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Benutzername: 
dorli
Wohnort: 
Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 877 Bewertungen
Bewertung vom 14.06.2024
Die nackte Kuh
Ehlers, Jürgen

Die nackte Kuh


sehr gut

Künstliche Intelligenzen wirken sich immer stärker auf unser Leben aus und sind aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Ein Anwendungsgebiet dieser Technologie ist die Erzeugung von Bildern. Hierfür gibt es mittlerweile eine Vielfalt an KI-Werkzeugen. Doch welche Möglichkeiten bieten Bildgeneratoren wie ChatGPT und Bing Image Creator und wie verlässlich sind eigentlich die Informationen, die sie liefern?

Jürgen Ehlers ist diesen Fragen nachgegangen. Obwohl er, wie er in seinem Vorwort verrät, nichts von KI versteht, wollte er einfach mal spielerisch herausfinden, was möglich ist und was nicht. In „Die nackte Kuh“ stellt er die Ergebnisse vor und erzählt von seinen Erkenntnissen.

Schon das Cover und der Untertitel „Beispiele künstlicher Intelligenz und Dummheit“ lassen erahnen, dass die mit den genannten Programmen erzeugten Bilder zwar schön anzusehen sind, man den Abbildungen aber auch mit einem gut geschärften kritischen Blick begegnen sollte.

ChatGPT und Bing Image Creator brauchen nur eine Texteingabe, die das gewünschte Bild möglichst präzise beschreibt und ruckzuck wird eine passende Abbildung erstellt. Es gibt allerdings ein paar Einschränkungen. Bilder, die die Programme für unsicher oder schädlich halten, werden nicht erstellt. So können zum Beispiel reale Persönlichkeiten nicht abgebildet und gewalttätige Handlungen nicht dargestellt werden. Dafür legt die KI großen Wert auf positives Denken, bleibt sogar bei verheerenden Naturkatastrophen recht gelassen und stellt entsprechende Situationen verharmlost dar. Außerdem mögen die Programme keine Nacktheit - deshalb sind die Kühe auf dem Cover auch alle schicklich bekleidet. Gleiches gilt für Adam und Eva - der Algorithmus hat sie in Tücher gehüllt. Die biblischen Stammeltern aller Menschen Klavier spielen zu lassen, ist dagegen problemlos möglich. Hmmm…

Ich habe mich bisher nur wenig mit künstlichen Intelligenzen und deren Möglichkeiten beschäftigt. Abgesehen davon, dass ich mich über die Bilder in diesem kleinen Buch köstlich amüsiert habe, ist mir beim Lesen einmal mehr bewusst geworden, wie leicht es ist, mit Hilfe von KI fehlerhafte Informationen oder gefälschte Nachrichten zu verbreiten und die Realität zu verzerren.

„Die nackte Kuh“ hat mir sehr gut gefallen - ein reich bebildertes Büchlein, das gute Unterhaltung bietet und gleichzeitig deutlich macht, dass man mit offenen Augen durch die Welt gehen sollte und nicht ohne nachzudenken alles abnickt, was einem vorgesetzt wird.

Bewertung vom 29.05.2024
Das Baumhaus
Buck, Vera

Das Baumhaus


ausgezeichnet

Ein Ferienhaus an einem See inmitten der urwüchsigen Wälder Schwedens - das klingt nach traumhafter Atmosphäre, nach purer Erholung, nach einem Paradies zum Spielen, nach einem unbeschwertem Familienurlaub à la Bullerbü. Mit diesen Bildern im Kopf machen sich Henrik und Nora mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn von Greifswald aus auf den Weg nach Västernorrland. Doch schon bei ihrer Ankunft bekommt die freudige Erwartung einen Dämpfer - nicht nur, dass sich die Hütte, die Henriks Großvater gehörte, als recht verwahrlost erweist, auch geht etwas Dunkles und Bedrohliches von dem idyllischen Fleckchen aus.

In einem weiteren Handlungsstrang lernt man Rosa Lundqvist kennen. Rosa war schon als Kind eine Einzelgängerin und daran hat sich bis heute nichts geändert. Sie durchstreift gern allein die Wälder und beschäftigt sich mit toten Tieren. Sie studiert die Auswirkungen von Verwesungsprozessen auf die Pflanzenwelt und hat mittlerweile in forensischer Botanik promoviert. Als sie unter einer Esche eine neue Grube aushebt, legt Rosa statt des erwarteten Tierkadavers das Skelett eines Kindes frei…

Bereits im Prolog begegnet man Marla. Marla wurde vor Jahren als fünfjähriges Mädchen entführt und unter menschenunwürdigen Verhältnissen in einem Baumhaus festgehalten.

„Das Baumhaus“ hat mich schon nach wenigen Seiten fest im Griff gehabt. Vera Buck versteht es ganz ausgezeichnet, die vielfältigen Situationen und Emotionen greifbar darzustellen, so dass es mir ganz leicht gefallen ist, in die Handlung einzutauchen und mit den Akteuren mitzufiebern und mitzufühlen.

