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Benutzername: 
buecherseipi
Wohnort: 
Weißenburg

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 19.07.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


ausgezeichnet

Bezaubernder Sommerroman mit Tiefgang!

„Ich vergleiche das Leben gern mit einer Flugreise. Die Geburt ist der Start, die Landung der Tod, dazwischen liegt eine To-Do-Liste, die wir zügig abarbeiten.“ (S. 120)

Die 15-jährige Linda ist für ihr Alter recht weise. Sie hat nur ihren besten Freund Kevin, dessen Schulwegbegleitung sie war und der mit dem Klimawandel und der Menschheit an sich hadert. Nach der Schule besucht sie dreimal die Woche den ehemaligen Bademeister Hubert. Dessen fortschreitender Demenz begegnet sie mit enormer Feinfühligkeit und einer ordentlichen Portion Humor, um ihm zumindest ein wenig seinen Himmel wiederzubringen. Unterstützt wird sie dabei von der polnischen Pflegekraft Ewa, die ich mit ihrer resoluten Art besonders ins Herz geschlossen habe.

Doch Linda kämpft auch mit ihren eigenen Dämonen und würde am liebsten vor ein Auto laufen… Woran es liegt, dass sie in so jungen Jahren dem Leben schon überdrüssig ist, bleibt lange Zeit im Dunkeln.
Doch dann schlägt das Schicksal zu – mehr als einmal – und Linda findet heraus, dass das Leben an sich ja eigentlich gar nicht so schlecht ist…
Denn:
„Wir gleichzeitig Lebenden sind füreinander von geheimnisvoller Bedeutung.“ (S. 141)
Diese Lebensweisheit frei nach Hugo von Hofmannsthal hat ihr ihre Oma mit auf den Weg gegeben..
🛟
Dieses Buch hat alles, was ich mir von einem guten Buch wünsche! Die Charaktere sind liebevoll und authentisch gezeichnet. Die Geschichte ist herzerwärmend, liebevoll, zauberhaft, einfach wunderschön und eindringlich. Sie ist voller Tiefgang und doch humorvoll geschrieben, was mir den Zugang zu den doch ernsten Themen erleichtert hat.
🛟
Von mir eine ganz klare Leseempfehlung! Wer noch ein Buch für den Sommerurlaub am Strand oder im Freibad sucht, das nicht einfach nur dahinplätschert, ist hier genau richtig – aber es funktioniert auch zu Hause auf dem Sofa 😉

Bewertung vom 03.07.2024
Nach uns der Sturm
Chan, Vanessa

Nach uns der Sturm


ausgezeichnet

Ich schicke es gleich mal vorneweg: Dieses Buch war für mich ein Lesehighlight! ♥️
Es hat mich gleichermaßen gefesselt und abgestoßen, geflasht und geschockt, hoffen und bangen lassen!

Vanessa Chan beleuchtet einen Teil der Weltgeschichte, mit dem ich mich (und ich würde behaupten, dass es da vielen so geht…) noch nie befasst habe und der mir so nicht bewusst war.

Die Geschichte handelt von Cecily Alcantara, einer Malaiin, die mit einem Europäer verheiratet ist und mit ihm drei Kinder hat. Auf zwei Zeitebenen lernen wir sie und ihre Kinder Jujube, Abel und Jasmin kennen. Ein Teil des Romans spielt im japanisch besetzten Malaya (das heutige Malaysia) im Jahr 1945, der andere Teil etwa zehn Jahre vorher, als Malaya noch von den Briten besetzt war.

Cecily als gebürtige Malaiin leidet sehr unter der Herrschaft der Briten und deren Arroganz und Rassismus gegenüber der Malaien, muss jedoch wegen ihres Ehemanns gute Miene zum bösen Spiel machen. Sie leidet schwer unter der Unterdrückung und der Machtlosigkeit, die sie empfindet, weil sie nichts ausrichten kann, um die Situation ihrer Landsleute zu ändern.
Da lernt sie den charismatischen General Fujiwara kennen, der ein Doppelleben führt. Fasziniert von dem Mann trifft sie eine Entscheidung, die ihrer aller Leben dauerhaft beeinflusst.

