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Calendula

Bewertungen

Insgesamt 89 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2024
Mein drittes Leben
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


ausgezeichnet

Auf das neue Buch von Daniela Krien habe ich mich sehr gefreut. Da mir bisher alles von der Autorin ausgesprochen gut gefallen hat, muss ich gestehen, dass ich da schon gewisse Erwartungen hatte. Glücklicherweise wurde ich nicht enttäuscht. Ich habe es - wieder einmal - geliebt.

Die Geschichte ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil steht Lindas Trauer im Vordergrund. Wie sie sich selbst von Familie, Freunden und dem Rest der Welt abkapselt, sich in eine selbstgewählte Einsamkeit zurückzieht. Im zweiten Teil erkämpft sie sich eine eigene, neue Realität. Zwar holt die Trauen sie auch hier immer wieder ein, aber sie entwickelt Strategien, um mit diesen Phasen besser umgehen zu können. Zudem findet sie einen Zugang zu ihrer eigenen Vergangenheit.

Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen. Ich bin immer wieder hin und weg über den großartigen Stil der Autorin. Ich empfinde ihn als sehr gefühlvoll, einfühlsam und gleichzeitig sehr klar und filigran. Da fällt ein alltägliches Wort für "Hundescheiße" schon fast als unflätig auf. Sie schafft es, ein überaus trauriges und bedrückendes Thema so darzustellen, dass ich als Leserin jede Emotion nachvollziehen kann, ohne mich gleichzeitig von dem Geschehen bedrückt zu fühlen. Trotz all der Trauer, dem Verlust und durchaus auch Schwermütigkeit, hat der Text durchaus eine überraschende Leichtigkeit. Man fühlt wie Linda auf Distanz geht, ebenso wie sie Schritt für Schritt Veränderungen vornimmt, die langsame Öffnung, das Herantasten an das Leben und auch die Erkenntnis, dass manches nicht wieder aufgebaut werden kann oder gar nie so war, wie wahrgenommen.
Auch die Nebenfiguren fand ich sehr schön gestaltet. Sie haben der Hauptfigur in nichts nachgestanden, ich hatte auch hier das Gefühl an weiteren Leben teilzuhaben.

Dabei entstehen Sätze, die ich mehrfach lesen musste, weil ich sie als sehr stark und auch - für mich- wahr empfunden habe. Wie z.B. "All das Unerledigte, Unterlassene, Ungesagte in unserem Leben verschwindet nicht. Es sammelt sich in uns, gärt und brodelt, und manchmal bricht es heraus."
Sätze wie diese haben mich inne halten lassen und hallen auch nach dem lesen noch ziemlich intensiv in mir nach.

Für mich ein fantastisches Buch, dass mich sehr tief berührt und nachdenklich gemacht hat. Und es schürt auf jeden Fall meine Vorfreude auf das nächste Buch der Autorin.

Bewertung vom 12.07.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


gut

Ich wollte dieses Buch so gerne mögen, weil es inhaltlich direkt am Puls der Zeit ist und aus meiner Sicht durchaus ein Augen öffnendes Buch hätte sein können. Aber ich tue mich unheimlich schwer damit, es nun richtig gut oder richtig schlecht zu finden. Keines von beidem ist der Fall, es pendelt irgendwo in der Mitte.

Lynch' Stil ist recht speziell und gewöhnungsbedürftig. Und er gönnt dem Leser quasi fast keine Atempause. Man wird direkt ab der ersten Seite mit dem Geschehen konfrontiert.
Ich bin kein Fan von Verzicht auf Absätze und direkte Rede und kann nur mutmaßen, warum der Autor dieses Stilmittel verwendet hat. Für mich war es mitunter schwierig Aussagen einzelnen Personen in einer Unterhaltung passend zuzuordnen. Hier ist es mir mehrfach passiert, dass ich Passagen nochmals lesen musste, um diese zu verstehen.
Es liest sich für mich einfach nicht flüssig. Dazu kommt, dass die Hintergründe für den immer wieder erwähnten „Nationalen Notstand“ eigentlich nie konkret benannt werden. Sie bleiben unsichtbar und abstrakt, man erfährt als Leser nur die Auswirkungen. Ich könnte mir vorstellen, dass es der Autor an dieser Stelle jedem Leser selbst überlässt, sich sein eigenes Horrorszenario auszumalen, dass zu solch drastischen Maßnahmen führt.
Im Grunde ist das ein geschickter Schachzug. Für mich hat es leider nicht funktioniert. Dieses Abstrakte hat bei mir dazu geführt, dass sich jede von Eilishs Handlungen aber auch ihre Emotionen sehr distanziert anfühlten. Ich konnte zwar grundsätzlich verstehen, was in ihr in den jeweiligen Momenten vorgeht; für mich war es nur nicht immer nachvollziehbar, hat mich kaum berührt. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt mich durch den oft gekünstelt wirkenden Schreibstil zu kämpfen.

