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Bewertung vom 28.10.2008
Die Zwerge von Amboss
Plischke, Thomas

Die Zwerge von Amboss


ausgezeichnet

Vorab: ich bin restlos begeistert. Ich habe selten eine solche Parabel gelesen. Ich saß gestern in der S-Bahn und mein Gegenüber sprach mich auf das Buch an: Ob das ein neuer Fantasieroman sei. 20 Minuten hatte ich um den Inhalt zu erzählen ( ohne alles zu verraten). Und ich habe einen Fan für den Roman gewonnen. Inhalt: In der Stadt Amboss geschieht ein Mord. An der Aufklärung beteiligt sind vor allem der Sucher Garep und sein Begleiter Bugeg. Garep ist ein wirklich weiser Mann. Bugeg dagegen ist voller Vorurteile und schneller Aburteilungen, vor allem gegenüber den Menschen. Während Garep auf einen Mord aus Leidenschaft tippt ( ein Komponist wird meuchlings mit einer Flöte erstochen *g*), sieht Bugeg nur politische Motive. Der "vermeintliche" Täter begeht "vermeintlichen" Selbstmord und der Fall scheint schnell abgeschlossen, zumindest für Bugeg. Aber Garep erkennt, als sich die Tat wiederholt, dass es um etwas ganz anderes geht. Man entzieht ihm den Fall, aber er lässt nicht locker und macht sich an die wirkliche Aufklärung. Und er erkennt, dass das Böse, das den Bund bedroht nur dann aufzuhalten ist, wenn alle zusammenhalten und zusammenarbeiten. Eingeflochten in diese Geschichte sind andere Schauplätze, bei denen man zunächst nicht überblickt wie alles zusammenhängt. Da ist die Heilanstalt, in der der Leiböffner ( ein widerlicher, aber passender Ausdruck) und sein Anstaltsleiter grausamste Dinge tun. Und da sind die Zwillinge Sira und Siris. Sira verschwindet plötzlich und Siris, dessen Aufgabe es ist Bestien zu jagen ( z.B. die Riesengreife), macht sich auf die Suche nach seiner Zwillingsschwester. Und irgendwann findet man als Leser die Spur, die alle Spuren zusammenführt. Kritik: ich möchte von vier Sternen auf fünf Sterne erhöhen. Ich bin einfach nur begeistert. Da ist Garep, der ganz viel "Menschliches" zeigt in der Trauer um seine verlorene Liebe.Da ist Bugeg, der mich mit seiner einschichtigen Art zu denken absolut nervt. Da ist die Zwergin, die einen Bart trägt und nicht wie in Mode gekommen, den Bart abrasiert( ich musste so lachen, denn umgekehrt stehen ja so viele Männermenschen täglich derzeit unter der Dusche um jedes Haar abzusäbeln). Da sind so viele herrlich beschriebenen Zwerge und Halblinge. Riesig spannend ist auch die Diskussion um "Vernunft" und "Glaube". Man liest von den Menschen, die letztlich noch vor der Aufklärung stehen. Und man liest von den Zwergen, die angeblich in "reiner Vernunft" wirken. Eine philosophisch spannende Sache. Herrlich umgesetzt. Dann die Asylsituation. Menschen suchen Asyl und werden in die Armenviertel gesteckt und sollen "abgeschoben" werden. Äußerst brisant und heftig es mal von der Opferseite zu sehen. Klasse. Dann ganz Furchtbares. Es werden Halblings Experimente in der Klinik durchgeführt. Ich muss an viele furchtbare Versuche an Menschen und Tieren denken. Oder an all die Versuche das beste Erbgut zu klonen um die "perfekten Arbeiter oder Krieger" hervorzubringen. Aldous Huxley lässt grüßen. Es ist ein gesellschaftspolitischer Roman und weder sind die Zwerge die besseren Menschen noch umgekehrt. Irgendwie ist der Normalozwerg genauso ein Opfer wie viele Arbeitslose bei uns. Sie werden wegrationalisiert. Längst haben die vielen Maschinen ihnen den Broterwerb versagt und die Zwergenoberen machen es sich auf Kosten des einfachen Zwerges gemütlich. Ich muss an die unehrenhaften Bankmanager denken, die das Geld des "kleinen Mannes = Zwerg " veruntreuen.

Judith aus Maisach

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