Genauso schwer wenn nicht schwerer ist es für sie jedoch zehn Jahre später unter der Schreckensherrschaft der Japaner. Die japanischen Soldaten nehmen keine Rücksicht auf die Bevölkerung und üben eine grausame Herrschaft aus. So verschleppen sie den einzigen Sohn von Cecily in ein Arbeitslager, wo er die Hölle auf Erden erleben muss. Ihre älteste Tochter Jujube ist nur noch wütend und die jüngste Tochter Jasmin muss sie vor den Japanern verstecken, damit diese nicht in einem sogenannten „Trosthaus“ landet.
🍃
Gekonnt verknüpft Vanessa Chan die Geschichte der Familie in den zweit Zeitebenen miteinander und nach und nach kommt die ganze Tragweite ihrer Entscheidung an die Oberfläche.

Schwer zu ertragen waren für mich vor allem die Szenen im Arbeitslager. Doch trotz aller Grausamkeit und Tragik schafft es die Autorin, den Spannungsbogen immer weiter zu steigern und eine glaubhafte, schicksalsträchtige Geschichte zu erzählen. Gerade zum Schluss bin ich nur so durch die Seiten geflogen. Das Ende hat mich traurig zurückgelassen, ist aber für mich gut gewählt.
🍃
Für mich ein absolutes Highlight und eine unbedingte Empfehlung für alle, die gern tragische Familiengeschichten lesen, die historische Hintergründe aufgreifen!

Bewertung vom 22.06.2024
Die Sache mit Rachel
O'Donoghue, Caroline

Die Sache mit Rachel


sehr gut

Als Beschreibung ist auf dem Umschlag des Buches auch folgender Satz zu finden:
„Ein Roman, der sich liest wie ein Lebensgefühl – weil er fragt, wie wir sein und wie wir lieben wollen.“

Genau dieses Gefühl hatte ich auch beim Lesen. Also zumindest ab dem Zeitpunkt, als ich in reingefunden hatte. Denn das war am Anfang gar nicht so einfach, obwohl ich gar nicht mal genau sagen kann, woran das lag.

Die Geschehnisse werden aus der Sicht von Rachel in Rückblicken erzählt, als sie viele Jahre nach den Ereignissen zufällig wieder mit Dr. Fred Byrne konfrontiert wird.

Die Rachel, die im Jahr 2010 als Studentin im irischen Cork vor sich hin und in den Tag hinein lebt, ist mir nicht von Anfang an sympathisch gewesen. Ich denke aber, das ist von der Autorin beabsichtigt und tut der Geschichte gut. Ich konnte so Rachels persönliche Entwicklung und auch die Reaktionen der anderen Protagonist*innen auf sie besser nachvollziehen und hat die Geschichte authentischer gemacht.
🌈
Caroline O’Donoghue lässt Rachel verschiedene Arten von Liebe und Freundschaft durchleben, was ihr immer glaubhaft gelingt. Von der unerfüllten über die platonische Liebe, die abhängige und verletzte Liebe geht es aber auch um die große Liebe, die zwei Menschen füreinander empfinden können. Sie geht auch sehr sensibel und einfühlsam mit der Coming-Out-Thematik von James um.
🌈
Wie anfangs bemerkt, kam ich etwas schwer in die Geschichte rein, habe das Buch aber dann sehr gern gelesen. Für Fans von Coming-of-Age-Romanen mit überraschenden Wendungen dürfte der Roman auch genau das Richtige sein.
Und nach der Lektüre zieht es mich irgendwie nach Cork 😊