Die Geschichte konzentriert sich auf Eilish, ihre Emotionen und die Auswirkungen auf ihre Familie nach der Verhaftung ihres Mannes. Diese sind erschreckend und man sollte sich wirklich vor Augen führen, ob diese staatlichen Handlungen so erstrebenswert sind, wie von manchen Zeitgenossen in den Äther geplärrt.
Mir ist das insgesamt aber ein wenig einseitig. Ich hätte mir hier gewünscht auch Reaktionen aus dem Ausland zu lesen oder aus den sozialen Medien, von Gegenbewegungen usw.

Mit einem ansprechenderen Stil hätte das Buch wirklich ein Pageturner werden können. Es bleibt für mich leider ein mittelmäßiger Versuch ein aktuelles Thema in Buchform zu bringen.

Bewertung vom 15.06.2024
Agatha Christie / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.21
Lieder, Susanne

Agatha Christie / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.21


sehr gut

Agatha Christie und ihre Krimis gehören zu meinen Lieblingsbüchern im Regal, Miss Marple und Hercule Poirot haben meinen Spaß am "leseermitteln" geweckt. Umso schöner daher zu lesen, wie Agatha Christie zu ihren Ideen gekommen ist und ihren Weg zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerin der Welt gegangen ist.
Das Buch ist ein richtig schöner Schmöker. Der Schreibstil ist angenehm, es ist unterhaltsam, lässt keine Langeweile aufkommen und so fliegen die Seiten beim Lesen regelrecht dahin.

Erzählt wird die Lebensgeschichte der jungen Agatha Christie, die zuerst davon träumt Pianistin zu werden. Dann Sängerin. Dann überlegt, ob Krankenschwester nicht doch auch eine Möglichkeit wäre. Und dann wieder überlegt, wo eigentlich überhaupt ihre Talente liegen. Ihre Lebenslust, ihre Wissbegierde, ihre Energie und auch ihr Pragmatismus kamen bei mir als Leser auf jeden Fall an. Die Beziehung zu ihrer Mutter war sehr innig dargestellt, man merkt, dass diese ihr ein Leben lang eine wichtige Bezugsperson war.
Es wird ein wenig zwischen den Zeiten gesprungen, was gut zur Handlung passte. Die Beziehung zu ihrem Mann Archie hätte ich mir etwas weniger oberflächlich erzählt gewünscht. Hier war mir der Sprung zwischen eben noch glücklich verheiratet und die Scheidung ist eingerichtet etwas zu groß.
Gut gefallen hat mir dafür aber, dass Susanne Lieder den Punkt um Christies Verschwinden komplett ausgeblendet hat. Für meinen Geschmack wird dieser Punkt in vielen Büchern zu sehr in den Fokus gerückt. Hier wurde sich aber eher auf die menschlichen und emotionalen Aspekte konzentriert.

Es hat mir dafür aber viel Spaß gemacht zu verfolgen, wie Agatha zu ihren Ideen für ihren ersten Krimi gekommen ist. Die imaginären Gespräche mit Hercule Poirot konnte ich mir schon fast bildlich vorstellen und habe mich sehr darüber amüsiert, welche Wortgefechte sich Autorin und Buchfigur geliefert haben.
Ich hätte mir am Ende vielleicht noch ein Kapitel gewünscht, in dem die spätere Agatha einen Rückblick auf ihr Leben und Karriere wirft. Das hätte das ganze für mich noch etwas mehr abgerundet.

