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sleepwalker

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Insgesamt 508 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2025
Kreidemord
Peters, Katharina

Kreidemord


ausgezeichnet

„Kreidemord“ ist der Titel des neuen Rügen-Krimis von Katharina Peters. Der 14. Fall verlangt von Kommissarin Romy Beccare, ihrem Team und ihrem Ehemann Jan Riechter einiges ab, denn er ist sehr persönlich. Die Leserschaft erwartet ein spannender Krimi mit vielen Verdächtigen und mindestens genauso vielen möglichen Motiven.
Aber von vorn.
Im Kreidemuseum in Gummanz auf Rügen wird eine Leiche gefunden. Die Frau kniete vor der Buddelkiste, an diese war sie so gefesselt worden, dass ihr Gesicht tief in der Kreide steckte und sie qualvoll erstickte. Nach dem DNA-Abgleich ist klar, dass es sich bei der Toten um eine ehemalige Polizistin handelt, die unter falschem Namen lebte. Karola Passau hieß eigentlich Julia Schorrer und vor 12 Jahren war gegen sie und drei Kollegen wegen des Korruptionsverdachts ermittelt worden. Das Quartett hat nach Auffassung der Ermittlungsbehörden Aufträge aus der Organisierten Kriminalität angenommen, unter anderem hatten sie Termine von Razzien verraten, dazu bei Identitätsdiebstählen und der Beschaffung von Waffen geholfen und auch Interna zu hochrangingen Beamten weitergegeben. Zwei der damals verdächtigen Beamten sind tot, sie wurden möglicherweise schon vor zwölf Jahren ermordet. Julia Schorrer war davongekommen, jetzt ist sie ebenfalls tot. Pikant an diesem Fall ist, dass sie eine Affäre mit Romy Beccares Mann, Hauptkommissar Jan Riechter hatte, der seinerzeit gegen sie ermittelte. Kurz nachdem Romy und ihr Team mit ihren Ermittlungen beginnen, tauchen Fotos und Videos von Jan und Julia auf. Und diese zeigen die beiden nicht nur in sehr vertrauten, sogar intimen Situationen, sie sind auch neueren Datums. Jan beteuert, dass er Julia seit über zehn Jahren nicht gesehen hat. Will ihm jemand mit Fälschungen schaden? Wenn ja, wer und warum? Und welche Bedeutung hat ihr Tod in der Kreidekiste?
Es ist wie das Treffen mit alten Bekannten, wenn man Katharina Peters‘ Romy Beccare-Krimis liest. Ihr Team ist aus den Vorgänger-Bänden bekannt: Maximilian Breder, Marco Buhl und Finn Maurer bilden zusammen mit der Kommissarin ein Team, auf das Romy sich verlassen kann. Neu ist hingegen Gregor Reymann. Der Hauptkommissar ist Anfang 50 und ihm eilt ein eher schlechter Ruf voraus, was dazu führt, dass Romy manches, was er sagt und vorschlägt, von vornherein ablehnt, obwohl es eigentlich Hand und Fuß hat. Jan Riechter bezeichnet Reymann als „richtigen K**zbrocken“, der „auf der Beliebtheitsskala immer ganz unten“ steht. Die Charaktere sind gründlich ausgearbeitet. Allerdings haderte ich ein wenig mit Romy und ihrem Verhältnis zu Reymann. Natürlich sind auch Polizeibeamt:innen Menschen, aber bei so viel Abneigung scheint die Professionalität zu leiden. Der neue Kollege wirkt zwar äußerst unsympathisch, aber durchaus kompetent. Nach und nach fügt er sich besser ins Team ein und ich vermute, nach einigen Dienststellenwechseln ist er gekommen, um zu bleiben.
Sprachlich ist das Buch wie ich es von der Autorin gewöhnt bin: ruhig, unblutig und flüssig zu lesen. Der Spannungsbogen wird nach ein paar Längen am Anfang gekonnt aufgebaut und die Lösung des Falls beinhaltet einige Überraschungen. Aktuelle Themen wie „Fake News“ und Manipulation von Video- und Bildmaterial werden in dem Fall aufgegriffen. Vertrauen spielt eine große Rolle, denn die Ehe von Romy und Jan wird auf eine harte Probe gestellt und Romy muss auch erst einmal ausloten, was sie von Reymann zu halten hat. Das Lokalkolorit kommt für mich ein bisschen kurz, das Kreidemuseum samt Buddelkiste gibt es jedoch wirklich, das Museum ist in Europa einzigartig. Abgesehen davon könnte die Handlung überall sonst spielen.
Ich habe das Buch gern gelesen und gern mitgerätselt. Man kann es ohne Vorkenntnisse aus den anderen Teilen lesen, ich empfehle aber, wie so oft, diese auch zu lesen, denn vor allem die zwischenmenschlichen Aspekte werden klarer, wenn man die Entwicklung der Charaktere mitverfolgt hat. Von mir eine klare Lese-Empfehlung und fünf Sterne.

Bewertung vom 11.03.2025
Bornholmer Geheimnis (eBook, ePUB)
Peters, Katharina

Bornholmer Geheimnis (eBook, ePUB)


