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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Frau_Ke
Wohnort: 
Halle (Saale)

Bewertungen

Insgesamt 33 Bewertungen
Bewertung vom 16.07.2024
Alte Eltern
Kitz, Volker

Alte Eltern


sehr gut

Volker Kitz wirft in seinem Buch Fragen auf, die eine ganze Generation betreffen: Was bedeutet es, wenn die Eltern alt werden? Wie damit umgehen? Antworten darauf liefert er gleich mit – anhand seiner eigenen Lebensgeschichte und der seines Vaters. Er gewährt dabei sehr persönliche und bewegende Einblicke in den Alltag mit Demenzkranken, beschönigt nichts. Das wühlt auf, das schmerzt, vor allem, wenn man selbst bereits ähnliches erlebt hat. Und doch hilft und tröstet das Buch, denn Kitz beschreibt nicht das Schicksal eines Einzelnen, sondern das „Problem“ einer Generation, in der die „Alten“ immer älter werden und nicht selten Kinder zugleich Eltern UND Großeltern pflegen. Ergänzend bindet Kitz wissenschaftliche Erkenntnisse ein und lässt an passender Stelle Zitate anderer Autoren einfließen.

Weniger passend finde ich das Cover. Mir hat sich das Motiv bis zuletzt nicht erschlossen. Leider wirkt das Buch dadurch optisch wie ein Sachbuch; mir ist das schlichtweg zu emotionslos.

Fazit: Ein intensives Buch über den Tod UND das Leben – keineswegs leichte Kost, aber dennoch hilfreich und tröstlich.

Bewertung vom 06.07.2024
Mitte des Lebens
Bleisch, Barbara

Mitte des Lebens


sehr gut

Wer die 40 erreicht, ist statistisch gesehen in der Mitte des eigenen Lebens angekommen. Aber ist man wirklich "angekommen" oder steckt man im Alltag fest? Für viele ist das der Zeitpunkt, über das eigene Leben nachzudenken. Was habe ich bisher erreicht? Was liegt noch vor mir? Diesen und weiteren Fragen geht Barbara Bleisch in ihrem Buch nach, das weder ein Ratgeber noch eine Biografie ist. Vielmehr ist es Hilfe zur Selbsthilfe, die Barbara Bleisch anbietet. Sie philosophiert über die existenziellen Fragen unseres Lebens - ohne dabei Antworten vorzugeben oder zu richten. Stattdessen regt sie dazu an, eigene, individuelle Antworten zu finden.

Ich fühlte mich in dem Buch gut aufgehoben, da ich mich an vielen Stellen wiedererkannt habe.

Fazit: Ein kluges, lebensbejahendes Buch, das dazu ermutigt, sich den existenziellen Fragen des Lebens zu stellen - nachdenken, innehalten, nachjustieren und einfach leben.

Bewertung vom 25.06.2024
Unter Wasser ist es still
Dibbern, Julia

Unter Wasser ist es still


ausgezeichnet

Leicht und bildhaft - so lässt sich der Sprach- und Schreibstil von Julia Dibbern beschreiben. Ich war ab der ersten Seite gefangen und konnte mich sofort in die Geschichte fallen lassen - erst in das trubelige Stadtleben in Frankfurt, dann in die Einsamkeit am Meer, wo Maira auf frühere Freunde und ein Haus trifft, mit denen bzw. mit dem sie nicht nur positive Erinnerungen verbindet. Mir scheint, je mehr sie sich gegen das ihr Fremdgewordene sträubt, desto mehr bewegt sich etwas in ihrem Innersten - und sie öffnet sich doch nach und nach. Diese Zerrissenheit ist regelrecht spürbar, was hauptsächlich an dem gefühlvollen Schreibstil und den Sprachbildern liegt. Es kommt einem fast so vor als würde man einen Film sehen. Zudem „fiebert“ man mit: Wird sich Maira ihren Ängsten stellen? Wird sie bleiben oder doch wieder zurück nach Frankfurt gehen? Verdrängen, vergessen oder verarbeiten?

Für mich was das Buch ein Pageturner; man versinkt förmlich darin und hofft, dass es nicht allzu schnell vorbei ist. Und doch ist irgendwann Schluss. Vielleicht mit einem erwartbaren Ende, aber das „schadet“ dem Buch ganz sicher nicht.

Fazit: Ein Buch, in dem man versinken möchte - mit viel Tiefgang, aber auch Herzklopfen und Denkanstößen: Was ist Heimat? Ist das ein fester Ort oder “nur“ ein Gefühl?