Bewertung vom 09.06.2024
Die Perserinnen
Mahloudji, Sanam

Die Perserinnen


schlecht

Ich hatte mir hier etwas völlig anderes erwartet.

Fünf Frauen aus unterschiedlichen Generationen, eine davon aus dem Jenseits, erzählen ihre Geschichte über ihr Leben im Iran, ihre Flucht, ihr Leben im Exil bzw. ihr Leben als Frau mit persischen Vorfahren. Die Geschichten fallen so unterschiedlich aus, wie die Frauen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Die Frage und die Auseinandersetzung, wie jede von ihnen zu ihren Wurzeln steht, habe ich aber nur teilweise gesehen.

Die Geschichten von Bita und Niaz, den jüngsten Frauen der Runde, fand ich dabei noch am interessantesten. Sie sind Nachfahrinnen der geflüchteten Elterngeneration. Bita ist in den USA groß geworden, sie kennt die Heimat ihrer Eltern nur aus Erzählungen. Dementsprechend hat sie nur eine vage Vorstellung der politischen Lage vor Ort. Das wird deutlich, wenn Telefonate mit Niaz beschrieben werden, die den Iran nie verlassen hat. Hier prallen nicht nur unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, sondern auch unterschiedliche Lebensentwürfe und Zukunftsträume. Niaz' Kapitel sind auch die, die dem Leser am ehesten ein Leben unter dem Mullah-Regime verdeutlichen und den Wandel in der iranischen Gesellschaft näher bringen. Bei beiden Frauen ist das Beharren auf den Namen und das Prestige, der damit einst einherging, wenig ausgeprägt.

Die Geschichten von Shirin und Elizabeth haben den Vogel in negativer Hinsicht für mich allerdings komplett abgeschossen. Von dem vielen Alkohol (immer ein Glas Champagner in der Nähe... das hat schon fast was von Claudia Obert) und dem Drogenexzess zu Beginn des Buches mal abgesehen - ich habe selten so unsympathische Hauptfiguren gelesen. Man lebt von einem einst im Iran bekannten Namen, aber von Eleganz war da nicht viel zu sehen. Völlig empathielos werden da Aussagen über Familienmitglieder in den Raum getätigt, die einfach sehr weit weg von liebevoller Ironie sind. Mir ging diese Figur schon nach kurzer Zeit furchtbar auf die Nerven. Empathie- und lieblos, beharrend auf totalem Dünkel und einer schon abstoßenden Dekadenz, in der das Geld regelrecht verschleudert wird.
Eigentlich schade, denn Simas Geschichte zeigt, dass die Autorin es auch besser kann. Dort werden Themen wie Ausgrenzung und Integration auf ganz andere Weise verarbeitet.

Auch wenn es sicherlich sehr schwer ist, seine Heimat aufgeben zu müssen um nicht Gefahr zu laufen, getötet werden, aber das hier Geschriebene ist mir einfach viel zu abgehoben und verdreht. Es gelang mir einfach nicht für eine der Figuren Mitgefühl oder Verständnis zu entwickeln. Die Geschichte hat mich diesen Frauen leider kein Stück nähergebracht und war für mein Empfinden auch häufig zu sehr in die Länge gezogen. Trotz eines insgesamt gut zu lesenden Stils, war es nicht ganz so einfach bei der Stange zu bleiben. Daran ändert auch ein eilig herbeigezaubertes (wenn auch früh absehbares) Familiengeheimnis leider nichts.

Bewertung vom 25.05.2024
Wir waren nur Mädchen
Jackson, Buzzy

Wir waren nur Mädchen


ausgezeichnet

Ich habe wirklich gedacht, ein solides Wissen über den 2. Weltkrieg und die Widerstandsbewegung in den einzelnen Ländern zu haben. Und jetzt muss ich feststellen, dass es da durchaus noch weiße Flecken auf meiner Wissens-Landkarte gibt, denn von Hannie Schaft habe ich bisher noch nie etwas gelesen. Und daher bin ich Buzzy Jackson unheimlich dankbar, dass sie die Geschichte dieser außergewöhnlichen Frau aufgeschrieben und für die Nachwelt erhalten hat.