Bewertung vom 03.06.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Vorweg geschickt gestehe ich, dass ich vermutlich eine der Wenigen bin, die „22 Bahnen“ von Caroline Wahl (noch) nicht gelesen hat. Falls es doch noch jemanden außer mir geben sollte, dem es genauso geht: Kein Problem! Ich konnte das Buch auch gut ohne Vorkenntnisse der Geschichte und der Charaktere lesen. Und die Lektüre vom Vorgängerroman hole ich umgehend nach, das Buch liegt schon hier 😊
🌬️
Wer also „22 Bahnen“ schon gelesen hat, kennt die beiden Schwestern Ida und Tilda bereits. Allen anderen seien sie hiermit vorgestellt. 😉 „Windstärke 17“ widmet sich der Geschichte von Ida, der kleineren Schwester. Sie ist nach dem Tod ihrer Mutter planlos, hoffnungslos, wütend und voller Schuldgefühle und will auf keinen Fall zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg. Kurzum steigt sie am Bahnhof einfach in einen Zug, der sie auf die Insel Rügen bringt.

Hier begegnet sie schließlich dem Kneipenbesitzer Knut, der ihr einen Job in der „Robbe“ gibt. Außerdem lernt sie seien Frau Marianne kennen und die beiden nehmen Ida kurzerhand bei sich auf. Und dann lernt Ida auch noch Leif kennen, der anscheinend auch so einiges durchgemacht hat…

Kann Ida bei Marianne und Knut ein neues Zuhause finden? Und was ist mit Leif? Kann er ein Heimathafen für Idas geschundenes Herz werden?
🌬️
Im Zusammenhang mit diesem und auch dem vorigen Roman habe ich in Rezensionen öfter das Wort „Sogwirkung“ gelesen. Und das hat diese Geschichte zweifelsohne. Caroline Wahls Schreibstil ist locker und fließend und transportiert doch die Ernsthaftigkeit, mit der Ida auf Rügen alle Höhen und Tiefen ihrer Gefühlswelt erlebt. Ich konnte beim Lesen ihre innere Zerrissenheit, ihre Wut und auch ihre Schuldgefühle nachempfinden und habe sehr mit Ida mitgefiebert und mir gewünscht, dass sie es schafft, über ihren Verlust hinweg zu kommen und wieder glücklich zu werden.
🌬️
Eine absolute Leseempfehlung von mir! Und ich habe die große Hoffnung, dass die Handlungen rund um Ida, Tilda, Leif, Marianne und Knut noch nicht auserzählt sind und ich nochmal was von den liebenswürdigen Protagonist:innen höre. Potential ist auf jeden Fall ausreichend vorhanden!

Bewertung vom 03.06.2024
Die kleine Parfüm-Manufaktur in der Provence
Bach, Angelina

Die kleine Parfüm-Manufaktur in der Provence


sehr gut

So eine süsse Liebesgeschichte, hach! Für den Urlaub auf der Strandliege perfekt – wenngleich das Reiseland nicht übereinstimmte 😅

Ich denke, ich spoilere trotzdem nicht, wenn ich Euch einen kurzen Abriss der Geschichte gebe, denn sie hat nun mal alles, was man von einer romantischen Lovestory erwartet… Ansonsten: Ab hier bitte nicht weiterlesen 😉

Die Romanze um die Parfümeurin Marielle spielt nämlich in der wunderschönen Provence und an der Côte d’Azur in der Stadt Grasse, die Stadt mit der man Parfüm und weite Lavendelfelder in Verbindung bringt.

Als Marielle von ihrem Vater in die Familien-Manufaktur beordert wird, ahnt sie das etwas nicht stimmt. Dort angekommen trifft sie auf den (natürlich) gutaussehenden Bastien den (natürlich nur vorerst) überhaupt nicht ausstehen kann. Ganz „Selbst ist die Frau“ stürzt sie sich in die Arbeit, um das Familienunternehmen vor dem Ruin zu bewahren.
Selbstverständlich verliebt sie sich dabei in Bastien, will das (natürlich) nicht wahrhaben und (natürlich) droht alles im Chaos zu versinken bevor es (natürlich) ein Happy End gibt.
💜
Die (natürlich) leicht vorhersehbare Story ist wirklich liebenswürdig geschrieben. Die Charaktere sind charmant gezeichnet – einzig die Sorge Marielles um ihren Vater und die seltsam im Hintergrund bleibende Mutter haben mich etwas verwundert.