Bewertung vom 21.06.2024
Wenn du schon hundert wirst, kannst du genauso gut auch glücklich sein
Kun Hoo, Rhee

Wenn du schon hundert wirst, kannst du genauso gut auch glücklich sein


sehr gut

Wie kann man würdevoll altern, ohne die Freude am Leben zu verlieren oder im Selbstmitleid zu versinken? Dieser Frage geht Rhee Kun Hoo in seinem Buch nach. Was zuerst auffällt, ist das schlichte, stilvolle Cover und der hochwertige Einband - ein deutlicher Pluspunkt. Auch die Aufmachung im Inneren mit fünf Kapiteln und verschiedenen kurzen Unterkapiteln hat mich überzeugt.

Zum Glück hat sich das Buch nicht als typisches Sachbuch "entpuppt". Vielmehr liest es sich wie eine Autobiografie. Man erfährt viel über den Autor und seinen Werdegang sowie die Geschichte von und das Leben in Südkorea. Diese Einblicke sind interessant, aber stellenweise leider etwas langatmig, zumal der Autor sich einige Male wiederholt. Es hätte vielleicht gut getan, im Anhang eine Übersicht mit historischen Ereignissen anzufügen, da nicht jeder mit der Geschichte Südkoreas vertraut ist. Zudem ist Südkorea nicht Deutschland, d.h. einige Auffassungen lassen sich nicht 1:1 übertragen. Die Mentalität ist eine andere, auch pflegen wir andere Traditionen.

Fazit: Obwohl manche Weisheiten nicht neu sind, ist es doch ein lesenswertes Buch mit Ansichten eines älteren Herrn zum Leben und Altern in Südkorea. Zudem wirft er Fragen auf, die zum Nachdenken bzw. zum Überdenken der eigenen Handlungsmuster anregen, z.B. Was gibt uns Menschen Kraft? Was lässt sich heute noch an den Fehlern ändern, die wir früher gemacht haben? Wie möchte ich in Erinnerung behalten werden?

Bewertung vom 12.06.2024
Ein sanfter Mann
Appelbe, Uwe

Ein sanfter Mann


gut

Das Buch beginnt mit dem Tod von Ruth, Renés geliebter Frau. Ihr Verlust stürzt ihn in eine tiefe Sinnkrise, aus der sich im Laufe des Buches zu befreien versucht. Lethargie und Schwermut ziehen sich durch die Kapitel; Lichtblicke gibt es leider nur sehr wenige.

Auf seiner Suche nach einem neuen Lebenssinn begegnet er verschiedenen Menschen, die aber alle ihre eigenen Päckchen zu tragen haben und allesamt eher unglücklich bzw. vom Leben enttäuscht sind. Viele Geschichten, viele Schicksale, viele Tragödien treffen aufeinander. Das ist mitunter anstrengend und wirkt teilweise bemüht bzw. konstruiert. Einige Szenen sind regelrecht bizarr. Der Leser wird konfrontiert mit Kinderprostitution im Bordell, einer intimen Liebesbeziehung zwischen Stiefgeschwistern sowie einem fanatischen, selbsternannten Priester.

Doch es gibt sie, die Lichtblicke - sowohl für René als auch den Leser. Positiv hervorzuheben sind die vielschichtigen Wendungen, die das Buch nimmt. Der Leser wird immer wieder aufs Neue überrascht. Auch der Schreibstil ist ansprechend; das Buch liest sich einfach schnell weg (positiv gemeint). Zudem stimmt das (unerwartete) Ende versöhnlich, wenngleich es kein Happy End im klassischen Sinn ist.

Fazit: Ein vielschichtiger, stellenweise sehr bewegender Roman, der allerdings dazu neigt, im Selbstmitleid zu versinken. Leider werden fast nur gescheiterte Existenzen und tragische Schicksale beschrieben.

Bewertung vom 17.05.2024
Quanten-Bullshit
Ferrie, Chris

Quanten-Bullshit


gut

Schonungslos, intelligent und urkomisch - so wird Chris Ferries Buch „Quanten-Bullshit“ im Klappentext beworben. Auf den ersten Blick bzw. nach dem Lesen der Leseprobe scheint das auch eine zutreffende Beschreibung zu sein. Der Schreibstil ist locker-flockig, fast so, als würde der Autor direkt mit einem sprechen. Das Thema ist interessant und die Aufmachung gut, denn die einzelnen Kapitel sind übersichtlich und nicht zu lang. Zudem sind die Illustrationen sehr gelungen.

