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Benutzername: 
S.Malz
Wohnort: 
Soderstorf

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 24.01.2024
Die Hoffnung der Chani Kaufman
Harris, Eve

Die Hoffnung der Chani Kaufman


sehr gut

Ich habe dieses Buch VOR dem ersten Teil (Die Hochzeit der Chani Kaufmann) gelesen, da dieser schlicht an mir vorbei gegangen ist.
Wenn ich nun sage, dass ich nach den ersten Kapiteln mir den ersten Teil direkt bestellt habe, denke ich, sagt es schon viel darüber aus, wie mir das hier besprochene Buch gefallen hat.

Worum geht es hier? Chani und ihr Mann Baruch Levy versuchen, ein Baby zu bekommen - scheitern jedoch. Beiden ist nicht so recht klar warum, entstammen doch beide Familien, in denen Unfruchtbarkeit nicht verbreitet ist - Chanis Mutter erwartet gerade ihr neuntes Kind. Somit begeben sie sich nach London, um in einer Klinik für Kinderwunsch Aufschluss über die mögliche Ursache für die bisherigen Fehlversuche zu erhalten. Für Chanis Schwiegermutter ist jedoch klar: Chani ist schuld - und sollte schnellstmöglich durch eine fruchtbare Frau ersetzt werden.

Die ganze Story findet statt in den Zwängen des frommen Judentums, mit all seinen strengen religiösen Regeln, Ritualen und Traditionen - erdacht von (wen wundert es?) den Männern.
Während Chani versucht, sich innerhalb der frommen Vorgaben aus dem Problem hervorzuwinden, hat - in einem weiteren Handlungsstrang - Rivka Zilbermann einen Schritt weiter gewagt. Sie hat ihren Mann den Rabbi Chaim Zilbermann verlassen und muss nun mit allen Konsequenzen dieser Flucht leben - denn die fromme Gemeinde sieht da nicht nur einfach zu. Der Kontakt zu ihren Kindern wird ihr untersagt, ihr Mann wird gedrängt, sich schnellstmöglich eine neue Frau zu suchen. Ihr ältester Sohn Avromi derweil zweifelt ebenfalls an seinem Lebensweg und verlässt die Talmudschule - er muss seinen Weg finden, wenn er sich auch nicht von HaSchem (Gott) abwenden möchte, unerwartet findet er Hilfe bei einem alten Rabbi und seiner Frau.

Eine Geschichte, die sich zum einen sehr leicht liest, zum anderen aber geschickt aufzeigt, wie Religionen mit den Menschen umspringen. Hier am Beispiel des Judentum, genau so aber auch übertragbar auf Christliche oder Muslemische Gesellschaften. Ergibt man sich ganz und gar Gottes Regeln - die ja aber Menschengemacht sind - und gibt seine eigene Identität, seine eigen Wahlmöglichkeit auf? Begibt man sich in vormals fremde Bereiche? Oder kann man - verrirrt - auch Trost finden in gemäßigteren Glauben und liberaleren Gebräuchen? Oder entsagt man sich dem Glauben ganz und gar.


Ein spannendes Thema, schön aufbereitet unter Verknüpfung von (mehr oder weniger strenger) Religion und weltlicher Gesellschaft.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen. Ein winziger Kritikpunkt wäre, dass zum Teil die Kenntnis der jiddischen Begriffe sehr vorrausgesetzt wurde, was einen manchmal etwas im Lesefluss unterbrochen hat; eventuell hätte man als Leser jedoch weitreichendere Kenntnisse, hätte man den ersten Teil zuvor gelesen. Ansonsten befindet sich aber auch ein Glossar am Ende des Buches.
Abgesehen davon konnte die Geschichte auch komplett ohne den ersten Teil gelesen werden.

Wer sich- wie ich - für Religionen und deren Gebräuche (insbesondere der jüdischen) interessiert, ohne dabei aber selbst religiös zu sein bzw. sein zu müssen, der wird viel Freude an diesem Buch haben; und einiges über das Mensch sein lernen und mitnehmen.

Von mir 4,5/5 Sterne

Bewertung vom 22.01.2024
Earthventure in Las Vegas
Sonntag, Beatrice

Earthventure in Las Vegas


ausgezeichnet

Wer kennt das nicht: Man steht auf der Comic Con, so in seinem Nerd-Dasein, und wird von einem eigentlich grünem Außerirdischen mit roter Gesichtsfarbe (Odiklu) angesprochen und als Reiseleiter für eine weitere Außerirdische engagiert. Auf dem Plan steht ein Kindergeburtstag, ein illegaler Hundekampf, ein Aquariumsbesuch und ein Boxkampf.

