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VolkerM

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Insgesamt 138 Bewertungen
Bewertung vom 10.04.2025
HEN NA E - Seltsame Bilder
Uketsu

HEN NA E - Seltsame Bilder


weniger gut

Alles beginnt mit einem Bild, gemalt von einem Kind. Es ist ein seltsames Motiv, rätselhaft und auch ein bisschen verstörend. Lässt sich daraus etwas über den Menschen ablesen, der das Bild malte? Enthält es vielleicht verborgene Botschaften? In Uketsus Roman „Seltsame Bilder“ dreht sich alles genau um diese Frage. Am Anfang steht ein Mord ohne Täter und im Lauf der Ermittlungen weitet sich das Geschehen zu einem diabolisch vertuschten Serienmord.

Die Erzählung nutzt verschiedene Zeitebenen, in denen die Ermittlungen ablaufen, verteilt über 20 Jahre. Die kurzen Kapitel betrachten die Ereignisse jeweils aus dem Blickwinkel einer der beteiligten Personen und erst gegen Ende fügen sich alle Puzzleteile in ein gemeinsames Bild zusammen. An mehreren Stellen bekommt die Geschichte durch einen Twist eine völlig neue Richtung, indem verborgene Geheimnisse ans Licht treten, meist kodiert in einer neuen rätselhaften Zeichnung. Das ist über weite Teile spannend inszeniert, allerdings ist Uketsu stilistisch nicht sehr entwickelt. Es ist mir schon oft aufgefallen, dass japanische Kriminalautoren einen starken Hang dazu haben, ihren Plot übermäßig zu erklären. Viele Dialoge dienen nur dazu, einfaches Faktenwissen zu vermitteln, weniger der Figurenzeichnung oder Dramaturgie. Dadurch wirken sie oft hölzern und formal, was letztlich auch für den nicht-dialogischen Schreibstil gilt. Uketsu schreibt in kurzen Sätzen, ohne psychologische Tiefe, wobei mir besonders auffiel, dass im ganzen Roman nicht einmal andeutungsweise die Beschreibung einer Örtlichkeit auftaucht, was bei einem exotischen Setting erhebliche Nachteile für Leser mit sich bringt, die Japan und seine Kultur nicht aus eigener Anschauung kennen. Die Personen bleiben aufgrund der eindimensionalen Dialoge ebenfalls eindimensional, charakterisiert werden sie ausschließlich durch die oft aufdringlich belehrenden Erklärungen aus Autorensicht, die dem Leser keinerlei Interpretationsfreiheit lässt. Auch das sind typische Elemente japanischer Krimiautoren, die mich in ihrer Schlichtheit manchmal an Enid Blyton erinnern. Mich hat das immer sehr gewundert, beruht die japanische Gesellschaft doch nicht unerheblich auf der Fähigkeit, Angedeutetes zu erspüren. Kommen wir zum Schluss noch zur Logik: Ich halte jetzt das Spoilern in Grenzen, aber es gibt zwei eklatante Logikfehler in der Geschichte, die die Auflösung entwerten. Als Hinweis muss genügen: Der Altersabstand zwischen Naomi Konno und Yuki Kameido ist nicht realistisch und Toyokawas Anwesenheit zu einem entscheidenden Zeitpunkt an einem entscheidenden Ort widerspricht seinem tatsächlichen Alibi.

Die Buchausstattung hat mir dagegen ausgesprochen gut gefallen, mit Farbschnitt und Lesebändchen und einem sehr ansprechenden Seitenlayout.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2025
Lyneham (MP3-Download)
Westerboer, Nils

Lyneham (MP3-Download)


sehr gut

Der Mond Perm in einem weit entfernten Sonnensystem soll zum Refugium der Menschheit werden. Als Harry und seine Geschwister mit ihrem Vater auf der „neuen Welt“ landen, sind dort bereits Biosphären errichtet und das Terraforming ist im Gang. Die heimischen Lebensformen sind zwar äußerst seltsam aber friedlich, wäre da nicht die bedrohliche „Anomalie“, die über die Kontinente wandert und deren Absicht nicht erkennbar ist. Wer steuert sie? Und warum? Und wo ist Harrys Mutter abgeblieben, die eigentlich vor ihnen angekommen sein müsste?