Die Spannung ist von Anfang an auf einem hohen Level und wird durch unerwartete Ereignisse, unheimliche Begegnungen und das stückweise Aufdecken von Hintergründen immer wieder aufs Neue befeuert. Auch, dass schon im Klappentext verraten wird, dass Fynn spurlos verschwindet, ist in Sachen Spannung ein gelungener Schachzug. Immer, wenn Fynn in eine bedenkliche Situation gerät, fiebert man ganz besonders mit und lauert regelrecht darauf, dass das Unvermeidliche geschieht. Unglaublich aufwühlend sind zudem die Kapitel, in denen Marla ihr Martyrium schildert. Je mehr ich darüber erfahren habe, was das Mädchen erdulden musste, desto größer wurde mein Wunsch, dass die Polizei den Schuldigen am Ende dingfest macht.

Ganz besonders spannend war es für mich, das Verhalten von Nora und Henrik zu beobachten, als Fynn plötzlich wie von Erdboden verschluckt ist und mit jedem weiteren Tag die Hoffnung schwindet, den Jungen lebend zu finden. Vera Buck katapultiert ihre Protagonisten nicht nur in diese furchtbare Ausnahmesituation, sie konfrontiert die beiden gleichzeitig mit Fehlern, die sie in ihrer Vergangenheit gemacht haben. Längst verschollene Erinnerungen werden an die Oberfläche gespült. Schuldgefühle aufgrund von Fehlverhalten keimen auf. Die Ehe, die sowieso schon nicht so harmonisch ist, wie sie auf den ersten Blick erschien, rutscht immer weiter in Schieflage. Beide wissen nicht, wie sie mit den albtraumhaften Ereignissen umgehen sollen und werden an ihre physischen und psychischen Grenzen gedrängt.

Gefesselt hat mich auch Rosas Job als forensische Botanikerin (ich wusste gar nicht, dass es diesen Beruf gibt). Spannend, was in diesem Bereich alles möglich ist. Mit ihrem Wissen ist Rosa in der Lage, Veränderungen an Pflanzen zu deuten und der Polizei so bei der Suche nach Mordopfern in unwegsamen Waldgebieten zu helfen.

Als sehr gelungen habe ich auch die Beschreibungen der Schauplätze empfunden - der schmuddelige Zustand der Ferienhütte, die einsame Umgebung mit dem undurchdringlichen Wald und auch die Überreste des alten Baumhauses sorgen für eine gruselige Atmosphäre und geben der Thrillerhandlung den passenden düsteren Rahmen.

Als es im letzten Drittel des Buches immer offensichtlicher wird, wie alles zusammenhängt, gab es für mich kein Halten mehr - ich musste einfach lesen, lesen, lesen, um herauszufinden, wie sich alles auflöst und wer hinter allem steckt.

„Das Baumhaus“ hat mir sehr gut gefallen - ein abwechslungsreicher Thriller, der mit interessanten Figuren und einer fesselnden Handlung punkten kann.

Bewertung vom 28.04.2024
Malnata
Salvioni, Beatrice

Malnata


ausgezeichnet

In ihrem Roman „Malnata“ (die „Unheilbringende“) nimmt Beatrice Salvioni den Leser mit in das Jahr 1935 ins faschistische Italien und erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei gänzlich unterschiedlichen Mädchen.

Zunächst einmal großes Lob für die Covergestaltung. Ein echter Blickfang! Ich habe schon lange kein Cover mehr gesehen, das derart gut zum Inhalt eines Buches passt. Der Blick des abgebildeten Mädchens sagt genau das aus, was Maddalena ausstrahlt. Trotzig, widerspenstig und querköpfig gegenüber einem System, in dem das eigenständige Denken der Menschen und ganz besonders das von Frauen und Mädchen nicht erwünscht ist. Ich hatte sofort den Wunsch, die Malnata kennenzulernen, weil ich wissen wollte, was sie zu sagen hat.

Schon der kurze Prolog nimmt das Ende der zum Teil dramatischen Ereignisse vorweg und lässt erahnen, dass die Geschichte über die Freundschaft der beiden Teenager bei weitem keine Wohlfühlgeschichte ist.

Es ist Sommer, als Francesca und Maddalena sich am Ufer des Lambro das erste Mal begegnen. Beatrice Salvioni lässt mit diesem Zusammentreffen zwei Welten aufeinanderprallen: Während Francesca in einem wohlhabenden Haushalt aufwächst, zu Gehorsamkeit und Stillschweigen erzogen wird, brav und anständig sein muss und sich nicht schmutzig machen darf, kommt Maddalena aus zwar ärmlichen, dafür aber unbeschwerten Verhältnissen. Maddalena sagt, was sie denkt, hat vor nichts und niemandem Angst, senkt niemals den Blick und lässt sich nicht in eine Schablone pressen.

Schon nach wenigen Seiten habe ich gebannt die Erlebnisse der beiden jungen Mädchen verfolgt. Obwohl ihre Unternehmungen von einer gewissen Brutalität geprägt sind und ihre Abenteuer oft grenzwertig, manchmal sogar kriminell sind, blüht Francesca auf, fühlt sich lebendig und verbringt zum Leidwesen ihrer herrischen Mutter immer mehr Zeit mit Maddalena und deren Familie. Die Autorin lässt mich miterleben, wie die Mädchen durch ihre Erlebnisse nach und nach wachsen, wie sie sich gegenseitig herausfordern, einander aufbauen und stärken, auseinander driften, um dann doch wieder füreinander da zu sein.

