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Benutzername: 
Haugmar
Wohnort: 
Paderborn

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
12
Bewertung vom 10.08.2011
Das Innere Land
Faulstich, Joachim

Das Innere Land


sehr gut

Die Poesie des immateriellen Seins

Der Autor und Regisseur wissenschaftlicher Filmberichte Joachim Faulstich führt den Leser in einen Seinsbereich, den er poetisch das "Innere Land" nennt, obwohl dies weder eine "irdische Landschaft" bezeichnet noch absolut "innen" zu lokalisieren ist. Er stützt diese Führung auf Erzählungen zahlloser Schamanen und auf Berichte vieler Menschen mit Außerkörper- und Sterbensnäheerfahrungen, die einvernehmlich (wenn auch in verschiedenen Wörtern und Deutungsweisen) bezeugen, dass mindestens noch ein weiterer Seinsbereich zu erfahren sei, der dem gewohnten körperlichen Dasein unerschlossen bleibt und als unmöglich gilt. Die Führung des Lesers in diesen Seinsbereich ist faszinierend und spannend, und Faulstich gebührt großes Lob für die anschauliche Erfahrbarmachung des gemeinhin Unerfahrenen und Unerfahrbaren.
Problematisch aber bleibt die Untiefe des Dargestellten, und zwar insofern, als es sprachlich eher scheinwissenschaftlich und nicht angemessen gereicht wird. Die grundsätzlich körperliche Weltdeutung des Autoren wird trotz der Ausflüge in die Nichtkörperlichkeit nicht überwunden. So wird etwa gesagt, die außerhalb des Körpers reisende Seele "sehe" oder "höre", so als vernehme sie über die Sinne, die doch körperlich sind. Das zeigt, dass dem Autoren ein Dabeisein der Seele bei dem Erlebten nicht anders erschlossen ist als letztlich doch wieder nur körperlich. Auch wird der räumliche Dualismus "innen - außen" nicht als in der körperlichen Weltdeutung gründend herausgestellt, sondern als eine Art "Wahrheit" geltend gelassen. Dass eine nicht relativierte Innen-Vorstellung den als eigen erachteten Körper zu einer Teilwahrheit erhebt, der das vorgestellte Außen als vielgestalte andere Restwahrheit gegenübersteht, mithin die eine Wahrheit zerstückelt, bleibt unerörtert. Die Konsequenz daraus, nämlich das Sein als wahrhaftig zersplittert zu deuten, ist der Grund dafür, dass das eine unendliche Leben auf das je eigene Sein im bewegten Körper begrenzt wird. So wird das Sein jenseits dieses Deutens unbemerkt verzerrt und erscheint als "der Tod", auf den alle Angst des Menschen ausgelotet wird. Wenn der Tod aber als die ganze Leblosigkeit gedacht wird, die Seele aber auch außerhalb des Körpers lebt, dann ist sie doch kaum 'tot' zu nennen, nur weil sie den Körper verließ. Wieso oder wozu aber jenen Seinsbereich ihrer, in dem sie außerhalb des Körpers weilt oder reist, dann als den 'Tod' bezeichnen? Der Autor stellt also nicht "Bewusstseinsreisen zwischen Leben und Tod" (so der Untertitel) dar, sondern Aufenthalte oder Anwesenheiten der Seele zwischen körpergebundenen und nichtkörpergebundenen Seinsebenen. Statt die darin aufblühende Irrelevanz des körperlichen Sterbens zu verdeutlichen, um den Tod als Deutungsschatten der körperlichen Weltdeutung zu erklären und dem Irrglauben des Todes den Stachel der Angst zu nehmen, wird "der Tod" wie eine endgültige Grenze gehandelt, der lediglich zeiträumlich zuvor gewisse Abstriche für exklusive "Bewusstseinsreisen" gemacht werden. Hier bleibt noch viel zu sagendes Gutes ungesagt!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2011
Leben nach dem Tod
Chopra, Deepak

