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Suzanne

Bewertungen

Insgesamt 19 Bewertungen
12
Bewertung vom 18.06.2024
Die kurze Stunde der Frauen
Gebhardt, Miriam

Die kurze Stunde der Frauen


ausgezeichnet

Interessantes Sachbuch

Miriam Gebhardt gibt uns in ihrem Buch „Die kurze Stunde der Frauen“ einen interessanten Eindruck über das Leben der Frauen und ihren Kampf um Gleichberechtigung in der Nachkriegszeit. Sie betrachtet dabei unterschiedliche Facetten des Lebens und berichtet in ihrem gut recherchiertem Buch u.a. über die Entnazifizierung, den Mythos der Trümmerfrau, erlebte Traumata und den Kampf ums tägliche Überleben.
Sie beschreibt dies an Hand vieler individueller Quellen wie Briefen und Tagebüchern sehr eindrucksvoll und erwähnt auch die Unterschiede in den Lebensentwürfen von Frauen in West- und Ostdeutschland.
Interessant war für mich auch über die vier Frauen zu lesen, die an der Entstehung des Grundgesetz beteiligt waren. Ihr Lebensweg und ihr Einfluss auf die Gesetzgebung wird in diesem Buch ebenfalls beschrieben und auch mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten.
Ich fand die Lektüre sehr aufschlussreich und durch die individuellen Lebensgeschichten, die die Autorin beschreibt, auch sehr interessant zu lesen.
Eine Leseempfehlung für alle, die versuchen wollen die Lebensumstände in der Nachkriegszeit besser zu verstehen und mehr über die Entwicklung der Frauenrechte erfahren möchten.

Bewertung vom 18.06.2024
Forgotten Garden
Gosling, Sharon

Forgotten Garden


ausgezeichnet

Ein Garten heilt alte Wunden und fördert neue Freundschaften

Die Hauptperson diese Romans ist die Landschaftsarchitektin Luisa, die das Angebot erhält in einem kleinen Küstenort in England ein altes Fabrikgelände in einen Gemeinschaftsgarten umzuwandeln. Zunächst ist sie wenig motiviert, übernimmt das Projekt dann aber doch in Gedenken an ihren verstorbenen Mann, der sicherlich begeistert von dieser Idee gewesen wäre.
Bei der Besichtigung des Geländes hat sie eine Reifenpanne und lernt den Lehrer Mr. P. kennen, der neben der Arbeit noch einen Boxclub für vernachlässigte Jugendliche leitet. Einer seiner Schützlinge ist Harper, die sehr begabt ist, aber kein einfaches Leben hat. Ihr Vater hat Alkoholprobleme und sie muss sich allein um ihren jüngeren Bruder Max kümmern. Aus Geldmangel ist sie straffällig geworden und muss Sozialstunden ableisten.
Luisa trifft zunächst mit ihrem Projekt auf wenig Begeisterung bei den Anwohnern, Harper soll ihre Sozialstunden bei ihr ableisten und macht das zunächst sehr widerwillig und wortkarg. Im Boxclub erhält Luisa einen Raum als Planungsbüro und findet in Mr. P. einen Gesprächspartner und Unterstützer ihrer Ideen. So gelingt es ihr schließlich auch das Vertrauen der Anwohner zu gewinnen und sie für den Gemeinschaftsgarten zu begeistern.
Die Autorin schafft es wunderbar das Leben der drei Hauptpersonen, ihre Probleme und Schwierigkeiten lebendig und mitfühlend zu beschreiben und auch herauszustellen, was sie gemeinsam verbindet. Die Entstehung des Gartens wurde so anschaulich beschrieben, dass ich ihn mir fast bildlich vorstellen konnte. Dabei hat sie auch nicht vergessen die Schwierigkeiten zu beschreiben mit der jede ihrer Figuren zu kämpfen hat. Nicht zu vergessen, dass der Ort an dem der Gemeinschaftsgarten entstehen soll auch ein sozialer Brennpunkt mit einigen kriminellen Charakteren ist.
In diesem Buch geht es nicht nur um die Anlage eines Gartens, es geht um Gemeinschaft und die Möglichkeit neue Perspektiven im Leben zu finden. Dies alles beschreibt die Autorin mit einigen sehr spannenden und teilweise dramatischen Wendungen, sodass ich das Buch im letzten Drittel kaum noch aus der Hand legen konnte.
Eine klare Leseempfehlung nicht nur für Gartenliebhaber.