Beatrice Salvioni hat diese fesselnde Geschichte in eine große Portion Gesellschaftskritik eingebettet. Das Leben war zur damaligen Zeit rau und grob, Gewalt und Unterdrückung gegenüber Andersdenkenden waren an der Tagesordnung, Meinungsfreiheit gab es nicht, es herrschte Krieg. Die Rolle der Frau im faschistischen Italien wird von der Autorin besonders hervorgehoben, indem sie die Mädchen sich gegen all das auflehnen lässt, was eigentlich von ihnen erwartet wurde: aufopfernd dem Mann dienen, den Alltag auf zugeschriebene Bereiche (Heim, Herd, Kirche) beschränken, ansonsten den Mund halten. Diese faschistische Gesellschaft mit ihren patriarchalischen Strukturen hat einige tragische Ereignisse für die Mädchen und ihre Familien im Gepäck, die die freiheitsliebende Malnata an den Rand der Selbstaufgabe bringen. Auch Francesca scheint letztendlich aufgrund des gesellschaftlichen Drucks die gerade erst gewonnene Kraft und Freiheit wieder zu verlieren, doch als es wirklich drauf ankommt, ist stark und mutig und bietet dem System die Stirn.

„Malnata“ hat sehr gut gefallen - eine starke Geschichte, die mich tief beeindruckt zurücklässt.

Bewertung vom 25.04.2024
Evas Rache / Paul Stainer Bd.4
Ziebula, Thomas

Evas Rache / Paul Stainer Bd.4


ausgezeichnet

Thomas Ziebula wartet auch im 4. Fall für Kriminalinspektor Paul Stainer mit einer großen Portion Zeit- und Lokalkolorit auf - den Leser erwartet nicht nur spannende Krimiunterhaltung, sondern auch eine fesselnde Zeitreise in das Jahr 1922 nach Leipzig.

Paul Stainer und seine Kollegen aus der Wächterburg haben wieder einmal alle Hände voll zu tun - ein Lustmörder treibt sein Unwesen in der Stadt, bereits drei junge Frauen sind der „Bestie von Leipzig“ zum Opfer gefallen. Stainer macht es schwer zu schaffen, dass die Ermittlungen ins Stocken geraten sind. Er trinkt zu viel, seine Depression droht zurückzukehren. Dann plötzlich eine neue Spur! Endlich geht es voran…

Die Münchnerin Eva-Maria Dorn will sich an ihrem betrügerischen Ehemann Armin rächen und folgt ihm nach Leipzig, wo er seine neue Erfindung auf der Technischen Messe vorstellen will. Eva hat einen sorgfältig ausgeklügelten Racheplan im Kopf, doch die Dinge sollen ganz anders verlaufen, als sich vorgestellt hat…

Der ereignisreiche Kriminalfall mit den spannenden Ermittlungen in Leipzigs Straßen hat mich schnell gefangen genommen, und auch das stimmige historische Bild, das Thomas Ziebula in diesem - leider letzten - Band der Reihe zeichnet, hat mich rundum begeistert. Es ist dem Autor wieder einmal ganz ausgezeichnet gelungen, den Zeitgeist der 1920er Jahre einzufangen und den Alltag seiner Figuren authentisch darzustellen. Die Eigenarten und Denkweisen der Menschen in den frühen Jahren der Zwischenkriegszeit fließen genauso wie die politische und wirtschaftliche Lage, die gesellschaftlichen Gepflogenheiten, Mode und Kultur in die Handlung ein. Während man die Akteure auf ihren Wegen begleitet, fühlt man sich mittendrin im damaligen Leipzig. Dabei ist es nicht nur spannend, Stainer & Co. bei den Ermittlungen über die Schultern zu schauen, auch die Höhen und Tiefen, die Eva im Verlauf der Handlung erlebt bzw. durchmachen muss, werden mitreißend dargestellt, so dass man durchweg mit ihr mitfiebert.

„Evas Rache“ hat mir sehr gut gefallen - ein historischer Kriminalroman, der mit interessanten Charakteren, stimmigem Zeitkolorit und einer anschaulich und lebendig erzählten Handlung zu überzeugen weiß.

Bewertung vom 23.04.2024
Das Flüstern des Lebens
Fuchs, Katharina

Das Flüstern des Lebens


gut

Die 68-jährige Münchner Unternehmerin Corinna Waldeck ist auf ihrer Farm in Tansania ums Leben gekommen. Ihre in München lebende Zwillingsschwester Doris und deren Tochter Isabelle sind immer noch zutiefst geschockt, als eine überraschende Neuigkeit die beiden Frauen sprachlos macht: Corinna hatte eine Tochter! Die 14-jährige Hannah ist bereits auf dem Weg nach München und braucht eine Bleibe. Die Familienähnlichkeit des selbstbewussten Mädchens ist unverkennbar, dennoch wirft ihre Existenz natürlich einige Fragen auf, allen voran, warum Corinna niemandem von ihrer Tochter erzählt hat.

