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Test-LR

Bewertungen

Insgesamt 171 Bewertungen
Bewertung vom 17.12.2024
der kleine jesus
Müller, Stefan

der kleine jesus


weniger gut

Viele Behauptungen, wenig Klarheit

Gestaltung:
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Das Buch ist als Hardcover sehr schön gestaltet: Das Titelbild mit Jesus auf dem Esel vor hellblau gestreiftem Hintergrund wirkt seriös und auch im Innenteil befinden sich einige blau gestaltete Seiten. Das Highlight ist ein passendes Lesebändchen. Optisch gefiel es mir sehr gut.

Inhalt:
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Der Historiker Stefan Müller geht anhand unterschiedlicher Aspekte der Frage nach dem historischen Jesus nach: Wer war er wirklich, wie war seine Kindheit, welche Rolle spielten Frauen in seinem Leben, wie verhält es sich mit den Wundern uvm.

Mein Eindruck:
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Ich war vor allem durch die Frage des Klappentextes "Wer war Jesus von Nazareth wirklich?" auf das Buch aufmerksam geworden. Der Einstieg hierzu gestaltete sich auch noch interessant und sachlich. Doch insgesamt ist der Sprachstil recht flapsig und an vielen Stellen provokant. Des Weiteren wird in vielen Kapiteln nicht klar, welche Dinge behauptet werden und welche wissenschaftlich belegt werden können, denn es fehlen Fußnoten mit Quellenangaben. Nur am Ende des Buches gibt es gesammelt ein Quellenverzeichnis, wobei die einzelnen Quellen nicht den Stellen im Buch zugeordnet werden können.
In die Kapitel sind immer wieder bestimmte Zusammenfassungen mit blauem Hintergrund eingestreut, wie z. B. ein Zeitstrahl "Jesus, seine Zeit und die Folgen", "Was wir sicher wissen", oder eine Übersicht über die unterschiedlichen Beschlüsse der Amtskirche über das zu vermittelnde Bild von Jesus. Diese fand ich sehr gut und aufschlussreich. Es gibt jedoch auch viele Passagen, bei denen ich das Gefühl hatte, das der Autor den christlichen Glauben ins Lächerliche zieht wie z. B. im Abschnitt "Religion gründen für Anfänger" oder "Handeln wie ein Jesus - Zehn Gebote für wirksames Leadership".
Insgesamt fehlt es auch an einem Fazit, sowohl am Ende eines Kapitels als auch generell am Schluss des Buches. Insgesamt hat mich das Buch fragend und leicht aufgewühlt zurückgelassen. Natürlich gibt es viele Indizien, oft eine unklare Faktenlage und man darf auch durchaus Dinge aus der Bibel in Frage stellen. Doch insgesamt hätte ich mir eine sachlichere Darlegung zwischen Fiktion und Fakten sowie eine bessere Trennung dieser beiden Welten gewünscht. Ich habe durch dieses Buch leider nicht viel dazu gelernt und mochte den häufig ironischen Tonfall des Autors nicht. Schade, ich hatte mir mehr von dem Buch erhofft.

Fazit:
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Unklare Darstellung der Faktenlage, fehlende Fazite und ein provokanter Tonfall - keine Leseempfehlung.

Bewertung vom 17.12.2024
Pflegers Struggle
Dogru, Metin

Pflegers Struggle


ausgezeichnet

Psychische Belastungen im Pflegeberuf: Ein Aufruf zur Veränderung

Inhalt:
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"Und genau darum geht es in diesem Buch. Was läuft schief in deutschen Krankenhäusern, dass die Pflegekräfte so häufig an psychischen Erkrankungen leiden? Welche systemischen Mängel gibt es, und was können wir dagegen tun? Was muss sich im System ändern? Wo muss sich unser Bewusstsein ändern, und gibt es etwas, was wir Pflegekräfte selbst tun können?"
[...]

"Es wird Zeit, dass wir offen darüber sprechen, was schiefläuft und was wir besser machen müssen – als Institutionen, als Gesellschaft und als Gemeinschaft der Pflegenden. Damit ist es mir sehr ernst. Dennoch müsst ihr keine Angst haben, dass dieses Buch ein einziger Aufschrei sein wird. Ihr kennt mich ja und wisst: Unterm Strich liebe ich meinen Beruf, und ich finde in allen verrückten Situationen auch immer etwas zu lachen. Ihr seid herzlich eingeladen, das auch zu tun." (S. 11f.)

Pfleger und Influencer Metin Dogru schreibt in seinem zweiten Buch über mentale Herausforderungen von Pflegekräften und legt damit den Finger in eine der Wunden unseres Gesundheitssystems. Er zeigt auf, warum neben Fachkräftemangel der Pflegeberuf zusätzlich durch Mobbing, Generationenkonflikt sowie zu wenig Beachtung psychischer Belastung der Mitarbeitenden erschwert wird und skizziert mögliche Lösungsansätze.