Bewertung vom 11.04.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

In ihrem neuen Roman erzählt uns Trude Teige die Lebensgeschichte ihres Großvaters Konrad. Das Buch beginnt mit einem Vorwort der Enkeltochter Juni, die auch bereits über die Lebensgeschichte ihrer Großmutter berichtet hat. Großvater Konrad, der ihr sehr nahe steht, bringt ihr bei in Momenten der Angst oder der Traurigkeit zur Beruhigung mit den Wellen zu atmen.
Der Norweger Konrad ist während des zweiten Weltkriegs 1943 zusammen mit seinem Bruder Sverre auf einem Handelsschiff im indischen Ozean unterwegs, als sie von Japanern torpediert werden und das Schiff untergeht. Die Brüder werden getrennt und Konrad kämpft in einem Rettungsboot um sein Überleben. Er strandet auf der Insel Java und wird dort im Krankenhaus von der norwegischen Krankenschwester Sigrid gepflegt und verliebt sich in sie.
Bald schon wird Java von den Japanern kontrolliert. Die europäischen Zivilisten werden in Arbeitslager gesteckt, wo sie fast verhungern und unter der Willkür der japanischen Besatzer leiden. Ein Teil der Geschichte, der mir bis dahin nicht bekannt war.
Trude Teige hat sehr gut recherchiert wie das Leben in diesen Lagern ablief und ausführlich darüber in diesem Buch geschrieben. Auch wenn der Roman Fiktion ist, so beruht er doch auf dokumentierten Begebenheiten. Ich fand es allerdings teilweise sehr belastend zu lesen, wie die Menschen unter Krankheit, Hunger und Willkür der japanischen Besatzung leiden mussten. Das ist nicht so geeignet für zartbesaitete Gemüter.
Trude Teige hat dieses Buch gradliniger geschrieben als den ersten Band über die Großmutter, die im Regen tanzt. Abwechselnd erfahren wir hier in oft sehr kurzen Kapiteln was Sigrid und Konrad getrennt voneinander im jeweiligem Lager erleben, und wie sie um ihr Überleben kämpfen müssen. Ich habe bei der Lektüre mit den Protagonisten mitgelitten und gehofft, aber auch die Mitmenschlichkeit und Hilfe untereinander unter schwierigen Bedingungen bewundert. Der sehr lebendige Schreibstil der Autorin hat bewirkt, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Man kann diesen Roman auch gut lesen, ohne den ersten Band gelesen zu haben.