Leben nach dem Tod


gut

Onkel Deepaks Märchenstunde

Der Autor Deepak Chopra erzählt ein indisches Märchen. Die junge Savitri begegnet einer altertümlichen Märchengestalt, nämlich dem persönlichen, leibhaftigen Tode namens Yama, der allerdings nicht sie, sondern ihren Gemahl "holen" will, wozu er aber persönlich erscheinen muss. Voller Angst davor eilt sie zu Ramana, einem Weisen, um ihn um Ratgebung zu bitten. Dieser redet für einen Weisen erstaunlich viel und nimmt ihr die Angst vor dem Tode, wobei unklar bleibt, ob diese Angst nicht eher vor dem Sterben sei. So geht sie zu Yama zurück und bringt ihm, also dem persönlichen Tode, so viel angstlose Liebe entgegen, dass er sich von einem Gedankenspielchen Savitris überlisten und sich also überwinden lässt.
Der Titel dieses Märchens wäre besser 'Leben mit/an/in dem Tode', statt 'Leben nach dem Tode' (im Original: "Life After Death"), weil es zwar helfen mag, die verbreitete Angst vor dem Sterben und den Glauben an die vermeintliche Totheit nach dem Sterben zu lindern. Nach dem Sterben sind wir nicht tot, sondern leben auf anderer Ebene. Dies ist die gute Botschaft des Buches.
Die Anekdoten und Gedanken allerdings, die zwischen das in zwölf Etappen zerstückelte Märchen gefügt sind, ziehen sich in oberflächlicher, teils widersprüchlicher Sprache hin. Wie selbstverständlich wird über Karma, Seelenwanderung, Astralebenen und Wiedergeburt geplaudert. "Karma windet sich um die Seele wie der Faden um eine Spindel" (S.21). Na, klar; das weiß doch jeder! Unter Seele, Mensch, Individuum, Selbst, Person, Sterben, Tod, also den für dies Buch wichtigen Wörtern, wird nicht klar geschieden, was Chopra gleich zu Anfang schamlos offenbart, denn Inder gingen mit Begriffen locker um, wie es einer alten Kultur anstehe (S.17). Das führt dann aber etwa dazu, dass ein Freund erzählt, er habe spirituelle Erfahrungen gemacht, aber nicht persönlich, sondern unpersönlich (S.48). Diese Differenzierung finde ich gut! Aber später wird dann gesagt, das ewige Leben sei, wie sich herausgestellt habe (!), doch persönlich (S.124). Dann wird gesagt, die Seele bewohne bei ihrem nächsten Besuch auf der physischen Ebene einen neuen Körper (S.24), aber: die Seele sei uns nahe (S.53) und: "wie die Seele uns hilft" (S.60) oder immer wieder "Ihre/unsere/meine Seele". Sind wir also nicht die Seele? Wer oder was sind aber wir, wenn nicht die Seele? Was hilft uns die Unsterblichkeit der Seele, wenn wir diese Seele zwar haben, jedoch nicht diese Seele sind, sondern etwas Anderes, das doch sterben muss und danach tot ist?
Dazu klingt mancherlei nach Wunscherfüllungsglück auf Kinderniveau, etwa wenn die gesamte Evolution als "Prozess der Wunscherfüllung" gedeutet wird (S.24) oder "Der Tod erfüllt drei Wünsche" (S.63ff) oder Gott sei nicht dazu da, dass wir seinen Willen, sondern er unsere Wünsche erfülle; dass aber das angstumrankte Wünschen des ungetrösteten Menschen Krankheit und Hölle ist, wird nicht erschlossen. Und ist es in der Sache der Überwindung der Angst vor dem Sterben aber hilfreich, vom Tode als "real" zu sprechen und so zu tun, als sei ein "Gott des Todes" wahr? "GOTT ist kein GOTT der Toten, sondern den Lebenden, denn IHM leben sie alle" (Lk 20,38). Dies zeigt dem diesem Worte Glaubenden, dass das Sterben zwar wirklich ist, hingegen der Tod unwahr. Also ist der Tod nicht das Sterben, und weder die Weise noch die Folge des Sterbens, sondern ein gedanklicher Irrtum, an den aber der ungetröstete Mensch als wahr glaubt, obwohl er noch nie gestorben ist und also nicht aus Erfahrung wissen kann, wie das Sterben geschieht. So gesehen, lässt das Buch viele gute Möglichkeiten zur Tröstung ungenutzt. Das eigentliche "Leben nach dem Tode" aber, das das "Leben nach der Überwindung des Irrtums, an den Tod als wahr zu glauben", meint, bleibt gänzlich unerschlossen.
Kurz: Die Hauptbotschaft des Buches ist oberflächlich gut, die Ausführungen jedoch zumeist ohne Tiefe und geschwätzig.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2011
A Course in Miracles
Foundation for Inner Peace

