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A.J.

Bewertungen

Bewertung vom 19.10.2022
Bromley
Aster, Christian von

Bromley


ausgezeichnet

Agentenromanimitationswürfelparadoxon „Bromley – kein Agentenroman“

Der im Oktober 2022 erschiene Roman Bromley, der ursprünglich ein Agentenroman werden sollte und letztendlich etwas ganz anderes, behauptungsweise weit besseres, geworden ist, nämlich eine Geschichte, die sich aus sich selbst herausschrieb, mit übrigens einigen ähnlich verzweigten Sätzen wie diesem hier, konnte demzufolge zur Veröffentlichung nur als Kein Agentenroman herausgegeben werden. Weshalb es theoretisch auch vermessen wäre, tatsächlich einen Autorennamen auf dem Cover zu nennen. Daher ließ der Zweitausendeins-Verlag zwar die Buchstaben Christian von Aster auf das Buch drucken, aber den Namen im Anschluss mehrmals mit rot wieder durchstreichen. Allein dieses Cover verrät, welch gewagter Irrsinn einen in diesem wahrhaft besonderen Buch erwartet.

„Bromley ist ein Agent wie er im Buche steht. Auch in diesem. Allerdings nicht so wie geplant.“

Auf 319 Seiten schafft es die Geschichte, nicht nur den Autor, sondern auch die Leser an sich zu fesseln. Erstgenannten sogar wortwörtlich. Realität und Fiktion vermischen sich vor den eigenen Augen in einer Intensität und Authentizität, dass man das leibhaftige Gefühl erfährt, live bei der Übernahme des ursprünglichen Agententhriller-Narrativs durch eine einarmige Revolverheldin und ihrer auf Rache gesinnten Verbündeten zuzusehen und nichts dagegen unternehmen zu können, außer: weiterzulesen. Denn es sind die Leser, die die Infiltrantin loswerden muss, um ihren teuflischen Plan vollenden zu können und die Kontrolle über den Roman und alle darin befindlichen, inzwischen frei von ihrem Autor agierenden, Figuren zu erlangen. Doch genau das wird ihr, trotz ausgiebiger Klischeenutzung - aufgrund liebevoll und detailreich durchdachter Clous, Wendepunkte und einem wahrlich bunt, offen und fein gezeichneten Figurenarsenal … nicht nur aus dem ursprünglichen Roman des vermeintlichen Autors …, dem Witz, der Intelligenz und Dynamik der neu entstehenden Narrativkampfmischerzählung - überaus erschwert. Und während der Protagonist Bromley verschleppt und durch eine Lektorin und einen Liftboy-Statisten ersetzt wird, welcher sich erstaunlich entwickelt und letztendlich mindestens einen Namen verdient hat, inspirieren sich die Antagonisten gegenseitig zu immer raffinierteren und mutigeren Lebens- und Liebeswegen. Zusammen bringen sie nicht nur die Strukturen des alten, sondern auch des neuen Narrativs gefährlich ins Wanken. Diese 'Vendetta'-Geschichte spielt auf so vielen verschiedenen Ebenen, dass einzig die, und ich möchte betonen wie absolut nicht selbstverständlich eine derart umfangreiche Umsetzung durch einen Verlag ist, optische Ebenentrenn-Gestaltungsmeisterleistung des Buches, den Leser durch die immense Komplexität rettet. Und ich wage zu behaupten, dass dieses Werk nicht nur für Buchstabenjunkies, Metaebenenliebhaber/innen und Multifantasietheoriejongleure ein wahres Leckerli ist.

Fazit: Ich liebe das Buch und kann unverblümt dekuvrieren, dass Herrn von Aster ein Meisterwerk gelungen ist, wie es keines in dieser Art je zuvor gegeben hat. Ich empfehle den Lesegenuss ausdrücklich, auch wenn dieses Buch ganz sicher nicht für den leichte-Kost-/ Gelegenheitsleser geschaffen ist – aber das ist diese Rezension ja auch nicht.

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