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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Desiree
Wohnort: 
Wanne-Eickel

Bewertungen

Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 20.02.2025
Achtzehnter Stock
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


ausgezeichnet

Wanda will raus aus der Platte. Sie will ihrer Tochter Karlie ein besseres Leben bieten. Die Chancen stehen schlecht, denn eigentlich kommt niemand raus, im Gegenteil, man hat sich hier eingerichtet. Dann ruft Hollywood an. Wanda bekommt eine Rolle, lernt einen Schauspieler kennen, alles scheint sich zum Guten zu wenden. Doch so einfach lässt die Platte sie nicht gehen.
Zu „Achtzehnter Stock“ von Sara Gmuer hab ich wegen des Blurbs von Mareike Fallwickl gegriffen und wurde nicht enttäuscht. Der Roman ist unmittelbar und rau. Wanda ist ehrlich, nur nicht zu den Personen, auf die es ankommt. Sie sprintet durchs Leben, tanzt auf allen Hochzeiten und ist doch nie zufrieden. Sie will immer noch mehr, was mich auch als Leserin angestrengt hat. Irgendwann ging mir Wanda mächtig auf die Nerven, sie hat meine Sympathie verloren und ich muss zugeben, dass ich mir in ihrer Hochnäsigkeit gewünscht habe, dass sie scheitert. Das hat das Vergnügen am Lesen nur noch mehr gesteigert. Allerdings tat mir Karlie leid, sie bekommt Wandas Ambivalenz am deutlichsten zu spüren. Einerseits tut Wanda alles für ihre Tochter, andererseits schiebt sie sie immer wieder weg.
Der Roman schaut hinter die Scheinwerfer der Filmwelt und beleuchtet einen Teil des Lebens, der oft vernachlässigt wird. Er zeigt den Abgrund, ohne Geld, ohne Job, ohne Perspektive, und wie schnell sich alles wandeln kann, wenn man nur die richtigen Menschen kennt. Aber auch, dass man es innerhalb eines Fingerschnippens wieder verlieren kann. Ein steiles Auf und Ab eben.
Sara Gmuers Sprache hat mich dabei absolut gepackt. Sie ist direkt, ehrlich und subjektiv im besten Sinne. Sie hat eine Stimme, die man wiedererkennt. Und auch das Ende mochte ich sehr, denn bis zum Schluss wusste ich nicht, was kommt. Wird es ein Happy End für Wanda und Karlie geben?
Ein Buch wie eine Achterbahnfahrt.

Bewertung vom 13.02.2025
Halbe Leben
Gregor, Susanne

Halbe Leben


ausgezeichnet

Klaras Mutter Irene hatte einen Schlaganfall und benötigt Hilfe. Die kann Klara neben Karriere, Ehemann und Tochter nicht leisten, also kümmern sich Radek und Paulína im Zweiwochenrhythmus um Irene, die im Obergeschoss lebt. Radek wird zähneknirschend ertragen, Paulína dafür ausgenutzt. Bis sie merkt, dass ihr eigenes Leben wegdriftet und sie die Verbindung zu ihren Söhnen verliert - für eine Familie, die nicht ihre ist.
„Halbe Leben“ von Susanne Gregor ist ein heftiger Roman, was nicht an Klaras Sturz in den Tod am Anfang liegt, sondern an der feinen Erzählweise mit der Susanne Gregor zwei Welten aufeinanderprallen lässt. Erst glaubte ich noch, dass es nur um Klara geht und das tut es auch, allerdings nicht im herkömmlichen Sinne. Nicht sie ist die Sympathieträger, sonder Paulína, die scham- und skrupellos ausgenutzt wird und darüber ihre eigenen Kinder, die sie mehr liebt als Klara ihre Tochter Ada, vernachlässigen muss, um ihre Pflicht zu erfüllen und die pflegebedürftige Irene nicht allein zu lassen, wie es Klara tut. Ich bin immer noch wütend auf Klara, die sich lieber noch in eine Schwangerschaft quatschen lässt und auf Paulína ausruht. Und auch auf Klaras Ehemann Jakob, der sich ebenfalls jeglicher Verantwortung entzieht und nicht mal in der Lage ist, mit dem Hund, den ER angeschafft hat, spazieren zu gehen.
Dieses zwischenmenschliche Beziehungsgeflecht macht einen großen Teil des Romans aus, aber da ist auch Irene, die immer mehr abbaut und zwischen den Zeiten taumelt. Auch das schildert Susanne Gregor eindrücklich. Sie springt zwischen den Figuren und rast auf den jeweiligen Gedankenströmen. Nicht nur Paulína, Klara und Irene kommen zu Wort, sondern auch Rišo, Paulínas ältester Sohn, der zeigt, wie sehr es schmerzt, wenn die Mutter sich um eine andere Familie kümmern muss.
„Halbe Leben“ verdeutlicht, was es heißt Pflege zu brauchen, sie zu geben und sich ihr zu verweigern. Ein Buch, das noch lange nachhallen wird.

