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Alexandros
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Erde

Bewertungen

Insgesamt 39 Bewertungen
Bewertung vom 08.12.2024
Die Lungenschwimmprobe
Renberg, Tore

Die Lungenschwimmprobe


sehr gut

Ein barocker Kriminalfall

Auf den ersten Blick hat mich der Roman von Tore Renberg nicht angesprochen. Die Umschlaggestaltung ist nicht wirklich anziehend. Der Titel "Die Lungenschwimmprobe" war es dann schon eher, was mich neugierig gemacht hat. Wir haben es hier also um einen Kriminalfall aus Leipzig um das Jahr 1680 zu tun. Eine junge Frau soll ihr Neugeborenes getötet haben. Ihr droht die Todesstrafe. Doch sie hat mächtige Fürsprecher, behauptet zudem, dass das Kind bei der Geburt bereits tot gewesen sei. Doch wie kann sie das beweisen?

Durch den Rechtsgelehrten Christian Thomasius kennen wir diesen Fall überhaupt nur. Seine Aufzeichnungen und die damals erstmals angewandte Lungenschwimmprobe bedeuten den Ursprung der modernen Rechtsmedizin. Tore Rensberg hat sich über fünf Jahre lang diesem Thema verschrieben, unermüdlich recherchiert, mit Experten gesprochen und so einen opulenten Historienroman vorgelegt. Zwischen die Erzählung des Falls webt der Autor immer mal wieder eigene Kommentare ein, die verdeutlichen, dass einiges schlicht Spekulation bleiben muss, er als Autor zuweilen an Grenzen gestoßen ist, die er einfach nicht zu durchbrechen vermochte. Das macht den Roman vielschichtig und regt zum Weiterdenken an.

Dennoch hat der Roman auch ein kleines Manko, das ich nicht nachvollziehen kann. Das Buch selbst hat bereits knapp über 700 Seiten. Ein interessanter Anhang mit Personenverzeichnis, ein paar alten Karten und eine Bibliographie von knapp 50 Seiten hätte nun wirklich noch in das Buch selbst eingefügt werden können. Stattdessen gibt es den Anhang lediglich in digitaler Form als PDF zum Download. Schade.

Fazit: Das Cover wird dem Buch nicht gerecht. Hier liegt das Gute tatsächlich dazwischen. Ein gründlich recherchierter, gut geschriebener historischer Roman.

Bewertung vom 08.12.2024
Schach-Euphorie
Doggers, Peter

Schach-Euphorie


sehr gut

Schach ist das Zentrum der Welt

Mit Schach verbinde ich persönlich meine Kindheit und Erinnerungen an meinen Opa, der mir das Schachspiel beibrachte und immer mit mir spielte, wenn ich ihn besuchte. Ansonsten hatte ich niemanden, mit dem ich Schach spielen konnte, was ich sehr bedauere. Heutzutage sind die Möglichkeiten ungleich besser. Online kann man jederzeit gegen jemanden Schach spielen.

Ein Pionier des Online-Schachs ist der Niederländer Peter Doggers, der uns die "Schach-Euphorie" nahebringen möchte. Er selbst liebt Schach von klein auf (und scheinbar beschäftigt er sich auch mit kaum etwas anderem) und etablierte die Schach-Plattform chess.com.

Mit seiner "Schach-Euphorie" hatte er den Anspruch, ein umfassendes Kompendium zum Schachspiel zu schreiben, was ihm jedoch aus meiner Sicht nicht ganz gelungen ist. Er teilt sein Buch in drei Teile: Schach als kulturelles Phänomen, Der Einfluss der KI und Die Onlinerevolution. Vor allem den ersten Teil, in dem es um die Geschichte des Schachspiels geht, hätte er noch etwas tiefgründiger schreiben können.

Immer wieder klingt zwar durch, dass Doggers Schach für das beste hält, das die Menschheit je ersonnen hat und das angeblich den größten Einfluss auf Kultur und Politik hatte. Doch die Beispiele für diese kühne Theorie sind denn doch recht dürftig. Für ein umfassendes Kompendium nehmen die letzten beiden Kapitel, die immerhin lediglich die vergangenen etwa vierzig Jahre des Schachs beschreiben, verhältnismäßig viel Platz ein.