Die Testamentseröffnung sorgt für weitere Überraschungen. Hannah erbt den Großteil des Vermögens ihrer Mutter, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie bis zu ihrem 21. Geburtstag in Deutschland bleibt. Die Bogenhausener Villa geht an Doris und die Farm mit der Kaffeeplantage in Tansania bekommt Isabelle. Corinnas Neffe Moritz wird mit einem vergleichsweise winzigen Betrag abgespeist. Er fühlt sich betrogen, reagiert entsprechend aufbrausend und zweifelt daran, dass das Testament rechtmäßig ist.

Für Isabelle kommt das Erbe völlig unerwartet. Sie reist kurze Zeit später nach Tansania und muss schon in den ersten Tagen ihres Aufenthalts erkennen, dass der Glanz, der die erfolgreiche Corinna stets umgeben hat, zahlreiche matte Stellen aufweist. Während Isabelle versucht, die Kaffeeplantage wieder in Schwung zu bringen, ahnt sie nicht, dass die baldige Ankunft des Piloten Frank Barnes ihr bisheriges Leben gänzlich umkrempeln wird…

Katharina Fuchs hat mich bisher mit ihren Romanen immer begeistert. Entsprechend vorfreudig war ich auf „Das Flüstern des Lebens“ - und bleibe nach dem Lesen des Buches recht zwiegespalten zurück.

Die Autorin hat einen tollen Schreibstil, es braucht immer nur wenige Seiten, bis mir die Akteure vertraut sind und die Handlung mich gefangen nimmt. Das war auch diesmal so - ich war schnell mittendrin im Geschehen und konnte den Ereignissen, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, problemlos folgen.

Anders als der Klappentext es vermuten lässt, spielt das erste Drittel der Geschichte ausschließlich in München. Man lernt die einzelnen Familienmitglieder und ihre Eigenarten ausgiebig kennen, es geht viel um das unerwartete Auftauchen der 14-jährigen Hannah und natürlich um die Regelungen rund um Corinnas Nachlass. Insgesamt ein etwas in die Länge gezogener Part, den ich dennoch als ganz unterhaltsam empfunden habe.

Endlich in Tansania angekommen, leuchten die atemberaubenden Farben der afrikanischen Wildnis vor meinen Augen auf. Mit den Schilderungen von Land und Leuten kann Katharina Fuchs ganz besonders punkten. Ich bin begeistert von den lebendigen Beschreibungen der vielfältigen Natur und der Tierwelt. Spannend sind auch die Ausführungen zum Kaffeeanbau und die ganzen Probleme, die damit einhergehen. Die im Klappentext angepriesene Liebesgeschichte lässt allerdings auf sich warten. Doch als Frank Barnes dann endlich auf der Sandpiste der Plantage landet, geht alles holterdiepolter - er erscheint auf der Farm und ist nach wenigen Stunden Isabelles große Liebe. Eine Entwicklung der Beziehung, die mich erkennen lässt, woher diese tiefen Gefühle kommen, gibt es nicht. Ab hier wurde die gesamte Handlung für mich immer unglaubwürdiger, besonders Isabelle agiert nicht wie die gewissenhafte Mittvierzigerin, die ich zu Beginn des Buches kennengelernt habe. Während Isabelle ihr Leben und ihre Verpflichtungen in Deutschland anscheinend fast vergessen hat, darf ich weiter an den dortigen Ereignissen teilhaben - immer wieder schwenkt die Handlung nach München und ich erfahre, wie es Doris, Hannah und Moritz ergeht.

Katharina Fuchs wartet in diesem Roman mit einer Flut unterschiedlicher Themen auf, die zwar im Einzelnen alle interessant und wichtig sind, aber leider aufgrund der Vielzahl oft nur oberflächlich angerissen werden, so dass das tatsächliche Geschehen nicht bereichert wird, sondern durch die Fülle überfrachtet wirkt. Hinzu kommen Nebenhandlungen, die die Haupthandlung nicht stützen, sondern gefühlt eher verdrängen. Das Zuviel insgesamt hat ein Zuwenig bei der eigentlichen Handlung zur Folge: am Ende bleiben doch einige Fragen offen.

Ich habe die lebendigen Schilderungen über Tansania und die Kaffeeplantage genossen und fand die Erläuterungen zum Kaffeeanbau interessant, aber die Entwicklung der Handlung und die der Figuren besonders in der zweiten Hälfte des Buches haben mich nicht überzeugt. Dort, wo ich das Besondere erwartet habe, habe ich nur Durchschnitt bekommen und bin entsprechend ein wenig enttäuscht. 2,5/5

Bewertung vom 16.04.2024
The Hike
Clarke, Lucy

The Hike


gut

Liz, Helena, Maggie und Joni kennen sich von Kindesbeinen an. Einmal im Jahr treffen sich die mittlerweile Mittdreißigerinnen zu einem Kurzurlaub. Diesmal hat Liz das Urlaubsziel bestimmen dürfen und sich für eine mehrtägige Wandertour in der idyllischen Bergwelt Norwegens entschieden, statt wie sonst immer irgendwo in der Sonne zu faulenzen. Die Begeisterung ihrer Freundinnen hält sich in Grenzen, doch schließlich machen sie sich gemeinsam auf, um den Blafjell und seine Umgebung zu erkunden - nicht ahnend, dass in der traumhaft schönen Natur ein Albtraum auf sie wartet…

Lucy Clarke stellt ihre Protagonistinnen zunächst einmal ausgiebig vor. Ich lerne die Freundinnen gut kennen, erfahre einiges über ihrem Alltag und ihre jeweiligen Probleme. Schnell wird klar, dass alle vier dringend eine Auszeit nötig haben.