Mein Eindruck:
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"Es gab einfach sehr viele Auszubildende, die schon während der Kindheit mit den unterschiedlichsten Problemen gekämpft hatten, doch eins war ihnen allen gemeinsam: der Wunsch, etwas zum Besseren zu verändern. Anderen Menschen bei deren Problemen zu helfen, weil man selbst erfahren hatte, dass es zu wenige Menschen gab, die einem wirklich helfen wollen oder können.
Zumindest ist das meine Erklärung dafür, dass es in unserem Beruf so viele Menschen mit einer schmerzvollen Vergangenheit gibt. Eine andere Theorie besagt, dass gerade Menschen mit schlechten Erfahrungen im Leben sich ein Umfeld suchen, in dem es andere – die Patienten – gibt, denen es noch viel schlechter geht." (S. 17f.)

Ich kannte den Autor und Influencer noch nicht, da ich auch wenig in sozialen Netzwerken aktiv bin. Daher habe ich das Buch ohne eine besondere Erwartungshaltung gelesen. Ich habe als Angehöriger von pflegebedürftigen Personen schon einige Pflegekräfte kennenlernen dürfen und wollte mir einen "Insiderblick" verschaffen.
Überrascht hat mich der sehr offene und vor allem persönliche Erfahrungsbericht. Der Autor hat selbst in seiner Jugend sowie in seiner Ausbildung Ausgrenzung erfahren und ist an Depressionen erkrankt. Er schildert seine Gefühle, Erfahrungen und daraus gewonnenen Erkenntnisse, verliert dabei aber nie den Blick für das große Ganze. Nach vielen Gesprächen mit Kollegen erzählt er hier die extremsten Fälle als Beispiele und in anonymisierter Form. Zwar war mir bekannt, dass medizinisches Personal häufig an Suchterkrankungen oder psychischen Probleme leiden, aber dies in der Praxis vor Augen geführt zu bekommen, hat mir noch mal mehr die Augen geöffnet.
Gleichzeitig hat mich beeindruckt, mit wie viel Leidenschaft er und seine Kollegen trotz allem ihren Beruf weiter ausführen. Ich hoffe, dass viele dieses Buch lesen und wachgerüttelt werden, vor allem Politiker und die Leiter von Pflegeeinrichtungen. Denn es muss sich dringend etwas ändern zum Wohl für uns alle!

Neben den emotionalen Schilderungen ist es Herrn Dogru auch gelungen, die Unterschiede der einzelnen Erkrankungen wie z. B. Burn-out, Depressionen, Angststörungen, Essstörungen etc. sachlich zu erläutern. Abgerundet wurde das Gesamtbild durch einen psychologischen Wegweiser für Betroffene mit Angabe von Quellen zur weiteren Information und Beratung.

Fazit:
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Aufklärendes und aufrüttelndes Buch über die Problematik von Pflegekräften - sollte jeder lesen!

Bewertung vom 07.12.2024
Mord in der Charing Cross Road
Hamilton, Henrietta

Mord in der Charing Cross Road


weniger gut

Rätselkrimi mit wenig Spannung

Cover:
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Das altmodisch wirkende Titelbild hat mich angesprochen. Es wirkte leicht unheimlich durch den angedeuteten Geist in einem Buchladen. Insgesamt passt es gut zu einem altmodischen britischen Cosy Crime.

Inhalt:
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"Sally fragte: »Was ist passiert?«Sie rechnete fest damit, dass Mrs B ihr nun ihre eigene Version der Geistererscheinung erzählen würde. Aber Mrs B blieb stehen, rang nach Luft und sagte dann: »Mr Butcher. Er ist tot.«Sally starrte sie an. »Tot?«, wiederholte sie.»Er ist tot«, wiederholte nun auch Mrs B. »Sitzt an seinem Schreibtisch. Und – und – dieses Messer von Mr Tim steckt in seinem Rücken.«" (S. 24)

Sally arbeitet als Buchhändlerin in der antiquarischen Buchhandlung Heldar in der Charing Cross Road. Sie mag ihren Job und versteht sich sehr gut mit den Angestellten - mit einer Ausnahme: Victor Butcher. Er hat einen schlechten Charakter und schikaniert häufig seine Mitmenschen. Daher ist er insgesamt kein beliebter Zeitgenosse.
Und außerdem spukt offenbar ein Geist in der Buchhandlung, der immer mal wieder gesichtet wird. Als dann Butcher tot aufgefunden wird und Zeugen den Mord mit dem Geist in Verbindung sehen, an dessen Existenz weder Sally noch der Juniorchef Johnny glauben, beginnen die beiden auf eigene Faust zu ermitteln.