A Course in Miracles


ausgezeichnet

Das Buch der Bücher

Dieser Beiname ist ja bereits der Bibel gegeben worden, doch finde ich, dass er diesem Kurs-Buche gebühre, weil die angstlose Liebe, das Licht ohne Finsternis und das todlose Leben nur in diesem "Kurs in Wundern" dem Leser vermittelt werden, in der Bibel jedoch zwiespältig und unklar bleiben. Unser Jahrtausende altes Leiden in der Hölle der Angst und im Fegefeuer unserer Wertungen, aus dem und der uns der CHRISTUS erlöst, wird uns erst in diesem Kurs gedanklich bis in die Tiefe eröffnet. Dass Schuld nicht erst die Folge als "böse" gewerteter Taten oder Gedanken ist, sondern ein zumeist verdeckter Grundmaßstab unseres dualistischen Denkens, und dass demgemäß die Vergebung nicht einfach eine Verzeihung singulärer Vergehen bedeutet, klärt der Textteil des Buches. Und diese Vergebung als Neuausrichtung unseres Denkens hin zur Nicht-Dualität des Friedens CHRISTI kann im Durchsinnen des Meditationsteiles des Buches wirklich erreicht werden. Ich kenne kein großartigeres Buch als diesen Kurs!

Bewertung vom 10.08.2011
The Gospel According to the Son
Mailer, Norman

The Gospel According to the Son


schlecht

Tendenziell satanistisch

"Das Jesus-Evangelium" (Originaltitel: "The Gospel According to the Son") ist keine apokryphe Evangeliumsschrift, die sich etwa auf Schriftfunde bezöge, die Jesus zuzuordnen wären, sondern ein Roman, in dem nichts auf die Sohnschaft im spirituellen Sinne verweist. Dies könnte der Leser aber von einem "Evangelium nach dem Sohn" erwarten, denn gemeint ist von Norman Mailer schon jener biblische Jesus als der Sohn Gottes. Aber diesen "Sohn" stellt Mailer nicht als SOHN des VATERS dar, nicht mal als Erleuchteten, sondern als einen sündigen, zu Zorn neigenden Irgendjemand, der gegen lustvolle Gedanken in der Nacht kämpft und von einem nicht näher erklärten "Geist" in die Wüste zum Fasten getrieben wird, um dort von einem als persönlich gedachten Satan versucht zu werden, der angeblich "das schönste Wesen" sei, "das Gott je erschaffen" habe. Dieser Sohn erzählt in der Ich-Form seine Geschichte aus Zufällen (statt aus GEIST) und behauptet, er hoffe, damit "näher an der Wahrheit zu bleiben" als Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Solche Phrasen zeigen, dass Mailer nicht spirituell den CHRISTUS als die WAHRHEIT erachtet, sondern die "Wahrheit" weltlich als eine Tatsächlichkeit des Geschehens deutet, das er seinerseits noch nicht einmal historisch zutreffend serviert. So wundert es auch nicht, dass der Dualismus 'gut - böse' als wahr geführt wird (statt als Deutungsfehler), sodass Jesus mit dem Bösen und unreinen Geistern kämpfen muss, um das Böse auszurotten. Wie beiläufig, ja: banal erzählt dies "Ich", dass er diesen oder jenen Menschen heilte. Mal eben so, ohne Erklärung, was das HEIL sei, und wie die Illusion des Unheiles entstand, und dass Heilung als Entträumung aus der Illusion geschieht. Dies Buch enthält keine frohe Botschaft, sondern langweilige, geistlose, mitunter satangläubige Ödnis.