Nils Westerboer hat in „Lyneham“ eine bis ins Detail ausgearbeitete Geschichte konstruiert, von einer Tiefgründigkeit und wissenschaftlichen Raffinesse, die man bei Science-Fiction selten findet. Die Ökologie Perms ist genauso klug durchdacht wie die Dramaturgie, die in einer Art Doppelroman einerseits die Geschichte von Harrys Mutter, andererseits die Erlebnisse aus der Sicht Harrys schildert und in jedem Kapitel ein kleines bisschen von der komplexen Wahrheit enthüllt. Westerboer thematisiert die ganz großen Fragen: zur Möglichkeit von extraterrestrischem Leben, dem Zusammenhalt menschlicher Gesellschaften, was eine Familie bedeutet, von Verrat, Vertrauen und Vergebung. Dramatisch und dabei stilistisch exzellent geschrieben. Nicht wenige Dialoge kann man sich auch an die Wand hängen und noch lange darüber nachdenken, wie viel tiefschürfende Weisheit in ihnen steckt.

Gestört hat mich nur, dass die wirklich sehr extreme Landschaft, durch besondere Umstände gebildet, mir bis zum Schluss nicht wirklich vor Augen stand. Die Regionen haben Ortsnamen, die zwar irdischen entlehnt sind, aber mir war nicht wirklich klar, in welchen geografischen Relationen sie zueinander standen, ja nicht einmal, wie groß sie eigentlich waren. Das machte die örtliche Orientierung manchmal schwer, beeinträchtigte die Erzählung inhaltlich aber nicht.

Die Auflösung am Ende ist raffiniert und in sich logisch, was für mich ein wesentliches Qualitätsmerkmal guter Science-Fiction ist. Vielen Geschichten geht zum Schluss die Luft aus oder sie verheddern sich in der eigenen Logik. Bei „Lyneham“ ist alles aus einem Guss.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.04.2025
Winning the Loser's Game
Ellis, Charles D.

Winning the Loser's Game


ausgezeichnet

Das Buch „Winning the Loser's Game“ von Charles D. Ellis ist ein Klassiker der Investmentliteratur, der erstmals 1985 erschien und mittlerweile in der 8. Auflage vorliegt. Es vermittelt die Kernidee, dass Anleger langfristig erfolgreich sind, wenn sie sich auf einfache, bewährte Strategien konzentrieren und emotionale Entscheidungen vermeiden. Ellis argumentiert, dass der Aktienmarkt einem "Verliererspiel" gleicht: Profis versuchen, sich gegenseitig zu übertreffen, aber in einem wettbewerbsintensiven Umfeld ist es wahrscheinlicher, dass Fehler den Unterschied ausmachen und nicht brillante Spielzüge.
Wer daher versucht, mit einzelnen Aktien den Marktdurchschnitt zu schlagen und eine Outperformance zu erzielen, wird am Ende verlieren - so der Anlageexperte.

Ellis betont immer wieder, dass Anleger sich bewusst sein müssen, dass es nicht darum geht, „den Markt zu schlagen“. Vielmehr geht es darum, eine Kombination anderer Faktoren möglichst effizient zu managen, z. B. die eigenen Anlagekenntnisse und -fähigkeiten, die eigene Risikobereitschaft in Bezug auf Vermögen, Einkommen und Liquidität, einen realistischen Zeithorizont, die eigenen finanziellen und psychologischen Bedürfnisse und Ressourcen sowie die kurz- und langfristigen finanziellen Wünsche und Verpflichtungen. Das Ergebnis sollte eine langfristige Vermögensplanung sein, mit der man früh im Leben beginnen sollte, um einerseits den Zinseszinseffekt zu nutzen und andererseits nachhaltige Rückschläge durch Crashs zu vermeiden. Dabei empfiehlt er für den Risikoanteil die Anlage in Indexfonds - wegen der Kosten möglichst in passive, breit gestreute ETFs. Von üblicherweise als risikolos wahrgenommenen Anleihen rät der Experte ab, da deren Kurse fast so stark schwanken können wie die von Aktien und ein schlechter Schutz gegen das Hauptrisiko einer langfristigen Inflation sind.

