da diese Parts etwas schwammig formuliert sind –auf jeden Fall war es kein schönes Leben. Und auch wenn mir die sexuelle Gewalt gegen Frauen zu oft und deutlich formuliert wurde, macht es doch klar, warum Margaret zu Loretta werden musste.

Mein Fazit: Der spannende und atmosphärische Roman zeigt, wie sich eine Frau in den 50ern in Hollywood neu erfindet und subtil gegen übergriffige Männer wehrt.

Bewertung vom 10.12.2024
Zwischen Ende und Anfang
Moyes, Jojo

Zwischen Ende und Anfang


sehr gut

Der ganz normale Wahnsinn?

Lila, Autorin von Beziehungsratgebern, führt ein scheinbar perfektes Leben mit ihrem Mann und zwei Töchtern. Doch ausgerechnet zum Erscheinen ihres neuen Buches, wie man die Liebe in einer langen Ehe frisch hält, verlässt er sie wegen einer Anderen, die er auch gleich noch schwängert. Kurz darauf stirbt Lilas Mutter und ihr Stiefvater Bill zieht bei ihr ein. Celie, ihre ältere Tochter ist mitten in der Pubertät und schmeißt lieber Türen statt zu reden, und das Nesthäkchen Violett hat Angst, noch jemanden zu verlieren. Lila ist am Ende, als auch noch ihr leiblicher Vater Gene auftaucht. Er hat die Familie verlassen, als sie 4 war, um in Amerika Karriere als Schauspieler zu machen. Jetzt ist sein Ruhm verblasst und er braucht dringend einen Platz zum Schlafen. Da kollidieren nicht nur verschiedene Lebensweisen und Altersstufen, sondern konkurrierenden auch zwei alte Männer, die sich überhaupt nicht ausstehen können, um die Liebe einer verstorbenen Frau. Und als wäre das alles nicht schon chaotisch genug, lernt Lila zwei Männer kennen, die ernsthaft an ihr interessiert zu sein scheinen …

Jojo Moyes neuer Roman „Zwischen Ende und Anfang“ hat es mir mit seiner depressiven Grundstimmung zu Beginn nicht leicht gemacht. Lila kommt nicht darüber hinweg, dass ihr Mann sie verlassen hat und ihre Mutter gestorben ist. Ihre Agentin hängt ihr wegen einem neuen Buch im Nacken, in ihrem alten Haus ist immer etwas kaputt, und ihr Hund ist verhaltensgestört. Sie fühlt sich von ihrem Leben, den Kindern und Bill überfordert, weiß aber, dass er das Familienleben aufrecht hält. Er kocht (leider viel zu gesund) für alle und begleitet Violett zur Schule, damit sich Lila nicht den gehässigen Sprüchen der anderen Mütter stellen muss. Bill war früher beim Militär, ist für Ordnung, Sauberkeit und feste Regeln. Und dann kommt da Gene, den sie seit 40 Jahren nicht gesehen haben, pleite, unbeschwert und mit dieser „Ich-bin-ein-Star-Attitüde“, die sie und Bill in den Wahnsinn treibt. Aber er hat einen guten Draht zu seinen Enkelinnen, holt sie aus ihren Schneckenhäusern und erlaubt, was Lila und Bill verbieten. Langsam wird alles besser, bis sie ein lang gehütetes Geheimnis ihrer Mutter entdecken, was wieder alles ändert.