Bewertung vom 10.08.2011
The Gospel According to the Son
Mailer, Norman

The Gospel According to the Son


schlecht

Tendenziell satanistisch

"Das Jesus-Evangelium" (Originaltitel: "The Gospel According to the Son") ist keine apokryphe Evangeliumsschrift, die sich etwa auf Schriftfunde bezöge, die Jesus zuzuordnen wären, sondern ein Roman, in dem nichts auf die Sohnschaft im spirituellen Sinne verweist. Dies könnte der Leser aber von einem "Evangelium nach dem Sohn" erwarten, denn gemeint ist von Norman Mailer schon jener biblische Jesus als der Sohn Gottes. Aber diesen "Sohn" stellt Mailer nicht als SOHN des VATERS dar, nicht mal als Erleuchteten, sondern als einen sündigen, zu Zorn neigenden Irgendjemand, der gegen lustvolle Gedanken in der Nacht kämpft und von einem nicht näher erklärten "Geist" in die Wüste zum Fasten getrieben wird, um dort von einem als persönlich gedachten Satan versucht zu werden, der angeblich "das schönste Wesen" sei, "das Gott je erschaffen" habe. Dieser Sohn erzählt in der Ich-Form seine Geschichte aus Zufällen (statt aus GEIST) und behauptet, er hoffe, damit "näher an der Wahrheit zu bleiben" als Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Solche Phrasen zeigen, dass Mailer nicht spirituell den CHRISTUS als die WAHRHEIT erachtet, sondern die "Wahrheit" weltlich als eine Tatsächlichkeit des Geschehens deutet, das er seinerseits noch nicht einmal historisch zutreffend serviert. So wundert es auch nicht, dass der Dualismus 'gut - böse' als wahr geführt wird (statt als Deutungsfehler), sodass Jesus mit dem Bösen und unreinen Geistern kämpfen muss, um das Böse auszurotten. Wie beiläufig, ja: banal erzählt dies "Ich", dass er diesen oder jenen Menschen heilte. Mal eben so, ohne Erklärung, was das HEIL sei, und wie die Illusion des Unheiles entstand, und dass Heilung als Entträumung aus der Illusion geschieht. Dies Buch enthält keine frohe Botschaft, sondern langweilige, geistlose, mitunter satangläubige Ödnis.

Bewertung vom 10.08.2011
Mirjam
Rinser, Luise

Mirjam


ausgezeichnet

Das Evangelium nach Mirjam

Dies Buch empfehle ich jedem Leser der vier Evangeliumsschriften der Bibel als eine fünfte, die aus Sicht der Mirjam aus Magdala (alias Maria Magdalena) geschrieben wurde. Diese Version steht den vier geläufigen kanonischen Schriften nicht nur in nichts nach, sondern bietet zusätzlich Besprechungen der großen Fragen, die der "Frohen Botschaft" anhaften, jedoch in der Bibel nicht gestellt werden. "Was kann das Korn dafür, dass der Sämann es unter die Dornen oder auf felsigen Boden warf?", fragt Mirjam zum Beispiel den Jeschua (alias Jesus), als er das Gleichnis erzählt hat. Seine vertrauensstiftende Antwort: "Es geht kein Korn verloren." Wunderbar menschlich sind dieser Jeschua Ben Joseph, die Mirjam, der Jochanan (alias Johannes) und all die anderen Figuren gezeichnet, wie sie miteinander gehen, leben und sprechen, so manches Mal voller Angst, voller Zweifel, voller Zorn. Und doch atmet immer der höhere Friede des liebenden Geistes um und über sie. Dies inspiriert geschriebene Buch schenkt dem Suchenden mehr Hoffnung als mir die Synoptiker boten.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2011
Riverside
Roth, Patrick

