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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Desiree
Wohnort: 
Wanne-Eickel

Bewertungen

Insgesamt 117 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2024
Carmilla
Le Fanu, Sheridan

Carmilla


gut

Laura lebt mit ihrem Vater auf einem entlegenen Schloss, da ist jede Abwechslung willkommen. Doch aus dem angekündigten Besuch einer Bekannten wird leider nichts. Was für ein Glück, dass gerade vor ihrem Tor eine Kutsche heranrast und umkippt. Eine junge Frau, Carmilla, wird in der Obhut von Lauras Vater gelassen. Sie nehmen diese wunderschöne Fremde auf, nicht nur, um der Mutter einen Gefallen zu tun, sondern auch damit Laura Gesellschaft hat. Nur kurze Zeit später beginnen, junge Frauen in der Umgebung dahinzusiechen und auch Laura wird von ungewöhnlichen Begegnungen heimgesucht.
„Carmilla“ von Joseph Thomas Sheridan le Fanu ist einer der erste Vampirroman und noch 26 Jahre vor Bram Stokers Dracula erschienen. Im Mittelpunkt steht ein weiblicher Vampir, doch an der Geschichte an sich hat sich nicht viel geändert. Da hat sich wohl jemand stark inspirieren lassen. Leider muss ich gestehen, dass der Roman nicht gut gealtert ist. Sprachlich ist es sehr anstrengend. Lange Schachtelsätze, hochgestochene Sprache. Ja ich weiß, früher war es so, aber ich muss es nicht gut finden und ich habe mich oft dabei erwischt, wie ich abgedriftet bin. Außerdem empfinde ich das Thema Vampir als auserzählt. Ist die Zeit der Vampire nicht schon längst vorbei?
Drangeblieben bin ich, weil es nur 144 Seiten sind, eher eine Erzählung als ein Roman und natürlich alles sehr vorhersehbar. Die ausdrücklich erwähnte sexuelle Spannung hab ich dabei irgendwie überlesen. Trotzdem fand ich es interessant und ich kann mir vorstellen, dass es damals (Mitte des 19. Jahrhunderts) ungewöhnlich war, dass nicht nur eine Frau die Erzählerin und das Opfer war, sondern auch die Übeltäterin. Wahrscheinlich beantwortet das auch meine Frage, warum Dracula so viel größer geworden ist. Ein Mann als grausamer Täter, Mina als Opfer und Jonathan als Erzähler, sind halt auch zwei Männer der Tat und ein weibliches Opfer. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 28.11.2024
Lorettas letzter Trip
Calie, Edie

Lorettas letzter Trip


ausgezeichnet

Caro hat ein geordnetes Leben, es läuft bei ihr. Sie hat einen guten Job, der ihr Spaß macht, einen Partner, den sie liebt und sie achtet auf ihre Körper: gesunde Ernährung, Yoga, keine Exzesse. Doch dann klingelt die Polizei an ihrer Tür und teilt ihr mit, dass ihre Ehefrau Loretta gestorben ist. Sie würde dem am liebsten keine Bedeutung zu messen, aber die Vergangenheit lässt sich nicht so leicht abschütteln.
„Lorettas letzter Trip“ von Edie Calie ist ein wunderbarer Roman. Er ist witzig und absurd, aber auch ernsthaft und kritisch. Caro begibt sich eher ungewollt gleich auf mehrere Trips, die immer amüsant sind und absolut den Zeitgeist treffen. Er verbindet Welten, die nicht zusammenpassen und öffnet Grenzen, so wie Caro sich öffnet.
Der Roman lebt von den Figuren, allen voran Caro selbst, die mir anfangs etwas unsympathisch war, die aber Seite um Seite mein Herz erobert hat, vor allem in den Tagebuchkapiteln. Aber auch Anna und August, Lorettas Mitbewohner*innen, die mit dabei sind, um ihren letzten Willen zu erfüllen und der eigentlich ein Schmäh war, geben noch mal ordentlich Würze hinein. Edie Calie hat für mich die perfekte Mischung gefunden. Zum einen in den Wechseln aus personaler Erzählung im Heute und den Zeitsprüngen in den Tagebuchkapiteln, die uns in Lorettas und Caros Freundschaft und dessen Bruch mitnehmen. Zum anderen hat sie das Wienerische perfekt dosiert, sodass ich die Atmosphäre aufsaugen konnte, ohne über Worte und Formulierungen zu stolpern. Auch sprachlich liefert sie ab, baut gelungene Metaphern ein und hält die Spannung oben, sodass man das Buch gar nicht zur weglegen möchte. Wirklich ein ganz besondere Trip. Und wer wissen möchte, welche Rolle die Beatles bei all dem spielen, muss es wohl lesen.