Schon im Vorfeld der Wanderung läuft mein Kopfkino auf Hochtouren. Es gefällt mir wahnsinnig gut, wie Lucy Clarke die Normalität rund um diesen Ausflug mit vielen kleinen Andeutungen gespickt hat, die durchaus für Konflikte sorgen könnten. Obwohl eigentlich noch nichts passiert, verfolge ich gebannt das Geschehen und habe dabei immer den Aufmacher des Klappentextes im Kopf: „Vier Freundinnen in der Wildnis Norwegens. Nur drei kommen zurück.“ Ich möchte unbedingt erfahren, welche der Frauen am Ende diejenige sein wird, die in dem kurzen Prolog tot auf dem Berghang liegt. Ich möchte wissen, was genau da draußen passiert ist, bin neugierig auf die Hintergründe. Dass bereits vor einem Jahr eine junge Frau in der Nähe des Blafjell spurlos verschwunden ist, befeuert die Spannung noch zusätzlich. Fast ungeduldig warte ich darauf, dass die Wanderung endlich losgeht, und auf Seite 108 ist es dann soweit, die Freundinnen haben ihre Rucksäcke geschultert und das eigentliche Abenteuer beginnt.

Lucy Clarke schont ihre Protagonistinnen nicht und lässt das unerfahrene Quartett in so ziemlich jede Gefahrensituation schliddern, die die norwegische Wildnis zu bieten hat. Neben einem mächtigen Unwetter und sinkenden Temperaturen, losem Geröll, verwitterten Pfaden und fehlenden Wegmarkierungen machen auch das unterschätze Gewicht der Ausrüstung, die fehlende Fitness und Blasen an den Füßen die Wanderung zu einer Tortur. Darüber hinaus sorgen mysteriöse Schatten, rätselhafte Verfolger sowie weitere Widrigkeiten und Bedrohungen für Angst und Schrecken. Aufgrund der zunehmenden Erschöpfung brechen persönliche Differenzen aus den Frauen heraus und lassen die Stimmung aggressiv werden. Es kommt zu schwerwiegenden Vorwürfen, die fast zu einer Eskalation führen, dann aber mit wenigen Worten aus der Welt geschafft werden, nur um nach kurzer Zeit wieder aufzulodern.

Die zahlreichen kleinen und großen Katastrophen sollen für Spannung sorgen und das gelingt auch zunächst, doch im letzten Drittel des Romans beginnt mir dieses dramatische Auf und Ab zuviel zu werden. Die Autorin zieht alle Register, die man ziehen kann, wenn sich Laien unvorbereitet und auf eine herausfordernde Bergwanderung begeben, doch mit der Aneinanderreihung von unwirtlichen Bedingungen, brenzligen Situationen, unvorhersehbaren Ereignissen und unheimlichen Begegnungen überspannt sie den Bogen ein wenig. Das macht nicht nur die Handlung zunehmend unglaubwürdiger, auch das Miteinander der Freundinnen wirkt irgendwann gekünstelt, so dass meine anfängliche Begeisterung sich am Ende verflüchtigt hat.

„The Hike“ konnte mich insgesamt nicht so begeistern, wie ich es nach dem Lesen von Kurzbeschreibung und Leseprobe erwartet hatte.

Bewertung vom 14.03.2024
Dreimal du und ich
Linden, Rachel

Dreimal du und ich


sehr gut

Magnolia, Seattle. Lolly ist seit dem frühen Tod ihrer Mutter damit beschäftigt, sich um ihre kleine Schwester zu kümmern und ihren Vater im familieneigenen Diner zu unterstützen. Ihre persönlichen Träume hat die fast 33-Jährige dabei komplett aus den Augen verloren. Eine Liste mit Lebenszielen in einem Tagebuch aus Teenagerzeiten erinnert sie daran, was sie alles erreichen wollte und lässt sie enttäuscht feststellen, dass sie nicht einen der Punkte in die Tat umgesetzt hat. Ganz unverhofft bietet ihre Großtante Gert Lolly die Möglichkeit, in die Leben reinzuschnuppern, die sie hätte haben können, wenn sie ihren eigenen Wünschen gefolgt wäre. Lolly erhält drei besondere Zitronenbonbons. Die Anwendung ist ganz einfach - ein Bonbon vor dem vor dem Schlafen lutschen und laut aussprechen, welche Entscheidung man ändern möchte. Schon entfaltet das Bonbon seine Wirkung und katapultiert Lolly für einen Tag in ein alternatives Leben.

„Dreimal du und ich“ ist nicht nur die romantische Liebesgeschichte, die ich aufgrund von Titel und Cover erwartet hatte, der Roman enthält bei aller Leichtigkeit auch viele tiefgründige Gedanken. Es geht darum, das eigene Leben lebenswert zu gestalten und sich nicht von Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl in die Knie zwingen zu lassen. Und es geht um die Erkenntnis, dass es das perfekte Leben nicht gibt, dass jeder Lebensweg neben Glück und Freude eben auch seine Schattenseiten hat, wo Stolpersteine lauern, die es zu überwinden gilt.

