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Benutzername: 
Hanna Müller
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2013
Endres, Alfred

"Dann hör doch einfach auf...!" - Lebensgeschichte eines Alkoholikers


ausgezeichnet

Alfred Endres hat mit seiner Biographie einen mutigen Schritt getan. Unverblümt, mit einfachen, klaren Worten erzählt er seine Lebensgeschichte. Dabei kommt es einem oft so vor, als wenn er einem gegenüber am Küchentisch sitzt und einem die Geschichte vís a vís erzählt. Der Autor entschuldigt nicht und urteilt nicht, er erzählt seine Geschichte, die einem als Leser nicht drum herum kommen lässt an der einen oder anderen Stelle über ihn zu urteilen. Während man manchmal geneigt ist, dem Autor das Buch um die Ohren zu hauen, oder an anderer Stelle ihm einfach tröstend in den Arm zu nehmen, führt Alfred Endres einen weiter durch seine Geschichte. Er findet Worte für den surrealen Zustand des Komas und deutlich spürbar sind Demut und Dankbarkeit, dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein.
"Dann hör doch einfach auf", mag schnell so da her gesagt sein, Alfred Endres zeigt durch seine Geschichte auf, dass es mit einer einfachen Willenserklärung nicht getan ist. Ohne den Zeigefinger zu heben, weist er still und heimlich auf all die Verführungen der Alkoholindustrie hin, und macht deutlich, wie steil der Weg bergab geht, wenn man an der falschen Stelle abgebogen ist.
Das teuflische Monster Depression, das Alfred Andres sein Leben lang begleitet, spielt in den Buch "die zweite Hauptrolle". Alfred Endres stellt nie die Frage: "Was war zu erst da, die Henne oder das Ei", sondern zeigt nur auf, dass diese teuflische Fusion -Depression plus Alkoholsucht- tödlich sein kann. Schön, dass auch dieses Tabu-Thema einmal mit Worten bedacht wurden ist!
"Dann hör doch einfach auf" ist ein ehrliches, mutiges Werk, das man gelesen haben sollte, wenn man sich mit dem Thema Alkoholismus auseinander setzen möchte.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2010
Wessen Moral? Eine Autobiografie zum Thema 'Erwachsene Kinder suchtkranker Eltern'
Koch, Cécile

Wessen Moral? Eine Autobiografie zum Thema 'Erwachsene Kinder suchtkranker Eltern'


ausgezeichnet

Ich habe das Buch in einer Nacht durch gelesen. Es hat mich sofort in seinen Bann gezogen.

In einer Zeit, in der Kinder vermehrt in unzumutbaren Umständen aufwachsen und Alkohol und Drogen immer mehr Einfluss in unsere Gesellschaft nehmen, tut es gut zu lesen, dass ein jeder die Kraft hat seinen Weg selbst zu bestimmen und zu gehen.
Die Autorin jammert nicht, sie beschreibt, ohne die (wie man bei dem Titel leicht denken könnte) "Moralkeule" zu schwingen, beleuchtet sie ein Leben ohne geborgene Kindheit, geprägt von Alkoholismus und Medikamentenmissbrauch der Mutter, sowie ihres Stiefvaters.
In all ihrem "Elend" richtet die Autorin immer wieder den Blick auf die unbeachteten kleinen, schönen Dinge im Leben und findet dafür eine faszinierende, bildliche Sprache, die einem manchmal beim Lesen vergessen lässt, dass dies der "Strohhalm" ist, an dem sich ein kleines Mädchen klammert, um nicht zu ertrinken.
Wenn sie sich forträumt beim nächtlichen Putzen "...Die Spülmittelblasen auf der Wasseroberfläche waren kleine Schiffchen, die mich, die Prinzessin, mitnahmen..." oder, bei einem Versuch von zu Hause fortzulaufen ihren Blick in den Himmel richtet "...Der Himmel sah aus, als wenn jemand auf einen dreckigen, vergilbten Lappen einen schwarzen Pinsel ausgeschlagen hatte. Kein Glanz war an ihm,...". Nebensächlichkeiten werden zu Hauptdarstellern "...ab jetzt lief die Zeit in Zeitlupe, minutenlang bogen wir um die Straßenecke, der Blinker klickte eine Stunde lang..." und während des Lesens merkt man, dass die Welt ein bisschen ruhiger und friedlicher wird, wenn man den Blickpunkt, wie die Autorin, ein bisschen aus der Mitte nimmt und auf die kleinen Dinge schaut.
Ein Buch, das unglaublich viel Mut macht weiter zu gehen, wenn man auch manchmal nicht weiter sehen kann.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.