Bewertung vom 14.11.2024
White Lives Matter
Kuhnke, Jasmina

White Lives Matter


sehr gut

Anna lebt als Weiße in einer Schwarzen Welt. Den allgegenwärtigen Rassismus und die Marginalisierung will sie nicht wahrhaben. Sie will kein Opfer sein. Bis ein schreckliches Ereignis sie erkennen lässt, dass sie es nicht in der Hand hat. Sie kann nicht verhindern, dass sie diskriminiert und abgewertet wird, denn das Narrativ der dummen, faulen, ausländischen Weißen ist zu tief in den Köpfen der Schwarzen Bevölkerung verankert, doch sie kann nicht mehr hinnehmen, dass es so bleibt.
Ich habe mich sehr auf „White Lives Matter“ von Jasmina Kuhnke gefreut. Zum einen, weil ich ihr Debüt „Schwarzes Herz“ unfassbar gut fand und zum anderen, weil ich den Ansatz des Buches spannend, aber vor allem wichtig finde. Ich hatte eine hohe Erwartungshaltung und leider wurde diese enttäuscht. Nicht vom Plot, nicht von der Idee, sondern von der Umsetzung. Die Perspektive ist nicht immer eindeutig, rückt manchmal weg von Protagonistin Anna, was mich verwirrte. Und es wird unheimlich viel berichtet, im Sinne von „Tell“. Dem Ratschlag „Show, don’t tell“ wurde hier leider zu selten gefolgt und auch die messerscharfen Metaphern haben mir gefehlt. Das alles hatte Jasmina Kuhnkes Debüt, mit dem sie bereits bewiesen hat, dass sie eine tolle Autorin ist. Hier hat sie das Werkzeug anscheinend hinten angestellt.
Nichtsdestotrotz ist „White Lives Matter“ wichtig. Dieses Thema ist eines der wichtigsten in unserer Gesellschaft und den Spieß umzudrehen, sollte uns (Weißen, privilegierten) vor Augen führen, dass nur eine Stellstraube in der Geschichte anders hätte sein müssen und wir die Marginalisierten, die Ausgebeuteten hätten sein können, denen alles, aber auch wirklich alles, abgesprochen wird.
Mich hätte das Buch mit Sicherheit auch ohne die Umkehr von Schwarz und Weiß berührt, denn mich fassen Grausamkeiten gegenüber Menschen, egal welcher Hautfarbe und Herkunft an, aber so geht leider noch nicht genug Menschen und daher ist dieser Roman wichtig, auch wenn er mich stilistisch nicht überzeugen konnte.