Mich hat das Buch sehr aufgewühlt. Die Autorin hat es wirklich gut verstanden, die gegensätzlichen Gefühle in Hannie darzustellen. Die junge Frau im Studium, klug und zupackend, loyal, aber sozial ein wenig unbeholfen. Man hat manchmal den Eindruck, es bereite ihr Probleme ihren Platz in der Welt zu finden. Dagegen steht eine junge und entschlossene Frau, die sich dem bewaffneten Widerstand anschließt und nach einer kurzen Ausbildung mit noch mehr Entschlossenheit auftritt. Dem Wunsch, sich zu beweisen und mutig zu sein. Der Zusammenhalt und das gemeinsame Ziel mit den anderen Kämpfern spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Man spürt förmlich, wie Hannie in dieser Zeit über sich hinaus wächst.
Die Ambivalenz ihrer Gefühle ist für mich absolut nachvollziehbar. Sie führt ein Leben im permanenten Ausnahmezustand. Einerseits ist da die permanente Angst entdeckt und verhaftet zu werden. Die Angst um die eigene Familie, die sie mit ihrer Arbeit in Gefahr bringt und das Wissen darum. Gleichzeitig hat sich so viel Hass auf die Besatzer angestaut. Ich kann den Gedanken nach Rache schon nachvollziehen.

Man könnte an dieser Stelle ggf. argumentieren, dass Hannie sich durch die Attentate auf die gleiche Stufe begibt wie die Nazis. Ein Leben für ein Leben. Ich finde diese Frage äußerst schwierig zu beantworten. Zumal ich, die über 70 Jahre nach Kriegsende in Deutschland Geborene, noch nie mit einer auch nur ansatzweise vergleichen Situation konfrontiert war. Und es hoffentlich auch nie sein werde. Es steht mir genau genommen gar nicht zu, an dieser Stelle ein Urteil darüber zu bilden. Und an dieser Stelle finde ich, hat die Autorin genug Raum für die eigenen Gedanken gelassen.

Die Geschichte wird nicht übertrieben reißerisch erzählt, sondern eher ruhig und sich langsam aufbauend. Mir hat das sehr gefallen, dadurch entwickelte die ganze Handlung einen unheimlichen Sog. Dadurch wirkten die Szenen, in denen wirkliche Gewalt beschrieben wurde, umso drastischer. Auch hier wieder ein respektvoller Umgang, dramatisch, aber nicht reißerisch.

Ein sehr berührendes, aufwühlendes, nachdenklich machendes und auch informatives Buch, dem ich ganz ganz viele Leser wünsche.

Bewertung vom 26.04.2024
Das verborgene Genie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.5
Benedict, Marie

Das verborgene Genie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.5


ausgezeichnet

Ich lese die Bücher von Marie Benedict unheimlich gerne, sie schafft es immer wieder auch eher unbekannte Seiten ihrer Figuren zu zeigen. Und auch hier hat die Autorin mich nicht enttäuscht.
Rosalind Franklin ist eine unheimlich faszinierende Persönlichkeit. Ich habe bereits einiges über sie und ihre Arbeit gelesen, daher war ich auf dieses Buch besonders gespannt. Mir gefällt sehr, dass der Fokus auf ihrer persönlichen Seite liegt. Was hat sie bewegt, woran hat sie sich erfreut, womit konnte sie sich motivieren? Es wird ein abgerundetes Bild einer unglaublichen klugen, wissbegierigen und auch ehrgeizigen Frau gezeichnet. Die pflichtbewusst ist und zu ihren Freunden und engsten Mitarbeitern sehr loyal ist. Die einen guten Drink und ein gutes Essen genauso zu schätzen weiß wie eine wissenschaftliche Diskussion.
Es fiel mehr sehr leicht mich in sie hineinzuversetzen und obwohl ich im Grunde ja weiß, was passiert, habe ich so sehr über jeden Fortschritt in ihrer Arbeit mitgefiebert. Und egal wie oft ich ihre Geschichte lese - an dem Punkt, an dem sie um den Erfolg ihrer Arbeit gebracht wird, könnte ich vor lauter Ungerechtigkeit die Wände hochgehen!
Dieser persönliche Blick auf sie hat auch bei mir jede Menge Emotionen geweckt und man möchte ihre Geschichte einfach nur immer und immer wieder erzählen, um ihr posthum den Ruhm zukommen zu lassen, der ihr schon zu Lebzeiten zugestanden hätte.