gut

Nach „Bornholmer Finale“ dachte ich eigentlich, dass Katharina Peters die Geschichte ihrer Protagonistin Sarah Pirohl auserzählt hätte. Mit „Bornholmer Geheimnis“ geht die Serie jetzt doch in eine neue Runde. Im fünften Teil ermittelt die BKA-Verbindungsbeamtin allerdings kaum auf der dänischen Insel, vielmehr führt ihr Fall sie nach Norddeutschland. Nachdem ich alle Bücher dieser Serie kenne, hat mich der neueste Teil etwas enttäuscht. Er war zwar unterhaltsam, durch die Vielzahl an Charakteren, Verdächtigen und Motiven ging für mich die Spannung aber ein bisschen verloren.
Aber von vorn.
Sarah Pirohl hat mit beruflichen Problemen zu kämpfen, denn ihre Zukunft als Verbindungsbeamtin des BKA und der dänischen Polizei ist unsicher. Nachdem sie bei ihrem letzten Fall durch zahlreiche Alleingänge alle möglichen Leute verärgert hat, reißen sich die verschiedenen Stellen nicht wirklich um eine Zusammenarbeit mit ihr. Unter anderem wäre der Bornholmer Kommissariatsleiter Mikkel Bentsen froh, sie los zu sein. Als dann aber an einem Strand auf Bornholm die Leiche einer Frau gefunden wird, holt er Sarah aus ihrer Auszeit, denn die tote Monica Seffgen stammt aus Flensburg. Sie hat bei einem Senioren Pflege- und Betreuungsservice gearbeitet, der sich überwiegend an Menschen „die sich das auch leisten können“ richtet. Er bietet also gutbetuchten Kunden bundesweit „Begleitung, Service und Support in allen Lebenslagen – ob gesund, krank oder schlicht einsam“. Dennoch sind die Ermittler überrascht, dass die Tote über ein ansehnliches Vermögen verfügte und einen luxuriösen Lebensstil pflegte. Schnell macht sich ein Verdacht breit: hat sie ihre überwiegend männlichen Kunden ausgenommen wie die buchstäblichen Weihnachtsgänse? Ist der Täter in der Familie eines ihrer Opfer zu finden? Oder im Kollegenkreis? Was wirklich hinter ihrem Wohlstand steckt, übersteigt allerdings dann selbst Sarahs Vorstellungskraft.
Ein Sarah Pirohl-Krimi wäre kein Sarah Pirohl-Krimi, würde hinter einem simpel scheinenden Mord (wenn Morde denn simpel sein können) nicht eine Spionage-Geschichte stecken. Dieses Mal fand ich den Fall allerdings enorm konstruiert und manchmal verschwommen die Grenzen zwischen Gut und Böse für mich ein bisschen zu sehr. Einer der Gründe dafür ist ein alter Bekannten, denn auch in diesem Buch spielt „Krølle“ eine wichtige Rolle. Der undurchsichtige „Spezialermittler“ ist aus den anderen Teilen bekannt und hat eine sehr spezielle Auslegung von Recht. Trotzdem ist er in diesem Buch mein erklärter Lieblings-Charakter. Sarah Pirohl steckt in einer vertrackten Liebesgeschichte, die im Buch einigen Raum einnimmt, zudem fand ich ihre Art zunehmend selbstherrlich und nervig.
Die anderen Charaktere sind zwar gut ausgearbeitet, es sind aber für mich eindeutig zu viele (sowohl auf der Ermittler- als auch auf der Verdächtigen-Seite) und sie sind für mich zu ähnlich und insgesamt finde ich vieles zu stereotyp beschrieben. Alle haben dunkle Geheimnisse, hinter allem uns jedem steckt ein finsterer Plan und plötzlich mischen auch noch Geheimdienste verschiedener Couleur mit. Mit Bornholm hat der Thriller leider auch sehr wenig zu tun, außer dem Mord passiert auf der Insel nichts, aber der Name muss in den Titel, so will es das Gesetz der Serie.
Das Buch ist flüssig zu lesen, unterhaltsam und durch die vielen Charaktere und die zahlreichen verschiedenen Motive ist man als Leser:in zum Mitraten angehalten und man muss sich gut konzentrieren, um die Personen auseinanderhalten zu können und den Faden nicht zu verlieren. Es ist zwar der fünfte Teil der Reihe, man kann ihn aber auch ohne Vorkenntnisse lesen. Das Ermittlerteam um Sarah Pirohl, Staatsanwältin Kathleen Bischoph und Krølle wird zwar seit dem ersten Teil ausgebaut, eventuelle Wissenslücken werden von der Autorin aber ausgefüllt. So weit so gut, trotzdem vergebe ich wegen der konstruierten Geschichte und der fehlenden Spannung für dieses Buch drei Sterne.