Ellis gibt viele konkrete Handlungsempfehlungen (langfristige Anlagestrategie, Diversifikation des Vermögens, Entscheidungen mit konkreter Asset Allocation, Effizienz vor Effektivität, kein Market Timing, kein Stock Picking u.v.m.) und erläutert diese so detailliert, dass der Anleger in der Lage ist, seine eigene Strategie zu entwickeln. Bei allen Empfehlungen steht immer die Frage im Vordergrund, ob der Anleger langfristig durchhält, damit die erwartete Durchschnittsrendite auch tatsächlich erreicht werden kann.
Der Autor empfiehlt einen ruhigen, strategischen Anlageansatz, bei dem man sich nicht von kurzfristigen Trends oder Marktbewegungen leiten lässt.

Das Buch hat nichts von seiner Aktualität verloren, bezieht sich aber - und das ist gerade bei den steuerlichen Hinweisen zu beachten - auf den amerikanischen Markt. Die Übersetzung ins Deutsche ist gelungen, die Sprache verständlich und klar.

Das Buch von Ellis ist eine große Hilfe beim Rechnen mit den fünf Unbekannten Anlagerendite, Inflation, Ausgaben, Steuern und Zeitraum und hilft dem Anleger, das "Loser's Game" doch noch zu gewinnen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.04.2025
Dieter Rams
Rams, Dieter

Dieter Rams


ausgezeichnet

Das innovative Design der Firma Braun läutete Ende der Fünfzigerjahre eine neue Ära ein, die im Prinzip immer noch andauert. Aufgeräumte, durchdachte Bedienelemente, klare Linien, einfache geometrische Formen: „Weniger, aber besser“, wie Dieter Rams es in der ersten Auflage seines Klassikers von 1995 beschrieb. Mittlerweile liegt das Buch in der 10. Auflage vor und es hat seinen Status als Klassiker behalten. Sieht man davon ab, dass die Abbildungen nur schwarz-weiß und relativ klein sind, liefert das Werk Grundlegendes zum Braun-Design (und zu Rams‘ Designkonzepten im Allgemeinen) anschaulich und mit vielen werksinternen Hintergrundinformationen. Es ist die kleinere Ausgabe von Rams‘ „catalogue raisonné“, der unter dem Titel „Less and More“ erscheint. Übrigens sind die s/w-Aufnahmen nicht wirklich von Nachteil, denn Schwarz und Weiß waren die prägenden Farben des Braun-Designs - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen bis heute.

Dieter Rams beschreibt nicht nur die (selbst erlebte) Geschichte des Braun Design-Teams, das anfangs noch nicht so hieß, sondern auch die Schritte, die notwendig sind, um formvollendetes Design zu schaffen: Da ist die enge Bindung an technische Limitierungen, überhaupt das technische Know-how, das auch ein Designer braucht und das in der Frühphase viel Koordinationsarbeit erfordert. Dann die schrittweise Entwicklung von der Idee auf dem Papier (heute Bildschirm) über den Modellbau und Prototypen bis hin zum fertigen Produkt. Auch das Konzept der Corporate Identity liegt in den gemeinsamen Händen von Design und Marketing.

Was mich bis heute an Braun Design fasziniert – und dieser Eindruck wird durch die zahlreichen Abbildungen im Buch nur gestärkt – ist die Wiedererkennbarkeit. Und ich meine jetzt nicht das Braun-Logo. Es mögen viele imitieren, erreicht haben es nur die wenigsten. Selbst Braun-Produkte aus den Fünfzigerjahren sehen noch so modern aus, dass man sie problemlos in heutige Einrichtungen integrieren kann, was ebenfalls dafür spricht, dass die Epoche des Braun-Designs eigentlich noch nicht zu Ende ist.