Das Buch ist keine leichte Lektüre für zwischendurch, obwohl es sich sehr flüssig liest. Man fühlt Lilas Einsamkeit und Mutlosigkeit, aber Jojo Moyes schafft es mit leisem Humor, die Hoffnung wieder in deren Leben einziehen zu lassen. Lila muss erst mit ihrem alten Leben abschließen und ihr Selbstbewusstsein wiedererlangen, bevor etwas Neues beginnen kann. Und irgendwann versteht sie, dass es verschiedene Arten von Familien gibt und man sich am Ende auf diejenigen verlassen kann, von denen man es am wenigsten erwartet. „Es ist keine traditionelle Familie. Aber das heißt nicht, dass es keine Familie ist.“ (S. 313)

Bewertung vom 26.11.2024
Herzklopfen im Handgepäck
Saxx, Sarah

Herzklopfen im Handgepäck


ausgezeichnet

Weihnachten mit Freunden

Merle und ihre Freunde haben für Weihnachten eine idyllische Waldhütte in den österreichischen Alpen gebucht. Alle freuen sich auf gemütliche Feiertage ohne den üblichen Stress und die unweigerlich stattfindenden Familienstreits. Doch dann bringt einer der Jungs einen Überraschungsgast mit – Lucas, den sie nach ihrer letzten Begegnung nie wiedersehen wollte. Das wissen ihre Freunde aber nicht. Und da sie nicht abreisen will, schließlich hat sie die Reise organisiert, geht sie ihm einfach aus dem Weg. Dumm nur, dass Lucas immer ihre Nähe sucht …

„Herzklopfen im Handgepäck“ von ist ein romantischer Weihnachtsroman und perfekt geeignet, um sich in Weihnachtsstimmung zu bringen. Die Freunde verbringen eine wunderbare Zeit zusammen in den verschneiten Bergen, kochen, lachen, spielen und unternehmen ganz viel gemeinsam. Dabei knistert es ordentlich zwischen Merle und Lucas, aber die will das nicht zulassen – schließlich hat er sie verletzt. Doch je mehr sie sich gegen ihre Gefühle wehrt, desto schwerer fällt es ihr, Lusas zu widerstehen. Wird sie am Ende doch noch schwach?!

Das Buch von Sarah Saxx ist gleichzeitig ein Adventskalender, da die Handlung in 24 Kapitel eingeteilt ist, die jeweils über 2 Doppelseiten gehen. Diese müssen erst aufgetrennt werden (falls man das Buch verschenken will, könnte man einen schönen Brieföffner dazulegen). Man kann sich also nur selber beschummeln, wenn man heimlich eher weiterliest.
Die Seiten sind passend zur Handlung wunderschön illustriert. Außerdem wird die Geschichte durch eine Weihnachtsplaylist, verschiedene Rezepte und ein Stadt-Land-Weihnachten-Spiel ergänzt.

Bewertung vom 25.11.2024
Sommerfrische in Südtirol
Wiedemann, Kerstin

Sommerfrische in Südtirol


sehr gut

Die Urlaubs-WG

„… dir stehen alle Türen offen, du kannst jetzt machen, was du willst!“ „Du glaubst, die Welt wartet auf eine mittellose, in die Jahre gekommene Buchhändlerin?“ (S. 20) Das verflixte siebente Jahr hat Britts Herzensprojekt, ihre kleine Buchhandlung Leseslust, leider nicht überstanden. Schweren Herzens muss sie den Laden schließen. Zusammen mit ihrem besten Freund Jonas, der unter einem Pseudonym sehr erfolgreich Liebesromane schreibt, räumt sie das Geschäft am letzten Tag aus, dabei fällt ihnen eine Zeitungsanzeige ins Auge: Verbringen Sie den kompletten Juni auf dem Ritten, gehen Sie wandern, lassen Sie die Seele baumeln … Kurzentschlossen schreiben sie dem Vermieter, ein bisschen Urlaub zum Abschalten haben sie sich verdient. Bald darauf stolpern zwei Frauen in den Laden. Sarah, eine Marathonläuferin, ist ihrem Mann buchstäblich davongerannt und Rosa, ein rüstige Siebzigjährige, dem Renovierungslärm aus der Nachbarwohnung. Britt hat Mitleid und bietet ihnen an, mit nach Italien zu reisen, schließlich hat das Haus 5 Schlafzimmer. Und so verbringen sie bald einen Monat zusammen in den Südtiroler Alpen. Natürlich läuft da gerade zu Beginn nicht alles glatt, aber sie wissen die Vorzüge und Fähigkeiten des jeweils anderen bald zu schätzen und genießen zusammen Land und Leute – und Tiroler Spezialitäten.