Bewertung vom 04.03.2024
Kantika
Graver, Elizabeth

Kantika


ausgezeichnet

Eine charakterstarke Frau

Kantika erzählt die Lebensreise einer charakterstarken Frau und Überlebenskünstlerin, die hart arbeitet um ihre Träume wahr werden zu lassen. Der Autorin Elisabeth Graver diente als Vorbild für diesen Roman die Lebensgeschichte ihrer Großmutter Rebecca Cohen. Ihre Geschichte ist auch die Geschichte einer Familie sephardischer Juden, die zunächst wohlhabend in der Istanbuler Oberschicht leben. Leider ist der Vater wenig geschäftstüchtig und verliert sein Unternehmen und als sich die Stimmung in den zwanziger Jahren in Europa verdüstert muss die Familie Istanbul verlassen und zieht zunächst nach Barcelona. Für Rebecca beginnt eine lange Odyssee, sie verliert ihren ersten Mann und heiratet ein zweites Mal einen Witwer mit Kind mit dem sie nach Amerika geht. Ihre Eltern und Geschwister muss sie dabei in Europa zurücklassen. In ihrem wechselhaften Leben fängt sie immer wieder von vorne an sich mit ihren Talent zum Nähen ein Geschäft aufzubauen. Sie kümmert sich um ihre 6 Kinder und fördert mit viel Geduld ihre Stieftochter Luna, die mit einer Zerebralparese zur Welt gekommen ist. In ihrem Gesang findet Rebecca ein Zuhause, sie singt seit ihrer Kindheit. Später kann sie darin Tradition, Vergangenheit und Zukunft verweben.
Der mare Verlag hat dieses Buch sehr schön gestaltet. Das Titelblatt mit der angeschlagenen Kachel ganz in Blau fällt einen sofort ins Auge. Jedes Kapitel wird mit einem schwarz-weiß Foto begonnen, das dem jeweiligen Lebensabschnitt von Rebecca oder ihrer Familie entspricht. Das macht neugierig auf die dazugehörige Geschichte.
Kantika ist ein berührendes Buch, das uns in das Leben und in die Rituale sephardischer Juden in die Zeit um 1920 einführt. Die Autorin hat eine wunderbaren bildhaften Schreibstil mit der sie die Personen und die Landschaften lebendig werden lässt. Ich habe Rebecca gerne auf ihrem Lebensweg begleitet und empfehle dieses Buch allen, die Familiengeschichten über mehrere Generationen mögen.

Bewertung vom 15.02.2024
Die Stadt der Schattenschläfer und die Melodie der Albträume
Vieweg, Olivia

Die Stadt der Schattenschläfer und die Melodie der Albträume


ausgezeichnet

Das Geheimnis von Quedlinburg
In Quedlinburg spielt fast jeder ein Blasinstrument, nur die 13-jährige Elli nicht. Wo andere in der Stadt zum Blasmusikfestival Dirndl tragen, trägt Elli von Kopf bis Fuß schwarz. Und da die Blasmusik ihr körperliche Schmerzen bereitet spielt sie lieber Gitarre und würde gerne aus dem Ort flüchten um an einem Heavy Metal Festival teilzunehmen. Als das jedoch misslingt und sich die merkwürdigen Ereignisse in der Stadt nur so überschlagen, tut sie sich mit einigen anderen Außenseitern zusammen.

Obwohl Quedlinburg so ein beschauliches Städtchen ist, birgt es doch ein schreckliches Geheimnis. Unter der Stadt in einem weit verzweigten Netz von dunklen Tunneln schlafen die Schattenschläfer, monsterartige Wesen vor denen sich jeder fürchtet. Deshalb dürfen sie nicht geweckt werden.

Das Buch ist spannend geschrieben von der ersten bis zur letzten Seite. Oft gab es einige unerwartet Wendungen und es ist auch nicht immer eindeutig, wer auf welcher Seite steht, sodass ich die Lektüre nicht aus den Händen legen konnte. Die einzelnen Personen im Buch sind wunderbar ausgearbeitet, jeder der Freunde und Freundinnen von Elli hat seine besonderen Eigenschaften und wir erleben, wie sich ihre Freundschaft entwickelt und stärker wird, sodass sie sich gemeinsam allen Abenteuer stellen können.

Auch die Schattenschläfer sind besonders, sie haben sehr fantasievolle Namen und ganz besondere Fähigkeiten, das wird durch die Illustrationen im Buch noch verstärkt.
Die wunderschönen Bilder und Kapitelüberschriften und die fein illustrierten Details machen das Lesen noch schöner und verstärken den Leseeindruck.
Das Buch handelt von Freundschaft und vom Anderssein. Es ist sehr spannend, die Geschichte hat ein rasantes Tempo und ist auch etwas düster und gruselig und daher vielleicht für jüngere Kinder nicht so geeignet. Am Ende waren für mich noch einige Fragen offen, da hätte die Autorin vielleicht noch etwas ausführlicher sein können. Trotzdem habe ich es auch als erwachsene Leserin sehr gerne gelesen.