Bewertung vom 07.11.2024
Das Comeback
Berman, Ella

Das Comeback


ausgezeichnet

Grace ist untergetaucht. Ein Jahr war der Stern Hollywoods vom Firmament verschwunden und hat sich bei ihren Eltern verkrochen. Doch dort kann sie nicht bleiben und so kehrt sie zurück, muss sich ihrer Vergangenheit stellen und sich mit ihren Teenagerjahren auseinandersetzen, die sie unter den Fittichen ihres Gönners Able verbracht hat. Er hat sie groß gemacht und er erinnerte sie immer daran, dass sie ohne ihn nichts wäre. Grace muss sich endlich eingestehen, dass sie zum Opfer gemacht wurde, was sie nur schwer ertragen kann und sie beschließt sich gegen den mächtigsten Mann Hollywoods zur Wehr zu setzen.
„Das Comeback“ von Ella Berman gehört zu meinen Highlights des Jahres. Nicht nur finde ich die Themen rund um Me-Too, Grooming und Machtmissbrauch unglaublich wichtig, hier werden sie auch noch unfassbar gut verpackt. Grace ist ein gefallener Star, mit gerade mal Anfang zwanzig, weil sie viel zu früh in dieses Haifischbecken geworfen wurde und an einen Mann geriet, der ihre Unsicherheit ausnutzte. Das haben wir alle schon oft mitbekommen und Ella Berman zieht uns ganz nah heran, sodass wir Graces Ohnmacht, ihren Schmerz und ihre Verzweiflung mitempfinden, aber wir dürfen auch dabei sein, als sie zurückschlägt.
Anfangs hat es zwar ein paar Längen, allerdings macht Ella Berman diese mit ihrem tollen Stil wett und man erträgt Graces Suhlerei in Selbstmitleid und Lethargie durch die eindrücklichen Rückblenden und nicht zuletzt, weil man bereits ahnt, dass sie es da raus schafft. Und nicht nur sie empowert sich, sondern auch ihre Schwester, die ihre eigenen Probleme mitbringt und mit der es nach Jahren des Schweigens zu einer Annäherung kommt. Die Emotionen, die transportiert werden sind einnehmend und klingen lange nach.
Der Roman erzählt keine neue Geschichte, wir haben schon oft von Missbrauch in der Filmbranche gehört und gelesen, trotzdem möchte ich „Das Comeback“ allen ans Herz legen, die die Augen davor nicht länger verschließen wollen.

Bewertung vom 07.11.2024
Trinken wie ein Dichter

Trinken wie ein Dichter


ausgezeichnet

„Trinken wie ein Dichter“ ist nicht nur von Außen ein Hingucker. Auch inhaltlich hält das Büchlein, was es verspricht. Chronologisch führt es uns bis ins heute. Doch nicht nur die Rezepte laden zum Ausprobieren ein, wobei immer gleich dabei steht, für wie viele Personen es ist, es gibt ebenfalls kleine Anekdoten, Zitate oder Triviales zu der*m jeweiligen Autor*in . Zwischendurch entführt es in die Welt der Literarischen Salons und zum Schluss gibt es noch Tipps für den Kater danach.
„Trinken wie ein Dichter“ ist ein schönes Geschenk und ein Muss für jede*n Literaturbegeisterte*n, denn es setzt die Schmökernden mit den Großen der Szene in einen Sessel, einen Sommerstuhl oder an einen Tisch. Wer wollte nicht mal probieren, womit James Baldwin, Raymond Chandler, Agatha Christie oder Ian Fleming sich abgeschossen haben oder welche Mischung zur wahren Inspiration geführt hat. Dabei muss man nicht nur auf alkoholisches zurückgreifen, es gibt auch einige Rezepte, die tatsächlich alkoholfrei sind oder die man ohne Alkohol zubereiten könnte. Allerdings sollte man manches dann doch mit Vorsicht genießen.
Besonders haben mir die einleitenden Worte zu jedem Getränk gefallen. Sie machen diese großartigen, respekteinflößenden Schriftsteller*innen nahbarer gemacht haben, denn auch sie sind Menschen und greifen hin und wieder zu einem gepflegten Gläschen. Auch die Illustrationen zu jedem Rezept mochte ich sehr.
Ein sehr schönes Büchlein, das man im Salon oder im einfachen Wohnzimmer liegen lassen kann, damit Gäste oder man selbst immer wieder darin blättern, ein wenig schmökern und sich inspirieren lassen kann, um sich dann einen Drink zu mixen, den schon Bret Easton Ellis oder Maya Angelous getrunken haben.