Rachel Linden stellt die Situation ihrer Protagonistin sehr glaubwürdig dar - ich lerne Lolly als beflissen und gewissenhaft kennen und kann verstehen, warum das Familienrestaurant für sie absolute Priorität hat. Auch im weiteren Verlauf bleibt die Handlung authentisch, ich kann Lollys langsam einsetzendes Umdenken, die Einsicht, dass die Glanzzeiten des Diners vorbei sind, ihren Wunsch nach Glück und Zufriedenheit und auch die Wege, die sie schließlich einschlägt, gut nachvollziehen.

Nachdem Großtante Gert erklärt hat, wie die Zitronenbonbons funktionieren - „…diese Bonbons erweitern unsere begrenzte Wahrnehmung von Zeit und Raum…“ (S.118) - da dachte ich zunächst an irgendwelche Visionen unter Drogeneinfluss, doch Lollys Erlebnisse während dieser Lebensalternativen wirken nicht wie irgendwelche Halluzinationen, sondern werden als greifbare Ereignisse beschrieben. Also wird hier wohl doch eine Prise Magie im Spiel sein :-)

Sehr gut gefallen hat mir die Darstellung von Lollys Ausflügen in die alternativen Lebenswege. Zum einen war es spannend zu beobachten, wie sie die plötzlichen Anforderungen bewältigt und welche Emotionen diese Kostproben eines anderen Lebens in ihr auslösen. Und zum anderen war es sehr amüsant, sie zu begleiten, weil sie von den Dingen überrumpelt wird und sich in der fremden Umgebung nicht so leicht zurechtfindet.

„Dreimal du und ich“ hat mir sehr gut gefallen - eine Liebesgeschichte, die zwar zum Ende hin ein wenig ins Kitschige abdriftet, aber durch die tiefgründigen Momente insgesamt durchaus zu überzeugen weiß.

Bewertung vom 04.03.2024
Zeit der Schuldigen
Thiele, Markus

Zeit der Schuldigen


ausgezeichnet

Hambühren im August 1981. Nina Markowski ist ein fröhliches 17-jähriges Mädchen, das mit ihren Freundinnen den Sommer genießt. Auf dem jährlichen Schützenfest trifft sie den fast doppelt so alten Volker März. Ein netter Kerl, der Nina aus einer brenzligen Situation befreit. Die beiden freunden sich an, gehen Eisessen, hören gemeinsam Musik. Als Volker sich eine intensivere Beziehung wünscht, macht Nina ihm klar, dass sie nichts für ihn empfindet. Sie hat sich in einen Mitschüler verliebt und bittet Volker, das zu akzeptieren.

Einige Monate später, am 4. November 1981, wird Nina auf dem Nachhauseweg von der Chorprobe vergewaltigt und bestialisch ermordet - 22 Messerstiche, die Kehle bis auf die Halswirbelsäule durchgeschnitten. Dringend tatverdächtig: Volker März. Doch die Beweise reichen nicht aus, Volker wird rechtskräftig freigesprochen. Erst im Jahr 2012 lässt sich mittels DNA-Analyse einwandfrei seine Schuld beweisen. Doch für ein neues Verfahren ist es zu spät, denn laut Gesetz darf niemand nach einem Freispruch ein weiteres Mal für dieselbe Tat angeklagt werden - Volker März bleibt ein freier Mann…

Ninas Vater Hans kann und will sich nicht damit abfinden, dass niemand für die Ermordung seiner Tochter zur Rechenschaft gezogen wird. Über mehrere Jahrzehnte hinweg kämpft er für Gerechtigkeit. Dabei wird er allerdings weder von Hass getrieben, noch trachtet er nach Vergeltung. Ganz anders Hauptkommissarin Anne Paulsen. Anne will März aus einem ganz persönlichen Grund drankriegen und setzt dafür alles aufs Spiel. Nach akribischer Vorbereitung ist es im November 2022 soweit, ein sorgfältig ausgeklügelter Plan soll den mittlerweile 72-jährigen Mann endlich dingfest machen.

In seinem von einem wahren Verbrechen inspirierten Roman „Zeit der Schuldigen“ nimmt Markus Thiele den Leser mit auf eine fesselnde Zeitreise in die 1980er Jahre und erzählt die Geschichte der Schülerin Frederike von Möhlmann nach, die 1981 brutal ermordet wurde und deren Mörder trotz aller Anstrengungen der Opferfamilie auch über 40 Jahre nach der Tat ganz rechtmäßig sein Leben als freier Mann lebt.

Markus Thiele hat die realen Ereignisse und die Prozesshistorie rund um diesen Mordfall mit einer spannenden, für mich äußerst glaubwürdigen fiktiven Handlung verwoben. Er beschreibt seine Akteure vielschichtig und lebensnah und schildert deren Beziehungen zueinander überzeugend. Der Fall wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet, so dass ich mir ein umfassendes Bild von der Zeit vor und nach dem Mord machen kann.