Die Mitglieder der Urlaubs-WG sind gerade alle in einer Umbruchphase. Britt weiß nicht, was sie nach der Aufgabe ihres Buchladens machen soll. Außerdem nervt ihre Mutter, will sie zum Abnehmen und Daten zwingen, denn wenn sie endlich einen Mann findet, müsste sie nicht mehr arbeiten.
Jonas hat eine Schreibblockade und ist unglücklich verliebt.
Sarah ist seit 18 Jahren mit ihrem Mann zusammen, der auch ihr Trainern und Manager ist. Seit einiger Zeit hat sie gesundheitliche Probleme, die er einfach nicht wahrhaben will. Das Business scheint ihm wichtiger zu sein als ihre Beziehung. Dabei ist sie inzwischen in dem Alter, wo sie aus dem Profisport aussteigen und eine Familie gründen will.
Rosa ist seit einigen Jahren verwitwet und einsam, hat kaum Kontakt zu ihrem Sohn, weil sie mit dessen Lebensweise nicht klarkommt.

Nach den anfänglichen Schwierigkeiten werden sie echte Freunde, unternehmen viel zusammen, helfen sich aber auch gegenseitig bei ihren Problemen, indem sie neue Sichtweisen einbringen. Und auch die Liebe hält im Urlaub Einzug ...

Kerstin Wiedemanns „Sommerfrische in Südtirol“ ist ein typischer Urlaubsroman, den man entweder direkt dort vor Ort liest, oder aber um an einem verregneten Wochenende von zu Hause wegzuträumen.
Ich war noch nie in Tirol, doch nach Kerstin Wiedemanns Buch will ich unbedingt mal hinreisen, und sei es nur, um mich durch die Landesspezialitäten zu probieren – mit Bergwandern habe ich es nämlich nicht so, ich bleibe lieber im Flachland.

Bewertung vom 24.11.2024
iss fit
Lazaridis, Maryvonne

iss fit


ausgezeichnet

Ein gutes Kochbuch für alle Ernährungsbewussten

Maryvonne Lazaridis ist Pilatestrainerin und Ernährungsberaterin und hat mit und für ihre Kunden dieses Buch mit gesunden, vielseitigen und alltagstauglichen Rezepten entwickelt.
Was als erstes positiv auffällt, wenn man sich die Rezepte ansieht, sind die detaillierten Nährwertangaben, die heutzutage in anderen Büchern leider oft nicht mehr mit angegeben werden. Da ich, wie die Autorin, eine Immunerkrankung habe und auf den Eiweißgehalt meiner Nahrung achte, ist das
Außerdem erklärt sie genau, was eine ausgewogene Ernährung ist und worauf man achten sollte, erläutert u.a. die verschiedenen Arten von (un)gesättigten Fetten, erklärt, dass Kohlenhydrate besser sind, als ihr Ruf – wenn man die richtigen zu sich nimmt, wofür Proteine, Ballaststoffe und Vitamine wichtig sind. Diese theoretischen Erläuterungen werden anhand konkreter Lebensmittel noch mal genauer erklärt.

Die Rezepte sind dann in die Kategorien Frühstück, mit Gemüse, mit Fleisch, mit Fisch und Süßes gegliedert, sodass für jeden Geschmack und jede Vorliebe etwas dabei sein sollte.

Wir haben uns durch fast alle Kategorien probiert und das sind unsere Lieblinge:
Für das Ofenrisotto mit Kürbis braucht man nur einen Schmortopf oder eine Pfanne, dadurch hat man kaum Abwasch, es ist kinderleicht nachzukochen, lecker und gesund.