Rosalinds Arbeit kommt ebenfalls nicht zu kurz. Sie ist ein sehr wichtiges Identifikationsmerkmal für sie und es ist undenkbar, nicht darüber zu schreiben. Ich fand es sehr bewundernswert, wie es Marie Benedict gelungen ist, die naturwissenschaftlichen Sachverhalte zusammenzufassen, damit sie auch für einen Laien verständlich sind und nicht wie langweilige Lückenfüller wirken. Dabei bleibt ihr Stil wie gewohnt leicht und gut zugänglich.
Hätte ich eine Zeitmaschine, nach der Lektüre des Buches wäre ich definitiv in der Zeit zurückgereist und hätte diese faszinierende Frau nur allzu gerne kennengelernt.

Bewertung vom 21.04.2024
Das Fenster zur Welt
Winman, Sarah

Das Fenster zur Welt


ausgezeichnet

Ein wirklich tolles Buch, das mich emotional wirklich sehr gepackt hat und bei dem ich zwischendurch auch ein paar Tränchen vergossen habe.
Es ist eine wunderbare Geschichte über Liebe, Freunde, Zusammenhalt, Mut, Hoffnung, Selbstfindung und das Leben selbst. Es ist von allem ein bisschen dabei, garniert mit einer feinen Prisen Humor.
Der Einstieg war ein bisschen spröde und ich habe ein bisschen gebraucht, um mit dem Stil und dem manchmal etwas eigenwilligen Humor warm zu werden. Aber es hat sich gelohnt.
Erst als die Erzählung in der Nachkriegszeit einsetzt und Ulysses aus dem Krieg nach London heimkehrt, nimmt die Geschichte für mich so richtig Fahrt auf. Und ab da hatte es mich dann auch gepackt. Ulysses' Freunde sind eine bunte Mischung. Sie sind rauhbeinig und vom Leben auch gebeutelt, aber dabei sind sie auch unheimlich hilfsbereit, warmherzig und für einander da. Und obwohl sie eigentlich nur Nebenfiguren sind, haben sie sich in mein Herz geschlichen und haben diese Geschichte so richtig lebendig gemacht.

Evelyn und Ulysses sind beides sehr sympathische Charaktere, denen man gerne durch die Jahre folgt und an ihrem Leben teilhat. Ich fand es faszinierend, dass sich der Stil immer ein wenig änderte, je nachdem, über wen erzählt wurde. Bei Erzählungen über Evelyns Leben ist der Stil etwas sanfter, die Sprache ein wenig gehobener. Bei Ulysses und seinen Freunden geht es schon mal etwas derber zur Sprache. Aber es passt am Ende ganz wunderbar zusammen und bildet ein harmonisches Ganzes.
Mir hat das Fingerspitzengefühl gefallen, mit dem die Autorin auch schwere Momente zwar leicht, aber angemessen erzählt hat. Und ich habe die vielen Details geliebt, die am Anfang wie wahllos eingestreut wirken, im späteren Verlauf aber wieder aufgegriffen werden und zu sehr persönlichen Momenten führen.

Ein unheimlich tolles Buch, von dem ich am Anfang gar nicht angenommen hätte, dass es mich so sehr begeistern würde.