Zum Schluss kommt Dieter Rams auf einige seiner Projekte zu sprechen, die z. T. nicht realisiert oder für andere Firmen als Braun entwickelt wurden. Auch hier sieht man die typische Handschrift, wenn auch nicht mehr so stringent.

„Weniger, aber besser“ ist ein Design-Klassiker, der wohl nie aus der Mode kommen wird.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.04.2025
Train Japan
Wide, Steve;Mackintosh, Michelle

Train Japan


sehr gut

Wir sind seit fast 20 Jahren regelmäßig touristisch in Japan unterwegs und nutzen dafür zu 90% Züge. Die Infrastruktur ist bis in entlegene Winkel exzellent, die Züge sind fast immer pünktlich und sauber, also alles Dinge, die man aus Deutschland nicht kennt. Die Bahn ist auch für Japaner ein wesentlicher Bestandteil der Mobilität. „Japan mit dem Zug entdecken“ ist also eine sehr gute Idee.

Die Autoren stellen in ihrem Buch nicht einzelne Ziele, sondern Strecken vor, die sowohl landschaftlich als auch kulturell interessant sind. Oft sind mehrere Attraktionen auf den Strecken verteilt, so dass man unterwegs aussteigen kann, um sie zu besichtigen. In Japan gibt es auch Themen- oder Spezialzüge, die durch besondere Ausstattung hervorstechen. Auch die werden im Buch anschaulich beschrieben. Es lohnt sich wirklich, denn diese Züge haben oft eine hochwertige und wunderschöne Inneneinrichtung.

Kurze Beschreibungen mit den wichtigsten Bahnstationen erläutern, was man auf den Strecken sehen und erleben kann, jeweils mit einer Angabe zur benötigten Zeit. Hier sind die Besichtigungen schon eingerechnet, die reine Fahrzeit ist entsprechend kürzer.

Das Thema Railpässe wird ausführlich erklärt, auch die jeweiligen Regionen und Gültigkeitsbereiche, wobei auf konkrete Preise verzichtet wird. Aufgrund der starken Inflation in Japan ändern sich diese im Moment öfter. Insgesamt ist Bahnfahren in Japan aber erheblich günstiger als hierzulande.

Die Autoren vermitteln zwar die wichtigsten (aber nicht alle) Benimmregeln im Zug, die genauso wichtigen Regeln zum Verhalten in Bahnhöfen und an Bahnsteigen habe ich dagegen nicht gefunden. Da der Tourismus in Japan mittlerweile extrem geworden ist, hat die Fremdenfeindlichkeit deutlich zugenommen, was unter anderem daran liegt, dass sich die Besucher nicht an die Regeln halten. Insofern wäre es sehr wichtig, dass sie in einem Buch wie diesem an zentraler Stelle erklärt werden, um die Situation nicht noch schlimmer zu machen.

Und wo ich gerade vom Übertourismus rede: Es ist schwer geworden, in Japan noch einigermaßen ruhig und entspannt zu reisen. „Train Japan“ hat aber einige schöne und ungewöhnliche Tourvorschläge, die abseits der ausgetretenen (und völlig überlaufenen) Pfade liegen und selbst auf Strecken wie Osaka-Kyoto entdecken sie wirklich attraktive Möglichkeiten, etwas Besonderes zu erleben. Ein sehr durchdachtes und mit viel Praxiserfahrung geschriebener Reiseführer, der die Negativentwicklungen der letzten Jahre allerdings ausblendet. Es ist z. B. heute nicht mehr so leicht, kurzfristige Planänderungen durch Ausweichen auf Alternativzüge zu realisieren. Die Langstrecken sollte man so früh wie möglich im Voraus buchen.

Richtig gestört hat mich, dass es keinen einzigen Hinweis auf Ressourcen für aktuelle Fahrpläne gibt. Das ist leider auch nicht mehr so einfach wie früher, als es noch Hyperdia gab, aber ein paar Alternativen kann man doch finden, auch wenn die nicht mehr so praktisch organisiert sind, wie Hyperdia damals.