Bewertung vom 02.02.2025
Dancing Queen
Fabbri, Camila

Dancing Queen


sehr gut

Paulina wacht in ihrem Wagen auf, offensichtlich hatte sie einen Unfall. Neben ihr ein unbekanntes Mädchen. Bewegen kann sie sich nicht, aber wahrnehmen. Langsam erinnert sie sich, an ihr Leben in Buenos Aires, an ihren Ex-Freund Felipe, an ihre Kollegin und Freundin Maite und daran wie sie das Mädchen kennengelernt hat und wieso sie bei ihr im Auto sitzt.
„Dancing Queen“ von Camila Fabbri kommt wie ein Film daher, was nicht verwunderlich ist, denn die Autorin ist auch Regisseurin und das merkt man. In kurzen Rückblenden schildert sie das wichtigste aus Paulinas Leben, das geprägt ist von Einsamkeit, mit der sie sich abzufinden glaubt. Die zielsicheren Beobachtungen und der lakonische Stil stechen dabei heraus. Zwischendurch kommen immer wieder Szenen aus dem Auto, wie sie geborgen und ins Krankenhaus gefahren wird, doch ohne die Möglichkeit mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Paulina ist eine typische Millennial und natürlich konnte ich mich mit ihr identifizieren, auch wenn sie in Buenos Aires lebt, was ich durchaus interessant fand. Die anderen Figuren bleiben hingegen wage, obwohl auch Maite eine große Rolle spielt und eher ein Gegenentwurf zur abgeklärten Paulina darstellt.
Camila Fabbris Sprache ist keineswegs reduziert, wie es vielleicht bei einem Drehbuch gängig wäre, sondern sie nutzt Metaphern und Wortkombinationen, die mich aufhorchen ließen und mir gut gefallen haben. Das war die Stärke des Romans. Und auch wenn es einen roten Faden gab und sie auf ein Ziel hinschrieb, wurde es manchmal etwas langweilig. Da hat es mich sprachlich dranbleiben lassen, genauso wie die kurzen Kapitel. Fabbri zeichnet mit „Dancing Queen“ gekonnt ein Bild unserer Generation (der Millennials): witzig, manchmal auch nachdenklich und vor allem abgeklärt, und das in nur 170 Seiten. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Debüt verfilmt wird und es nicht ihr einziger Roman bleibt.