Bewertung vom 25.01.2024
Die Hoffnung der Chani Kaufman
Harris, Eve

Die Hoffnung der Chani Kaufman


ausgezeichnet

Wird die Hoffnung erfüllt?
Die Hoffnung der Chani Kaufman ist die Fortsetzung des Romans „Die Hochzeit der Chani Kaufman“ und führt uns erneut ein in das Leben einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde in London.
Kaum verheiratet wird von Chani erwartet schnellstmöglich schwanger zu werden. Als dies nicht klappt muss sie sich den für sie demütigenden Untersuchungen in einer Fruchtbarkeitsklinik unterziehen. Sollte sie nicht schwanger werden, kann ihr Ehemann sie verstoßen und ihre intrigante Schwiegermutter wartet schon darauf ihren Lieblingssohn neu zu verheiraten. Von vorne rein steht für die Familie natürlich fest, dass ihr Mann Baruch nicht schuld an ihrer Unfruchtbarkeit sein kann. Nach der Untersuchung stellt sich für Chani das Problem sich an alle Gebote zu halten und trotzdem schwanger zu werden.
Im Buch verfolgen wir nicht nur den Weg der Chani Kaufman sondern auch den von Rivka, die sich von ihrem Mann den konservativen Rabbiner Chaim Zilbermann getrennt hat und nun ein Leben außerhalb der Gemeinde führt. Man erlebt wie viel Druck die Gemeinschaft auf sie und ihre Kinder ausübt. Das geht sogar soweit, dass sie angegriffen wird als sie die Scheidung von ihrem Mann verweigert.
Der dritte Erzählstrang berichtet von Avromi, dem ältesten Sohn von Rivka, der aus der Talmudschule ausbricht und einen neuen Lebensweg für sich findet.

Eva Harris schreibt sehr humorvoll und manches Mal auch ironisch über das Leben in einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde. Die einzelnen Charaktere sind gut herausgearbeitet, wie z.B. die intrigante Schwiegermutter Mrs Levy, die bereits die Heiratsvermittlerin aufsucht um ihren Sohn neu zu verheiraten und die nicht minder intrigante Heiratsvermittlerin, die sich ihren Vorteil aus dieser Notlage schafft.
Am Ende des Buches bietet das hilfreiches Glossar einen Überblick über viele Begriffe und Redewendungen. Nach dem ersten Buch von Eve Harris war dies für mich eine wunderbare und sehr lesenswerte Fortsetzung, die ich nur weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 30.11.2023
Der Spurenfinder
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder


ausgezeichnet

Auf fantastischen Spuren
Der Spurenfinder ist eine wunderbare Mischung aus Fantasy und Krimi mit dem typischen Humor von Marc-Uwe Kling.
In den ersten Kapiteln lernen wir den berühmten Spurenfinder Elos von Bergen und seine Kinder kennen, das Mädchen Ada und den Jungen Naru. Nahe dem verschlafen Nest Friedhofen in denen sie wohnen findet gerade ein Jahrmarkt statt und dort tummeln sich einige schräge Gestalten und sonderbare Wesen.
Ein Tag nach dem Jahrmarktsbesuch geschieht in dem beschaulichen Ort ein Mord. Die Kinder beginnen mit ihrem Vater gemeinsam zu ermitteln und nutzen dabei einige außergewöhnliche und witzige Gegenstände mit teils magischen Kräften. Schnell führt sie die Suche aus Friedhofen fort und sie brechen zu einer aufregenden und gefährlichen Reise nach Syndrakos auf. Dabei begegnen ihnen die unterschiedlichsten Gestalten, sie müssen sich in gefährlichen Situationen bewähren, decken ein lang verborgenes Geheimnis auf und lösen am Ende gemeinsam den Mordfall.
Marc-Uwe Kling hat dieses Buch gemeinsam mit seinen zwölfjährigen Zwillingstöchtern geschrieben und man merkt beim Lesen, dass sie viel Spaß beim gemeinsamen Schreiben hatten. Die Dialoge sind witzig und schlagfertig und die beschriebenen Figuren sehr fantasievoll. Es hat mir viel Spaß gemacht dieses Buch zu lesen und die dazugehörigen Zeichnungen ergänzen die Geschichte perfekt. Sicherlich ist es auch ein Buch für etwas ältere Kinder so ab zwölf.