Mein Eindruck:
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Die Beschreibung sowie die ersten Seiten klangen vielversprechend. Ein Mord in einer Buchhandlung, noch dazu in einer mit antiken Büchern, hatte mein Interesse entfacht. Außerdem liebe ich britischen Cosy Crime.
Sally ist eine junge, engagierte Buchhändlerin mit klugem Kopf und ihre Person mochte ich am meisten. Die Handlung wird aus ihrer Perspektive erzählt. Sie ist heimlich in Johnny verliebt, lässt sich dies aber nicht anmerken, obwohl dieser scheinbar Interesse an ihr hat. Die Romanze zwischen beiden wird nur in Nebensätzen angedeutet, was vielleicht auch an der Zeit liegen mag, in der die Erzählung spielt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging man viel formeller miteinander um als heutzutage und Flirts waren noch nicht so offensiv. Dennoch führte diese Erzählweise nicht dazu, dass ich die Gefühle der beiden wirklich spüren konnte.
Ebenso "ermitteln" die beiden nur nebensächlich. Ich hatte einen Vergleich mit Miss Marple gelesen, doch Sally ist weit von diesem Vorbild entfernt. Sie mischt sich nicht ein, recherchiert nicht eigenständig und riskiert keine Alleingänge. Sie diskutiert mit Johnny den aktuellen Wissensstand der Polizei und das, was beide zufällig erfahren haben. Dabei verzetteln sich die beiden in vielen potenziellen und alternativen Theorien zur Tat und zum Täter. Das kann und sollte man auch in einem Krimi tun, jedoch wirkte die Häufigkeit dieser Gedankengänge zusammen mit den vielen Figuren dieses Romans eher verwirrend als aufklärend. Ich musste mich beim Lesen stark konzentrieren, um nicht den Faden zu verlieren. Stellenweise habe ich mich zum Weiterlesen gezwungen, da diese ausschweifenden Unterhaltungen jegliche Spannung vermissen ließen.
Amüsant fand ich dagegen einige Bemerkungen über fanatische Buchsammler sowie die Vorurteile von Engländern und Deutschen übereinander, aber sonst hat mich wenig in diesem Krimi zum Schmunzeln gebracht.
Die Auflösung sowohl den Fall als auch die angehende Liebesbeziehung betreffend, war viel zu schnell und endete zu abrupt.

Fazit:
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Gute Grundidee, aber fehlende Spannung sowie wenig greifbare Protagonisten. Nur wenig Humor im Vergleich zu anderen Krimis dieser Art.

Bewertung vom 28.11.2024
Aufbruch nach Artimé / Wächter der Magie Bd.1
McMann, Lisa

Aufbruch nach Artimé / Wächter der Magie Bd.1


weniger gut

Das geheime Reich der Ungewollten

Cover:
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Das Titelbild hatte eine magische Anziehungskraft auf mich. Vor allem der fliegende, steinerne Gepard weckte meine Neugier und ließ auf ein spannendes Abenteuer hoffen.

Inhalt:
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"Ein leichter Windhauch wehte über die steinernen Mauern und durch den Stacheldrahthimmel, an jenem Tag, an dem Alex Stowe getilgt werden würde. Alex stand wartend auf dem staubigen Zentralplatz von Quill und spürte, wie die sanfte Brise den Schweiß auf seiner Oberlippe kühlte. Sein Zwillingsbruder Aaron stand neben ihm, ihre Eltern hinter ihnen. Ringsum versammelt war das Volk von Quill – wartend, starrend, den leeren Ausdruck schlafender Fische auf den Gesichtern."

Die Zwillinge Aaron und Alex Stowe wachsen bei ihren Eltern im Ort Quill auf. Alle unterstehen dort der Autorität von Hohenpriesterin Justine. Diese verlangt von ihren Untertanen uneingeschränkten Gehorsam und Loyalität. Kreativität wird bestraft, Arbeit gefördert und alle Alten und Schwachen werden aus der Gesellschaft durch "Tilgung" ausgesondert. Nur die "Gewollten" und "Notwendigen" dürfen bleiben. Jeder Dreizehnjährige wird einer Auswahl unterzogen, bei der diejenigen, die bis zu diesem Zeitpunkt ausreichend Verstöße gegen das System begangen haben, als "Ungewollte" eliminiert werden. Während Aaron linientreu war, soll Alex getilgt werden. Doch überraschenderweise stirbt er nicht, sondern landet in Artimé, einem magischen Land, geführt von Mr. Today. Dort bekommen die Kinder die Chance auf ein weiteres Leben voller Magie und Kreativität. Doch als dieses Land von den Quillern entdeckt wird, entbrennt ein tödlicher Kampf zwischen den Bewohnern.

Mein Eindruck:
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Die Geschichte klang sehr vielversprechend. Insbesondere der Vergleich mit Werken wie Harry Potter o. Ä. hatte meine Neugierde, aber auch eine hohe Erwartungshaltung geweckt.
Um es vorwegzunehmen: Diese Erwartungshaltung konnte leider nicht erfüllt werden.