Schöner Nebeneffekt: Ganz nebenbei kann man noch etwas über die Traditionen der Lavendelernte und die Parfümherstellung lernen.
💜
Wer also Lust auf eine kurzweilige, wenn auch vorhersehbare Liebesgeschichte für den Sommerurlaub hat (auch wenn der in einem anderen Land stattfindet), dem kann ich dieses Buch nur empfehlen. Es macht definitiv Lust auf Urlaub, speziell in Südfrankreich.

Bewertung vom 03.06.2024
Weißglut
Quast, Tobias

Weißglut


gut

Krimi für den Sommerurlaub

🫎
Ich lese ja nicht wirklich viele Krimis, zwischendurch mal den ein oder anderen. Da muss mich dann aber auch der Klappentext ansprechen. Bei diesem Buch hat mich dieser überzeugt, da ich absoluter Finnland-Fan bin und der Plot recht witzig klang.

Der Münchner Schickeria entfliehend sucht Sarah Fuchs die Einsamkeit in der finnischen Wildnis und findet: eine Leiche! Und die ist auch noch nackt. Schnell ist Sarah der Mittelpunkt der Ermittlungen des – sagen wir mal – aufdringlich zurückhaltenden Kommissars Toivo Aalto. Der bleibt meiner Meinung nach recht blass und ich konnte seine Art der Ermittlungsarbeit manchmal nicht nachvollziehen. Dafür, dass er einen Mörder oder eine Mörderin fangen will, tritt er doch recht wenig in Erscheinung.

Auf der Suche nach dem wahren Mörder erhält Sarah Unterstützung von der Finnin Ilvi, die sie auf ihrer Fahrt in die Einsamkeit als Tramperin aufgelesen hat. Ilvi stellt das Gegenteil zur eleganten, manchmal etwas snobby wirkenden Sarah dar, ist sie doch trotz ihrer Tattoos und auffälligen Erscheinung recht bodenständig. Man sollte sich durch das Äussere eines Menschen halt doch nicht beeinflussen lassen…

Während ihrer Zeit in der idyllischen, finnischen Einöde trifft sie auf komische Kauze, verwurzelte Dorfbewohner, schräge Charaktere und zum Glück auf keinen Bären und (leider) auch auf keinen Elch.
🫎
„Dem Fröhlichen ist jedes Unkraut eine Blume, dem Betrübten jede Blume ein Unkraut.“
(Finnisches Sprichwort, S. 279)

Das Beste an der Geschichte sind meiner Meinung nach die vielen chaotisch-lustigen Situationen, durch die sich Sarah kämpfen muss. Manchmal wirken diese etwas abstrus und der Autor hat sich meines Erachtens nach manchmal ein wenig verzettelt. In die Figur des Onni hat mir der Autor etwas zu viele Besonderheiten eingebaut. Ein, max. zwei Merkmale hätten es auch getan.

Es ist nicht der typische Nordic Noir-Krimi, aber mich hat er im Großen und Ganzen gut unterhalten und bisweilen auch sehr schmunzeln lassen. Ein Krimi, den man gut mal auf der Strandliege in Italien lesen kann 😉