Leider ging mir Ferries Stil irgendwann auf die Nerven; das war einfach zu viel. Warum will er auf Teufel komm raus witzig sein? Schwierig waren auch die vielen Einschübe, die er zwischendurch macht, z.B. zu seinem Kaffeekonsum. Er kommt zwar am Ende immer wieder zum Punkt, aber den Lesefluss stört es trotzdem. Vor allem dann, wenn er etwas erklärt - und am Ende auflöst, dass es sich dabei nur um von ihm erfundenen „Quanten-Bullshit“ handelte. Weniger davon, wäre in dem Falle mehr gewesen. Vielleicht sollte man das Buch auch nicht in einem Rutsch durchlesen, sondern immer mal wieder ein Kapitel.

Fazit: Niemand wird dümmer, wenn er/sie das Buch liest - ganz im Gegenteil, irgendetwas zum Thema bleibt definitiv hängen und wenn es „nur“ das Gedankenexperiment zu Schrödingers Katze oder die Serie von Heisenberg-Witzen ist. Allerdings ist der Schreibstil auf Dauer anstrengend und so manche Pointe verpufft im Ansatz.

Bewertung vom 03.05.2024
Happy Hour
Granados, Marlowe

Happy Hour


weniger gut

Zuerst das Positive: Das Cover ist ein echter Hingucker, vor allem aufgrund der unkonventionellen Anordnung von Buchtitel und Autorin-Name. Es wirkt modern, jugendlich, erfrischend, ebenso wie der Schreibstil und die Tagebuch-Form, die von der Autorin gewählt wurde. Die Länge der einzelnen Kapitel ist gut - das Buch liest sich so weg (im positiven Sinn).

Das war's dann aber schon in Sachen "positiv". Denn spätestens nach den ersten 50 Seiten fragt man sich: Wo geht die Reise hin? Es ist zwar anfangs noch interessant zu verfolgen, wie sich die beiden Protagonistinnen durchschlagen und mit diesem Lebensstil über die Runden kommen. Doch irgendwann hofft man doch, dass eine unerwartete Wendung kommt und sie sich irgendwie weiterentwickeln, aber - Achtung Spoiler - das ist nicht der Fall. Stattdessen tagtäglich Partys, Männer, Geldsorgen - täglich grüßt das Murmeltier...Ab einem gewissen Punkt geht einem das nur noch auf die Nerven - die banalen Dialoge, die Oberflächlichkeit...

Zudem scheint es zunehmend unrealistischer, was die beiden Mädels schon alles erlebt haben wollen - mit 21 Jahren. Wann waren sie in der Schule? Haben sie gar keine Ausbildung? Woher kommt das ganze Geld für Klamotten und Reisen, von denen in den Rückblicken immer wieder erzählt wird? Was am Ende bleibt, sind viele Fragen.

Fazit: Mehr Schein als Sein. NY als Setting kommt zu kurz bzw. könnte durch eine beliebige andere Großstadt ausgetauscht werden. Am besten trifft es ein Zitat, das im Buch steht (und sich eigentlich auf ein anderes Buch bezieht): Es ist dekadent und hat keine Handlung.

Bewertung vom 22.04.2024
Tagebuch einer Wasserleiche aus dem Canale Grande
Kruse, Tatjana

Tagebuch einer Wasserleiche aus dem Canale Grande


ausgezeichnet

Was sofort ins Auge fällt, sind die Farben des Covers und der auffällige Buchtitel. Auf den zweiten Blick sind es die vielen kleinen, liebevollen Details, die einem auffallen – und direkt Lust machen, in die Geschichte einzutauchen.

Ohne viel Vorgeplänkel, dafür mit viel Humor, startet Astrids Reise nach Venedig. Während Tag 1 noch recht harmlos vonstatten geht, bietet die „Gondel-Gaukeley“ an Tag 2 viel zum Lachen, z.B. eine Louis-de-Funès-Reminiszenz, den Anblick der „Achselhöhlenhunde“ sowie ein Blinzelduell – herrlich! Und dazu der wunderbare Sprachstil – „blümerant“ oder „Krethi und Plethi“ sind mir im Gedächtnis geblieben, das hört/liest man heutzutage (leider) nicht oft. Sehr erfrischend!

Und dann kommt Tatjana Kruse mit dem nächsten Lacher um die Ecke, z.B. „Aber egal wie viel Schokoladeneis ich in mich hineinlöffle, meine Ohrringe werden mir trotzdem passen.“ oder „Mit dem gesunden Menschenverstand ist es wie mit Deorollern – wer sie eigentlich am meisten bräuchte, benutzt sie nicht.“ oder „Meine Tante mochte keine Kinder. Höchstens gut durch und mit viel Soße, wie es so schön heißt." usw.

