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Benutzername: 
bernauerin
Wohnort: 
augsburg

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2022
Der Klang der Erinnerung
Browning Wroe, Jo

Der Klang der Erinnerung


ausgezeichnet

Mit diesem Roman, der in die Sparte Coming of Age Literatur einzuordnen ist, konnte ich mein Bücherregal wieder um eine lohnende Lektüre bereichern.

Inhaltlich werden mehrere Themen beleuchtet – das Unglück von Aberfan, die Tätigkeit eines Einbalsamierers, das Leben als Chorknabe in Cambridge, und das alles als Kulisse für das Erwachsenwerden des Protagonisten William. Der Bogen spannt sich vom frühen Tod des Vaters über den Eintritt in den Chor in Cambridge zu traumatisierenden Erlebnissen als Chorknabe –(dabei handelt es sich nicht um Missbrauch!), weiter zur ersten Liebe, zur Lösung aus der Symbiose mit der Mutter, bereits in jungen Jahren um die Konfrontation mit dem Sterben beim Unglück von Aberfan, auch hier traumatisierend und über lange Zeit belastend.

Bei der Konstruktion gelingt es der Autorin sehr geschickt, Spannung aufzubauen, indem sie jeden Handlungsstrang früh durch Andeutungen anlegt und im Lauf des Erzählens aufgreift, verbreitert, sodass es zunehmend schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen.

Letztlich lösen sich die Konflikte, die über Jahre das Leben der Beteiligten beeinträchtigten, in allgemeines Wohlgefallen. Die Auflösung ist glaubwürdig, jedoch im Vergleich mit der zuvor vermittelten emotionalen Schwere zu leicht und harmlos.

Der Roman ist sehr schön zu lesen. Sprachlich bedient sich die Autorin einer unprätentiösen, dem inneren Erleben des jungen William entsprechenden Sprache, die schlicht aber nicht simpel daherkommt, sondern emotional reich und treffend. Die Stimmung wird immer wieder mit überraschenden passenden Metaphern hergestellt. Ich empfand es als Eintauchen in eine andere Atmosphäre, ein wirkliches Erleben mit den erzählten Charakteren.

Wunderbar fand ich auch, hier Musikstücke wiederzufinden oder neu kennen zu lernen, die immer wieder erwähnt wurden und sich wie ein Leitmotiv durch den Roman zogen. Sie zwischendurch immer wieder zu hören verlieh der Handlung zudem eine noch tiefere Dimension.

Insgesamt also ein vielseitiger und vielschichtiger Roman, mit dem ich sehr lohnende Stunden verbringen konnte!

Bewertung vom 16.10.2018
Piccola Sicilia
Speck, Daniel

Piccola Sicilia


sehr gut

eins vorweg: ich liebe lange romane. auf 600 seiten kann man eben länger und meist tiefer eintauchen ins leben der personen, die welt mit ihren augen sehen und besser verstehen als auf 100 seiten.

hier lernt man ein weniger bekanntes kapitel aus der zeit des 2. weltkriegs kennen, rommels afrikafeldzug, tunis mit seinem hafenviertel piccola sicilia, die dort ansässige vielfältige bevölkerung, christen, juden, moslems und ihr bis dahin friedvolles zusammenleben.

all dies wird geschildert anhand einer spannenden handlung, die weitgehend glaubwürdig wirkt. die art des offenen endes schränkte bei mir diesen aspekt allerdings etwas ein.

der umfang des romans entsteht auch dadurch, dass daniel speck dem geschehen immer wieder sehr gut passende gedanken, überlegungen, lebenskluges unterlegt. dies wirkt in keiner weise aufgesetzt oder belehrend, sondern erhöht die reichweite der handlung.

allerdings bleibe ich nicht ganz ohne skepsis gegenüber der zuverlässigkeit des autors zurück. es schleichen sich immer wieder oberflächlichkeiten ein, in der wiedergabe der fremdsprache z.b., außerdem finden sich ungereimtheiten, die leicht zu vermeiden wären bei entsprechender sorgfalt. ich bin eine genaue leserin, aber das müsste ein autor, der etwas auf sich hält, ja zu schätzen wissen.

das schmälert meine begeisterung für den roman jedoch nur geringfügig. ich habe ihn sehr gern und begeistert gelesen, immer mit bedauern, wenn ich ihn zwischendurch weglegen musste. und ich bin sehr gespannt auf "bella germania", den ersten roman von daniel speck, den ich ganz oben auf meiner liste habe!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2018
Schwestern für einen Sommer
Lyra, Cecilia

Schwestern für einen Sommer


gut

das thema der beiden schwestern, dass sie ein leben lang verbunden bleiben, weil sie intensive gemeinsame kindheitserlebnisse teilen, und sich auch wiederfinden nach langer zeit des schweigens ist sehr gut nachvollziehbar geschildert. mit 600 seiten zwar etwas zu lang, aber durchaus glaubhaft. man spürt, welche widerstände, das misstrauen, die angst vor der reaktion der anderen... der sehnsucht entgegenstehen, die sie immer wieder spüren und nicht ignorieren können.
dazu kommt jede menge leben, gescheiterte ehen, neue liebe, angst um karrieren - für mich dabei lange zeit zu wenig mut, die fassaden zu hinterfragen, authentisch zu sein, zu sich selbst zu stehen. das ändert sich dann und ist wohl die zielsetzung des buchs, aber es dauert...
wie alle stränge verwoben sind und zusammenführen, ist gut gemacht, nur wenige stellen wirken unglaubwürdig.

am ende geht es gut aus, von den "bösen" hört man nichts mehr, die "guten" leben glücklich zusammen, und wenn sie nicht gestorben sind... aber sie haben es sich verdient, sie haben sich für ein ehrliches leben entschieden, erkannt, dass geld allein nicht glücklich macht, und stehen zu ihren gefühlen.

das klingt nicht nur nach heile welt, das ist auch so, aber es tut gut, auch mal so etwas zu lesen und sich zufrieden zurückzulehnen. um diese leute muss man sich nach abschluss der lektüre keine sorgen mehr machen, man denkt noch ein wenig an sie und hofft, dass man es selber auch ein bisschen so auf die reihe kriegt.

was mir allerdings die freude am lesen sehr beeinträchtigt hat, ist die sprache. sehr oberflächliches alltagsamerikanisch, das von der übersetzerin häufig einfach so übernommen wird, dass die amerikanische grundlage durchscheint, was die qualität eben auch nicht hebt. zu viele inhaltsarme dialoge.
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