Bewertung vom 11.05.2024
Bonjour Agneta
Hamberg, Emma

Bonjour Agneta


ausgezeichnet

Was für ein lustiger, kurzweiliger Roman!
Emma Hamberg ist es gelungen, durch die Bank supersympathische Charaktere zu schaffen (außer den Ehemann von Agneta, Magnus, den möchte man am liebsten schütteln…) und einen schönen Roman zum Thema Selbstliebe zu verfassen.
🍷
Agneta ist eine introvertierte End-Vierzigerin, die mit einem Mann in der Midlife-Crisis gestraft ist. Auf Ihrer wörtlich zu nehmenden Flucht in die wunderschöne Provence trifft sie auf charmante Franzosen und Französinnen, die sie auf ihrer Reise zu sich selbst begleiten. Ich möchte nicht allzu viel über die einzelnen Personen verraten, denn ich würde zu viel von der Geschichte vorwegnehmen. Nur eins: sie sind alle super liebenswert und wirklich authentisch gezeichnet, vor allem das Au-Pair „Kind“ Einar 😉
🍷
Das Buch wird aus der Sicht von Agneta erzählt und das ist einfach herrlich. So konnte ich direkt an ihren witzigen, teilweise verschrobenen und etwas verwirrten Gedanken (und Selbstgesprächen) teilhaben. Ich habe mich direkt gefühlt, als würde ich mit ihr bei leckerem Käse und dem ein oder anderen Gläschen Wein am Tisch im Garten sitzen und Luzette 🐢 beim Spaziergang zuschauen.
🍷
Zitat:
„Aber was ist denn verkehrt an normal und gemäßigt?“ „Überhaupt nichts. Aber bei den Leuten, die finden, dass andere normal und gemäßigt sein sollen, bei denen ist was verkehrt. Was soll das denn, machen sie etwa die Regeln für die ganze Menschheit? Vielleicht ist ja ihr normal nicht normal für mich oder für dich? Und was ist überhaupt gemäßigt? Nein, ich finde, was normal und gemäßigt ist, sollte man für sich selbst entscheiden, statt es anderen aufzuzwingen. Verdammt, sei einfach nett zu deinen Mitmenschen und nimm Rücksicht auf die Natur, dann kannst du machen, was du willst. Finde ich.“ (S. 202)

Dieses Zitat bringt für mich zum Ausdruck, was dieses Buch ist: Eine Ode an die Lebensfreude und eine Empfehlung, dass man sich von anderen Leuten nicht diktieren lassen soll, was einem gut tut und wie man zu leben hat.
🍷
Ein schöner Sommerroman mit nicht allzu viel Tiefgang, der sich entspannt lesen lässt! Mit diesen Worten kann ich Euch das Buch nur ans Herz legen, wenn ihr eine erfrischende Frauengeschichte lesen wollt.

Bewertung vom 27.04.2024
Das Fenster zur Welt
Winman, Sarah

Das Fenster zur Welt


sehr gut

Die Geschichte um Ulysses und Evelyn beginnt im 2. Weltkrieg in Italien. Ulysses ist ein britischer Soldat, stationiert in Italien. Evelyn ist eine britische Kunstprofessorin, die ihre geliebten Gemälde vor den Bomben des Krieges bewahren will. Es ist eine schicksalhafte Begegnung, die noch lange nachwirken soll.

Dieses Buch ist die Geschichte von Ulysses, der nach dem Krieg erst nach London zu seiner großen Liebe Peg und ihrer Tochter Alys zurückkehrt, zu seinen Freunden Cress, Col, Pete und Ginny und dem sprechenden Papagei Claude. Seine Freunde, dich auch seine Familie sind.
Als Ulysses überraschend erbt, macht er sich mit Cress, Alys und Claude auf die Reise nach Florenz, um ein neues Leben zu beginnen.

Es ist die Geschichte von Evelyn und ihrer Freundschaft mit Dottie, die sie durch die Jahrzehnte trägt und die immer Fels in der Brandung für sie ist, wie schwer die Schicksalsschläge um sie herum auch sind.

Außerdem ist das Buch eine Liebeserklärung an Italien im Allgemeinen und Florenz im Speziellen. Der wunderschöne Schreibstil lässt einen selbst du die Straßen und Gassen Florenz streifen, den Duft von leckerer Pasta und frischem Espresso riechen. Die Stimmung während und nach dem Krieg, dieses „Dolce Vita“, die Gefühle durch die die Protagonisten miteinander verbunden sind, waren für mich immer authentisch und greifbar.