Der Apfelquarkauflauf ist was für den „süßen Zahn“, wie mein Mann sagt. Er besteht hauptsächlich aus Quark, Eiern und Äpfel, die sowohl in den Teig als auch oben drauf kommen, ist schnell gemacht und warm aus den Ofen oder auch kalt am nächsten Tag ein echter Genuss.

Wenn die Temperaturen morgens an der 0°C-Marke kratzen, darf es zum Frühstück gern auch mal was Warmes seine. Da habe ich zwei Rezepte kombiniert, die Overnightoats und das Haferporridge, indem ich die Haferflocken abends schon vorbereitet und morgens dann erwärmt habe. Dazu noch getrocknete Beeren und ein frisch geriebener Apfel, und man ist sehr lange sehr satt.

Frische, selbst gebackene Sonntagsbrötchen zum Frühstück in ca. 30 min? Kein Problem mit den Quarkbrötchen. Die Zutaten für den Teig werden kurz verknetet, während der Ofen vorheizt (das nächste Mal probiere ich die im Airfryer), danach kann man die Rohlinge z.B. noch in Saaten und Körnern wälzen, oder sie süß verfeinern, backen und fertig. Schon habt ihr leckere, gesunde und schnell sättigende Brötchen mit einem hohen Eiweißgehalt auf dem Tisch.

Ein gutes Kochbuch für alle, die sich gesund und bewusst ernähren wollen.

Bewertung vom 17.11.2024
Nacht über der Havel / Fräulein Gold Bd.7
Stern, Anne

Nacht über der Havel / Fräulein Gold Bd.7


ausgezeichnet

Bruderkampf

Die Steglitzer Wandervögel, eine Jugendgruppe, feiern eine Party am Havelufer, am nächsten Morgen ist ihr Anführer tot. Verdächtigt wird sein jüngerer Bruder, da die beiden am Vorabend Streit hatten. „Ich hasse dich… Und eines Tages bringe ich dich um, das schwöre ich!“ (S. 48)
Zufällig betreut Hulda eine Schwangere, deren Schwester Mitglied der Gruppe ist und an dem Abend dabei war. Hulda merkt schnell, dass diese etwas bedrückt und versucht, ihr zu helfen, aber sie blockt ab.

Dabei hat Hulda eigentlich genug eigene Probleme. Ihre Arbeit in der Beratungsstelle am Nollendorfplatz füllt sie nicht mehr aus. Sie sehnt sich danach, wieder als Hebamme zu arbeiten, aber als alleinerziehende Mutter muss sie an ihre Tochter denken. Denn obwohl Max und sie jetzt schon länger zusammen sind und er wunderbar mit Meta umgeht, ist sie nicht sicher, wohin die Beziehung führt. Zurzeit ist Max verreist und meldet sich nicht, dafür taucht der inzwischen verheiratetet Detektiv Karl plötzlich wieder in ihrem Leben auf. Kein Wunder, dass ihr Nachbar sagt: „Seltsame Frau. An jedem Finger‘n Kerl und trotzdem alleene.“ (S. 272)

1930 hat die Weltwirtschaftskrise Deutschland fest im Griff, die Arbeits- und Obdachlosenzahlen steigen rasant, die politische Situation ist explosiv. Die Nationalsozialisten werden stärker und wollen den Nachwuchs prägen. Darum soll die HJ andere Jugendvereinigungen „übernehmen“. Und die Jugend, die keine Zukunft sieht, lässt sich gern (ver)führen.
„Das moderne Girl hat ausgedient, das brave Gretchen kommt wieder zum Vorschein.“ (S. 33) Frauen sollen wieder nur Hausfrauen sein und werden im Job benachteiligt. So darf z.B. Irma Siegel, die Kriminalbeamtin, die Hulda aus einem früheren Fall kennt und die von Kommissar Gennat jetzt wegen dem Alter des Opfers und vermeintlichen Täters hinzugezogen wird, keine Waffe tragen und muss sich von einem bewaffneten Schutzmann begleiten lassen, wenn sie vor Ort ermittelt. Dabei hat sie in der Ausbildung natürlich auch Schießen gelernt.