Bewertung vom 06.03.2025
Vor der Stille
Johannsen, Anna

Vor der Stille


gut

Hauptkommissarin Hanna Will und der Kriminalpsychologe Jan de Bruyn ermitteln in Anna Johannsens Krimi „Vor der Stille“ zum dritten Mal zusammen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten miteinander hat sich das „LKA-Team für spezielle Einsätze“ zusammengerauft und zwischen ihnen ist schon etwas mehr als Freundschaft entstanden. Ihr neuer Fall führt sie ins Emsland, wo die Leiche einer jungen Frau im Kanal gefunden wurde. Hundertprozent begeistert hat das Buch mich nicht, aber es war unterhaltsam.
Aber von vorn.
Die Leiche der 24jährigen Lisa Kramer wird im Dortmund-Ems-Kanal gefunden. Wie die Gerichtsmedizin feststellt, ist die junge Frau aber wo anders ertrunken, nämlich in der heimischen Badewanne. Hauptkommissarin Hanna Will und der Kriminalpsychologe Jan de Bruyn werden der örtlichen Polizei zur Unterstützung geschickt, was die ermittelnden Beamten als Affront sehen. Ralf Plagge und Maria Ahlers von der SoKo „Lisa“ sind daher nicht immer hilfreich und die Zusammenarbeit ist von Reibereien geprägt. Beide Teile des Teams brauchen eine Weile, bis die Ermittlungsrichtung klar ist, aber dann kommt Bewegung in den Fall. Lisa, gelernte Bäckereifachverkäuferin, hatte ihren Job gekündigt und ihren Lebensunterhalt durch ihre Einkünfte aus ihrem Only4you-Account bestritten. Sie sah noch extrem jung aus, mehr wie ein Teenager als eine Mittzwanzigerin, daher bediente sie ein gewisses Klientel an Männern. Diese bezahlten sie für ihre Fotos und Videos. „Repräsentiert“ wurde sie von einer „Agentur“, auf Deutsch: von einem Online-zuhälter. Wurde ihr das zum Verhängnis? Hat sie einen ihrer Kunden erpresst? Oder ist der Täter im örtlichen Chor zu finden, in dem sie längere Zeit gesungen hat?
Das Buch besteht etwa zur Hälfte aus dem Fall und den Ermittlungen und zur anderen Hälfte aus dem Privatleben von Hanna Will und Jan de Bruyn. Wer die ersten beiden Teile der Serie nicht kennt, weiß nicht, dass zwischen den beiden anfangs eine ausgeprägte Abneigung bestand und sie einige Zeit brauchten, um sich zusammenzuraufen. Jetzt sind sie sich nähergekommen. Wie nahe sie sich kommen wollen, ist aber unklar. Jan steht kurz vor der Scheidung, seine Frau lebt mit dem gemeinsamen Sohn in London. So viel Privates in einem Krimi bin ich nicht gewohnt, für mich geriet der Fall auch zwischen ständigem Essengehen, den gemeinsamen Nächten (rein platonisch) und den ausufernden Kompetenzstreitigkeiten mit den Kolleg:innen im Emsland ein bisschen sehr in den Hintergrund. Weder die örtlichen Ermittler in der SoKo „Lisa“ noch Jan und Hanna geben sich Mühe, eine fruchtbare Zusammenarbeit auf die Beine zu stellen, die Zweiergespanne kochen jeweils ihr eigenes Süppchen aus Alleingängen, wobei oft die gebotene Professionalität gänzlich fehlt.
Der Spannungsbogen ist anfangs hoch, wird aber zunehmend flacher, dafür kam der Schluss abrupt. Die Lösung hat mich überrascht. Im Lauf der Geschichte, die abwechselnd aus der Sicht von Jan und Hanna erzählt wird, tauchen wie bei einer Hydra immer mehr Verdächtige und Motive auf. Die Charaktere außer den beiden Protagonisten sind eher mäßig ausgearbeitet und bleiben blass und eindimensional. Hanna und Jan sind Kenner der Reihe ja bekannt, in diesem Buch fand ich sie ärgerlich unprofessionell im Umgang mit Kollegen und zum Teil auch mit Verdächtigen, über den Umgang miteinander möchte ich gar nicht erst reden. Da sind sie wie nervtötend verliebte Teenager mitten in der Pubertät.
Sprachlich ist der Krimi angenehm, die Handlung unblutig, einige Rechtschreibfehler störten meinen Lesefluss und insgesamt hätte dem Buch ein sorgfältigeres Lektorat gutgetan. Insgesamt kommt das Buch daher für mich über ein „unterhaltsam“ und „ganz nett“ nicht hinaus, was ich von der Autorin gar nicht gewöhnt bin. Wegen der mangelnden Spannung vergebe ich drei Sterne.

Bewertung vom 27.02.2025
Ein falsches Wort
Hjorth, Vigdis

Ein falsches Wort


ausgezeichnet

Vigdis Hjorths preisgekröntem Roman „Ein falsches Wort“ ist ein Buch, das mich persönlich tief berührt. Es war für mich kein Werk, das ich einfach so lesen konnte. Ich habe es gelesen, auf mich wirken lassen, noch einmal gelesen, darauf herumgekaut und es dann noch einmal gelesen. Wie schon in „Die Wahrheiten meiner Mutter“ war der Roman psychologisch dicht, packend – und belastend, denn, sollte jemals über meine eigene Familie ein Roman verfasst werden, dann wäre er wie „Ein falsches Wort“.
Aber von vorn.
Bergljot hat schon vor über 20 Jahren mit ihrer Familie gebrochen. Das Verhältnis zu ihren Eltern war schon lange schwierig, das zu ihren drei Geschwistern ebenfalls, nur mit einer ihrer Schwestern hält sie lose Kontakt, überwiegend läuft aber alles über ihre erwachsenen Kinder, denen sie die Verwandtschaft nicht vorenthalten möchte. Die Eltern beschließen ihren Nachlass zu regeln. Dass die beiden Schwestern Asa und Astrid die Ferienhütten bekommen sollen, zwingt Bergljot dazu, mit der Familie in Kontakt zu treten, denn statt die andere beiden Kinder im Wert der Hütten finanziell zu bedenken, hat der Vater diese wohl mit geringerem Wert schätzen lassen. Bergljot und Bård fühlen sich doppelt übergangen. In der Familie ist jedoch so viel vorgefallen, dass der Erbstreit um die Hütten schnell zur Nebensache verkommt. Als dann der Vater überraschend stirbt, muss sich Bergljot entscheiden: kämpft sie um das, von dem sie glaubt, dass es ihr zusteht und bleibt zur Familie auf Distanz oder geht sie in die Offensive.
Dysfunktionale Familien sind wohl Vigdis Hjorths bevorzugtes Thema, nach „Die Wahrheiten meiner Mutter“ dreht sich auch „Ein falsches Wort“ um eine solche. Auch in diesem Buch steht viel mehr zwischen den Zeilen als darin. Das „Unaussprechliche“, was in der Familie vorgefallen ist, nimmt unterschwellig bedrückend viel Raum ein, sowohl in Bergljots Leben als auch im Buch. Es wird ein wahrer Eiertanz um das Thema herum veranstaltet, dabei geht sie selbst nach jahrelanger Therapie offen mit dem Trauma um, während der Rest der Familie es entweder ignoriert und totschweigt oder bagatellisiert. Die Mutter kann das Wort „Inzest“ nicht einmal aussprechen, ohne ihrer Tochter damit ein noch schlechteres Gefühl zu machen (sie spricht von „Inzescht“), nennt sie eine Lügnerin, weil sie die Tat/en nie angezeigt hat. Das Buch handelt von Ignoranz und Toxizität und über allem hängt eine dicke schwarze Wolke aus Schuld, Scham und Schweigen.
Wie will man ein Kindheitstrauma aufarbeiten, wenn einem nicht zugehört und einem nicht geglaubt wird? Wie soll es zu einer Versöhnung kommen, wenn beide Seiten sich in Vorwürfen verrennen und keiner zu einer Aussprache bereit ist? Wie soll es gehen, wenn beide Seiten die Schuld nur bei den anderen suchen, wenn eine Seite bei der kleinsten Konfrontation mit Sui**d droht und jeder jeden emotional zu erpressen scheint? Ein falsches Wort kann den fragilen Familienfrieden zerstören. Das Buch beschreibt Bergljots Gedankenwelt, die Leserschaft wohnt praktisch mietfrei in ihrem Kopf. Zeitsprünge und wörtliche Rede sind nicht gekennzeichnet, das Buch besteht über weite Teile aus innerem Monolog und Gedankengängen. Man erlebt aus erster Hand mit, wie die Protagonistin ihre Gedanken und Erinnerungen immer und immer wieder wälzt. Dadurch wiederholen sich manche Dinge fast wortwörtlich, was einerseits anstrengend und manchmal langweilig wirkt, aber deutlich die Zerrissen- und Zerriebenheit Bergljots zeigt. Sprachlich ist es, wie von der Autorin gewohnt, bildhaft, manchmal allerdings ein bisschen anstrengend. Vor allem konnte ich mit der Protagonistin zwar mitfühlen, sympathisch fand ich sie in ihrer teilweise ausufernden Opferrolle und ihrem Selbstmitleid nicht. Das konnte meine Lesebegeisterung jedoch nicht schmälern. Ich empfehle es jedem, der sich in einer ähnlichen Situation fühlt. Der Gedanke, damit nicht allein auf der Welt zu sein, kann trösten. Fünf Sterne von mir.