Mich hat dieses Buch mit seinem unaufgeregten Schreibstil, den tollen Charakteren und der Liebe zum Detail abholen können. Mein Herz habe ich allerdings verloren an Claude, den Papagei. Er ist einfach der Knaller mit den Sprüchen, die er immer wieder raushaut, was das Buch nochmal zusätzlich auflockert.

Was mir sehr gut gefallen hat war, dass die Frauen allesamt als starke Persönlichkeiten dargestellt werden, die ihre Schicksalsschläge erleben, sich jedoch zu keiner Zeit davon unterkriegen lassen.

„ Wieso haben Sie das Bedürfnis, Hosen zu tragen, Miss Everly?, fragte Mr. Lugg. Weil ich das Bedürfnis habe, entschlossenen Schrittes voranzuschreiten, Mr. Lugg. Zu gehen, wie ein Mann gehen würde. Mit all den Vorteilen. Ich muss dabei nicht Frau sein, denn ich wünsche mir, die männlichen Blicke abzuwehren und mich so problemlos wie ein Mann durch die Stadt zu bewegen. Ich möchte die Stadt mit den Augen eines Mannes sehen.“ (S. 477)

Meine einzige Kritik ist, dass die Geschichte und Entwicklung von Evelyn meiner Meinung nach etwas zu kurz kommt. Das Leben von Ulysses wird sehr viel ausführlicher beschrieben und das Kapitel, das ganz zum Schluss noch das Leben von Evelyn vor dem 2. Weltkrieg beleuchtet, wirkt eher wie schnell noch eingeschoben. Für mich wäre dieser Teil nicht nötig gewesen, weil die Geschichte an sich schon stimmig ist.

Und zugegebenermaßen bekommt man beim Lesen ein bisschen Fernweh nach Italien (zum Glück ist mein Urlaub schon gebucht), aber das will ich mal nicht negativ auslegen 😅
🦜
Von mir gibt’s auf jeden Fall eine Empfehlung. Wer zeitgenössische Romane mit bildhafter Sprache mag, ist hier auf jeden Fall gut aufgehoben.

Bewertung vom 07.04.2024
Happy Hour
Granados, Marlowe

Happy Hour


sehr gut

Wir dürfen Isa, der Ich-Erzählerin, und ihrer besten Freundin Gala zu den angesagtesten Parties, Vernissagen und Ausflüge begleiten. Auf den ersten Blick erscheinen die beiden oberflächlich und nur auf der Suche nach dem nächsten Fest, dem nächsten Drink und damit auch dem nächsten edlen Spender. Beide halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, um wenigstens die Miete selbst bezahlen zu können, ehrgeizig sind beide nicht.

Isa lässt uns teilhaben an ihren Gedanken zu den Leuten, den Gewohnheiten und den Eigenheiten der New Yorker. Sie hat mit ihren jungen Jahren doch schon ein paar schmerzliche Erfahrungen hinter sich. Die Erzählweise aus ihrer Perspektive hat mich recht schnell hinter ihre Fassade schauen lassen. Sie ist tiefgründiger, als sie auf all die anderen Akteure den Anschein macht. Sie ist sogar verantwortungsbewusst, denn eigentlich kümmert sie sich auch um Gala.

Die Geschichte von Isa und Gala ist eine Feelgood-Geschichte. Aber irgendwie auch nicht.
Es ist die Geschichte von zwei Partygirls Anfang 20, die nicht mehr wollen als ihr persönliches Vergnügen und Party, Party, Party. Aber irgendwie auch nicht.
🍸
Marlowe Granados schreibt humorvoll und mit teils sarkastischen Zwischentönen gegen die Vorurteile an, die die Leser*innen bei Betrachtung des Covers und Studium des Klappentextes vermutlich aufbauen. Mir ging es zumindest so.

Man sollte sich nicht täuschen lassen! „Happy Hour“ ist ein subtil feministischer Roman, der Themen wie Kapitalismus, Sexismus und Rassismus aufgreift und es den Leser*innen erlaubt, zwischen den Zeilen zu lesen.
🍸
Mich hat die kurzweilige Story mit Tiefgang gut unterhalten und ich kann sie auf jeden Fall weiter empfehlen.