Riverside


ausgezeichnet

Das Geheimnis CHRISTI

Patrick Roth erzählt. Oder? Es erzählt ein "ich". Aber wer ist dies "ich"? Es steht im ersten und im vorletzten Satze des Buches: "Ich sehe..." und "Andreas und ich". Demnach müsste "ich" der Tabeas sein, der mit Andreas gemeinsam eine Höhle aufsucht, um dort jemanden zu besuchen und zu befragen. Aber zwischen diesen beiden Sätzen ist dies "ich" nicht da; der Tabeas (sonderbarer Name, nicht?) ist in der ganzen Novelle nur jemand, wie auch Andreas nur jemand ist. Diese beiden Jemande besuchen in der Höhle einen Alten, den Diastasimos. Und sie tun dies in Palaestina, Jahre nach Jesu Verhaftung und Kreuzigung. Diese beiden jungen Jemande sind Anhänger der Lehre Jesu, ohne diesen anders denn vom Hörensagen zu kennen; das heißt, dass sie auch dessen Lehre nur aus dem Munde derer kennen, die ihn noch eigens gesehen und gehört haben. Eine geistliche Lehre ohne den Geist des Lehrers zu lernen ist jedoch schwer. Und so sind Tabeas und Andreas vom Apostel Thomas gesandt worden, zu dem alten Diastasimos zu gehen, der Jesus noch erlebte. Und sie sollen aufschreiben, was Diastasimos ihnen über seine Begegnung mit Jesus erzählt. Und er erzählt sonderbar, stückchenweise, nicht fließend. Und er tut dies, weil er immer wieder in die Tiefe unterhalb des zu erzählenden Geschehensflusses blickt und auch den Blick des Andreas und des Tabeas dorthin zu lenken versucht, die ohne ihn nicht auf den Gedanken gekommen wären, dass dort erst das Geistliche, das Wunderbare zu entdecken ist. Sie schreiben nämlich von sich aus voreingenommen, steinern, unbegeistet, also ohne Begeistung durch den Geist CHRISTI. Dieser aber ist's, der in den Römern etwa keine Feinde oder in Aussätzigen keine Schuld findet, sondern in allen Menschen die Seele schaut. Im von Diastasimos Erzählten steht ein Wegeskontrollposten, an dem von römischen Soldaten alle Passanten durchsucht werden, um Jesus zu verhaften, der - wie die Römer wissen - mit seinen Gefährten auf dem Wege nach Jerusalem ist und unbedingt den Posten passieren will. Dies ist höchst spannend erzählt, aber solcherlei Erzählen bleibt an den an der Handlung beteiligten Personen hängen, wobei jedoch der CHRSISTUS unpersönlich oder überpersönlich ist. In der Tiefe aber, unterhalb des Erzählten, sind geheime Verbindungen zwischen den Menschen, und darauf kommt es dem Diastasimos an. Da ist etwas in den Menschen, mit dem sie teilen, ohne dies zu bemerken. Auch in dem Erzähler. Und so erklärt sich denn auch dessen Name 'Diastasimos': Die altgriechische 'Diastasis' nennt auf Deutsch die "Spaltung", oder "Zerspaltetheit". In dieser Uneinsheit gilt es, sich selbst zu finden und damit die Wahrheit, sich ihr hinzugeben. Und so heißt denn das lateinische 'Tabeas': "du mögest zerschmelzen". Und so schmilzt denn der Leser in dieser literarisch meisterlich geschriebenen Novelle vor Spannung und Geist dankbar dahin. Wunderbar!