Bewertung vom 12.04.2024
Mein Name ist Lilith
Marmery, Nikki

Mein Name ist Lilith


schlecht

Ich hatte mir von dem Buch sehr viel mehr versprochen, leider konnte es mich nicht überzeugen. Ich war unheimlich gespannt darauf, wie die Autorin den christlichen Mythos neu erzählen würde, aus weiblicher Sicht.
Der Anfang hat mir noch gut gefallen. Lilith erzählt aus dem ihrem Leben im Garten Eden, von den harmonischen Anfängen und von der immer mehr zunehmenden Unterdrückung durch Adam, seiner Ruhmsucht und auch von den Vorstellungen von Ihm, dem einen Gott. Der Stil ist da noch locker und unterhaltsam, auch der Engel Samael kann mit seinen flotten Sprüchen durchaus das eine oder andere Schmunzeln entlocken.
Und dann, ich weiß es gar nicht anders zu beschreiben, kippt "irgendwas" innerhalb der Geschichte und es fängt an sehr zäh zu werden. Unübersichtlich und für mich einfach unheimlich langweilig. Der schöne erzählende Stil war weg, zurück blieb eine ziemlich trockene Erzählweise, der es an Emotionen und einem roten Faden mangelt. Jede von Liliths Stationen ist deprimierender, es herrscht nur noch Gewalt und Unterdrückung. Über Lilith erfährt man ab da auch nicht mehr viel. Ihre Mission steht im Vordergrund. Ihre Gefühle beziehen sich häufig auch nur auf ihre Mission. Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, dass es hier nur schwarz oder weiß gibt. Männer = immer böse, Frauen = immer gut. Das ist mir persönlich einfach zu einseitig gedacht und hat auch wenig Spaß gemacht.

Man braucht meiner Meinung nach schon ein gehöriges Maß an Religionswissen, um die hier verarbeiten Anspielungen in Gänze verstehen zu können. Vermutlich ist das bei mir auch ein Punkt, warum mich das Buch nicht packen konnte. Es gibt zwar ein wirklich tolles und sehr ausführliches Nachwort, aber möchte ich mich als Leser durch ewig viele Seiten Erklärungen arbeiten, um einen Roman (kein Sachbuch!) halbwegs verstehen zu können?

Ich empfand die Geschichte als fast schon männerfeindlich und auch nicht unbedingt feministisch. Sehr schade, denn es wäre wirklich sehr viel Potential für ein weitaus besseres Buch da gewesen.

Bewertung vom 07.04.2024
The Serpent and the Wings of Night / Crowns of Nyaxia Bd.1
Broadbent, Carissa

The Serpent and the Wings of Night / Crowns of Nyaxia Bd.1


gut

Ich bin zugegeben nicht die größte Leserin von Fantasybüchern und würde im Laden auch eher nicht danach greifen. Dank einer bestellten Bücherbox ist mir vor einiger Zeit dieses Exemplar in die Hände gefallen und um damit mal über meinen eigenen Tellerrand zu schauen, passt es wieder ganz gut. Und es war auch gar nicht so übel, wenn auch aus meiner Sicht ausbaufähig.

Der Anfang lief für mich ein wenig holperig. Ich war nicht direkt gefesselt und die ersten Seiten lasen sich schon ein wenig zäh. Es wurde für mich erst besser, als es auf die Prüfungen des Kejari zuging. Da kam mehr Schwung in die Erzählung, es passierte mehr, dass man verfolgen konnte. Die Idee des Kejari fand grundsätzlich gut. Man kann sich jetzt darüber streiten, ob die Mischung aus Prüfungen und Hunger-Games sinnvoll ist, ich fand es durchaus unterhaltsam und interessant. Da es dabei auch sehr viel um Taktik geht, hätte ich mir hier allerdings gewünscht, dass es hin und wieder mehr Einblicke in die (möglichen) Taktiken der anderen Teilnehmer gibt, als es jetzt der Fall ist.

Die Charaktere waren für meinen Geschmack nicht übermäßig ausgearbeitet. Das ist grundsätzlich schon ok, weil die ganze Story eben auch eher einfach gehalten ist. Aber sie bleiben für mich doch oberflächlich und nur so halb interessant. Über Vincent wird viel erzählt, aber es kommt kaum etwas handfestes dabei heraus am Ende. Man bekommt kaum mit, warum er in den Treffen mit Oraya plötzlich so besorgt ist, z.B. Eigentlich schade, denn er hätte ein wirklich spannender Charakter sein können.
Oraya hatte einige wirklich gute Momente, in den ihre Handlungen, Ängste und Zweifel nachvollziehbar waren, in denen ich mit ihr mitfühlen konnte. Manchmal sollte sie wohl als tough dargestellt sein, es kam bei mir dann leider eher naiv und undurchdacht an. Sowohl Oraya als auch Raihn waren mir grundsätzlich beide sympathisch, wenn auch recht oberflächlich gehalten. Da wäre noch Luft nach oben.