Bewertung vom 06.04.2024
Die Frauen der Familie Carbonaro / Die Carbonaro-Saga Bd.2
Giordano, Mario

Die Frauen der Familie Carbonaro / Die Carbonaro-Saga Bd.2


ausgezeichnet

„Niemand in unserer Familie hat ein besonderes Talent für Glück. Wir Carbonaros sind verliebt in die Misere, den Kummer, den Abschied und in unser Seufzen. Nur im Mittagslicht einer schwarzen Sonne gelingt uns überhaupt etwas. Aber wenn sich das Glück mit Trippelschritten nähert, uns freundlich einen caffé anbietet, damit wir weitermachen können, lehnen wir ab.“ (S. 244)

Dieses Zitat beschreibt eigentlich ziemlich genau das Leben der sizilianischen Großfamilie Carbonaro.

Ein Urenkel der Carbonaros ist der Erzähler. Er begegnet Pina, Anna und Maria im Haus der Zeit, wo sie ihm ihre Geschichten erzählen.
🍋
Pina ist die Matriarchin der Familie und Tochter eines skrupellosen Mafiosi, der im ganzen Ort gefürchtet wird. Auch sie und ihre Mutter haben es unter seiner Herrschaft schwer. Doch Pina kämpft sich durch und um ihre Liebe zu ihrem Barnaba.

Anna ist Pinas Schwiegertochter, verheiratet mit Pinas Sohn Nino, einem Schneider, der etwas aus der Art geraten ist. Anna bringt – zumindest vorübergehend – die Sonne ins düstere Haus des Patriarchen. Einen großen Teil ihres Lebens verbringt sie jedoch auch mit ihrer Familie in München.

Maria ist die Tochter von Anna und Nino. Sie kommt im zarten Alter von sechs Jahren mit ihrer Familie nach Bayern und muss dann erst einmal die Bombennächte des 2. Weltkriegs überstehen. Maria will Hosen tragen und das Geschäft ihres Großvaters übernehmen.

So begleiten wir die drei so unterschiedlichen wie starken Frauen durch die Jahrzehnte, immer an der Seite ihrer konservativen, sizilianischen Ehemänner. Stück für Stück gewinnen sie für sich kleine Schlachten um mehr Freiraum und Selbstbestimmung, ohne dabei die Traditionen aufzugeben.
🍋
Mario Giordano gelingt es mit seiner bildhaften, fesselnden Sprache, mir das Gefühl zu vermitteln, mit der Familie am Tisch zu sitzen und Spaghetti oder Weißwürste mit ihnen zu essen. Sehr schmunzeln musste ich bei den Liebeserklärungen an die Weißwurst und an das Bayerische Bier:

„Meine erste Weißwurst kam mir vor wie eine Königin aus dem Volk, sie duftete bescheiden nach Petersilie und Muskat. Schaumig und fest war sie gekommen, um zu trösten. Sie war wie ein deutsches Lied, süß und ein bisschen wehmütig, das dich an die Hand nimmt und dir zeigt, wie schön die Welt doch ist.“ (S. 266)

„Bitter und süß wie ein Liebeslied in einer unbekannten Sprache, das du trotzdem sofort verstehst, schäumte es in meinem Mund, sprudelt hinab wie ein Wildbach über Felsen und linderte für einen Moment das Fremdsein.“ (S. 266)
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Mich hat dieses Buch mitgenommen auf eine Reise durch Sizilien, durch Generationen und Traditionen, durch Leid, Trauer und Schmerz, durch Liebe, Hass und Glück und durch viele bewegte Leben.

Ich habe mit der Familie gelitten, gefühlt und gelacht und das Buch ist für mich ein Jahreshighlight. Von mir eine absolute Empfehlung! Lest diese großartige Geschichte und wandert mit Pina, Anna und Maria durch Zitronenhaine und das Glockenbachviertel in München!

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