Bewertung vom 27.02.2025
William Turner
Brauchitsch, Boris von

William Turner


ausgezeichnet

Vermutlich am 23. April jährt sich der Geburtstag von William Turner zum 250. Mal. Jetzt hat der Fotografie- und Kunsthistoriker Boris von Brauchitsch eine neue reichlich bebilderte Biografie des „Malers des Lichts“ vorgelegt. Als Student im englischen Lincoln kenne ich natürlich seine Gemälde der dortigen Kathedrale, daher war die Lektüre der 237 Seiten für mich eine wahre Freude. Boris von Brauchitsch konzentriert sich bei seinem Buch stark auf Turners Werk, seine Reisen und seinen Einfluss auf die Kunstgeschichte. Über den Menschen William Turner erfährt man aber am Rande aber auch einiges, viel ist allerdings über ihn gar nicht bekannt.
Aber von vorn.
Joseph Mallord William Turner wurde als „der Maler des Lichts“ zu einem der bekanntesten und bedeutendsten bildenden Künstler Großbritanniens. Er wurde vor allem mit seinen Landschafts- und Marinebildern berühmt, schuf aber auch Gemälde von Schlachten, industriellen Häfen oder malte die Glut von Hochöfen, weil er sie ästhetisch interessant fand. Mit seiner Kunst, beziehungsweise seiner Auffassung von Kunst, war er seiner Zeit voraus und gleichzeitig ein Künstler seiner Zeit. 1775 in London geboren, 1851 ebenda verstorben, fiel sein Leben in die kunstgeschichtliche Epoche des Klassizismus (etwa zwischen 1770 und 1840) beziehungsweise der Romantik. Er lernte das Handwerk von der Pike auf. Der Sohn eines Barbiers kolorierte Kupferstiche, arbeitete als Zeichner in einem Architekturbüro und durfte dann schon als Jugendlicher dank eines Stipendiums die Royal Academy besuchen. Der Rest ist Geschichte.
Er malte zunächst überwiegend Landschafts-Aquarelle. Später schuf er mythologische und Historienbilder. Diese waren oft idyllische Darstellungen, oft malte er aber auch Katastrophen und bedrohliche Szenarien (bekannt ist sein Gemälde des Parlamentsbrandes von 1834 und seine Gemälde großer Schlachten). Dabei spielte er zunehmend mit der Darstellung des Lichts, was auch später sein Werk ausmachen sollte. Dadurch wirken auch seine Ölgemälde mehr wie Aquarelle, was ihm Kritik einbrachte, da den Bildern „die Substanz fehlte“. Die Herangehensweise an die Darstellung der Elemente beeinflusste später die Impressionisten. Mit der Auflösung der Form bis hin zu ihrer kubischen Vereinfachung war Turner seiner Zeit weit voraus.
Turner reiste sehr viel und war extrem produktiv (er hinterließ der Welt mehr als 550 Ölgemälde, 2000 Aquarelle und über 30000 Skizzen und Zeichnungen). Außerdem war er wohl in allem, was er tat, sehr gründlich. Als Professor für Perspektive las er sich gründlich in die Theorie ein und studierte internationale Lehrbücher. Er verstand es auch hervorragend, seine Bilder zu verkaufen. In Theodor Fontane, der in den 1850er-Jahren als Korrespondent der „Kreuz-Zeitung“ nach England geschickt wurde, hatte er einen großen Fan. Sonst weiß man über den Menschen William Turner eher wenig. Er war unverheiratet, hatte aber mindestens zwei Töchter. Er galt vor allem in späteren Jahren als schrullig und exzentrisch. Clara Wheeler, Tochter des Malers und Turner-Freundes William Frederick Wells, sagt über den weithin als exzentrisch und verschroben bekannten Künstler, in seinem Wesen lag „viel Gutes und Wertvolles verborgen, mehr als die Welt ahnt.“
Ein großer Fan bin ich auch. Wer Werke von Turner sehen möchte, dem sei ein Besuch der Tate Gallery in London ans Herz gelegt. Und wer sich eingehender mit dem Künstler befassen möchte, dem empfehle ich das Buch von Boris von Brauchitsch. Ich fand es sprachlich ebenso ansprechend wie die Auswahl der im Buch abgedruckten Bilder. Dadurch, dass ich sie im E-Book heranzoomen konnte, störte es nicht, dass sie sehr klein sind. Die Einordnung von Turners Werk in sein Leben und die Beschreibungen seiner Reisen fand ich äußerst interessant. Das Buch ist kein Bildband, keine reine Biografie und keine Werksbiografie, sondern eine spannende Mischung.
Von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 27.02.2025
Sylter Verrat
Tomasson, Ben Kryst