Die Prüfungen sind blutig und brutal, (wer hiermit Probleme hat, sollte das Buch nicht lesen), Spannung und Action sind auch vorhanden - was mir gefehlt hat, war die Story drumherum. Es wurden nur vereinzelte Erklärungen eingestreut, etwa wie Vincent König wurde und was das Kejari darstellen soll. Aber zu dem Land über das geherrscht wird, über die Aufteilung, das Leben dort, warum es immer wieder zu Konflikten kommt, dazu erfährt man recht wenig. Da die Autorin ihre Geschichte auf mehrere Bücher ausgelegt hat, hoffe ich, dass man in den nächsten Büchern mehr dazu erfährt.
Weiterlesen möchte ich eigentlich schon. Das Buch hat ein (für mich) fieses und offenes Ende. Und mich würde schon interessieren, wie und ob beide ihre Visionen für eine bessere Welt umsetzen können. Und, was es mir Orayas Herkunft auf sich hat.

Bewertung vom 30.03.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

Schon in ihrem Buch "Als Großmutter im Regen tanzte" wurde angedeutet, dass auch Junis Großvater Konrad mit traumatischen Erlebnissen zu kämpfen hatte und ihre Großeltern sich ihr gesamtes Leben lang gegenseitig eine große Stütze waren. Jetzt lässt Trude Teige ihre Erzählerin Juni die Geschichte ihres Großvaters Konrad erzählen.

Ich mochte das Buch ganz gerne, mir hat allerdings der Band um Tekla etwas besser gefallen. Dort ist Juni zwischenzeitlich noch selbst in Erscheinung getreten und hat die Erlebnisse mit ihren Erinnerungen ergänzt. Dadurch wurde sichtbar, welche Auswirkungen die durchlittenen Traumata auf ein ganzes Leben haben können. In Konrads Geschichte tritt sie nur im Vor- und Nachwort auf. Ich hätte mir hier gewünscht, dass sie mehr ihrer eigenen Gefühlte einbringt, vielleicht Erinnerungen an bestimmte Situationen mit ihm. Gerade als Kind, wo einem noch vieles unverständlich ist, nimmt man bestimmte Verhaltensweisen anders wahr.
Die Erzählung aus den Kriegszeiten ist eindringlich und ging mir wirklich sehr nahe. Die Grausamkeiten, die Menschen einander zuzufügen imstande sind, schockieren mich immer wieder. Trude Teige hat hier, wie ich finde, eine ganz gute Balance gefunden, ohne das Buch noch deprimierender zu machen oder sich in allzu grausamen Details zu verlieren. Mir ist beim Lesen allerdings auch klar geworden, dass ich über diesen Aspekt des 2. Weltkrieges relativ wenig weiß. Konrads Geschichte ist also auch nochmal ein guter Anstoß, meine eigenen Wissenslücken ein kleines bisschen zu schließen.
Konrad mochte ich. Er ist aufrichtig, klug, mitfühlend und auch ungeheuer mutig. Ich glaube nicht, dass ich in vielen Situationen auch nur halb so besonnen hätte reagieren können. Gelegentlich ist er mir persönlich etwas zu "gut" dargestellt, zu idealistisch. Auch wenn vieles Fiktion ist, blieb da für mich die Glaubwürdigkeit ein wenig auf der Strecke.

Ein Kritikpunkt geht leider auch an das Lektorat. Nach der Verkündung der Kapitulation des japanischen Kaisers im Jahr 1945 haben die britischen Gefangenen im Lager mit Sicherheit nicht "God save our gracious Queen" gesungen.
Insgesamt aber eine schöne und sehr berührende Geschichte.