Bewertung vom 02.02.2025
Only Margo
Thorpe, Rufi

Only Margo


ausgezeichnet

Margo ist 20, als sie ein Kind bekommt, von ihrem verheirateten Collegeprofessor Mark. Natürlich war er für eine Abtreibung, aber Margo hat sich allen Ratschlägen zum Trotz für Bodhi entschieden. Nach der Geburt steht sie gleich vor mehreren Problemen: Sie hat kein Geld, weil sie aufgrund der fehlenden Kinderbetreuung ihren Job verloren hat und wird von niemandem, schon gar nicht von ihrer Mutter unterstützt. OnlyFans scheint ihr eine geeignete Lösung und sie hat Erfolg, auch dank ihres Vaters Jinx, ein berühmter Wrestler, der ihr tatkräftig unter die Arme greift. Doch nicht nur Mark verurteilt sie dafür.
„Only Margo“ von Rufi Thorpe ist ein komplexerer Roman, als ich erwartet hatte. Nicht nur Margos frühe Mutterschaft und deren Folgen spielen eine Rolle, sondern auch Sexarbeit und die Sicht der Gesellschaft darauf. Ich selbst kenne OnlyFans nur vom Hörensagen, fand daran aber nie etwas verwerflich und nach dem Roman noch weniger, vor allem wenn man bedenkt, wie viel Arbeit in den Accounts steckt und womit (gerade) Frauen dort konfrontiert werden.
Margo ist mir ziemlich schnell ans Herz gewachsen. Sie hat sich nie als Opfer von Machtmissbrauch gesehen, obwohl sie es ganz offensichtlich ist, sie kümmert sich herzzerreißend um Bodhi und nimmt jede Fallgrube, die ihr in den Weg geschoben wird, auch wenn sie kurz vorm Verzweifeln ist. Die anderen Charaktere sind ebenfalls gut gezeichnet, werden mir aber nicht so stark in Erinnerung bleiben.
Etwas irritiert haben mich die beiden Erzählperspektiven Margos, die der Leserschaft vorgaukeln sollen, dass der Roman möglicherweise real ist und/oder eine Metaebene damit öffnen will, was ich unnötig fand. Nach einiger Zeit hab ich mich aber daran gewöhnt. Sprachlich ist es solide, aber keine Überraschung. Es lebt von den Dialogen und dem Zwischenmenschlichen.
Es ist wunderbarer, kurzweiliger Roman, der sich mit wichtigen Themen unserer Zeit beschäftigt.

Bewertung vom 13.01.2025
BILLIE 'Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden'
Cordes, Stefan

BILLIE 'Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden'


ausgezeichnet

Billie ist noch ein Kind, als Greifswald belagert und ihr Haus von den Katholiken besetzt wird. Hautnah bekommt sie den 30-jährigen Krieg mit und versucht ihn zu überstehen. Ihr größter Trost ist die Poesie. Sie will eine große Dichterin werden, dabei darf sie nicht mal lesen oder schreiben. Frauen und Mädchen haben strenge Rollen zu erfüllen und müssen dem Mann gehorchen.

„Billie - ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden“ von Stefan Cordes erzählt das Leben von Sibylla Schwarz, die im 17. Jh. eine der wenigen Dichterinnen war. Dabei orientiert er sich bei diesem Roman dicht an ihrem Leben und lässt sie auch selbst mit ihren Gedichten, die ins heutige Deutsch transkribiert wurden, zu Wort kommen.

Das Buch hat mich tief beeindruckt. Billie war mir sehr nah. Sie war ein unglaublich starkes, mutiges und schlaues Mädchen, das sich allen Widrigkeiten zum Trotz ihrer Leidenschaft gewidmet hat und auch die anderen Frauen in ihrem Leben haben sich nicht unterkriegen lassen. Da ist Ide, die Magd, die mich immer zum Lachen gebracht hat und Billies Schwester Emi, die sich ihr Strahlen, trotz der Grausamkeit der Zeit, bewahren konnte. Die Männer waren hingegen, bis auf einige Ausnahmen und nicht anders zu erwarten, sagen wir, schwierig. Sie haben sich eingerichtet in Patriarchat und Misogynie, inklusive der (Zwangs)Heirat von Mädchen, die meist nicht mehr waren als Haushälterinnen und Analphabetinnen, und Hexenverbrennungen. Das alles schildert Stefan Cordes ungeschönt, was ich ihm als Mann hoch anrechne. Er verschließt die Augen nicht oder versucht etwas zu beschönigen.