Doch wo sind sie den nun, die „versprochenen“ Leichen? Bis zum vierten Tag muss man sich gedulden, wird dann aber mehr als belohnt: Plötzlich regnet ein Kerl vom Himmel, ein anderer landet im Piranha-Becken und einem weiteren wird Erdnusscreme zum Verhängnis... Vor lauter Lachen bleibt einem nahezu die Luft weg.

Das Ende kommt für Fans dieser Krimödie leider viel zu früh. Gerne hätte man noch mehr mit Astrid geschmachtet, gelacht und gemordet ;-) Doch irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das Ende auch gleich der Anfang einer Fortsetzung sein könnte...

Fazit: Schwarzer Humor mit Biss, teils schräge Charaktere, feinsinnige Pointen und Sprachbilder sowie irre Wendungen - all das bleibt im Kopf und macht Lust auf mehr!

Bewertung vom 15.04.2024
Im Winter gibt es keine Stachelbeeren mehr
Mayr, Sabine

Im Winter gibt es keine Stachelbeeren mehr


gut

Sabine Mayr bietet mit ihrem Buch Einblicke in die Gedanken- und Gefühlwelt zweier Frauen, die an Krebs erkranken. Das ist trotz der Kürze der Kapitel berührend und wirkt aufgrund des tagebuchähnlichen Stils sehr authentisch. Man fühlt, hofft und leidet mit. Leider kommen das innere Hadern und (Ver-)Zweifeln der beiden Frauen für meinen Geschmack etwas zu kurz, gerade zum Ende hin. Doch nochmal zurück zum Anfang: Ohne lange Vorrede geht es los (was gut ist), aber dann wechseln die Kapitel zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Das erschwert das Lesen, vor allem, wenn man das Buch zwischendurch auch mal aus der Hand legen muss. Zudem finde ich es etwas verwirrend, dass sich im zweiten Teil nur der Name der Hauptperson ändert und alles andere beim Alten bleibt (Ehemann, Kind, Job...). Wäre es nicht konsequent gewesen, entweder alles zu ändern oder alles beizubehalten und „nur“ zwei unterschiedliche Ausgänge zu schreiben (so wie bei dem Film „Lola rennt“)?!

Was am Ende bleibt, sind viele Fragen. Wem fühle ich mich näher - Ronja oder Sonja? Wie hätte ich mich in dieser Situation entschieden? welcher Weg ist der richtige? Beim Nachdenken darüber kam mir ein Zitat von Charlie Chaplin in den Sinn: „An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.“ Und vielleicht ist das auch ganz gut so...

Fazit: Ein interessant geschriebenes Buch, das zum Nachdenken über das eigene Leben und das, was man erreichen/erleben will, anregt.

Bewertung vom 04.04.2024
Mit den Jahren
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren


gut

In Janna Steenfatts neuem Roman prallen Welten aufeinander: auf der einen Seite die kinderlose, ledige Jette und auf der anderen Seite die zweifachen Eltern Eva und Lukas. Was sie eint, sind die Zweifel am eigenen Lebensentwurf und die Frage nach dem „Was wäre, wenn...?" Eine Frage, die sich sicher jede/r schon einmal gestellt hat. Eine allgemeingültige Antwort darauf zu finden, ist schwer, wenn nicht sogar unmöglich - und auch nicht das Ansinnen des Buches. Vielmehr bietet Janna Steenfatt einen Einblick in die Gefühls- und Lebenswelt ihrer Protagonisten - und legt damit auch (beabsichtigt oder nicht) den Finger in die Wunde ihrer Leserschaft. Man fühlt sich angesprochen, man fühlt mit, identifiziert sich vielleicht mit einem der Protagonisten und fragt sich am Ende: Wie hätte ich gehandelt?

Die großen Stärken des Buchs sind der authentische Schreibstil und die detailreichen Einblicke in das Leben der Anderen. Das sind aber zugleich auch die Schwächen. An manchen Stellen ist es einfach zu viel - zu viele Kindheitserinnerungen, zu viel Sex, zu viele verbale „Ausrutscher", wie „Ihm einen zu blasen fand sie nicht unhygienisch.“ oder „Die Kälte griff jäh nach seinen Eiern." (Wörtliche Zitate aus den Abschnitten über die erste Periode und andere Körperflüssigkeiten spare ich an dieser Stelle mal aus...)

Fazit: Der Anfang liest sich vielversprechend. Hier und da kann man tiefgründige, fast „poetische“ Zeilen finden. Und das Buch birgt ein hohes Identifikationspotenzial. Aber: aufgrund des - in meinen Augen - absurden Endes und der völlig unnötigen sprachlichen „Entgleisungen“, bleibt es zu oberflächlich.