Es fällt mir schwer, auszumachen, woran es genau lag, dass das Werk mich nicht packen konnte. Es gab viele gute Ansätze, wie die Magie durch Kreativität, die lebendigen Statuen, die Portalröhren uvm. Es gab auch ein paar amüsante Szenen. Des Weiteren wird leichte Spannung aufgebaut, weil man wissen möchte, welche Rolle einige der neuen Bewohner Artimés spielen, welche Absichten Justine verfolgt und letztendlich der Kampf zwischen den beiden Ländern nach der Enttarnung Artimés. Ich betone bewusst "leichte" Spannung, denn diese wird nur stellenweise aufgebaut, dann verliert sich die Handlung wieder in Nebensächlichkeiten oder das Spannungselement wird relativ schnell aufgelöst, ohne dass man weitere Hintergründe erfährt. Vom Ansatz und der Grundidee gefiel mir das Buch, die Umsetzung konnte mich jedoch nicht überzeugen. Die Hintergründe von Quill werden nicht richtig deutlich. Außer dass Justine die Macht behalten will, erfährt man nicht viel über ihre Motivation und die Gründe für einzelne Maßnahmen. Auch die Charaktere werden viel zu oberflächlich und eindimensional dargestellt und sind in Gut und Böse eingeteilt. Ich konnte zu keiner Person Sympathie aufbauen oder Empathie empfinden. Es wirkte alles zu konstruiert und zu sehr gewollt. Im Vergleich zu Harry Potter und Co. fehlt hier die Detailverliebtheit und die Mühe, die Welten vollständig zu erschaffen. Mr. Today soll zwischenzeitlich an Dumbledore erinnern, aber seine Auftritte wirken auf mich oft eher naiv-fröhlich als weise.

Des Weiteren wird die Geschichte von vielen Kampfszenen durchzogen. Die Artimér kämpfen auch in Testkämpfen gegeneinander und einige von ihnen üben sogar Todeszauber. Das passte für mich nicht zu den dagegenstehenden, gewollt humorvollen Szenen, die damit immer wieder abwechseln.

"Auch ihre hinter Simbers fantastischem Schild geschützten Mitstreiter trafen ihre Ziele perfekt, obwohl sich einige von ihnen mit von Querschlägern verursachten Wunden zurückfallen lassen mussten, während die Trupps in Artimé den Feind mit Feuerballdrachen, stechenden Monologen, Spritzfarbe, Feuerschritten, Juckkleber, Schlaggedichten, Fächerclips, Schlitzgesang und blendenden Farblichtern bombardierten. Und diejenigen, die kein Problem damit hatten, ihren Feinden tödliche Fechtwunden zuzufügen, streckten ihre Gegner mit dem gefürchteten Shakespeare’schen Theaterfluch nieder."

Insgesamt konnte mich dieses Buch nicht überzeugen, und von den weiteren Bänden werde ich absehen.

Fazit:
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Guter Ansatz, schlechte Umsetzung. Leider bleibt zu vieles an der Oberfläche und verliert sich in eindimensionalen Darstellungen.

Bewertung vom 28.11.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


sehr gut

Entdeckung, Erforschung, Ausrottung und dem Respekt vor dem Leben

Cover:
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Das Titelbild fällt aufgrund seiner zurückhaltenden Farben nicht so sehr ins Auge. Aber dafür ist die Stellersche Seekuh im Vordergrund ein Eyecatcher. Im Hintergrund sieht man Fragmente anderer Tiere sowie Motive aus der alten Seefahrt. Insgesamt hat mich dieses Mosaik unterschiedlicher Bilder neugierig gemacht und passt zu diesem historischen Roman.

Mein Eindruck:
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"Alle diese Schätze der Natur, die in ihren drei Reichen enthalten sind, die der höchste Werkmeister so künstlich bauet, sich vermehren lässt und so sorgfältig unterhält, scheinen bloß um des Menschen willen geschaffen zu sein. Zu seinem Nutzen kann alles, wo nicht unmittelbar, doch mittelbar verwendet werden; andere Geschöpfe aber haben diesen Vorteil nicht. Der Mensch bezwingt durch seine Vernunft die unbändigsten Tiere, verfolgt und fängt die schnellsten Geschöpfe; ja, er kann sogar diejenigen erlangen, welche sich in den Grund des Meeres verbergen. Linnaeus, Oeconomica Naturae, 1749"

Seit langem strebt die Menschheit danach, die Erde zu erkunden und zu erforschen, um allmählich ihre Kontrolle zu erlangen. Mithilfe des Beispiels der ausgerotteten Stellerschen Seekuh schildert dieser Roman, was Menschen dazu bewegt hat und weiterhin antreibt, die Natur zu erforschen. Er verdeutlicht die Auswirkungen der Habgier und Kurzsichtigkeit des Menschen auf seine Umgebung und wie er sich dabei selbst Schaden zufügt. Aber er beschreibt auch, dass es Menschen gibt, die diesen Prozess bewusst wahrnehmen und sich daher für den Erhalt der Natur einsetzen.

Der Roman beginnt mit der zweiten und letzten Kamtschatka-Expedition von Vitus Bering, bei der der anwesende Naturwissenschaftler Georg Wilhelm Steller die "Stellersche Seekuh" entdeckt. Die Exkursion, ihre Strapazen, aber auch die teils kontroversen Ansichten von Seemännern und dem Naturforscher werden ausführlich beschrieben. Die Handlung wird ausschließlich in der dritten Person erzählt, ohne jegliche Dialoge oder direkte Rede. Dadurch bekommt die Erzählung einen sehr ruhigen, aber eindringlichen Ton. Dieser beschreibende Stil hat mir sehr gut gefallen. Dadurch entsteht eine authentische Atmosphäre, die es dem Leser ermöglicht, tief in die Handlung einzutauchen.
Erstaunt war ich über den Umfang des Buches, denn die Geschichte endet nicht bei der Entdeckung der Seekuh, sondern dieser Anlass wird verwendet, um einen roten Faden hin zu weiteren Forschern zu spinnen. Das Seekuh-Skelett verbindet mehrere Ereignisse, wobei beim Streifzug durch die weitere Historie auch seltene und ausgestorbene andere Tierarten thematisiert werden.
Bei den Schilderungen wird immer wieder ein kritischer Unterton spürbar, der nachdenklich macht.