Standort: Las Vegas (USA). Und Josh geschieht genau dies.
Für 500.000 Dollar (in klebrigen Scheinen) geht der mittellose Walmart-Mitarbeiter auf das Angebot ein und hat bald eine Außerirdische namens Ulionk zu Besuch. Wie alle Bewohner des Planeten Androgan ist sie recht füllig und von grüner Hautfarbe, die sich aber durch eine geniale Hautcreme in ein erdenmäßiges Sonnenbrandrot verwandeln lässt. Zudem ernähren sich die Bewohner von Androgan extrem zuckerhaltig und in extrem großen Portionen - kein Problem, befindet man sich ja in den USA.

Josh meistert seine Aufgabe mithilfe seines Kollegen Henry und dessen knasterfahrenem Bruder und seinen Freunden mit Bravour und schliddert durch eine turbulente Woche, gespickt mit Seitenhieben auf die amerikanische Gesellschaft.

Ein sehr kurzweiliges Abenteuer, dass mich an die Griswolds auf Europareise (Hilfe, die Amis kommen) und „Paul, ein Alien auf der Flucht“ erinnert. Auf jeden Fall ein Buch, welches sofort ein Kopfkino startet - wenn auch das einer seichten Komödie, doch gerade die helfen einem doch, einfach mal abzuschalten: Birne auf Chill-Modus, zurücklehnen, entspannen und herzlich lachen.

Vielen Dank, dass ich dieses Buch lesen durfte.
Schließt euch an und begleitet Josh und seinen außerirdischen Gast - habt Spaß und lasst euch nicht zu sehr vom Buchcover schrecken - inhaltlich ein Garant für pures Unterhaltungs-Lesevergnügen.

Von mir die volle Punktzahl 5/5 in diesem Genre.

Bewertung vom 19.01.2024
'Wir haben es nicht gut gemacht.'
Bachmann, Ingeborg;Frisch, Max

'Wir haben es nicht gut gemacht.'


ausgezeichnet

Der Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch liegt mir als Print-Vorgabe sowie als Hörbuch vor.
Die Printausgabe umfasst zunächst über 578 Seiten den eigentlichen Briefwechsel sowie über weitere fast 500 Seiten Kommentare, Nachweise, Zeittafeln, Fotos, Namensregister und Werkregister.
Alles in allem ein monumentales Werk, welches hier von Suhrkamp und PIPER gemeinsam herausgegeben wurde.

Im Abitur habe ich (klassischerweise) Homo Faber gelesen und war schockverliebt. Stiller, Andorra, Gantenbein etc. - wie man heute sagen würde - habe ich gefeiert.
Über das Privatleben von Max Frisch habe ich mir damals wenig Gedanken gemacht - Google gab es noch nicht.
Somit wusste ich über Ingeborg Bachmann und die Beziehung der beiden nichts. Im Laufe der Jahre stand Frisch (mit seinen Gesammelten Werken) in meinem Regal - aber es gibt ja noch weiteren guten Lesestoff.
Dann fand ich zufällig das hier besprochene Buch und musste es haben

Ich hatte mich bereits an die ersten Seiten gemacht, als ich auf das Hörbuches aufmerksam wurde - umgesetzt von Lowspeak - grandios gelesen von Johanna Wokalek und Matthias Brandt.

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Zum Inhalt
Im Frühjahr 1958 schreibt Max Frisch an die „junge Dichterin“ Ingeborg Bachmann einen Brief, weil er von ihrem Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ begeistert ist. Mit Bachmanns Antwort beginnt ein Briefwechsel, der in fast dreihundert überlieferten Schriftstücken Zeugnis ablegt von der bis 1963 währenden schwierigen Liebe eines der bekanntesten deutschen Schriftstellerpaare. Nähe und Distanz, Bewunderung und Rivalität, Eifersucht, Fluchtimpulse und Verlustangst prägen die intimen Mitteilungen, die zugleich Weltliteratur sind.

Eine Anmerkung des Verlags
Nominiert für den Deutschen Hörbuchpreis 2024 in der Kategorie "Das besondere Hörbuch"

Begründung der Nominierungsjury:
"Um diese Briefe vortragen zu können, die zwei Menschen sich schrieben, die einander verzweifelt geliebt und dabei tief verletzt haben, sind Johanna Wokalek und Matthias Brandt in die innersten Winkel eigener innerer Wahrhaftigkeit und Abgründe gestiegen. Beim Lesen der Briefe könnte man auf Distanz bleiben, beim Hören dieses außergewöhnlichen Kunstwerks entfaltet sich eine Ahnung von Liebesunfähigkeit, die nicht nur Ingeborg Bachmann und Max Frisch betrifft,
sondern uns alle."