Seit dem ersten Fall verfolge ich gespannt Huldas Entwicklung, die eng mit dem politische (Welt-)Geschehen verbunden ist. Sie ist keine Frau, die wegsieht und auch kostenlos arbeitet, wenn eine Schwangere ihre Hilfe braucht. Vor allem aber kann sie Unrecht nicht ausstehen und ist sehr neugierig, weswegen sie schon in einige Fälle verwickelt war und dabei ihr eigenes Leben riskiert hat. Auch hier kann sie sich nicht zurückhalten, weil sie dem jungen Mädchen helfen will. Außerdem macht sie sich Sorgen wegen der vermehrten Übergriffe auf Juden und Homosexuelle, wie ihren guten Freund Bert. Wie lange können sie dem noch trotzen?

„Nacht über der Havel“ ist bereits der 7. Teil der Reihe von Anne Stern. Um alle Zusammenhänge zu verstehen (und weil wirklich alle Bände toll sind), sollte man die Vorgänger gelesen haben, auch wenn die Geschichten in sich abgeschlossen sind. Ich mag die Kombination aus Familiengeschichte und Kriminalfällen, die immer extrem spannend sind, gepaart mit dem Berliner Flair der 20/30 Jahre. Gleichzeitig zeigt Anne Stern, wie sich rechtsnationale Strömungen entwickeln und die Gesellschaft verändern. Ein wichtige Reihe #gegendasvergessen.

Bewertung vom 14.11.2024
Mord in der Therapie / Miss Merkel Bd. 4
Safier, David

Mord in der Therapie / Miss Merkel Bd. 4


ausgezeichnet

Mord ist die beste Therapie

„Ich befürchte, ich bin … in einer ganz persönlichen Krise.“ (S. 12)
Seit Angela ihre Autobiographie beendet hat, ist sie unleidlich. Darum schicken Achim, Marie und Mike sie zu einem Therapeuten. Leider haben sie ihr nicht gesagt, dass es eine Gruppentherapie ist, dabei wollte Angela um jeden Preis vermeiden, dass irgendjemand in Klein-Freudenstadt von ihrem Problem erfährt.
Der Therapeut macht keinen besonders kompetenten Eindruck. Obwohl er die anderen Patienten schon länger betreut, scheinen sie keine Fortschritte zu machen. Auch er selbst sieht so aus, als würde ihm ein paar Stunden bei einem Kollegen nicht schaden. Aber als er in der Nacht nach ihrer ersten Sitzung mit seinem Hausboot in die Luft gesprengt wird, lebt Angela auf. „… wer brauchte schon eine Therapie, wenn man den Thrill einer Mordermittlung verspüren konnte!“ (S. 57)
Für Kommissar Hannemann ist der explodierte Elektro-Akku des Bootes an dem Unglück schuld, allerdings weiß er da noch nicht, dass in die Praxis des Therapeuten eingebrochen wurde. Doch auch dafür findet er schnell eine Erklärung – er hat den kommunistischen Exhibitionisten der Kleinstadt im Verdacht, schon die Einbrüche der letzten Zeit verübt zu haben. Aber würde der auch Patientenakten stehlen?! Angela verdächtigt stattdessen ihre Mitpatienten, die alle eindeutig einen an der Waffel haben: eine verstörte Klimaaktivistin mit blauen Haaren, ein trauriger Pantomime, der andere glücklich machen will, ein Wutbürger, eine rosa Katzenfrau und eine Impfgegnerin mit Viren-Phobie, die ihr Haus nicht mehr verlässt.