Insgesamt ein origineller, fachkundig recherchierter und nur im Detail verbesserungswürdiger Spezial-Reiseführer. Bahnfahren ist jedenfalls die einzig richtige Art, in Japan zu reisen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.04.2025
Keine Zeit, der Garten ruft
Blasl, Klaudia

Keine Zeit, der Garten ruft


sehr gut

Klaudia Blasl hat angefangen, giftige Pflanzen zu sammeln, als sie für ihre Kriminalromane recherchierte. Nun sei dahingestellt, ob sie die Mordmethoden ihrer literarischen Opfer unbedingt in der Realität austesten muss, aber sie hat nach eigenen Angaben an die 500 Giftpflanzen aus drei Kontinenten in ihrem Garten und macht auch regelmäßig Führungen für interessierte Hobbymörder. (Spoiler: Aconitum ist der absolute Bringer!)

In ihrem neuen Buch für Giftspritzer versammelt sie selbst Erlebtes und originell Erdachtes und verarbeitet es in lustigen Geschichten. Schreiben kann sie. Ihr Stil ist romanhaft, mit vielen Dialogen, die auf den Punkt formuliert sind. Gestört hat mich, dass einige Geschichten etwas ziellos sind und dann abrupt enden, um nicht zu sagen, dass wesentliche Elemente für ein Ende fehlen. Zumindest nach meinem Empfinden. Gut gefallen hat mir dagegen, dass die Autorin viel Faktenwissen in ihre Geschichten einbaut, das man zwar schon kennt, wenn man ihre anderen Giftpflanzenbücher gelesen hat, aber es ist originell aufbereitet. Denn das übergeordnete Thema ist tatsächlich, was es bedeutet, eine Pflanzensammlung nicht unerheblichen Ausmaßes zu schaffen und am Leben zu erhalten. Das ist wirklich viel Arbeit, bei der Triumph und Misserfolg immer ganz dicht beieinanderliegen. Klaudia Blasl hält sich einige echte Diven und nur die klimatisch gesegnete Lage in der Steiermark bewahrt sie vor den größten Enttäuschungen. Als Pflanzensammler kann ich Blasls Mühen gut nachvollziehen.

Das Buch ist sehr unterhaltsam, enthält jede Menge Information, die nicht nur Giftmischer interessiert. Wenn Klaudia Blasl ein bisschen mehr in die inhaltliche Kohärenz ihrer Geschichten investiert und die Schlusspointen etwas präziser ausgearbeitet hätte, wäre ich noch glücklicher gewesen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2025
WILDES LAND - Die Rückehr der Natur
Tree,Isabella/Hughs,Rhiannon/Collyer,Matthew