Bewertung vom 04.11.2024
Bright Young Women
Knoll, Jessica

Bright Young Women


ausgezeichnet

Pamela ist Vorsitzende ihres Verbindungshauses, als eines Nachts ein Mann einbricht und zwei Bewohnerinnen schwer verletzt und zwei tötet, darunter ihre beste Freundin Denise. Pamela wird zur Hauptzeugin, da sie den Täter gesehen hat. So lernt sie Tina kennen, die ihre Partnerin Ruth durch denselben Mann verloren hat. Gemeinsam kämpfen sie darum, den Angeklagten seiner gerechten Strafe zuzuführen - gegen alle Widrigkeiten, die ihnen durch die Berichterstattung und Misogynie in den Weg gelegt werden.
„Bright Young Women“ von Jessica Knoll (mal wieder eine Empfehlung der fantastischen Anika Landsteiner) hat mich tief berührt und auf unzählige Weisen abgeholt. Ich bin True-Crime-Fan und der Roman bedient sich eines der spektakulärsten Verbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts, wobei die zahlreichen Dokus und Filme nur auf den Täter eingehen. Der rückt hier in den Hintergrund; wird er betrachtet oder kommt er zu Wort, ist das kritisch. Die Opfer und Frauen stehen im Vordergrund, so wie es sein sollte.
Durch Pamelas und Ruths Augen werden nicht nur der Täter und die Auswirkungen seiner Tat veranschaulicht, sondern auch die herrschende Misogynie und die patriarchalen Strukturen verdeutlicht. Pam ist Jurastudentin, hochintelligent und wird trotzdem immer wieder herabgesetzt. Ruths Sexualität verleugnet und bestraft. Doch wie alle anderen Frauen des Romans lassen sie sich nicht unterkriegen.
Und dann ist da noch Jessica Knolls schriftstellerisches Talent, das mich einfach umgehauen hat. Ihr szenischer Stil, ihre gewählten Metaphern und der eingefangene Zeitgeist erzeugen eine enorme Sogwirkung, was durch die verschiedenen Zeiten und Perspektiven noch verstärkt wird. Dabei gelingt es ihr, Ruth und Pamela ihre eigene Stimme zu geben, eine Stimme, die unbedingt gehört werden muss. Und die Übersetzung schafft all das hervorragend zu übertragen.
Es ist mehr als ein True-Crime-Buch, es ist ein eindringlicher, kluger Roman.

Bewertung vom 14.10.2024
Bällende Hunde
Maria, Luca

Bällende Hunde


ausgezeichnet

Theo verkackt gerade sein Leben. Sein Studium schiebt er vor sich her, aus seiner Wohnung fliegt er nur nicht, weil sein Vermieter ihn nicht zu packen bekommt, seine Freundin weiß er nicht zu schätzen und seinen Job hasst er. Dann stirbt auch noch sein Bruder Luis, zu dessen Beerdigung er nicht geht, weil er seine Zuwendung zum Glauben nicht verstehen kann und deswegen mit ihm gebrochen hat. Doch das Erbe und das damit verbundene Geld, welches er wirklich dringend benötigt, ist an einen Roadtrip mit Jacob, Luis‘ Glaubensbruder geknüpft und so begibt er sich auf eine Reise, die alles von ihm abverlangt.
Diese Rezension von Luca Marias „Bällende Hunde“ ist mir eine Herzensangelegenheit, denn ich kenne Luca persönlich und durfte diesen wunderbaren Roman schon vor einem Jahr lesen, als Luca noch auf der Suche nach einem Verlag war. Ich habe gefeiert, als es endlich geklappt hat und noch mehr, als ich das Buch endlich in den Händen hielt.
Ich habe „Bällende Hunde“ nun ein zweites Mal gelesen und bin immer noch begeistert von diesem Debüt. Es ist witzig, manchmal absurd, stellt die richtigen Fragen und bringt einen zum Nachdenken über Toleranz, Freundschaft und Vergebung. Mich hat der Roman bereits vor einem Jahr beeindruckt und tut es jetzt erneut. Die Qualität, die er hier abliefert, findet man nicht oft und so bin ich froh, dass der Hansanord-Verlag ihm eine Chance gegeben hat.
Auch wenn es so anmutet, ist es kein schnöder Roman über das Christentum oder den Glauben, es steckt noch viel mehr drin und wer wissen will, was Rocker, eine Fremdgeh-App, eine Stripperin und ein narkoleptischer Hund damit zu tun haben, muss das Buch selbst lesen.