„Mord in der Therapie“ ist bereits der vierte Band der Reihe von David Safier und hat mich wieder extrem gut unterhalten. Ich liebe den Humor, aber auch die Spitzen und Neckereien, die sich Angela und Achim zuspielen, und habe echtes Mitleid mit Mike, der mit dem Schutz der Altkanzlerin komplett überfordert ist und durch Stressessen kompensiert, dass sie seine Einwände und Bedenken einfach ignoriert. Zum Glück liebt Marie jedes (zusätzliche) Pfund an ihm. Wenn da nicht ihre Hochzeit in wenigen Tagen, der inzwischen recht knapp sitzende Anzug und seine Eltern wären, die zur Feier anreisen und für zusätzliches Chaos sorgen …

Angela schlägt sich mit ganz anderen Problemen rum. Nachdem Hannemanns Theorien im Sand verlaufen sind, schießt er sich auf sie als Täterin ein. Sie hingegen hat ihre Mitpatienten im Verdacht. Doch jedes Mal, wenn sie überzeugt ist, den Fall endlich gelöst zu haben, stirbt wieder einer. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Ist sie am Ende schneller als der Täter, oder gar das letzte Opfer?!

Mein Fazit: Wieder ein spannender Krimi mit ordentlich Tempo, Humor und skurrilen Protagonisten, bei dem auch tagesaktuelle Probleme nicht zu kurz kommen.

Bewertung vom 12.11.2024
Ostfriesenglück
Barns, Anne;Oswald, Susanne

Ostfriesenglück


ausgezeichnet

Das Fenjesieler Woll-Café

„Ich glaube nicht daran, dass im Leben alles seinen Sinn hat. Aber daran, dass es möglich ist, in allem etwas Gutes zu finden.“ (S. 197)
Anneke hat vor kurzem durch einen Unfall ihre Eltern verloren und muss entscheiden, was mit deren Haushaltwarenladen in Fenjesiel wird. Weiterführen will die Krankenschwester ihn nicht, also macht sie einen Räumungsverkauf. Dabei lernt sie Nora kennen, die gerade hier Urlaub macht. Sie verstehen sich sofort und bei einem gemeinsamen Abendessen keimt die Idee, aus dem Laden ein Woll-Café zu machen, denn Anneke strickt leidenschaftlich gern und Nora ist Konditorin. Aber können beide wirklich ihre alten Leben hinter sich lassen und zusammen neu durchstarten?

„Ostfriesenglück“ ist ein wunderschöner Wohlfühlroman, der perfekt in die Vorweihnachtszeit passt, denn es kommt auch ein Adventsmarkt vor. Anne Barns und Susanne Oswald erzählen die Geschichte abwechseln aus Sicht ihrer beiden Protagonistinnen, was für mich einen zusätzlichen Reiz der Geschichte ausmacht. Denn während Nora nicht genug von den süßen Köstlichkeiten schwärmen kann, die sie in ihrem eigenen Café anbieten will, geht Anneke in ihrer Leidenschaft fürs Stricken auf. Und wenn ich diesbezüglich nicht zwei komplett linke Hände hätte, würde ich mich gern an den Strickmustern im Buch versuchen.

Nora und Anneke hätten ähnliche Voraussetzungen für den Neuanfang. Nora hat vor zwei Jahren ihren Job als Konditorin gekündigt, um ihrem Bruder im Restaurant zu helfen, ist mit der Situation aber unglücklich und vermisst ihren alten Beruf. Die Reise nach Fenjesiel ist ihre erste in der ganzen Zeit und macht ihr bewusst, dass sie wieder mehr auf ihre eigenen Wünsche und Träume hören sollte.
Anneke hat als Arzthelferin des Hausarztes im Ort gearbeitet, der gerade in Rente gegangen ist. Sie könnte auch für den neuen Arzt arbeiten, oder aber in eine andere Stadt in gehen, und alles, auch die traurigen Erinnerungen, hinter sich lassen.
Aber natürlich wollen das die anderen Fenjesieler verhindern. Man kennt sich hier und unterstützt sich, das merken auch die beiden, die schnell zu Freundinnen werden. Und dann findet Annekes Opa ein Foto, das diese Freundschaft noch mal in ein völlig neues Licht rückt: „Anneke, vier Jahre alt, mit Lillis Nora, fünf Jahre alt.“ (S. 234)
Außerdem sind da noch der geheimnisvolle Jonte mit seinem Hausboot und der neue Hausarzt, die den Freundinnen nicht aus dem Kopf gehen.