WILDES LAND - Die Rückehr der Natur


ausgezeichnet

Ich habe das Buch von Isabella Tree mit großer Begeisterung gelesen und war daher auf den Film sehr gespannt. Die Beschreibung, wie die Natur das riesige Landgut Knepp im englischen Sussex zurückerobert, indem die beiden Eigentümer gezielt Wildrinder, Pferde und Schweine ansiedelten, war absolut faszinierend und räumte mit vielen falschen Vorstellungen auf. Nun war das ein Prozess, der sich über 25 Jahre hingezogen hat und es gibt kaum Filmmaterial von vor 25 Jahren und dieses wenige entspricht natürlich in keiner Weise heutigen Qualitätsanforderungen. Gelöst haben die Filmemacher das Problem mit perfekten digitalen Simulationen und Schauspielern, die Isabella und ihren Mann Charles als junges Ehepaar darstellen. Im Mittelpunkt steht aber die unglaubliche Entwicklung der Landschaft von einem ausgelaugten Agrarbetrieb hin zu einem echten Paradies. Auf Knepp brüten heute die ersten Störche in England seit 600 Jahren, hier gibt es die größte Population an Schillerfaltern, hier leben mehr als ein Dutzend Fledermausarten, 2000 Insektenarten (einige davon erstmals überhaupt in England nachgewiesen) und die Vogelwelt sucht ihresgleichen. Knepp ist in 25 Jahren zum bedeutendsten Biodiversitäts-Hotspot Großbritanniens geworden.
Wie die beiden das geschafft haben, wer ihnen wichtige Hinweise gab und welche Hürden auf dem Weg lagen, das beschreibt der Film in atemberaubenden Bildern, die ganz im Stil von BBC Dokumentationen auch technisch auf höchstem Niveau sind. Die Tieraufnahmen sind manchmal sensationell und man fragt sich, wie die Kameraleute das geschafft haben. Drohnenflüge dokumentieren die Entwicklung vom ausgelaugten Ackerland hin zu einer abwechslungsreichen Landschaft mit vielen unterschiedlichen Biotopen. Echte Stars sind aber die Großtiere, die Schweine und Pferde, die echte Charaktere sind und für einigen Wirbel sorgen. Am meisten hat mich beeindruckt, wie die Tiere, die ja eigentlich domestiziert sind (Wildschweine dürfen in England nicht in die freie Natur ausgesetzt werden), innerhalb kürzester Zeit ihr natürliches Verhalten wiederentdecken. Es war im Stall nur verschüttet, aber immer noch vorhanden und heute verhalten sich die verwilderten Hausschweine genau wie bei uns die Wildschweine. Nur sind sie dem Menschen gegenüber nicht aggressiv.

Vieles kann der Film nur andeuten und er beschränkt sich auf einige beispielhaft ausgewählte Episoden des Buches. So wird zum Beispiel der Kampf mit den Behörden nur ganz am Rande thematisiert (er ist dagegen ein wichtiger Teil des Buches) und viele der kleinen Erfolgsgeschichten, die im Buch so erstaunlich waren, fehlen (Orchideen, Fledermäuse, die heutige ökonomische Grundlage des Gutes). Im Mittelpunkt steht das vielfältige Ökosystem, zu dem sich Knepp entwickelt hat und das ist in jeder Hinsicht eindrucksvoll.
Das Interview mit Isabella Tree im Bonusmaterial ist sehr sehenswert und gibt einen Ausblick auf das, was noch kommen wird und wie man auch im Kleinen etwas gegen die Verarmung unserer Naturräume tun kann. Dass im Film an keiner Stelle das enorme persönliche Risiko erwähnt wird, das Isabella und ihr Mann eingingen, als sie ihren neuen Weg einschlugen, ist bestimmt deren Bescheidenheit zuzuschreiben, aber das feudale Landgut, wie es heute dasteht, täuscht darüber hinweg, dass die Familie mehr als einmal kurz vor dem Bankrott stand. Das macht die ganze Sache nur noch eindrucksvoller.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.03.2025
Das große Börsenbuch
Gojdka, Victor

Das große Börsenbuch


ausgezeichnet

Aktien sind für den Vermögensaufbau unverzichtbar. Wer nur in klassische Geldanlagen wie Tages- und Festgeld investiert, wird nach Abzug von Steuern, Kosten und Inflation (wenn überhaupt) kaum eine nennenswerte Rendite erzielen können.
In seinem Ratgeber „Das große Börsenbuch“ beschäftigt sich der Finanzjournalist Victor Gojdka ausführlich und kompetent mit der Geldanlage an der Börse - aufbauend auf dem Wissen der Finanzexperten der Stiftung Warentest. Neben der Vermittlung von Grundlagen ist es vor allem ein Arbeitsbuch für die Praxis, das den Leser systematisch zu seiner persönlichen, auf sein Risikoprofil zugeschnittenen Geldanlagestrategie führt. Aber auch der fortgeschrittene Anleger wird viele neue Details entdecken und das Buch als umfassendes Nachschlagewerk schätzen.

Einsteiger finden in den ersten Kapiteln einen Börsen-Crashkurs, der kurz und prägnant die Grundprinzipien der Börse erklärt und das Basiswissen für die praktische Geldanlage an der Börse vermittelt. Es wird u.a. erklärt, was Aktien und ETFs sind, wie der Handel an der Börse funktioniert und welche Indextypen es weltweit gibt.