Bewertung vom 10.10.2024
Antichristie
Sanyal, Mithu

Antichristie


sehr gut

Durgas Mutter, eine Möchtegernfreiheitskämpferin, ist gestorben, abwesend war sie dagegen schon lange. Doch anstatt, um sie zu trauern, reist Durga nach London, um in einem Writer’s Room an einer Neuverfilmung von Agatha Christies Krimis mitzuarbeiten. Darüber sind nicht alle glücklich. Als dann auch noch die Queen stirbt, sehen die Demonstrant*innen ihr kulturelles Erbe in Gefahr. Ohne Vorwarnung landet Durga im Jahr 1906 im Indian House und ist plötzlich Sanjeev. Dort trifft er auf Revolutionäre, die gegen die Kolonialisierung kämpfen.
„Antichristie“ von Mithu Sanyal ist keine leichte Lektüre. Was nicht allein an den Zeitreisen liegt. Durga springt nicht nur zwischen 2022 und 1906 hin und her, wird einmal Sanjeev und dann wieder Durga, sondern kann die andere Person und dessen Erinnerung anzapfen. Die Perspektiven scheinen zu verschwimmen.
Beeindruckend ist, dass dabei so viel Wissen über den indischen Kolonialismus und den Widerstandskampf vermittelt wird. Es werden Namen genannt, die ich noch nie gehört habe, denn sie stehen nicht auf dem Lehrplan (ich hatte sogar Geschichts-LK), anscheinend ebenso wenig in England. Mithu Sanyal lässt Durga immer wieder ihren Pazifismus und ihre internalisierten Glaubenssätze hinterfragen und meine gleich mit. Die Diversität des Writer’s Rooms öffnet den Horizont noch ein wenig mehr.
Verpackt ist das alles nicht nur in einen Zeitreiseroman, sondern auch in eine Detektivgeschichte. Agatha Christie spielt in Durgas 2022 eine große Rolle und bei Sanjeev taucht plötzlich Sherlock Holmes auf und klärt mit ihm ein Verbrechen auf.
Ich bin tatsächlich zwiegespalten. Einerseits möchte ich „Antichristie“ feiern, wegen der Themen, wegen der Wissensvermittlung und wegen Mithu Sanyals Können als Autorin, denn wie wunderbar kann sie schreiben! Andererseits war der Roman auch verwirrend, manchmal war es schwierig, zu folgen - es war schlichtweg anstrengend.
Es ist also kein Roman für zwischendurch, aber wer eine Herausforderung sucht, ist hier richtig.