Bewertung vom 10.08.2011
Das Evangelium nach Pilatus
Schmitt, Eric-Emmanuel

Das Evangelium nach Pilatus


schlecht

Ein Evangelium ohne die Frohe Botschaft Christi

Der Autor sagt zwar über sich im dritten Teil seines Buches "Das Evangelium nach Pilatus", er habe in der Sahara seinen Glauben empfangen, dessen Spiritualität sich nach langer, eingehender Prüfung als christlich erweise (S.257), doch stimme ich dem Attribut 'christlich' nicht zu. Wer sagt, er sei von der Gestalt Jesu besessen und habe diese Besessenheit später sein Christentum genannt (S.296), das Leben Christi sei zu kurz (S.272) und: "es gibt Wahrheiten" (S.295), der weist sich so in seinem Denken kaum als spirituell noch als Christ aus, sondern als leichtfertig und oberflächlich. Wer die Ewigkeit des Lebens Christi als zu kurz bezeichnet, der deutet das Leben irdisch, also gerade nicht spirituell. Wer meint, da seien mehrere Wahrheiten, hat den Christus als die einzige Wahrheit nicht erschlossen und unterlässt dem zur Folge auch die Bedenkung der Implikationen einer Pluralisierung der Wahrheit ("Die eine Wahrheit gibt es nicht; deshalb gibt es keine."(S.248)). Ergo ist nach Pilatus kein ewiger Christus, nur ein sterblicher Jeschua. Wo ist also die Frohe Botschaft?
Er habe zwei neue Evangelien geschrieben, sagt Schmitt (S.289), weil er dem "Evangelium nach Pilatus" das "Evangelium der Olivenbäume" voranstellt, das den ersten Teil des Buches bildet. Aber hier, in der Beschreibung des Szene des Jeschua im Garten Gethsemane in Erwartung der Häscher, wird nur ein Teil der Leidens- oder Passionsgeschichte Jesu neuerlich dargestellt, aber wiederum ohne erkennbare Frohe Botschaft, sprich: ohne Evangelium. Statt dessen wird von Angst bis Zweifel alles durchgespielt, was zwar menschlich verständlich ist, jedoch ohne Tröstung durch den Geist bleibt. Das letzte Wort dieses Pseudoevangeliums ist "Mein Vater, warum hast du mich verlassen?", ohne den Kontext des ganzen Psalms 23 zu würdigen, der in Hoffnung im Sinne einer positiven Gewissheit mündet.
Auch im Hauptteil bleibt lediglich der Titel als Anzeichen eines "Evangeliums", der Inhalt jedoch ist Passion mit einem Hauch Kriminologie und verfälschter Historie in Folge mangelhafter Recherche. Hier brüstet sich der erbarmungslose Judenhasser, -quäler und -mörder Pilatus, er habe den römischen Statthalter gespielt, der gerecht und unparteiisch auftreten müsse (S.246), hingegen habe Jeschua die Rolle des Opfers eines Justizirrtumes gespielt. Dieser Jeschua habe traurig und niedergeschlagen gewirkt, wie verbittert von der Einsicht in sein Scheitern (S.247). "Dieser Mann hatte Zweifel" (S.248). Ist daraus die Frohe Botschaft der Unschuld auch der scheinbar schlimmsten Sünder zu gewinnen?
"Was habe ich verstanden?" fragt sich Pilatus bezüglich der Lehre Jeschuas (S.245); "Nichts" ist seine eigene Antwort. Ist das die Frohe Botschaft?
Diese besteht doch nicht in der Passion Jesu, sondern in der Weisung des Weges aus der Hölle der Angst und der Schuld hinaus. Wer kann sich wehrlos kreuzigen lassen? Der Zweifelnde gewiss nicht, denn er wird sich aus Angst wehren, zu fliehen suchen, kämpfen, klagen, und seinen Nächsten nicht lieben, sondern ihm Schuld zuweisen. Einzig der Getröstete, der den Weg heim zur LIEBE erkennt, mag sich wehrlos und schuldzu-weisungslos kreuzigen lassen, dessen letztes Wort dann nicht aus einer hohlen Klage der vermeintlichen Verlassenheit vom Vater besteht, sondern in der liebevollen Verheißung zum Bruder: "Amen, ich sage dir: noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!"

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

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