Der Autor gewährt mir zunächst einmal tiefe Einblicke in das Leben der 17-Jährigen. Nina ist ein ganz normaler Teenager. Sie wirkt emotional sehr verunsichert, was in ihrem Alter kein Wunder ist. Ich lerne sie gut kennen, begleite sie bis zu dem verhängnisvollen regnerischen Abend im November ’81. Anschaulich und eindringlich schildert Markus Thiele dann, was ihr Vater Hans über viele Jahre hinweg durchstehen muss. Seine Trauer und seine Verzweiflung sind für mich greifbar. Ich leide mit ihm, kann sein Hoffen und Bangen sehr gut nachvollziehen und spüre, wie die Rückschläge an seinen Kräften zehren. Mitgerissen haben mich auch die Ereignisse, die in dem Part rund um Anne Paulsen spielen. Der Autor lässt mich anfangs nur erahnen, was Anne antreibt und schickt mich auf eine emotionale Achterbahnfahrt - obwohl ich Annes tatsächliches Motiv erst ganz zum Schluss erfahre, obwohl ich weiß, dass Selbstjustiz niemals eine Option sein darf, fiebere ich intensiv mit ihr mit und ertappe mich immer wieder dabei, dass ich mir wünsche, dass ihr Plan am Ende erfolgreich sein möge. Warum nicht die Dinge selbst in die Hand nehmen, wenn man derart von Recht und Gesetz im Stich gelassen wird?

Markus Thiele versteht es ganz ausgezeichnet, in seinen Romanen die juristische Sichtweise auf gesellschaftlich gewichtige Themen auch für den Laien leicht verständlich darzustellen und lädt seine Leser damit ein, über diese Dinge nachzudenken und sich ein eigenes Bild zu machen.

Der Fall Frederike Möhlmann und auch die jahrzehntelangen Bemühungen ihres Vaters, für Gerechtigkeit zu sorgen, waren mir durch die Berichterstattung in der Medien schon bekannt. „Zeit der Schuldigen“ hat mir jetzt zusätzlich einen interessanten Einblick in den Ablauf der Ermittlungen und der Gerichtsverhandlungen geboten. Ich bleibe nach dem Lesen des Romans emotional aufgewühlt zurück. Ich kann es einfach nicht fassen, wie weit Recht und Gerechtigkeit hier auseinanderklaffen. Es fühlt sich für mich völlig falsch an, dass ein Mörder, dessen Schuld nachgewiesen ist, straffrei bleibt. Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass jemand, der ohne Zweifel der Täter ist, rechtmäßig geschützt wird.

„Zeit der Schuldigen“ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite fest im Griff gehabt - eine mitreißend erzählte Geschichte, die den Leser intensiv an der Prozesshistorie eines wahren Verbrechens teilhaben lässt. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.02.2024
Demon Copperhead
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead


ausgezeichnet

Damon Fields wird in einem Trailer in den Wäldern West Virginias geboren. Im Lee County, das zu den ärmsten Provinzen der USA gehört. Schon der Start ins Leben war für den Jungen nicht einfach, seine drogensüchtige Teenie-Mutter war - wie er selbst es nennt - „nicht ganz da“, sein Vater schon einige Zeit tot. Eine aufmerksame Nachbarin ist zum Glück zur rechten Zeit am rechten Ort.

Der Lebensweg, den Barbara Kingsolver für ihren Protagonisten vorgesehen hat, besteht eigentlich nur aus Hindernissen und ist von Schicksalsschlägen geprägt. Der Junge, der wegen seiner kupferroten Haare Demon Copperhead genannt wird, erlebt all das, was ein Heranwachsender eigentlich nicht erleben sollte: Armut, eine Odyssee durch Pflegefamilien, Drogen, Ausbeutung, Vernachlässigung und Gewalt. Man sollte meinen, dass jemand, der wie Damon eigentlich keine Perspektive hat, an seinem Schicksal zerbricht, doch Damon ist ein Stehaufmännchen. Kraft dafür schöpft er sowohl aus der tiefen Verbundenheit mit seiner Heimat, seinen Leuten und der Natur wie auch aus seinem Talent als Comiczeichner, so dass es egal scheint, wie tief und finster das Tal ist, das er gerade durchschreiten muss, da ist immer ein Hoffnungsschimmer, dass es irgendwie weitergeht…

Barbara Kingsolver lässt Damon seine Geschichte selbst erzählen. Mit Worten, die oft sehr direkt und auch derb sind, aber eben auch zu ihm passen. Worte, die mich trotz aller Tragik gut unterhalten haben. Ich habe mich beim Lesen immer wieder gefragt, wie man eine so traurige, herzzerreißende Geschichte mit so viel Witz in der Stimme erzählen kann. Ich habe diesem klugen Jungen gerne zugehört. Man spürt, dass er die raue Welt, in die er hineingeboren wurde, verstanden hat.

Barbara Kingsolver wollte eine Geschichte über ihre Heimat schreiben und damit die appalachische Lebenswelt verständlich machen. Sie wollte sowohl die positiven wie die negativen Seiten der Gemeinschaft in Appalachia aufzeigen, vor allen Dingen aber auf die zahlreichen Missstände aufmerksam machen und damit denen Gehör verschaffen, die selbst nicht dazu in der Lage sind. Das ist ihr in beeindruckender Weise gelungen. Damons Geschichte zu lesen hat sich für mich angefühlt, als hätte er mich an die Hand genommen und gesagt: „Komm, ich zeige dir mal, was in meiner wunderbaren Heimat los ist, was hier verdammt noch mal alles nicht richtig läuft.“ Und es läuft vieles nicht richtig.