Bewertung vom 22.09.2024
Die vorletzte Frau
Oskamp, Katja

Die vorletzte Frau


ausgezeichnet

Neunzehn Jahre und ein wenig mehr lässt die Ich-Erzählerin, die Katja Oskamp wohl selbst ist, Revue passieren. Neunzehn Jahre einer Beziehung mit dem Schriftsteller Tosch. Doch da ist nicht nur diese Liebe zu ihrem Lebensmensch, sondern auch die zu ihrer Tochter, die niemals außen vor ist.
„Die vorletzte Frau“ von Katja Oskamp ist kein klassischer Roman. Dafür basiert er zu stark auf Katja Oskamps Leben und ja ich habe öfters Parallelen gesucht und gefunden. Das tut dem Buch aber keinen Abbruch. Es gibt trotzdem einen roten Faden - die Beziehung zu Tosch - und auch die Weiterentwicklung der Erzählerin ist kristallklar zu erkennen. Es ist ein Leben gedruckt in einem Roman.
Es hat mir ausgesprochen gut gefallen und das, obwohl Katja Oskamp in die Falle der fürsorglichen Frau tappt, ohne mit Tosch eine Ehe einzugehen. Er ist das Paradebeispiel eines Mannes, der sich nicht binden, der seine Freiheit nicht aufgeben will und trotzdem die Vorteile einer Beziehung hat. Das hat mich oft die Augen rollen lassen, denn ich führe nicht nur eine Ehe, die gleichberechtigt ist und in der wir teilen, sondern kann mir auch gar nicht vorstellen, dass es anders sein könnte. Ich kam nicht umhin, „Die vorletzte Frau“ als Beobachtung einer aussterbenden Art von Beziehung zu betrachten - in der der Mann umsorgt wird, die Regeln macht, ohne sie tatsächlich benennen müssen und die Frau ganz selbstverständlich tut, macht, buckelt und sich aufreibt in der ganzen Maloche.
Das alles beschriebt Katja Oskamp präzise mit einem ganz besonderen Gespür für Sprache, welches sie wohl zum Teil auch dem realen Tosch verdankt. Ihr Blick ist mitnichten der eines Hausfrauchens. Sie ist eine Macherin, was mir Mut gemacht hat und sie schildert ungeschönt Krankheit, Pflegebedürftigkeit und auch den Schmerz.
Und jetzt muss ich Katja Oskamps andere Bücher lesen, denn ich möchte mehr von diesen Beobachtungen, die ganz nah am Leben sind.

Bewertung vom 18.09.2024
Der längste Schlaf
Raabe, Melanie

Der längste Schlaf


sehr gut

Mara Lux ist Schlafforscherin, was paradox scheint, denn sie selbst meidet Schlaf, vor allem das Träumen, weil sich schon mancher ihrer Träume bewahrheitet hat. Als sie die Nachricht bekommt, dass sie in Deutschland ein Herrenhaus geschenkt bekommen soll, stutzt sie. Ihrer alten Heimat hatte sie schon lange den Rücken gekehrt und lebt in London. Doch dieses Geschenk von einem Unbekannten macht sie neugierig und dann ist da noch ihr letzter Traum, der zu Teilen schon in die Realität geschwappt ist und sie beschließt dem Ganzen auf den Grund zu gehen.
Vorweg: Ich bin Melanie Raabe Fan. Ich liebe ihre Thriller und ebenso den vorherigen Roman habe ich verschlungen. Ich bin also voreingenommen gewesen und mit einer gewissen Erwartungshaltung an „Der längste Schlaf“ gegangen. Leider hat er mich nicht so abgeholt wie ihre anderen Bücher.
Mara ist ein spannender Charakter und auch Setting, Plot und die Kurve zum magischen Realismus fand ich toll. Es ist spannend - da merkt man, wo Melanie Raabe ihre Anfänge hat, und das kann sie, ohne auf billige Tricks und falsche Fährten zugreifen zu müssen. Doch zu Beginn hab ich schwer hineingefunden, bin über Formulierungen gestolpert, was ich so gar nicht von ihr kenne, weil sie auch sprachlich immer gekonnt abliefert. Es wirkte etwas unkonzentriert und nicht bis zur absoluten Perfektion geschliffen, wie bei den vorherigen Büchern. Später wurde es besser, was vielleicht auch an der Spannung lag, die sich immer weiter aufgebaut hat. Das letzte Kapitel hätte ich allerdings nicht gebraucht. Darin werden alle offenen Fragen nochmal sehr ausführlich aufgelöst.
Ich möchte „Der längste Schlaf“ nicht schlecht machen. Es ist ein solider Roman von einer brillanten Schriftstellerin und nur, weil sie mich mit diesem Roman nicht so abgeholt hat, wie mit den Vorgängern, heißt es nicht, dass ich mich nicht schon auf das nächste Buch freue. Melanie Raabe bleibt trotzdem eine Großmeisterin des Schreibens und auch dieses Buch wird viele begeisterte Leser*innen finden.