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Ich kann zum Inhalt eigentlich kaum mehr sagen. Zur Beziehung zwischen den beiden, kann man viele Quellen bemühen (heutzutage auch Google); die Tiefe, Komplexität und Kompliziertheit ergibt sich aber erst aus diesen Briefwechseln.
Ich würde vorgreifen, wenn ich eine Färbung meiner Meinung äußern würde. Jedoch kann ich sagen, dass ich schwer beeindruckt, zum Teil erschüttert zugehört, gelesen habe, in welcher Form Bachmann und Frisch sich missverstanden haben, in welcher eigenen Welt (heute würde man sagen Bubble) sie sich jeweils bewegt haben, während die sie glaubten, den anderen zu verstehen, selbst aber missverstanden zu werden - und später ernüchtert oder auch weiterhin fehlgeleitet die Realität oder auch die Gedankenwelt des/der anderen wieder anders zu verstehen - und auch die eigene.

Man sieht, ich finde kaum die Worte, hier etwas zusammenzubringen, ohne dass ich den vielleicht interessierten Leser oder Hörer beeinflussen würde.

Von meiner Warte aus kann/muss ich sagen, dass ich Frisch noch einmal anders erleben durfte; und auch Bachmann, deren Werke mir bis dato nicht bekannt waren/sind.
Beide zeigen sämtliche menschliche Facetten der Liebe und der Beziehungskrisen auf - wobei man auch gut erkennt, dass Liebe, Sehnsucht, Hass, Misstrauen, Verzweifung und Hoffnung verdammt eng beieinander liegen können.

Als Print - mit dem immens großen Anhang - ein große Leistung!
Als Hörbuch - mit zwei Stimmen, die sehr überzeugen und eingestreuten richtig gesetzten Kommentaren - noch einmal mehr eine grandiose Leistung! Die Nominierung für den Hörbuchpreis ist mehr als gerechtfertigt!

Von meiner Seite 10/10 - in beiden Fällen.

Bewertung vom 14.01.2024
König der Turniere
Stadler, Juliane

König der Turniere


sehr gut

LEHRREICH UND UNTERHALTSAM - EIN MITTELALTER-ROMAN

Print 798 Seiten - ich habe den Roman als Hörbuch gehört - wunderbar gelesen von Tobias Kluckert. Daher mag man mir vergeben, wenn ich Namen falsch schreibe.

Ich mag Historienromane sehr und habe alles von Follet, vieles von Gablé und einiges von Wolf gelesen.
Nun also ein weiteres Mittelalter-Epos, wobei hier eine recht kurze Zeitspanne abgehandelt wurde - wenn ich recht erinnere 1181 bis 1183. Und der Roman hat mir etwas Neues über das Mittelalter erzählt; ja, es gab Intrigen, die Guten und die Bösen, die Mächtigen und die Unterworfenen, die Treuen und die Verräter. Aber all dies spielt nicht in einer Aufstrebenden Stadt, nicht über Generationen. Nein, wir erleben den Erfolg eines mittellosen Turnierritters (Erec), der mit seinen Freunden mehr recht als schlecht von einem Turnier zum nächsten zieht und sich einigermaßen über Wasser hält. Kurz vor dem Ruin der ganzen Mannschaft ergibt sich ein Glücksfall, der ihn und seine Männer in den direkten Umkreis des „Jungen Königs“ Henry hebt. Nunmehr sollte sein Leben glücklich verlaufen, doch Intrigen und eine verbotene Liebe hindern ihn.
Mehr möchte ich zum Inhalt (siehe zudem den Klappentext) nicht sagen.
Mir hat der Aufbau der Geschichte sehr gut gefallen, auch wenn es etwas gedauert hat, bis ich wirklich tief eintauchen konnte. Anfangs schleppte sich die Erzählung etwas hin, meine Geduld wurde jedoch belohnt, denn später (nicht zu spät) nahm die Geschichte richtig Fahrt auf. Ich habe gelernt, dass die Ritter-Turniere anders aufgebaut waren, als Hollywood es mir in den pompösen Ritterfilmen beigebracht hat. So ist das Lanzenreiten (zwei Ritter mit einer Bande zwischen ihnen) nur ein Vorgeplänkel - das eigentliche Turnier ist ein Mannschaftskampf auf breiter Front. Zudem wird man in die ersten Schritte des heutigen Footballs (oder eher des Rugbys) eingeweiht…viel Spaß dabei.
Auch erfährt man etwas über die Machtverhältnisse und Gebietsansprüche im Mittelalter; wie auch über Troubadoure und verbotene Liebe - sowohl zwischen Männern und Frauen aber auch zwischen Männern. Und am Ende kommt auch die wortwörtliche Rittetlichkeit nicht zu kurz.

Sehr schön ist auch das historische Nachwort, welches nochmals Aufschluss gibt, über Fakten und Fiktion im Roman und zudem eine kleine abschließende Geschichtsstunde birgt, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Insgesamt ein toller Historienroman, den ich jedem Liebhaber dieses Genres wärmstens empfehlen kann.