Demon Copperhead steht als Sinnbild für eine Generation, der von Anfang an nur Steine in den Weg gelegt wurden - verwaiste Kinder und Jugendliche, die von den verheerenden Auswirkungen der Opioidkrise niedergedrückt und von Armut und dem Stigma Hillbilly ausgebremst werden, die mit mangelnder Schulbildung und einem miserablen Pflege- und Gesundheitssystem zu kämpfen haben, die sich nur selten aus eigener Kraft aufrappeln können und so oft nicht in der Lage sind, dem Unbill des Lebens die Stirn bieten. Eine ewige Abwärtsspirale.

Barbara Kingsolver hat sich von Charles Dickens und seinen leidenschaftlichen Romanen inspirieren lassen. David Copperfield stand Pate für Demon Copperhead. Die Autorin hat trotz aller Parallelen mit ihrer Geschichte allerdings etwas geschaffen, das durchaus für sich allein stehen kann.

„Demon Copperhead“ hat mir sehr gut gefallen - ein Roman, der mich realitätsnah miterleben lassen hat, was es heißt, ein Leben zwischen Albtraum und Chancen zu leben. Eine fesselnd erzählte, berührende Geschichte, die lange nachklingt. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 19.02.2024
Faule Fische fängt man nicht / Ostfriesen-Krimi Bd.11
Franke, Christiane;Kuhnert, Cornelia

Faule Fische fängt man nicht / Ostfriesen-Krimi Bd.11


ausgezeichnet

Neuharlingersiel. Auf dem Steffens-Hof findet ein Malkurs statt, zu dem sich neben Rosa Moll noch acht weitere Teilnehmer angemeldet haben. Kursleiter Conrad Gravenstein hat alle gebeten, ein Bild mitzubringen. Karin Müller, die wegen ihrer gnadenlosen Strafzettel für Falschparken in Neuharlingersiel auch als „Knöllchen-Karin“ bekannt ist, hat ein Gemälde dabei, das seit vielen Jahren bei ihrer Oma in der Küche hängt. Conrad studiert es aufmerksam und vermutet einen echten van Gogh. Karin amüsiert sich über seine Expertise, denn ihre Großeltern sind schließlich einfache Leute, etwas so Wertvolles besitzen sie ganz sicher nicht. Doch am nächsten Tag ist Karin mausetot; ermordet, wie nach der Obduktion feststeht. Und dann stirbt ganz plötzlich auch Conrad…

„Faule Fische fängt man nicht“ ist bereits der elfte Einsatz für Lehrerin Rosa, Postbote Henner und Dorfpolizist Rudi - der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände bestens verständlich.

Schon nach wenigen Seiten haben mich die Ereignisse in dem beschaulichen Küstenort wieder fest im Griff. Die Ermittlungen im Mordfall Karin Müller erweisen sich als äußerst knifflig und halten nicht nur die Kripo Wittmund, sondern auch die Hobbyermittler aus Neuharlingersiel durchweg in Atem. Rosa ist ruckzuck in ihrem Element, als bekannt wird, dass Karin einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Henner ist wieder eher unfreiwillig mittendrin im Geschehen. Rudi versucht, die Hinweise seiner Freunde und seine Arbeit für die Polizei unter einen Hut zu bringen. Und Oberkommissar Schnepel macht, was er am besten kann: wild über mögliche Täter und Motive spekulieren und verworrenen Theorien nachjagen.

Falsche Fährten, mehrere Verdächtige, unerwartete Wendungen und immer wieder neue Hinweise halten nicht nur die Handlung lebendig, sondern haben mich auch prima über Motive, Hintergründe und die Identität des Täters miträtseln und mitgrübeln lassen. Neben der spannenden Krimihandlung hat mich auch das herrliche Drumherum wieder gut unterhalten. Lebensnahes Alltagsgeschehen, das amüsante Zusammenspiel der Dorfbewohner und die schönen Momente in Mudder Steffens Küche sorgen für ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Wie man es von Christiane Franke und Cornelia Kuhnert gewohnt ist, wird das kriminelle Geschehen auch diesmal wieder durch interessante Themen bereichert. So geht es um Kunstraub oder auch um den fahrlässigen Umgang mit Medikamenten. Darüber hinaus sind auch die Beschreibungen der Handlungsorte in und um Neuharlingersiel wieder äußerst gut gelungen - man kann sich die einzelnen Schauplätze alle bestens vorstellen und wird von der Nordseeküsten-Atmosphäre schnell eingefangen. Und auch auf einige Spezialitäten und Leckereien aus der ostfriesischen (und diesmal auch polnischen) Küche nebst Rezepten im Anhang kann sich der Leser wieder freuen.

„Faule Fische fängt man nicht“ hat mir sehr gut gefallen - ein Küstenkrimi, der kurzweilige Unterhaltung bietet und zum Miträtseln einlädt.