Bewertung vom 09.11.2023
In Liebe, deine Lina / Mühlbach-Saga Bd.1
Leciejewski, Barbara

In Liebe, deine Lina / Mühlbach-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Bemerkenswerte Familiengeschichte
Barbara Leciejewski hat für diesem Roman die Lebensgeschichte ihrer Urgroßeltern und Großeltern als Vorlage genommen und hat damit eine wunderbare Geschichte geschrieben.

Der Roman beginnt in Mühlbach, einem kleinen westpfälzischen Dorf. Dort wächst Lina als Halbwaise zusammen mit ihrem Vater und ihren Brüdern in ärmlichen Verhältnissen auf. Als sie älter wird, verliebt sie sich in ihren Jugendfreund Albert, eine Liebe die von seinen wohlhabenden Eltern nicht als standesgemäß angesehen wird. Als Lina von Albert schwanger wird, steht er nicht zu ihr und sie bringt unverheiratet ihre Tochter Charlotte zur Welt. Die Autorin beschreibt in ihrem Roman sehr deutlich, was es für eine Frau bedeutet im ausgehenden 19. Jahrhundert auf dem Dorf ein uneheliches Kind zu bekommen. Lina wird von allen im Dorf gemieden. Aber zum Glück gibt noch Karl Schäfer, der selbst unehelich geboren wurde und weiß wie es ist als „Bankert“ aufzuwachsen und der heimlich immer schon in Lina verliebt ist. Er bietet ihr die Ehe an, macht ihre Tochter damit zu einem ehelichen Kind und nimmt sie mit nach Bremen, fort aus den engen dörflichen Verhältnissen und weg von der Unbarmherzigkeit der Dorfgemeinschaft.

Die Autorin beschreibt das Familienleben von Lina und Karl sehr lebendig. Dadurch kann man sich gut in die Hauptfiguren hineinversetzen und verfolgt mit Spannung ihre Entwicklung. Außerdem ist es ihr wunderbar gelungen die Zeit um die Jahrhundertwende zu beschreiben und auch die Gegensätze zwischen dem großzügigeren Leben in Bremen und der Enge der Dorfgemeinschaft zu schildern.
Eine klare Empfehlung für alle, die gerne historische Romane lesen. Ich freue mich schon auf den zweiten Teil.

