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TheLinesBetween
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Weingarten

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 19.01.2016
Anderswo / NOX Bd.2

Anderswo / NOX Bd.2


sehr gut

Inhaltlich setzt die Geschichte von "NOX. Anderswo" direkt da an, wo der erste Band, NOX. Unten endet. Der Wiedereinstieg in die Handlung wurde dem Leser noch dazu dadurch erleichtert, dass sich am Anfang des Buches eine einseitige Zusammenfassung der Ereignisse aus Band 1 befindet - eine tolle Idee des Verlags. Gerade bei Reihenfortsetzungen würde ich mir öfter wünschen, derartige kurze Zusammenfassungen zu finden.

Yves Grevet führt die einzelnen Handlungsstränge aus Band 1 konsequent fort, wobei es sehr interessant zu beobachten ist, wie ganz subtil Veränderungen in der Unter- und Oberstadt eintreten. Grundsätzlich ist die Handlung hier im zweiten Band deutlich komplexer als im ersten, aber Yves Grevet schafft es meisterhaft, den Leser niemals mit zu vielen Informationen zu überhäufen.

Die multiperspektivische Erzählhaltung funktioniert besser als in Band 1, obwohl durch Firmie noch ein weiterer Charakter hinzugekommen ist, der Teile der Geschichte erzählt. Während im ersten Band durch die Erzählweise Wiederholungen auftraten, sind hier die einzelnen Teile klüger ineinander verschachtelt. Dadurch bleibt man als Leser konsequent neugierig, wie es weitergeht. Trotzdem muss man natürlich einräumen, dass aufgrund der verschiedenen Handlungsstränge die Spannung hier nicht auf ein derart hohes Level getrieben werden kann, wie das bei anderen Dystopien manchmal der Fall ist.

Die NOX-Dilogie besticht dadurch, dass es sich auf Grundelement der Dystopie konzentriert, eine Welt voll Unterdrückung, Lügen und Intrigen zu zeigen und wie daraus dennoch Hoffnung keimt. Ich war froh, dass mal keine (kitschige) Liebesgeschichte im Vordergrund stand. Dennoch werden hier natürlich Schicksale gezeigt, die den Leser bewegen und das ein oder andere Mal ging es ganz schön brutal zu. Im Großen und Ganzen hätte ich mir aber doch etwas mehr 'Gefühl' gewünscht, manchmal bleibt man als Leser zu sehr Beobachter.

Der einzige größere Kritikpunkt betrifft den Gesamtaufbau der Geschichte. Während in den ersten 70% alles sehr ausführlich und detailliert beschrieben wird, so tauchen später doch ein paar Zufälle zu viel auf und das Ende wurde dann sehr gerafft dargestellt (was natürlich beabsichtigt gewesen sein kann, um zu verdeutlichen, dass es keinen weiteren Band geben wird). Ein bisschen wirkte es auf mich aber so, als hätte der Autor am Anfang des zweiten Bandes noch vorgehabt, auch einen dritten Band zu schreiben...

FAZIT
NOX.Unten und Nox. Anderswo bilden zusammen eine herausragende Dystopie im Jugendbuchbereich. Sehr unamerikanisch, sehr lesenswert!

Bewertung vom 12.10.2015
Unten / NOX Bd.1
Grevet, Yves

Unten / NOX Bd.1


sehr gut

In der Zukunft hat sich unsere Gesellschaft in zwei Klassen entwickelt. Der Grund hierfür ist Nox, eine dichte Wolke aus Schmutz und Abgasen, die die Oberstadt von der Unterstadt trennt. In der Oberstadt, wo die Luft noch rein ist, wohnen die Reichen unter sich. Ihnen steht elektrisches Licht ohne Einschränkung zur Verfügung. In der Unterstadt sieht das Leben völlig anders aus: Die Menschen führen ein einfaches, armes Leben in ständiger Nacht, denn kein Tageslicht dringt mehr durch die Wolke aus Abgasen und Schmutz. Strom und elektrisches Licht sind hier ein kostbares Gut, welches sich kaum ein Bewohner der Unterstadt leisten kann. Vielmehr sind die Bewohner der Unterstadt gezwungen, Elektrizität für die Oberstadt zu produzieren....