Sylter Verrat


ausgezeichnet

Mit „Sylter Verrat“ geht die Kari-Blom-ermittelt Reihe von Ben Kryst Tomassons in die zehnte Runde. Und wieder einmal zieht der Autor alle Register. Kari Blom ermittelt auf eigene Faust auf Sylt, und versucht den schwierigen Spagat zwischen Muttersein und Arbeit. Für mich war das Buch ein Volltreffer, es hat mich bestens unterhalten.
Aber von vorn.
Kari Blom wird von den Sylter Häkeldamen gebeten, undercover in einem sehr speziellen Fall zu ermitteln. Dieses Mal ist das Opfer eine von ihnen, denn die Landarzt-Witwe Witta Claßen fiel auf einen sogenannten Love Scammer herein. Gegen den Rat ihre drei Freundinnen, ließ sie sich auf „Viktor“ ein und lieh ihm sogar Geld. Jetzt ist der Account des Mannes gelöscht, er ist vom Erdboden verschwunden und mit ihm die 50.000 Euro. Kari, der die Mutterrolle zu wenig ist, lässt Elternzeit Elternzeit sein, packt ihre neun Monate alte Tochter Lotti ein und eilt zu Hilfe. Dass sie anfangs keine Genehmigung ihres Chefs Ole Lund hat, ist für sie dabei ebenso nebensächlich wie die Tatsache, dass ihr auf Sylt lebender Ehemann, Kriminalkommissar Jonas Voss, nichts von ihrem Einsatz weiß. Während sie also einerseits ermittelt, muss sie stets darauf achten, ihm nicht zu begegnen. Sie taucht mit Hilfe der Häkeldamen wieder in die Rolle der erfolglosen Schriftstellerin ein. Die vier übernehmen Babysitterdienste und Kapitänswitwe Marijke legt ein Profil bei einem Datingportal an, um dem Scammer eine Falle zu stellen. Die erste ernstzunehmende Spur führt zum Sylter Theaterherbst, denn Witta will einen der Schauspieler als den Mann erkannt haben, der sich ihr als Viktor vorgestellt hat. Kurz darauf wird dieser tot aufgefunden. Als klar ist, dass es sich nicht um einen Unfall oder Suizid, sondern um Mord handelt, entwickelt sich der Fall in eine ganz neue und für alle Beteiligten gefährliche Richtung. Hat der Mord an dem Schauspieler etwas mit dem Betrug an Witta zu tun? Hab es noch mehr Opfer und steckt hinter dem allem ein ganzer Love-Scammer-Ring?
Ich habe einige der „Kari-Blom-ermittelt“-Krimis gelesen und muss sagen, dass sich der Autor von Buch zu Buch zu steigern scheint. Sprachlich liegen mir die Bücher ohnehin sehr, denn sie sind ansprechend geschrieben und kommen überwiegend unblutig und ohne Gewaltausdrücke daher. Sie sind locker nebenher zu lesen und es mangelt weder an Lokalkolorit noch an einem gewissen Witz. Seit ich mich an die „Häkelmafia“, bestehend aus Witta, Grethe, Alma und Marijke, gewöhnt habe, kann ich auch über ihren Eifer schmunzeln. Die Protagonisten werden seit dem ersten Teil der Reihe kontinuierlich weiterentwickelt, „Nebenrollen“ mehr oder weniger dreidimensional beschrieben. Einige der Charaktere fallen meiner Meinung nach ein bisschen flacher aus, da ist beim Lesen sehr schnell klar, wie unwichtig sie für die Geschichte sein werden. Karis Zwiespalt zwischen der Liebe zu ihrer Tochter Lotta und ihrem Mann Jonas und ihrem Wunsch, wieder zu arbeiten, finde ich hervorragend ausgearbeitet. Alle, die in ihrem Beruf so aufgehen, wie die Ermittlerin, können das sicher gut nachvollziehen.
Der Spannungsbogen im Buch ist nicht enorm hoch, aber es gibt durchaus ein paar brenzlige Momente, an denen ich die Luft angehalten habe. Allerdings hatte ich sehr schnell einen Verdacht, der sich als richtig herausgestellt hat. Die Lösung des Falls und die Motive dahinter sind schlüssig, für mich aber keine Überraschung. Der Weg zur Lösung ist ebenso stimmig und mit Love Scamming hat der Autor ein sehr aktuelles Thema aufgegriffen. Er bringt es zwar mit den älteren Damen der Häkelmafia ein, es zieht sich aber durch alle Altersschichten und betrifft, wie auch der sogenannte „Enkeltrick“, nicht nur Frauen. Ich habe das Buch sehr gern gelesen und freue mich auf den nächsten Teil der Reihe. „Sylter Verrat“ empfehle ich allen Freunden von ruhigen und unblutigen Krimis mit sympathischen Ermittlern und natürlich ist das Buch ein Muss für alle Fans von Kari Blom und der Häkelmafia. Fünf Sterne von mir.