Er hat es geschafft, der Ich-Erzählerin Billie eine passende und poetische Sprache zu verleihen, die nie anstrengend wird. Man taucht darin ein und merkt gar nicht, wie die kurzen Kapitel an einem vorbeirauschen. Er macht das 17. Jh. nahbar, kleidet es in besonderer Form in ein modernes Gewand und schenkt uns die Wiederentdeckung einer großen Dichterin, die von ihrer Zeit und den Männern zum Schweigen gebracht werden sollte.

Bewertung vom 26.12.2024
Die Wortlosen
Haass-Pennings, Marion

Die Wortlosen


ausgezeichnet

Moon ist klein, als ihr Bruder Ulli stirbt und das Schweigen um seinen Tod wird noch durch einen Umzug verstärkt. Als Teenager versucht sie die verlorene Verbindung zu ihm wiederzuerwecken, doch ihre Mutter ertränkt ihren Kummer und ihr Vater geht lieber arbeiten, was wohl auch besser so ist. Dann kommt es zu komischen Aussetzern, welche die lang verdrängten Bilder heraufbeschwören und Moon muss sich der Vergangenheit stellen. Nur Freundin und Nachbarin Tessa steht ihr bei, was wirklich nicht immer leicht ist.
„Die Wortlosen“ von Marion Haass-Pennings ist mein Überraschungshighlight diesen Jahres und keine leichte Kost. Schon ab dem Prolog merkt man, dass das etwas ganz schön im Argen liegt. Schnell hatte ich das Gefühl, dass da etwas in der Familie passiert ist und Ullis Tod kein Badeunfall war. Moon ist die einzige Erzählerin und keinesfalls zuverlässig, was umso authentischer ist, da sie stark traumatisiert zu sein scheint - sie weiß es einfach nicht besser, kann Erinnerungen nicht richtig abrufen und verliert später sogar Zeit. Doch irgendwann wird ihr klar, dass etwas schrecklich passiert sein muss und das es totgeschwiegen wird.
Marion Haass-Pennings versteht es, Lücken zu lassen und einem beim Lesen genau den richtigen Raum zu geben. Sie deutet an, zeigt, aber erklärt nichts. Sie beherrscht „Show don’t tell“ und zieht einen so in eine Geschichte, die verwirrend und schmerzhaft ist und mich noch länger nicht loslassen wird. Auch sprachlich hat es mich tief beeindruckt. Ich freue mich sehr, dieses Debüt entdeckt zu haben und auf zahlreiche weitere Romane aus Marion Haass-Pennings Feder.

Bewertung vom 12.12.2024
Carmilla
Le Fanu, Sheridan

Carmilla


gut

Laura lebt mit ihrem Vater auf einem entlegenen Schloss, da ist jede Abwechslung willkommen. Doch aus dem angekündigten Besuch einer Bekannten wird leider nichts. Was für ein Glück, dass gerade vor ihrem Tor eine Kutsche heranrast und umkippt. Eine junge Frau, Carmilla, wird in der Obhut von Lauras Vater gelassen. Sie nehmen diese wunderschöne Fremde auf, nicht nur, um der Mutter einen Gefallen zu tun, sondern auch damit Laura Gesellschaft hat. Nur kurze Zeit später beginnen, junge Frauen in der Umgebung dahinzusiechen und auch Laura wird von ungewöhnlichen Begegnungen heimgesucht.
„Carmilla“ von Joseph Thomas Sheridan le Fanu ist einer der erste Vampirroman und noch 26 Jahre vor Bram Stokers Dracula erschienen. Im Mittelpunkt steht ein weiblicher Vampir, doch an der Geschichte an sich hat sich nicht viel geändert. Da hat sich wohl jemand stark inspirieren lassen. Leider muss ich gestehen, dass der Roman nicht gut gealtert ist. Sprachlich ist es sehr anstrengend. Lange Schachtelsätze, hochgestochene Sprache. Ja ich weiß, früher war es so, aber ich muss es nicht gut finden und ich habe mich oft dabei erwischt, wie ich abgedriftet bin. Außerdem empfinde ich das Thema Vampir als auserzählt. Ist die Zeit der Vampire nicht schon längst vorbei?
Drangeblieben bin ich, weil es nur 144 Seiten sind, eher eine Erzählung als ein Roman und natürlich alles sehr vorhersehbar. Die ausdrücklich erwähnte sexuelle Spannung hab ich dabei irgendwie überlesen. Trotzdem fand ich es interessant und ich kann mir vorstellen, dass es damals (Mitte des 19. Jahrhunderts) ungewöhnlich war, dass nicht nur eine Frau die Erzählerin und das Opfer war, sondern auch die Übeltäterin. Wahrscheinlich beantwortet das auch meine Frage, warum Dracula so viel größer geworden ist. Ein Mann als grausamer Täter, Mina als Opfer und Jonathan als Erzähler, sind halt auch zwei Männer der Tat und ein weibliches Opfer. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 28.11.2024
Lorettas letzter Trip
Calie, Edie