In dieser Zwei-Klassen-Gesellschaft treffen drei Jugendliche aufeinander. Lucen aus der Unterstadt, der die Ungerechtigkeiten der getrennten Gesellschaften nicht mehr hinnehmen will. Gerges, Lucens ehemals bester Freund, der sich nun der Miliz angeschlossen hat, wodurch die Freundschaft zu Lucen zu zerbrechen droht. Und schließlich Ludmilla, ein reiches Mädchen aus der Oberstadt, die als eine der wenigen von den Bedingungen in der Unterstadt erfährt und sich für die Rechte der Menschen dort einsetzen will. Doch können die drei wirklich etwas bewegen, oder begeben sich sie dadurch in Gefahr?

Mich hat besonders die Atmosphäre und Grevets Word-Building überzeugt, beim Lesen hatte ich konstant das Gefühl, mit Lucen durch die Straßen der Unterstadt zu laufen. Die Geschichte wird aus den drei Perspektiven der männlichen und weiblichen Protagonisten erzählt. Dies hilft sehr, um sich in die verschiedenen Ausgangspositionen und Beweggründe der Protagonisten hinein zu versetzen. Allerdings führt die Multiperspektivität auch dazu, dass einige Ereignisse doppelt geschildert werden. Dies mindert leider etwas die Spannung.
Nox. Unten ist eine Dystopie, in der die klassischen Themen Freundschaft und Erwachsen werden eine zentrale Rolle spielen. Da Grevet diese Themen aber immer wieder eng an die Bedingungen der Welt von Nox knüpft, wirkt die Handlung nicht langweilig oder verbraucht, sondern sehr logisch und natürlich. Grevet nimmt sich für die Entwicklung der Freundschaften zwar relativ viel Zeit, für den ersten Band einer Trilogie ist dies aber meiner Meinung nach vertretbar.

Bewertung vom 12.10.2015
Strom
Dübgen, Hannah

Strom


sehr gut

Ada aus Deutschland dreht mit ihrer Freundin einen Dokumentarfilm im Gazastreifen, Amerikaner Jason soll in Tokyo einen Deal seiner Firma sicher über die Bühne bringen, Luiz aus Brasilien lebt mit seiner Familie in Israel, erträgt jedoch die politische Lage nicht mehr und möchte am liebsten nach New York ziehen. Schließlich die Japanerin Makiko, die, mittlerweile in Paris lebend, als Pianistin gefeiert wird, für ihren beruflichen Erfolg aber vieles opfert.

In multiperspektiver Erzählweise (Kapitel für Kapitel) erzählt Dübgen von Menschen, von Kosmopoliten, von Individuen und zeichnet dabei doch ein großes Ganzes, in dem wir uns alle irgendwo wiederfinden können.

MEINE MEINUNG
Mit Leichtigkeit springt die Autorin zwischen den verschiedenen Schauplätzen - Paris, Tokio, Berlin, Kalifornien, Israel - hin und her und wird doch jedem ihrer Handlungsstränge gerecht. Mit genauer Beobachtungsgabe und einem feinem Gefühl für Sprache porträtiert die Autorin vier Menschen, die sich weit entfernt von ihrer Heimat in einem neuen Leben eingerichtet haben, sich aber in persönlichen Krisensituationen befinden und deren Leben dadurch von der urtypischen Suche nach Nähe und Vertrautheit gekennzeichnet ist.

Gerade durch die multiperspektivische Erzählweise wird dem Leser so schnell klar: vier Menschen - vier Welten, aber ihre Bedürfnisse sind doch ähnlicher, als man zunächst annimmt. Die Erzählweise erscheint damit als natürliche Wahl für den Stoff. Die Geschichte ist zwar offensichtlich konstruiert, wirkt aber niemals verkopft, künstlich oder unglaubwürdig.
Die Kapitel über Makiko sind kleine Kunstwerke in sich, sie haben mich beim Lesen vorangetrieben. Jasons Kapitel bilden durch ihr wirtschaftliches Grundthema den Gegenpol, und waren für meinen Geschmack etwas zu trocken und etwas zu langatmig. Einen minimalen Abzug gibt es für das Ende, welches zwar funktioniert, aber aufgrund des Niveaus des Romans die Erwartungen nicht voll erfüllen kann.

Zu loben ist abschließend die beachtliche Rechercheleistung der Autorin: ob Nahost-Konflikt, musikalisches Fachwissen oder Wirtschaftsökonomie, Hannah Dübgen scheint dahingehend in jedem Gebiet eine Fachfrau zu sein.

FAZIT
Ein herausragende Erzählung, sprachlich brillant und thematisch am 'Pol der Zeit'. Eine Geschichte über Menschen, über Lebensentwürfe, über die Dialektik von Nähe und Fremdsein. Ein Debüt, welches noch weitere Romane der Autorin erhoffen lässt.