Bewertung vom 27.02.2025
Enna Andersen und die dunklen Tage
Johannsen, Anna

Enna Andersen und die dunklen Tage


ausgezeichnet

„Enna Andersen und die dunklen Tage“ ist der Titel des siebten Regio-Krimis von Anna Johannsen. Vorab muss ich zu den Enna-Andersen-Büchern eines sagen: ich mag sie einfach. Ich mag die Protagonisten, ihre Art, ihre Herangehensweise an die Fälle und natürlich mag ich auch den Schreibstil der Autorin. Daher bin ich auch durch das neueste Buch durchgeflogen und war am Schluss (wie meistens) traurig, dass es zu Ende war.
Aber von vorn.
Zinar Kawki ist der Neuzugang in Enna Andersens Oldenburger Cold-Case-Team. Daher darf er den neuen Fall aus dem Lostopf ziehen. Das Los fällt auf einen fünf Jahre alten Fall, bei dem eine junge Servicekraft auf Spiekeroog erst verschwand und später tot am Strand aufgefunden wurde. Offenbar wurde sie mit einer Giftinjektion getötet. Es handelt sich dabei um das Gift einer südamerikanischen Schlange, das sehr langsam wirkt, erst grippeähnliche Symptome verursacht und dann zu einem Multiorganversagen führt. Im Zuge der Ermittlungen stoßen Enna und ihre Kollegen auf ähnliche Fälle, alle mit einem zeitlichen Abstand von etwa 20 Monaten. Zudem hatten die Opfer eines gemeinsam: sie litten alle unter Depressionen. Handelt es sich beim Täter um einen Serienkiller?
Natürlich kommt auch das Privatleben der Protagonisten nicht zu kurz. Kenner der Serie haben die Entwicklungen aller Charaktere miterleben dürfen. Enna und Aaron planen ihre Heirat und Enna hadert zunehmend damit, dass sie vor lauter Arbeit zu wenig Zeit für die Familie, vor allem für ihren Sohn Elias, hat. Pia Sims und ihre Lebensgefährtin Alina stehen ebenfalls kurz vor ihrer Hochzeit und sind mitten in der Familienplanung. Sehr schön fand ich im Laufe der Serie die Entwicklung von Jan Paulsen vom Raubein zum sympathischen, umgänglichen und verlässlichen Kollegen. Eine große Rolle in den Ermittlungen spielt natürlich auch wieder Jens, der mit seiner ruhigen und besonnenen Art im Hintergrund für die Informationen sorgt. Der Neuzugang Zinar scheint sehr gut ins Team zu passen. Der Sohn kurdischer Einwanderer bringt frischen Wind in die kleine Truppe. Seine Erfahrungen, die er wegen seines Migrationshintergrundes gemacht hat, für einige neue Blickwinkel.
Mir hat „Enna Andersen und die dunklen Tage“ sehr gut gefallen. Die Krimis sind überwiegend unblutig und die Autorin kommt fast komplett ohne Kraftausdrücke oder derbe Sprache aus. Daher fand ich das Buch sprachlich genauso ansprechend und gut zu lesen wie die Vorgänger in der Reihe. Es gibt auch wieder eine Menge Lokalkolorit, nachdem der letzte Fall („Enna Andersen und das weite Land“) die Ermittler an den Jadebusen geschickt hatte, führt sie dieser unter anderem nach Spiekeroog. Das Team hat sich im Lauf der Zeit ordentlich zusammengerauft, allerdings sind die Streitereien mit den verschiedenen Vertretern der Staatsanwaltschaft wegen diverser Beschlüsse immer nervig, aber sicher sehr realistisch beschrieben. Bei der Beschreibung der verschiedenen Charaktere hat die Autorin sich in diesem Band meiner Meinung nach sehr zurückgehalten, vor allem die Protagonisten (mit Ausnahme von Zinar) scheinen in den anderen Teilen zur Genüge beschrieben zu sein, sodass man das Buch einzeln lesen kann, man für ein umfassendes Bild aber die anderen Bücher auch kennen sollte. Da diese aber ebenso gut und lesenswert sind, empfiehlt sich das ohnehin.
„Enna Andersen und die dunklen Tage“ war für mich ein solider und spannender Krimi. Das einzige Manko an dem Fall fand ich, dass man nicht erfährt, um welche Giftschlange es sich handelt, aber das ist eine Spitzfindigkeit meinerseits. Der Schluss hat mich überrascht, ist aber natürlich stimmig. Ich hoffe auf eine Fortsetzung der Reihe und vor allem eine Rückkehr von Enna Andersen aus ihrer angekündigten beruflichen Auszeit. Von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 10.02.2025
Endlose Angst - Never Knowing / Spannung made in Kanada Bd.2
Stevens, Chevy