"Es wird heftig diskutiert. Eine Entscheidung wird nicht getroffen, und John Grönvall verlässt die Versammlung verwirrt. Es stimmt, dass auch er sein Gewehr angesetzt und das Herz eines Auerhahns mit Schrot durchschlagen hat. Er ist auf eine Fichte geklettert und hat das Nest eines Wintergoldhähnchens geleert, aber seine Motive sind rein. Das Töten des Vogels und das Sammeln des Eis erfolgten aus wissenschaftlichem Interesse, aus künstlerischem Ehrgeiz, im Herzen nichts als Liebe für Vögel. All die endlosen Stunden, die er ihnen gewidmet hat – kann es sein, dass sie eine ins Gewand der Liebe gehüllte Tücke sind, dass er beschädigt hat, was er retten möchte? John findet in seinem Bett keine Ruhe und geht dahin, wo sein Verstand ruht." (S. 206-207)

Am Ende findet man ein Dankeswort an alle ausgestorbenen Tiere, was für mich die Sache rund gemacht hat.

Mein einziger Kritikpunkt: Gelegentlich empfand ich die ausführliche Darstellung der Lebensgeschichten der Forscher etwas zu ausufernd. Einige Aspekte des alltäglichen Lebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen hätten für mich nicht so ausführlich dargestellt werden müssen.

Ich habe dieses spannende Buch genossen, viel über Tiere, Naturwissenschaft und ihre Historie gelernt und es mit einem nachdenklichen Blick auf uns Menschen geschlossen.

Fazit:
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Eindringlicher und fesselnder Roman: Unser Forscherverhalten gepaart mit Gier und Herrschaftsbestreben, das uns gleichzeitig selbst schädigt

Bewertung vom 15.11.2024
Unser Buch der seltsamen Dinge
Godfrey, Jennie

Unser Buch der seltsamen Dinge


ausgezeichnet

Mivs Liste und das Leben

Cover:
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Das Titelbild ist sehr vielfältig und der Rabe, die Milchflaschen sowie die Andeutung, dass das Blatt aus einem Skizzenblock herausgerissen wurde, wecken die Neugier. Gleichzeitig wird eine leicht düstere Atmosphäre durch den Raben verbreitet. Mit dem blauen Hintergrund zusammen hat das Buch definitiv meine Aufmerksamkeit erregt.

Inhalt:
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Die 12-jährige Miv lebt mit ihrem Vater, ihrer kranken Mutter und ihrer Tante Jean in einer Kleinstadt der englischen Grafschaft Yorkshire.Nachdem es ihrer Mutter immer schlechter geht und zudem ein Serienmörder die Gegend in Atem hält, erwägt Mivs Vater einen Umzug für einen Neuanfang. Doch das würde für Miv das Ende ihrer Freundschaft mit Sharon bedeuten und das kann sie auf keinen Fall zulassen!
Unter der Annahme, dass sie bleiben kann, wenn es den Mädchen gelingt, den Mörder zu identifizieren, stellen sie Nachforschungen an und beobachten jede verdächtig erscheinende Person in der Nachbarschaft. Ihre Entdeckungen setzen sie auf die "Liste der verdächtigen Dinge". Dabei finden sie viele bisher verborgene Geheimnisse ihrer Mitmenschen heraus und durch ihre Einmischung in deren Leben setzen sie Dinge in Gang, deren Ende sich nicht voraussagen lässt. Und auch ihr eigenes Leben ändert sich unerwartet.

Mein Eindruck:
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"Ich wich den Jungen aus und überlegte dabei, wo diese Regeln herrührten. Regeln, die besagten, dass hübsche Mädchen nicht mit armen oder intelligenten Mädchen spielten. Regeln, die besagten, dass Jungen nicht mit Mädchen befreundet sein konnten und schon gar nicht weiße Mädchen wie ich und Sharon mit Jungen dunklerer Hautfarbe wie Ishtiaq. Ich konnte mich nicht erinnern, wann und wie ich diese Regeln gelernt hatte, und verstand nicht, warum ich sie immer noch befolgte." (S. 75)

Die Handlung wird vorwiegend von Miv in der Ich-Form, aber auch wechselhaft aus der Perspektive anderer beteiligter Personen erzählt. Auf diese Weise bekommt man einen vielfältigen Eindruck in die Gefühls- und Gedankenwelt der Stadtbewohner. Miv ist ein sehr ernstes Mädchen, das sich viele Gedanken über sich und ihre Umwelt macht. Sie ist das komplette Gegenteil ihrer hübschen, empathischen und unbesorgten Freundin Sharon. Aber die beiden bilden ein gutes Team. Ich mochte Miv aufgrund ihres Ehrgeizes, den Fall zu lösen, und wegen ihrer Versuche, möglichst an altbekannten Dingen wie der Freundschaft an Sharon festzuhalten.
Je mehr sie nachforschen, desto mehr sieht Miv ihre Mitmenschen mit anderen Augen. Ihre Freundschaft zu Sharon verändert sich und sie schließt unerwartet neue Freundschaften.