Mein Fazit: Eine zauberhafte Geschichte über Verluste und Freundschaft, über alte Geheimnisse und neue Lieben, mit ganz viel Genuss und kuschelweicher Wolle …

Bewertung vom 11.11.2024
Zwei in einem Leben
Nicholls, David

Zwei in einem Leben


sehr gut

Von Küste zu Küste

„Ich habe zu Hause eine von diesen Memory-Foam-Matratzen, und nicht mal bei der hinterlasse ich einen Eindruck.“
Marnie hatte sich ihr Leben anders vorgestellt, mit Partner und Kindern. Jetzt ist sie 38, geschieden und redet mit den Gegenständen in ihrer Wohnung. Sie ist eine gefragte freiberufliche Lektorin und Korrektorin und hat seit 3 Jahren keinen Urlaub gemacht. Zum einen verdient sie nicht besonders viel, zum anderen schämt sie sich, dass sie einsam ist. Durch Corona waren ihre sozialen Kontakte eingeschlafen und sie hat sie danach nie wiederbelebt.

„Wenn man einmal quer durchs Land wandert, soll man mit den Zehen ins Wasser tauchen, sich einen Stein suchen und ihn zur anderen Küste mitnehmen.“
Michael ist Erdkundelehrer und seit 9 Monaten getrennt. Er vermisst seine Frau und geht darum bis zur totalen Erschöpfung wandern. Seine Kollegin und Freundin Cleo will ihn aufheitern und schlägt eine Gruppenwanderung vor, er bestimmt die Strecke, sie organisiert die Unterkünfte und Freunde, die mitgehen. Ihm schwebt schon länger die Strecke von der Ost- zur Westküste Großbritanniens vor, 190 Meilen in 10 Tagen. Also plant er eine Tour mit der Gruppe durch den Lake District und will danach den Rest allein gehen. Schon im Zug fällt ihm Marnie auf, da weiß er noch nicht, dass sie Cleos beste Freundin und Teil der Gruppe ist. Bei der Wanderung kommen sie sich näher und es knistert, aber sie schleppen eben auch viele Altlasten mit sich rum.

„Zwei in einem Leben“ von David Nicholls ist ein sehr ruhiges (Hör)Buch. Genauso gemächlich, wie man bei einer Wanderung läuft, geht auch die Handlung voran. Geplant war die gemeinsame Tour eigentlich für 3 Tage, aber dann wird das Wetter schlechter und die anderen brechen ab. Marnie läuft allein mit Michael weiter. Sie entdecken, dass sie gut miteinander laufen, reden und auch schweigen können, und so überlegen sie jeden Abend erneut, dass Marnie auch noch den nächsten Tag mitgeht. Die Anstrengungen und Erlebnisse während des Laufens, aber auch ihre ähnlichen Biographien scheinen sie zusammenzuschweißen. Beide könnten sich ein Wiedersehen und vielleicht auch mehr vorstellen, wissen aber nicht so richtig, wie sie das ansprechen sollen, ohne den anderen zu überrumpeln. Und irgendwie hängt Michael ja auch noch an seiner Frau …

Die Stimmen von Tessa Mittelstaedt und Timo Weisschnur passen perfekt zu Marnie und Michael, die immer abwechselnd zu Wort kommen, dadurch kommt es an einigen Stellen zwar zu Wiederholungen, aber man erfährt auch die jeweils andere Sicht auf das gleiche Geschehen. Ich fand das Hörbuch ziemlich meditativ, wie eine Wanderung eben auch.