Endlose Angst - Never Knowing / Spannung made in Kanada Bd.2


sehr gut

„Never Knowing - Endlose Angst“ war mein erstes Buch der kanadischen Autorin Chevy Stevens. Das Buch und ich hatten einen holprigen Start miteinander, deshalb lag es auch fast zwei Jahre auf meiner „Noch zu Lesen“-Liste. Als ich dann aber in die Geschichte hineingefunden hatte, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Die psychologische Spannung in dem Buch hat mich vollkommen gebannt.
Aber von vorn.
Sara wusste schon immer, dass ihre Eltern sie adoptiert haben, als sie noch ein Baby war. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist sehr eng, das zu ihrem Vater etwas angespannt. Nun steht Sara, die selbst eine sechsjährige Tochter hat, kurz vor ihrer Hochzeit. Daher macht sie sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter. Sie findet sie, ihre Mutter möchte aber nichts mit ihr zu tun haben. Aber Sara lässt nicht locker, denn sie möchte auch wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Die Antwort, die sie bekommt, verändert allerdings ihr ganzes Leben: ihr Vater ist ein Serienkiller, ihre Mutter war eines seiner Opfer, das überlebt hat. Sie selbst entstand vor über 35 Jahren bei einer Gewalttat. Und plötzlich meldet sich ihr Vater bei ihr. Er fängt an, ihr Geschenke zu schicken, ruft sie immer wieder an und fordert ihre Aufmerksamkeit. Sara muss sich und ihr Umfeld vor ihm schützen, gleichzeitig treibt sie die Frage um, wie viel von den schlechten Eigenschaften ihres Erzeugers in ihr schlummern und wozu sie dadurch selbst fähig ist. Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt.
Die Idee hinter dem Buch fand ich ganz hervorragend. Auch der Aufbau, die Erzählung in Form von Therapiegesprächen zu gestalten, lag mir sehr gut, wobei man das meistens sowieso nur am Anfang der Kapitel bemerkt, wenn Sara ihre Therapeutin direkt anspricht. Obwohl ich anfangs etwas schwierig in die Geschichte fand, entwickelte sie dann einen Sog, dem ich nicht entkommen konnte. Auch sprachlich fand ich das Buch ansprechend, der Spannungsbogen entwickelt sich exponentiell von anfangs sehr flach bis enorm hoch in Richtung Schluss. Allerdings fand ich das Buch alles in allem ein wenig lang und einige Passagen hätte man getrost kürzerfassen können. Der psychologische Aspekt der Problematik wurde von der Autorin sehr gut herausgearbeitet und trieb unterschwellig (zumindest bei mir) die Spannung noch voran.
Die Charaktere sind teilweise sehr gut und detailreich ausgearbeitet, andere hingegen bleiben blass und eindimensional. Da ist auf der einen Seite das Adoptivkind, dass seine Wurzeln kennenlernen möchte. Sara steht mit ihrem Wunsch ziemlich allein da. Ihr Verlobter Evan unterstützt sie anfangs, ihm und allen anderen um sie herum wird das alles aber nach und nach zu viel. Die Adoptiveltern sind zwiegespalten, vor allem die Mutter fühlt sich brüskiert. Die leibliche Mutter mauert, wie man schnell erfährt, aus gutem Grund. Und dann ist da natürlich der leibliche Vater, genannt John, der wie ein stetiger Schatten über allem hängt. Bei allem, was er sagt und tut, muss man nämlich immer im Hinterkopf behalten, dass er ein gesuchter Mörder ist. Psychologisch ist das alles sehr spannend, aber sehr oft auch mehr psycho als Thriller. Auch die Frage, wie viel des eigenen Charakters durch Genetik bestimmt ist, und was durch Erziehung entsteht, ist interessant und wird durch Saras immer stärker werdende Selbstzweifel gut beleuchtet. Allerdings fallen andere Charaktere (beispielsweise Saras Adoptivvater) eher durchs Raster und auch die ermittelnden Polizeibeamten, die auf der Suche nach „John“ sind, fand ich sehr blass.
Insgesamt fand ich das Buch aber spannend und unterhaltsam, wenn auch ein bisschen lang. Zudem fand ich das Ende zwar schlüssig und okay, aber auch sehr vorhersehbar. Als Extra ist im Anhang des Buchs eine Kurzgeschichte mit dem Titel „Die andere Seite – Sandys Geschichte“, wo einiges aus der Sicht der ermittelnden Polizistin erzählt wird. Nett, erklärt noch ein paar Hintergründe, aber wirklich gebraucht hätte ich es nicht wirklich. Von mir gibt es vier Sterne.

Bewertung vom 02.02.2025
Die Frau mit dem Arm
Regener, Sven;Dorau, Andreas

Die Frau mit dem Arm


sehr gut

„Mein Name ist Andreas Dorau. Durch einen Welthit wurde dieser Name bekannt. Das nützt aber nichts. Am Ende trifft man doch nur Leute, denen der Name nichts sagt.“ – ja, ich gestehe, damit meint er mich. Ich kannte ihn und seinen ersten großen Hit „Fred vom Jupiter“ nicht, denn als er den veröffentlicht hat, war ich erst fünf Jahre alt. Trotzdem hat mich das Buch „Die Frau mit dem Arm“, das Dorau zusammen mit Sven Regener geschrieben hat, sehr interessiert. Vermutlich, weil der Titel so skurril klingt oder wegen Sven Regener, dessen Arbeit ich sehr schätze. Aber alles in allem lässt das Buch mich zwiegespalten zurück. Völlig Banales reiht sich an Uninteressantes, ab und zu unterbrochen von ein paar Abschnitten, die so charmant, poetisch und interessant waren, dass man nicht direkt querlesen wollte. Es war nicht mein Buch. Punkt.
Aber trotzdem von vorn.
Andreas Dorau befand sich zu Anfang des neuen Jahrtausends in einer Schaffenskrise und musste sich irgendwie neu erfinden. Und natürlich brauchte er, wie wohl die meisten von uns, Geld. Zusammen mit Sven Regener von Element of Crime schrieb er schon den ersten Teil seiner Biografie „Ärger mit der Unsterblichkeit“. Also, Sven Regener schrieb, Andreas Dorau war wegen seiner Legasthenie, der im Buch zwei Kapitel gewidmet sind, der Kopf dahinter. Berührend fand ich, die er über den Tod der Mutter 2007 erzählt. „Das traf mich sehr, mehr, als es mich viele Jahre zuvor getroffen hatte, dass mein Vater starb. Als Muttersöhnchen hatte ich mit meiner Mutter ein viel engeres Verhältnis als mit meinem Vater, ich hatte sie in der letzten Zeit auch gepflegt und ihr Tod und das damit verbundene Vollwaisensein warfen mich um. […] Das Leben wurde kalt, ich konnte keine Mutter mehr anrufen und nach diesem und jenem fragen und von diesem und jenem erzählen, alle Leichtigkeit und Verantwortungslosigkeit war aus den Dingen des Lebens verschwunden, weil es niemanden mehr gab, der mir so selbstverständlich helfen würde.“ Amüsant fand ich die Schilderung seiner Reise nach Moskau, eingeladen vom Goethe-Institut, die Erfahrungen beim Drehen von Videos und szenischer Umsetzung seiner Werke und seine Marotte, dass er wegen der Zeitschriften im Wartezimmer gern zum Arzt geht. Auch seine durch die Legasthenie bedingten Schwierigkeiten beim Einlesen von Theodor W. Adornos „Traumprotokolle“ fand ich interessant zu lesen und brachten mir den Künstler näher. Der Rest des Buchs las sich für mich aber ein bisschen plan- und konzeptlos, ohne richtigen roten Faden, mit sehr vielen Namen, die Kennern der Szene vielleicht geläufiger sind als mir. An diesen Stellen fand ich überhaupt keinen Zugang zu dem Buch.
Sprachlich und inhaltlich fand ich es also ebenso schwierig wie die Musik von Andreas Dorau, die ich zum besseren Verständnis des Buchs erst einmal im Internet angehört habe. Ich war und bin kein Fan und werde sicher nie einer werden. Nicht von seiner Musik und vermutlich auch nicht von seinen durchaus kreativen Ideen. Dennoch empfehle ich das Buch jedem Fan des Künstlers und jedem Kind der Neuen Deutschen Welle. Irgendwie erinnerte mich der manchmal etwas konfus wirkende Aufbau des Buchs, das Dinge zum Teil scheinbar wahllos aneinanderreiht, an „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ von Element of Crime. Zufall? Vermutlich nicht, denn auch das stammt aus der Feder von Sven Regener und da schließt sich für mich der Kreis. Ich vergebe vier Sterne, denn es ist kein schlechtes Buch, es war nur nicht das richtige für mich.