Fazit: Das Buch liest sich gut und ist streckenweise sehr interessant. Allerdings verliert sich der Autor zuweilen in technischen Nebenschauplätzen, die man hätte kürzer fassen können. Insgesamt ein gutes Schach-Sachbuch, aber leider nicht das neue Standardwerk.

Bewertung vom 08.12.2024
Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Nackt an Silvester

Eins sei bei diesem Buch vorneweggeschickt: Es ist sicher kein Fehler, zuvor Band 1: Sommersonnenwende zu lesen, bevor man die Wintersonnenwende beginnt. Denn das Autoren-Duo Pascal Engman und Johannes Selåker steigen in der Wintersonnenwende direkt damit ein, dass sich Protagonist Tomas Wolf, seines Zeichens Kriminalkommissar, mit seiner Waffe in der Silvesternacht das Leben nehmen will. Nur ein Mordfall, dessen Opfer ihm jedoch weitestgehend gleichgültig ist, kann ihn davon abbringen.

So steigt der Kriminalroman durchaus zynisch-ironisch direkt in die Handlung ein. Da ich Band 1 noch nicht kannte, ließ mich das alles mit ein paar Fragen im Kopf zurück. Mit der Zeit wird das Trauma klar, das Tomas Wolf mit sich herumträgt. Kleine Hinweise bzw. Wiederauffrischungen des Gedächtnisses werden eingestreut, so dass sich aus den kleinen Puzzleteilen irgendwann ein erkennbares Bild formt.

Die Journalistin Vera Berg wittert im besagten Mordfall, mehr aber noch im nackten Mädchen, das Zeugen vom Tatort haben fliehen sehen, die große Story. Wie bereits im ersten Band werden sich die Wege von Wolf und Berg kreuzen. Zudem verspricht das offene Ende inklusive Cliffhanger mindestens einen dritten Band.

Fazit: Der Kriminalroman ist spannend und kurzweilig geschrieben und wartet mit der für skandinavische Krimis typischen Blutrünstigkeit auf. Die stimmige Gestaltung des Einbands samt farbigem Buchschnitt macht noch mehr Lust, das Buch immer wieder in die Hand zu nehmen. Für kühle Winternächte empfohlen.

Bewertung vom 07.10.2024
Alte Eltern
Kitz, Volker

Alte Eltern


ausgezeichnet

Sehr berührend und authentisch

Mittlerweile bin auch ich in einem Alter, in dem man schon ab und zu an den potentiellen Tod der Eltern nachdenkt. Alle meine Großeltern sind bereits gegangen; die Eltern sind danach dran. Jedenfalls, wenn man den natürlichen Lauf der Dinge mitdenkt. Das macht etwas mit einem Menschen. Deshalb finde ich dieses Buch sehr wichtig. Bereits zu Beginn der Lektüre fand ich einige Gedanken und Fragen wieder, die auch mir wichtig sind. Die Sprache ist tiefgründig und einfühlsam.

Ich muss zugeben, dass das Cover mich nicht auf den ersten Blick für das Buch eingenommen hat. Bis jetzt weiß ich nicht, was der Gestalter des Buchumschlags mit diesem grünen Fleck ausdrücken will.

Dennoch: Der Titel an sich hat mich direkt angesprochen. Der Autor Volker Kitz beschreibt authentisch und einfühlsam seine eigene Geschichte mit seinem dementen Vater. Vom Beginn bis zum Ende und darüber hinaus. Das darüber Hinaus betrifft letztlich auch ihn selbst. Denn wenn er an Pflegeroboter oder Chatbots denkt, die einsamen alten Menschen Gesellschaft und ein offenes Ohr suggerieren sollen, kann er sich das für sich selbst nicht vorstellen. Mir geht es da ähnlich, weshalb ich mich bei der Lektüre abgeholt gefühlt habe.

Fazit: Das Buch war ursprünglich wahrscheinlich als eine Art Selbsttherapie gedacht. Überfordert von der Demenz des Vaters hat er es jedoch verstanden, ein sehr authentisches Buch zu verfassen, das Hinweise und Tipps für die Eltern potentieller Leser vermittelt. Ich mochte die Lektüre sehr.