Lorettas letzter Trip


ausgezeichnet

Caro hat ein geordnetes Leben, es läuft bei ihr. Sie hat einen guten Job, der ihr Spaß macht, einen Partner, den sie liebt und sie achtet auf ihre Körper: gesunde Ernährung, Yoga, keine Exzesse. Doch dann klingelt die Polizei an ihrer Tür und teilt ihr mit, dass ihre Ehefrau Loretta gestorben ist. Sie würde dem am liebsten keine Bedeutung zu messen, aber die Vergangenheit lässt sich nicht so leicht abschütteln.
„Lorettas letzter Trip“ von Edie Calie ist ein wunderbarer Roman. Er ist witzig und absurd, aber auch ernsthaft und kritisch. Caro begibt sich eher ungewollt gleich auf mehrere Trips, die immer amüsant sind und absolut den Zeitgeist treffen. Er verbindet Welten, die nicht zusammenpassen und öffnet Grenzen, so wie Caro sich öffnet.
Der Roman lebt von den Figuren, allen voran Caro selbst, die mir anfangs etwas unsympathisch war, die aber Seite um Seite mein Herz erobert hat, vor allem in den Tagebuchkapiteln. Aber auch Anna und August, Lorettas Mitbewohner*innen, die mit dabei sind, um ihren letzten Willen zu erfüllen und der eigentlich ein Schmäh war, geben noch mal ordentlich Würze hinein. Edie Calie hat für mich die perfekte Mischung gefunden. Zum einen in den Wechseln aus personaler Erzählung im Heute und den Zeitsprüngen in den Tagebuchkapiteln, die uns in Lorettas und Caros Freundschaft und dessen Bruch mitnehmen. Zum anderen hat sie das Wienerische perfekt dosiert, sodass ich die Atmosphäre aufsaugen konnte, ohne über Worte und Formulierungen zu stolpern. Auch sprachlich liefert sie ab, baut gelungene Metaphern ein und hält die Spannung oben, sodass man das Buch gar nicht zur weglegen möchte. Wirklich ein ganz besondere Trip. Und wer wissen möchte, welche Rolle die Beatles bei all dem spielen, muss es wohl lesen.