Bewertung vom 30.09.2023
Ich träumte von einer Bestie
Blazon, Nina

Ich träumte von einer Bestie


ausgezeichnet

Ein viele Jahrhunderte alter Fluch
Fleur, die Hauptfigur des Romans, erscheint uns zunächst rätselhaft. Sie zieht sich vor anderen Menschen zurück, ist immer auf der Hut vor zu viel Nähe und wird in ihren häufigen Alpträumen von einem Jäger verfolgt.
Als sie das Erbe ihres französischen Vaters antreten soll, fährt sie in die Auvergne um ihre ungeklärte Familiengeschichte zu erforschen. Sie begibt sich auf die Spuren einer alten Legende und eines möglichen Fluchs, der nach Aussage ihrer Großmutter auf der Familie lasten soll.
Dabei lernt sie auch zwei sehr unterschiedliche Männer kennen, von denen ihr jeder auf seine Weise bei ihrer Suche behilflich ist und Einfluss auf ihr Leben nimmt.
Nina Blazon hat eine sehr bildhafte Sprache und einen sehr spannenden Schreibstil. Ich konnte mich gut in die Gefühle der Hauptperson Fleur hineinversetzen und die Landschaft der Auvergne war mir beim Lesen sehr lebendig vor Augen. Dieses Buch erzählt auch die bis heute ungeklärte Geschichte um die Legende der Bestie des Gévaudan und damit verbundene ungelöste Kriminalfälle.
Einmal angefangen mochte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Insbesondere auch, weil die Geschichte so einige Wendungen nahm, mit denen man nicht gerechnet hat. So begleitete ich Fleur atemlos bis zum Ende des Romans und fragte mich, ob es ihr gelingen wird den Fluch zu brechen.
Sehr gefallen hat mir auch, wie es der Autorin gelingt die französischen Versionen der Märchens von Rotkäppchen, Allerleihrauh und Rumpelstilzchen mit in die Geschichte einzubinden.
Ein spannendes und abwechslungsreiches Lesevergnügen, das ich unbedingt weiter empfehlen kann.

Bewertung vom 04.09.2023
Aenne und ihre Brüder
Beckmann, Reinhold

Aenne und ihre Brüder


ausgezeichnet

Eine berührende Lebensgeschichte

Die Tragik des Krieges zeigt sich besonders in den persönlichen Verlusten. Reinhold Beckmann hat mit diesem Buch über seine Mutter und deren vier Brüder ein berührendes Zeitzeugnis geschrieben.
Von der Geburt seiner Mutter Aenne 1921 in dem kleinen Dorf Wellingholzhausen in der Nähe des Teutoburger Waldes bis zur Hochzeit seiner Eltern Ende des vierziger Jahre führt uns dieses Buch.
Wir erfahren vom Leben auf dem Lande und dem frühen Verlust der Mutter kurz nach Aennes Geburt. Der Vater heiratet erneut und stirbt aber auch bald an den Folgen des ersten Weltkriegs. Zu den Brüdern Hans, Franz und Alfons kommt bald die Halbschwester Lisbeth und nach erneuter Heirat der Stiefmutter folgt der Bruder Willi.
Wir lesen wie sich Wellingholzhausen in Zeiten des Nationalsozialismus verändert, über den Einfluss der katholischen Kirche und den Beginn des Krieges.
Hans ist der erste Bruder, der sich freiwillig meldet und auch der erste der im Krieg fällt. Willi mit seinen 17 Jahren der letzte, der noch kurz vor Kriegende eingezogen wird.
Beckmann dient als Quelle für dieses Buch die Feldpostbriefe seiner Onkel, die seine Mutter ein Leben lang in einem Schuhkarton aufbewahrt hat und die vielen Gespräche über diese Zeit mit ihr. Ergänzt wird dies durch historische Fakten, die dem Leser ermöglichen die Briefe im geschichtlichen Zusammenhang zu sehen. Sein Schreibstil ist sehr klar und eindringlich, so als würde er die Geschichte dem Leser persönlich erzählen.
Es ist ein sehr persönliches Buch, wir erfahren viel über die Ängste der jungen Männer, die in den Krieg ziehen mussten und ihre Träume und Wünsche an die Zukunft. Und obwohl man weiß, dass keiner von ihnen den Krieg überleben wird, hofft man doch mit Aenne auf ein gutes Ende.
Die Geschichte von Aenne zeigt uns eine willensstarke Frau, die es geschafft hat mit ihrem Sohn über die Erlebnisse im Krieg zu sprechen und die sich trotz allem ihre Träume und ihr Hoffen erhalten hat.
Ein bemerkenswertes und berührendes Buch, das man unbedingt lesen sollte.

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