Bewertung vom 09.11.2024
Die Könige von Babelsberg
Günther, Ralf

Die Könige von Babelsberg


ausgezeichnet

Das Bermudadreieck

„Beneken hasste diesen Fall, schon jetzt. Es war keine Logik darin – und schon gar keine Vernunft.“ (S. 87)
Der der junge Kriminalkommissar Beneken wird zu einem angeblichen Selbstmord gerufen, der ihm von Anfang an suspekt erscheint. Es gibt Hinweise auf ein Verbrechen, aber der Ehemann der Toten ist ein ganz Großer im Filmgeschäft und die andere Verdächtige seine Drehbuchautorin und evtl. auch Geliebte. Die beiden und seine Vorgesetzten insistieren, dass er den Fall auf sich beruhen lassen soll. Aber Beneken kann nicht, die Widersprüche sind zu groß.
Und mit Widersprüchen kennt er sich aus, denn er ist selbst einer. Nachdem sein Vater und sein Bruder im 1. WK gefallen sind, klammert sich seine Mutter geradezu an ihn und er will sie nicht enttäuschen. Auf Arbeit hat er es nicht leicht. Er sieht extrem jung aus und muss sich jeden Tag neu beweisen. „Das Gesicht eines Kindes, aber hart wie ein Fels.“ (S. 105) Nachts amüsiert er sich im Boxclub, ergötzt sich an den brutalen Kämpfen und schwitzenden Körpern, oder besucht ein Varieté und bewundert die Tänzerinnen, ist fasziniert von deren Seidenstrümpfen, auch von denen, die seine Stenotypistin trägt ...

In „Die Könige von Babelsberg“ beschäftig sich Ralf Günther mit dem nie vollständig geklärten Todesfall der jüdischen Schauspielerin Elisabeth Rosenthal, deren Mann, Regisseur Fritz Lang, und dessen Drehbuchautorin und (Geliebte?) Thea von Harbou wohl bei ihrem Tod dabei waren. Damals wurde alles als Selbstmord hingestellt, aber das wäre technisch schwierig gewesen.

„Es sind die Abgründe, die mich faszinieren. Das, was man nicht sieht.“ (S. 64) Beneken ist ein kompromissloser Ermittler, der sich an dem Fall festbeißt und den Forderungen seiner Vorgesetzten einfach nicht nachgeben will, obwohl man ihm mit Entlassung und noch schlimmerem droht. Fritz Lang und Thea von Harbou sind unantastbar! „Sie wollen doch das Ansehen dieser ehrenhaften Leute nicht zu Gunsten von Juden beschädigen?“ (S. 76)
Die beiden Verdächtigen widersprechen sich bei den Vernehmungen mehrfach und ändern den Tathergang. Es ist, als würden sie eins ihrer Drehbücher proben und schauen, welche Version für einen Selbstmord am schlüssigsten ist.
Beneken ist ein sehr spannender Charakter, schwer zu fassen. Lange kennt man nur seinen Nachnamen. Schnell wird klar, dass er ein Geheimnis hat, welches sich dem Leser nur langsam erschießt. Erst danach erfährt man auch seinen Vornamen.

Ralf Günther verwebt den historischen True-Crime-Fall gekonnt mit seinem fiktiven Ermittler, der zwischen unten und oben, High Society und Unterwelt balanciert und sich irgendwann entscheiden muss, auf welcher Seite er stehen will. Der Fall ist extrem spannend. Die Babelsberger Studios, das Adlon und Benekens Clubs bilden die perfekte Kulisse dafür Handlung, auch dort ist Schein oft mehr als Sein. Zudem erfährt man, wie eine Filmproduktion damals funktionierte. Und da Beneken so ein interessanter Charakter ist, bin ich gespannt, ob er mal wieder ermitteln darf oder sich sein Leben vielleicht in eine andere Richtung entwickelt – auf jeden Fall würde ich sehr gern wieder von ihm lesen.