Der Roman ist wie ein gesellschaftliches Kaleidoskop. Themen wie Rassismus, Integration, häusliche Gewalt, Ausgrenzung bestimmter Personengruppen, sexuelle Belästigung uvm. werden hier raffiniert zu einem stimmigen Ganzen verwoben, das auf den letzten Seiten mit einer großen überraschenden Wende und einem schlüssigen Ende aufwartet.

Ein weiterer, spannender Aspekt ist die wahre Historie, denn den "Yorkshire Ripper" und seine Opfer gab es wirklich, und die Autorin webt diese Fakten geschickt in die Handlung mit ein. Sie selbst war zu diesem Zeitpunkt etwa im Alter ihrer Protagonistin und stammt aus der gleichen Gegend, sodass sie vermutlich in Miv einen Teil ihrer eigenen Erinnerungen verarbeitet. Dadurch wirkt die Erzählung authentisch.

Ich habe diese Freundschaftsgeschichte von der ersten bis zur letzten Seite verschlungen, manchmal hatte ich ein Lächeln im Gesicht, manchmal war ich tief betroffen und am Ende habe ich das Buch zufrieden und bereichert um ein paar Zitate für mein Leben geschlossen. Ich freue mich auf ein weiteres Buch der Autorin!

Fazit:
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Freundschaftsgeschichte im Yorkshire der 1970er-Jahre mit Spannung, Tragik, Humor, viel Herz und realem Hintergrund. Sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 15.11.2024
Genau so, wie es immer war
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


gut

Die Höhen und Tiefen des Lebens aus Sicht einer Frau und Mutter

Inhalt:
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Julia Ames fühlt sich schon immer anders als die anderen.Irgendwie unpassend. Dass ihr Vater die Familie früh verlassen hat und sie zu ihrer Mutter eine schwierige Beziehung hat, macht die Sache nicht einfacher. Als sie Mark kennenlernt, scheint alles besser und anders zu werden. Doch Julia schafft es nur langsam, ihrer Vergangenheit und ihren Gefühlen zu entkommen. Und dann begegnet sie Helen, die ihre erste Freundin wird, aber diese Begegnung verändert Julias Leben auf drastische und unerwartete Weise.

Mein Eindruck:
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Bei diesem Buch finde ich es schwer, zu einer klaren Meinung zu kommen. Einerseits mochte ich Julia. Ihre Gefühle des Andersseins, nicht zur übrigen Gesellschaft zu passen und trotz oder wegen ihrer Mutterschaft mit ihren Dämonen und depressiven Verstimmungen kämpfen zu müssen, sind mir bekannt. Die Handlung ist in der dritten Person Singular, aus ihrer Sicht geschrieben. So taucht man beim Lesen einerseits tief in ihre Gedankenwelt ein, andererseits bewahrt man aber eine gewisse Distanz.

Auf der einen Seite wurde Spannung erzeugt durch stetige Andeutungen auf die dramatische Wende durch die Begegnung mit Helen sowie auf ein Ereignis, das Julias Beziehung zu ihrer Mutter stark verändert hat. Erst relativ gegen Ende werden diese Spannungsmomente aufgelöst. Dadurch wurde ich getriggert, weiterzulesen. Auf der anderen Seite springt die Erzählung häufig zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her und man benötigt Konzentration, um sich zu orientieren, sodass mein Lesefluss zeitweise ins Stocken geriet.

"Vielleicht, überlegte sie, entwickelte sich das Leben von jedermann auf genau diese Weise als eine Folge von Vielleicht-sollten-wir-auch-Entscheidungen, die man traf oder auch nicht und mit denen man, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dem stillen Ruf der Gruppe, dem sozialen Druck durch Gleichaltrige nachgab." (S. 334)

Die Autorin hat einen scharfen Blick auf das Frau- und Muttersein sowie die gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen an Ehe, Partnerschaft und Familienleben. Und sie findet oft auch treffende Worte, von denen ich mir einige als Zitate notiert habe.

Zusammenfassend gefielen mir Teile des Romans sehr gut, ich mochte den Sprachstil, die treffende Beobachtungsgabe der Autorin, Julia und den Spannungsaufbau zu den dramatischen Ereignissen. Nicht so gut fand ich die nicht eindeutigen Zeitsprünge und dass sich die Handlung durch zu viele Details von Belanglosigkeiten zu sehr in die Länge zog.

Fazit:
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Teils poetisch, teils spannend, teils durch Belanglosigkeiten in die Länge gezogen: Roman mit Höhen und Tiefen wie im Leben.