Bewertung vom 27.01.2025
Flüsterwald - Die magische Akademie. Gefährliches Zauberchaos (Flüsterwald, Bd. III-1)
Suchanek, Andreas

Flüsterwald - Die magische Akademie. Gefährliches Zauberchaos (Flüsterwald, Bd. III-1)


ausgezeichnet

Nach dem Ende der zweiten Staffel der „Flüsterwald“-Reihe von Andreas Suchanek hatte ich ein bisschen das Gefühl, die Geschichte sei langsam auserzählt. Jetzt hat der Autor aber mit „Die magische Akademie. Gefährliches Zauberchaos“ die dritte Staffel begonnen und die fängt mit einem Paukenschlag an: Lukas und Ella dürfen fortan die magische Akademie besuchen. Dort erwarten die Flüsterwald-Helden ganz neue spannende Abenteuer, die nicht nur ihnen die Haare zu Berge stehen lassen, sondern auch der Leserschaft.
Aber von vorn.
Lukas und Ella sind überrascht, als sie von einer kleinen grünen Frau besucht werden, die ihre magischen Fähigkeiten prüft. Mimmi Menteckel kommt von der magischen Akademie des Flüsterwalds und als die beiden bei der Prüfung zufriedenstellend abschneiden, eröffnet sie ihnen, dass sie an der Akademie angenommen wurden. Künftig werden sie an den Wochenenden von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag jeweils über Nacht Unterricht in Fächern wie Delli-Reiten, Zaubertränke und Artefaktbau bekommen. Aber schon am ersten Wochenende bricht in der Akademie das Chaos aus. Und das liegt ausnahmsweise nicht an Rani, der sich unerlaubterweise mit Felicitas und Punchy in die Schule geschmuggelt hat. Da Begleiterinnen und Begleiter nicht gestattet sind, müssen der Menok, die Elfe und die Beschützerkatze draußen bleiben. Aber die drei finden natürlich einen Weg, ihre Freunde doch zu begleiten. Doch kaum angekommen stehen Schülerschaft und Lehrkörper vor einem Problem: die magischen Kräfte wurden vertauscht und plötzlich hat niemand mehr wirklich Kontrolle über das, was er so zaubert.
„Die magische Akademie“ war für mich bislang eines der besten „Flüsterwald“-Bücher überhaupt. Es hatte für mich mal wieder genau die richtige Mischung aus Witz und Spannung. Ja, die eine oder andere Idee von Andreas Suchanek erinnerte ein bisschen an Harry Potter, aber ich fand seine liebevoller ausgearbeitet und kreativer. Am meisten begeistert haben mich der Süßigkeitenautomat, der Süßigkeiten ausspuckt, wenn man ihm einen Witz erzählt (die Qualität der Süßigkeiten ist von der Qualität der Witze abhängig), dass im Speisesaal jeder genau das bekommt, was er in dem Augenblick möchte (plus eine Portion Gemüse) und die eigensinnigen Bücher. Aber mich würde wirklich interessieren, wie Säuselspuck schmeckt, denn das scheint die angesagte Geschmacksrichtung für alles zu sein.
Die Geschichte an sich ist spannend und, wie von Andreas Suchanek gewohnt, spielen Freundschaft und Zusammenhalt eine große Rolle. Ich finde es angenehm, dass der Autor sehr inklusiv schreibt, er schreibt generell von Schülerinnen und Schülern, Beschützerinnen und Beschützern und so weiter. Das mag den einen oder anderen stören, Binnen-I, Unterstriche, Doppelpunkte stören diejenigen beim Lesen aber auch, daher hat er das meiner Meinung nach elegant und gut gelöst. Und auch sonst fand ich das Buch sprachlich sehr ansprechend, altersgerecht und die Kapitel sind in einer Länge, die sowohl für ein Vorlesebuch als auch für Lese-Anfänger gut geeignet sind.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgearbeitet, Andreas Suchanek gibt ihnen in jedem Band neue Facetten, sodass man ihre Entwicklung hautnah mitverfolgen kann. Ich habe mich über das Wiedersehen mit Jacub, Noah, Zoe und den anderen Beschützern und Beschützerinnen aus den internationalen Flüsterwäldern gefreut. Die Schauplätze sind anschaulich und lebendig beschrieben. Die Geschichte ist für Einsteiger und für Fans der Serie gut verständlich, aber Vorkenntnisse aus den anderen Teilen schaden nichts. Als Fan der ersten Stunde empfehle ich daher nicht nur dieses Buch gerne weiter, sondern natürlich alle anderen Bücher aus der Reihe auch.
Zu der „Story-Game-App zur Buchreihe“ kann ich nichts sagen, ich habe sie nicht getestet. Für das Buch gibt es von mir aber die volle Punktzahl, um es auf die Flüsterwald-Art zu machen: Danke, liebes Buch für die unterhaltsamen Stunden voller Spannung und Freundschaft. Fünf Sterne von mir.