Bewertung vom 14.11.2024
White Lives Matter
Kuhnke, Jasmina

White Lives Matter


sehr gut

Anna lebt als Weiße in einer Schwarzen Welt. Den allgegenwärtigen Rassismus und die Marginalisierung will sie nicht wahrhaben. Sie will kein Opfer sein. Bis ein schreckliches Ereignis sie erkennen lässt, dass sie es nicht in der Hand hat. Sie kann nicht verhindern, dass sie diskriminiert und abgewertet wird, denn das Narrativ der dummen, faulen, ausländischen Weißen ist zu tief in den Köpfen der Schwarzen Bevölkerung verankert, doch sie kann nicht mehr hinnehmen, dass es so bleibt.
Ich habe mich sehr auf „White Lives Matter“ von Jasmina Kuhnke gefreut. Zum einen, weil ich ihr Debüt „Schwarzes Herz“ unfassbar gut fand und zum anderen, weil ich den Ansatz des Buches spannend, aber vor allem wichtig finde. Ich hatte eine hohe Erwartungshaltung und leider wurde diese enttäuscht. Nicht vom Plot, nicht von der Idee, sondern von der Umsetzung. Die Perspektive ist nicht immer eindeutig, rückt manchmal weg von Protagonistin Anna, was mich verwirrte. Und es wird unheimlich viel berichtet, im Sinne von „Tell“. Dem Ratschlag „Show, don’t tell“ wurde hier leider zu selten gefolgt und auch die messerscharfen Metaphern haben mir gefehlt. Das alles hatte Jasmina Kuhnkes Debüt, mit dem sie bereits bewiesen hat, dass sie eine tolle Autorin ist. Hier hat sie das Werkzeug anscheinend hinten angestellt.
Nichtsdestotrotz ist „White Lives Matter“ wichtig. Dieses Thema ist eines der wichtigsten in unserer Gesellschaft und den Spieß umzudrehen, sollte uns (Weißen, privilegierten) vor Augen führen, dass nur eine Stellstraube in der Geschichte anders hätte sein müssen und wir die Marginalisierten, die Ausgebeuteten hätten sein können, denen alles, aber auch wirklich alles, abgesprochen wird.
Mich hätte das Buch mit Sicherheit auch ohne die Umkehr von Schwarz und Weiß berührt, denn mich fassen Grausamkeiten gegenüber Menschen, egal welcher Hautfarbe und Herkunft an, aber so geht leider noch nicht genug Menschen und daher ist dieser Roman wichtig, auch wenn er mich stilistisch nicht überzeugen konnte.

Bewertung vom 07.11.2024
Das Comeback
Berman, Ella

Das Comeback


ausgezeichnet

Grace ist untergetaucht. Ein Jahr war der Stern Hollywoods vom Firmament verschwunden und hat sich bei ihren Eltern verkrochen. Doch dort kann sie nicht bleiben und so kehrt sie zurück, muss sich ihrer Vergangenheit stellen und sich mit ihren Teenagerjahren auseinandersetzen, die sie unter den Fittichen ihres Gönners Able verbracht hat. Er hat sie groß gemacht und er erinnerte sie immer daran, dass sie ohne ihn nichts wäre. Grace muss sich endlich eingestehen, dass sie zum Opfer gemacht wurde, was sie nur schwer ertragen kann und sie beschließt sich gegen den mächtigsten Mann Hollywoods zur Wehr zu setzen.
„Das Comeback“ von Ella Berman gehört zu meinen Highlights des Jahres. Nicht nur finde ich die Themen rund um Me-Too, Grooming und Machtmissbrauch unglaublich wichtig, hier werden sie auch noch unfassbar gut verpackt. Grace ist ein gefallener Star, mit gerade mal Anfang zwanzig, weil sie viel zu früh in dieses Haifischbecken geworfen wurde und an einen Mann geriet, der ihre Unsicherheit ausnutzte. Das haben wir alle schon oft mitbekommen und Ella Berman zieht uns ganz nah heran, sodass wir Graces Ohnmacht, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung mitempfinden, aber wir dürfen auch dabei sein, als sie zurückschlägt.
Anfangs hat es zwar ein paar Längen, allerdings macht Ella Berman diese mit ihrem tollen Stil wett und man erträgt Graces Suhlerei in Selbstmitleid und Lethargie durch die eindrücklichen Rückblenden und nicht zuletzt, weil man bereits ahnt, dass sie es da raus schafft. Und nicht nur sie empowert sich, sondern auch ihre Schwester, die ihre eigenen Probleme mitbringt und mit der es nach Jahren des Schweigens zu einer Annäherung kommt. Die Emotionen, die transportiert werden sind einnehmend und klingen lange nach.
Der Roman erzählt keine neue Geschichte, wir haben schon oft von Missbrauch in der Filmbranche gehört und gelesen, trotzdem möchte ich „Das Comeback“ allen ans Herz legen, die die Augen davor nicht länger verschließen wollen.