Bewertung vom 07.10.2024
All das Böse, das wir tun
Dazieri, Sandrone

All das Böse, das wir tun


sehr gut

Das Gute und das Böse sind eng verwoben

Giuseppe Contini soll der sogenannte Perser sein, ein grausamer Mörder, der drei Mädchen getötet hat. Nach seiner Festnahme stirbt Contini kurz darauf im Gefängnis. Die Polizistin Itala Caruso, die an der Festnahme von Contini beteiligt war, leidet seitdem daran. Denn sie ist sich nicht sicher, in Contini tatsächlich den Perser dingfest gemacht zu haben.

Nach dreißig Jahren ist die kleine Amala nicht mehr von der Schule heimgekommen. Alles deutet auf eine Entführung hin. Die damalige Anwältin von Contini, Francesca Calvalcante, sieht schon bald eine Verbindung zur alten Mordserie. Doch wie soll der Perser erneut getötet haben? Denn er ist doch eigentlich tot, oder? Es gibt nur eine Erklärung für Francesca: Contini war unschuldig und der echte Perser schlug wieder zu. Nun wird verzweifelt nach dem kleinen Mädchen gesucht. Denn wenn der echte „Perser“ noch immer draußen herumläuft, ist nicht nur Amala in großer Gefahr.

In seinem Thriller „All das Böse, das wir tun“ kombiniert Sandrone Dazieri drei unterschiedliche Handlungsstränge zu einer einzigen Handlung.

Die Polizistin Itala Caruso, die sich nicht immer gesetzeskonform verhält, ist mitschuldig an Continis Tod. Sie begleiten wir zu Beginn des Buches, lernen sie, ihre Umgebung und ihre Eigenheiten kennen. Zur Beruhigung ihres Gewissens bemüht sie sich darum, Continis Unschuld zu beweisen und den echten Perser hinter Schloss und Riegel zu bringen.

Dreißig Jahre später gehen wir auch mit der Anwältin Francesca Cavalcante auf die Suche nach dem Serienkiller. Denn es ist ihre Nichte Amala, die wahrscheinlich vom echten Perser entführt wurde.

Fazit: Bereits die Gestaltung des Buchs hat mich in seinen Bann gezogen. Dass Sandrone Dazieri Drehbuchautor für Krimis ist, merkt man an seinem Schreibstil. Das Buch ist spannend geschrieben und wartet zudem mit einer interessanten Geschichte auf.

Bewertung vom 05.10.2024
Der Ire
Mann, Peter

Der Ire


gut

Der Roman will zu viel sein und ist am Ende sehr wenig

Die Grundidee des Buches ist durchaus originell: Es wird die Geschichte eines irischen Spions im Zweiten Weltkrieg erzählt. Doch über seine Biographie existieren zwei Versionen. Für wen hat er nun spioniert? Und wofür ist das überhaupt wichtig?

Die letzte Frage habe ich mir das erste Mal nach wenigen Seiten gestellt, als ich mal wieder ein wenig verwirrt war, aus welcher Perspektive nun gerade erzählt wird. Wer spricht da überhaupt? Über wen wird erzählt? Und weshalb werden hier so viele Dinge erklärt, die im Grunde klar sind? Doch wiederum andere nicht erklärt, die erklärungswürdig wären?

Den Erzählstil finde ich an sich gut lesbar. Und eigentlich habe ich auch kein Problem damit, wenn Dinge erklärt werden - in einem Sachbuch. Leider merkt man dem Autor Peter Mann an, dass er in seinem ersten Beruf Universitätsdozent für Geschichte ist. Zuweilen will er in einem Aspekt mehrere Dinge gleichzeitig beschreiben. Was aber leider nicht geht. Die Beschreibung einer sinnlosen U-Boot-Fahrt zieht sich andererseits dahin, ergeht sich in Gossensprache und lässt für einen Thriller typische Spannung völlig vermissen. Im Fortgang der Geschichte wird alles etwas besser, vermutlich auch, weil man sich in den Stil des Autors hineingelesen hat. Doch hätte ich für das Buch keine Rezension schreiben müssen, hätte ich es vermutlich nicht zu Ende gelesen.

Fazit: Ein Thriller ist das Buch nicht. Dafür fehlt mir einfach die Spannung. Auch ein Agentenroman ist es nicht. Dafür wird mir zu viel erklärt. Wenn man die ab und zu eingestreute Fäkalsprache weglässt, bleibt ein historisches Sachbuch übrig, von dem am Ende ein paar nette Anekdoten im Gedächtnis bleiben. Insgesamt für mich leider nicht zu empfehlen.