Bewertung vom 28.10.2024
Zauberei und Eulenschrei / Petronella Apfelmus Bd.12
Städing, Sabine

Zauberei und Eulenschrei / Petronella Apfelmus Bd.12


ausgezeichnet

Petronella und der übermütige Zauberlehrling

Gestaltung:
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Wie bei allen Bänden der Reihe besitzt auch dieser wieder einen Buchrücken, der ähnlich wie eine Baumrinde bemalt ist. Als Hardcover mit grünem Lesebändchen ist es ein Schmuckstück im Bücherregal. Die Schwarz-Weiß-Illustrationen im Innenteil sind liebevoll gestaltet, laden zum Schmunzeln ein und ergänzen die Erzählung perfekt.

Inhalt:
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Eigentlich hat die Hexe Petronella Apfelmus genug damit zu tun, eine neue Arztpraxis zu eröffnen, da viele Waldwesen aktuell erkrankt sind.Dennoch willigt sie ein, ein paar Tage auf den Zauberlehrling Mumpitz aufzupassen, während dessen Meister auf einer wichtigen Mission ist. Mumpitz fehlt es jedoch an Disziplin, gleichzeitig mangelt es ihm nicht an Übermut. Und so bringt er mit missglückten Zaubereien und verrückten Ideen nicht nur Petronellas Leben, sondern auch das der Zwillinge Luis und Lea Kuchenbrand durcheinander, die sich mit ihm angefreundet haben.
Zudem möchte Lea einem verletzten Uhu auf einer Tierauffangstation helfen, doch da Petronella zu beschäftigt ist, versuchen die Geschwister mit Mumpitz' Hilfe die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Dabei geraten sie in unvorhergesehene Gefahr.

Mein Eindruck:
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Meine Tochter (10 J.) und ich lieben die Petronella-Reihe sehr. Durch die Sprache, die Kapitellängen und die liebevollen Illustrationen lädt das Buch sowohl zum Selberlesen ab 8 Jahren oder auch zum Vorlesen ein.
Petronella ist eine gute Hexe, die anderen Wesen hilft, wo sie kann und den Garten der Kuchenbrands hegt und pflegt. Außerdem hat sie Humor und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. All das zeigt sich in diesem Band wieder sehr deutlich im Umgang mit ihren Patienten und auch wie sie Mumpitz gegenüber auftritt. Mumpitz ist anfangs ein etwas aufmüpfiger und besserwisserischer Junge. Seine missglückten Zaubereien ließen uns beim Lesen schmunzeln. Manchmal jedoch ließen uns seine Ideen auch verärgert zurück, vor allem wenn sie zum Schaden anderer Lebewesen waren. Doch mit der Zeit merkt man, dass er nur verunsichert ist und dass in ihm doch ein guter Mensch bzw. Zauberer steckt.
Die Geschichte bekommt am Ende eine spannende Wendung, die wir so nicht erwartet hatten. Die Auflösung erfolgte mit viel Fantasie, Humor und natürlich dem Zusammenhalt von Freunden.
Auch der 12. Band ist wieder gelungen und wir freuen uns auf weitere Fortsetzungen - gerne auch mit Mumpitz!

Fazit:
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Mumpitz wirbelt nicht nur Petronellas Leben auf und sorgt damit für Spaß und Spannung - Toller 12. Band!

Bewertung vom 24.10.2024
Balkonkraftwerk
Tomik, Stefan

Balkonkraftwerk


ausgezeichnet

Photovoltaik kann jeder!

Gestaltung:
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Das Cover zeigt ein typisches Balkonkraftwerk. Die Beschriftung ist passend zum Thema in leuchtendem Orange hinterlegt. Das fällt ins Auge und verdeutlicht das Anliegen sehr gut. Im Laden wäre es mir aufgefallen, vor allem weil die Farben auffällig und frisch wirken.

Inhalt:
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Der Autor ist ehemaliger F.A.Z.-Redakteur und befasst sich schon seit Jahren mit dem Thema Photovoltaik und Solarenergiegewinnung.Nachdem er eine gewisse Expertise auf diesem Gebiet entwickelt hat, hat er nun dieses Buch geschrieben. Das Thema Balkonkraftwerk, auch Mini-Photovoltaik-Anlage genannt, wird hier verständlich für bisherige Laien erklärt. Dabei geht er darauf ein, wie Photovoltaik funktioniert, welche Vor- und Nachteile dahinter stecken, erläutert die rechtlichen Rahmenbedingungen und gibt viele Tipps zur Montage und zum Betrieb einer solchen Anlage.