Bewertung vom 19.08.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


gut

Spitzt sich ohne Erklärung zu schnell zu

Auf "Das Lied des Propheten" von Paul Lynch habe ich mich sehr gefreut, wenn man das so sagen kann. Immerhin geht es um Irland als autoritären Staat. Das ist nun nicht unbedingt ein Thema, das erfreuliche Lektüre verspricht. Lesen ist für mich persönlich jedoch nicht ausschließlich Vergnügen und seichte Unterhaltung. Ich verspreche mir vom Lesen auch Herausforderung und Denkanstöße.

Beides habe ich hier leider nicht gefunden, was mich im Nachhinein auch etwas ratlos zurücklässt, indem ich mich nämlich gefragt habe, weshalb dieses Buch den Pulitzer-Preis gewonnen hat.

Der Roman beginnt bereits auf der ersten Seite spannungsgeladen. Die irische Polizei klopft an die Haustür der Familie Stack und verlangt den Hausherrn. Mutter Eilish verhält sich bereits eingeschüchtert - wie das berüchtigte Reh vor den Autoscheinwerfern. Immerhin ist sie Mutter von vier Kindern. Sie hat Verantwortung. Später kommt ihr Mann Larry nach Hause, nimmt die Ladung der Polizei jedoch nicht ernst. Wenig später nimmt Eilish die Polizei nicht ernst. Dann hat sie wieder pure Angst. Und vice versa.

Das ist derart inkonsequent, dass ich das durchaus ärgerlich fand. Man kann das als Hin- und Hergerissenheit im Anfang der neuen Verhältnisse verstehen. Doch wie ist es überhaupt dazu gekommen? Kam einfach eine neue Partei an die Macht und hat einfach alles neu etabliert? Beim Lesen kam es mir so vor, als hätte der Autor einfach die historischen Verhältnisse des NSDAP-Regimes in Deutschland eins-zu-eins auf das moderne Irland projiziert, ohne etwas zu erklären.

Fazit: Das Buch liest sich sehr gut. Man merkt schon, dass Paul Lynch schreiben kann. Trotzdem hat mich der Roman leicht verärgert und irritiert zurückgelassen. Schwieriges Buch, das ich weder ablehnen noch empfehlen kann.

Bewertung vom 03.08.2024
Nach uns der Sturm
Chan, Vanessa

Nach uns der Sturm


sehr gut

Das koloniale Leid

In der Rückschau, nach der Lektüre von "Nach uns der Sturm", ist das Cover des Buches noch besser gestaltet, als ich zuvor ohnehin bereits dachte. So steht die kleine rote Sonne in der rechten oberen Ecke als Symbol für die japanische Besatzung Malayas am Ende des Zweiten Weltkriegs. Und das gehetzt wirkende, bunt verwaschene Frauengesicht wohl als verwaschene Identität einer Frau, die eigentlich stolz ist auf ihre portugiesischen Wurzeln. Doch die werden ihren Kindern zum Verhängnis, allen voran dem hellhäutigen Abel, der wie viele andere Jungen in seinem jugendlichen Alter eines Tages während der Besatzung in ein Arbeitslager verschleppt wird.

Cecily, seine Mutter, ihre beiden Töchter Jujube und Jasmin sowie ihr britischer Mann Gordon wissen zwar nicht, wo Abel ist, ahnen es aber. Cecily vielleicht noch mehr als ihre Familie, Freunde und Nachbarn, denn ihr Geheimnis macht sie in ihren Augen schuldig am Verschwinden ihres Sohnes. In Rückblicken beschreibt Vanessa Chan episodenhaft, wie Cecily während der britischen Besatzung dem japanischen General Fujiwara verfällt, der sie gerne als willige Spionin missbraucht. Die Ungewissheit um Abels Verschwinden verändert Cecilys Familie. Schließlich spitzt sich zum Ende des Buches die Handlung extrem zu, so dass der Roman erwartbar nicht mit einem Happy-End endet.

Fazit: Die Geschichte ist gut erzählt. Die schockierenden Momente sind knapp gehalten. Mit viel eigener Fantasie kann sich der Leser das Schreckliche umso schrecklicher vorstellen. Ohne Frage ein wichtiges Buch, das allerdings ein paar seichte Längen hat.

Bewertung vom 31.07.2024
Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3
Yokomizo, Seishi

Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Spannend, skurril und japanische Folklore

Die ganz große Literatur ist es sicher nicht, doch diese Wiederentdeckung des japanischen Autors Seishi Yokomizo und seines Privatdetektivs Kosuke Kindaichi bietet trotzdem vieles, was ich am Lesen schätze: eine spannende Geschichte, die fast nebenbei kulturell Wissenswertes vermittelt sowie etwas skurrilen Humor.

Nachdem ich den etwas verschrobenen Privatdetektiv beim "Mord auf der Insel Gokumon" kennengelernt hatte, war ich vom Beginn dieses dritten Kriminalromans der Reihe ein wenig enttäuscht. Zum einen erinnerte mich das Setting ein wenig an den Vorläufer, zum anderen taucht Kindaichi erst etwa im zweiten Drittel des Buches auf.

Die rasante Handlung und viel Wissenswertes über die japanische Kultur der älteren Zeit haben mich jedoch entschädigt. Im Dorf der acht Gräber steht der Aberglaube hoch im Kurs. Im Grunde reiht sich eine selbsterfüllende Prophezeihung an die nächste. Interessant ist auch, dass hier aus der Sicht des heimlichen Protagonisten, Tatsuya Terada, erzählt bzw. berichtet wird. Wie bei Yokomizo üblich, wird zudem in Echtzeit erzählt, hier und da mit Rückblicken. Als Leser ist man also nicht allwissend, sondern kann durchaus mitraten, was hier eigentlich passiert und eventuell passieren wird.

Fazit: Für mich ist der dritte Roman der Serie um Privatermittler Kindaichi das perfekte Sommerbuch zum schnellen Weglesen und Unterhaltenwerden mit Einsprengseln der japanischen Folklore. Freue mich schon jetzt auf den vierten skurrilen Fall.

Bewertung vom 22.07.2024
Solito
Zamora, Javier

Solito


ausgezeichnet

Mit sprachlichen Bildern Eindrücke schaffen

Javier Zamora hat mit "Solito" ein beinahe schönes Buch geschrieben. Eingeschränkt mit "beinahe" deshalb, weil seine Geschichte seine eigene, wahre ist, weil er sie nach mehr als zwanzig Jahren noch immer verarbeiten muss, um mit ihr leben zu können. Und dieses Wissen darum ist bei der Lektüre zuweilen kaum auszuhalten.

Der kleine Javier lebt in La Herradura, El Salvador in Zentralamerika bei seinen Großeltern und weiteren nahen Verwandten. Seine Eltern mussten vor dem Bürgerkrieg fliehen, konnten ihren damals noch sehr kleinen Sohn jedoch nicht mit auf die beschwerliche Reise nehmen. Deshalb kennt er sie nur noch von regelmäßigen Telefonaten und Bildern. Mittlerweile ist Javier neun Jahre alt, und seine eigene Reise nach "La USA" soll bald starten.

Als es soweit ist, begleitet ihn sein Großvater bis nach Guatemala. Dann muss der kleine Junge allein bzw. mit den anderen Reisenden zurechtkommen. Sein Großvater hat ihm noch gesagt, dass er sich an Marcelo halten soll, doch der ist ihm nicht geheuer. Dann ändert der Schlepper kurzerhand die Route. Was angeblich eine Abkürzung ist, bedeutet für den Kojoten mehr Profit, weniger Verantwortung, doch für die Menschen eine gefährlichere Reise.

Es ist nichts wirklich Neues, dass der Profit stets auf Kosten der ganz Armen gemacht wird. Doch hier werden eben nicht einfach nur nüchterne Zahlen präsentiert, sondern das ungeschönte Erleben eines betroffenen Kindes und seinen Mitreisenden. Diese Erlebnisse prägen den jungen Mann bis heute und er hat sie in seinem Buch sehr eindrücklich beschrieben.

Fazit: Ein bemerkenswertes Buch, das mit seiner zuweilen poetischen Sprache das Erleben eines kleinen Jungen bei seiner Flucht ins vermeintlich gelobte Land eindrücklich schildert.