Mein Eindruck:
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Mir gefiel sowohl der gut strukturierte Aufbau als auch die sachliche und verständliche Sprache. Zwar merkt man dem Buch an, dass Solarenergie ein Herzensanliegen des Autors ist, aber er geht ebenso auf mögliche Nachteile ein und begründet anhand von Fakten, warum eine solche Anlage nützlich ist.
Statistiken und technische Erläuterungen werden mit vielen Bildern verdeutlicht. Besonders bei den technischen Zusammenhängen waren die Abbildungen hilfreich, um die Beschreibungen besser zu verstehen. Es werden alle wichtigen Facetten des Themas beleuchtet, sodass man am Ende der Lektüre direkt starten kann. Hierzu sind vor allem die QR-Codes sehr hilfreich, die zu Anleitungsvideos oder ausführlicheren Quellen zu bestimmten Aspekten führen. Auch die Checklisten im Anhang bieten gute Unterstützung für Entscheidungen.
Als einziges Manko empfinde ich die Schrift, die für meinen Geschmack etwas zu klein und daher anstrengend zu lesen ist. Ansonsten ist dieses Buch ein gelungener Rundumschlag zum Thema Balkonkraftwerk, das jeden Interessierten befähigt, sich eine Meinung zu bilden und bei Bedarf sofort mit der Umsetzung zu beginnen.

Fazit:
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Gelungene Einführung in das Thema Mini-Photovoltaik-Anlage, mit deren Hilfe jeder Interessierte sofort loslegen kann.

Bewertung vom 15.10.2024
Death. Life. Repeat.
Finch, Louise

Death. Life. Repeat.


ausgezeichnet

James Spencer und die Zeitschleife

Inhalt:
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Der Teenager James Spencer interessiert sich mehr fürs Feiern als fürs Lernen und besonders seit dem Unfalltod seiner Mutter vor einem Jahr versucht er, sein Leben mit Alkohol zu betäuben.Nur widerwillig geht er zur Feier seines besten Freundes Anthony, die just am Gedächtnistag seiner Mutter stattfindet. An diesem Abend wird er Zeuge, wie seine Mitschülerin Clara Hart aus dem Zimmer von Anthony torkelt, auf der Straße von einem Auto erfasst wird und stirbt.
Doch am nächsten Morgen wacht James auf und der Tag beginnt erneut - immer und immer wieder!
Jeden Tag versucht James, etwas zu verändern, um aus der Zeitschleife herauszukommen. Dabei ändert er jedes Mal das Ergebnis, aber ohne es direkt zu merken, auch sich selbst. Doch was ist der Schlüssel, um sein Leben weiter fortsetzen zu können?

Mein Eindruck:
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»Wie James richtig hervorhebt, eine der Vorstellungen, welche Nietzsche uns gegeben hat – neben vielen weiteren – war das Konzept von einer ewigen Wiederkunft – die Vorstellung, dass dieses Universum und unsere Leben sich in identischer Art für eine unendliche Zahl wiederholen.

Hierbei handelt es sich selbstverständlich nicht um eine Wahrheit, sondern um ein Gedankenexperiment. Wenn es wahr wäre, würden wir mit Freude oder Verzweiflung reagieren?
Würden wir das Leben bejahen oder ablehnen? Und wenn wir gezwungen wären, unsere Leben immer und immer wieder zu erleben, was würde dies für unsere moralischen Entscheidungen bedeuten?« (S. 38f.)

Ich gehöre nicht mehr zur eigentlichen Young-Adult-Zielgruppe des Buches und sowohl das schrille Cover als auch die trist klingende Beschreibung haben mich erst abgeschreckt. Des Weiteren war mir James mit seinem starken Alkoholkonsum und seiner "Alles-egal"-Einstellung anfangs sehr unsympathisch. Dennoch las ich die Leseprobe und kam ab da nicht mehr los von diesem Roman.
Die Handlung beginnt mit einem der Tode von Clara Hart und der Anspielung darauf, dass dies noch häufiger passiert. Sofort möchte man wissen, wie es dazu kam und auf welche Weise sich der wiederkehrende Tag verändert. An jedem Wiederholungstag entscheidet sich James in jeweils anderen Momenten anders und es ist spannend, auf welche Art er den Tag dadurch beeinflusst. Zudem erfährt er so mehr über seine Freunde und Mitschüler sowie natürlich über Clara. Aber letztendlich geht auch eine Veränderung in ihm vor. Er übernimmt mehr Verantwortung für sein Leben.


Das Thema "Nietzsche und die Lebensbejahung", das im Roman durch James' Philosophielehrer immer wieder thematisiert wird, kannte ich noch nicht. Ich finde die Umsetzung dieses Gedankenexperimentes jedoch für die jugendliche (und erwachsene) Zielgruppe hier sehr gelungen.
Themen wie Drogenmissbrauch, sexueller Missbrauch sowie Mobbing unter Jugendlichen werden in diesem Roman alle verarbeitet. Menschen, die hier empfindlich sind, sollten ihn besser nicht lesen. Ich empfand es nicht als so heftig aufgrund des Sprachstils, der konkrete und ausführliche Beschreibungen unterließ, sondern eher Andeutungen machte.
Mit der Zeit wurde mir James sympathischer und die Auflösung am Ende hat mir sehr gut gefallen. Da die Handlung ausschließlich in der Ich-Form, aus der Gedankenwelt des Protagonisten erzählt wird, kann man seine Gedanken und Gefühle unmittelbar miterleben.
Ein Buch wie ein Rausch - im positiven Sinne!

Fazit:
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Nietzsches Gedankenexperiment der ewigen Wiederkunft für eine jugendliche Zielgruppe spannend und emotional umgesetzt