Der Autor erklärt, wie Einsteiger zu ihrem persönlichen Anlagemix kommen und gibt detaillierte Hilfestellungen für den Aufbau eines maßgeschneiderten Portfolios. Aber auch Fortgeschrittene kommen auf ihre Kosten. Gojdka erläutert z. B. verschiedene Portfoliotricks wie Beimischungen und Faktorstrategien und geht auf die Portfolios großer Börsenlegenden wie Warren Buffett ein.

Eine Investition in Einzelaktien empfiehlt der Autor ausdrücklich nur als Beimischung zum ETF-Portfolio als „Spielgelddepot“. Um das Risiko von Fehlinvestitionen zu verringern, zeigt der Finanzexperte anhand eines detaillierten Prüfplans, wie man Unternehmen unter die Lupe nimmt. Allerdings kostet die Analyse viel Zeit, Ausdauer und im Zweifelsfall auch Geld, denn die meisten Aktien entwickelten sich schlechter als der S&P 500 Index. Die aktuellen Entwicklungen in den USA sind natürlich nicht berücksichtigt, zeigen aber anschaulich die Risiken, die auch in ETFs liegen.

Neben Anleihen behandelt der Autor auch Risikoanlagen wie Rohstoffe, Bitcoin und Zertifikate, die gerne als „Renditebooster“ angepriesen werden, aber oft komplizierter sind als gedacht.

Besonders hervorzuheben sind die übersichtlichen, mehrfarbigen Tabellen und Grafiken sowie das gelungene Layout, die das Durcharbeiten des Buches erleichtert.
Kompetent und umfassend, dabei verständlich und grafisch ansprechend aufbereitet, vermittelt „Das große Börsenbuch“ das nötige Wissen, um auf dem Börsenparkett erfolgreich zu sein. Ein empfehlenswertes Buch für Einsteiger und Fortgeschrittene.

Die „gendergerechte“ Sprache hat mich genervt. Dieser Sprachtotalitarismus gehört jetzt langsam auf den Müllhaufen der Sprachgeschichte.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.03.2025
Italienische Grammatik für Dummies
Linhart, Rita

Italienische Grammatik für Dummies


ausgezeichnet

Ich habe Italienisch mit dem kostenlosen Duolingo-Kurs online „gelernt“, aber das System hat einen gewaltigen Nachteil: Man „lernt“ keine Grammatik, sondern leitet sich die Regeln selber durch viele Kombinationen aus Beispielsätzen ab. Oder das, was man für eine Regel hält, denn oft genug bin ich verzweifelt und habe auch falsche Regeln abgespeichert, was ich dann erst durch Recherche im Netz korrigieren konnte. Da waren die falschen Regeln aber leider schon im Hirn verankert. Das zur Kritik an Duolingo, das ich ansonsten ganz OK fand, aber ich kann auch gut Französisch, was beim Italienischen hilft. Der Kurs ist abgeschlossen, er endet bei passato prossimo, es gibt also noch viel zu tun und das will ich jetzt mit einer echten Grammatik ergänzen, bevor sich wieder falsche Regeln abspeichern.

Die Autorin hat das Buch sehr übersichtlich strukturiert und vor allem mit zahlreichen Beispielen die jeweiligen Regeln unterfüttert. Mein Eindruck ist, dass hier thematisch nichts fehlt, von presente bis condizionale, vor allem Präpositionen werden sehr gut erklärt. Das ist aus meiner Sicht gefühlt eines der kompliziertesten Themen, zumindest falle ich da laufend rein. Tabellen mit den wichtigen unregelmäßigen Verben findet man im Anhang. Regelmäßige kurze Einschübe mit kulturellen Hintergrundinformationen, die auch im Alltag sehr nützlich sein können, machen das Buch zusätzlich unterhaltsam.

Eine übersichtliche, sehr vollständige und informative Grammatik. Jetzt fehlen eigentlich nur noch gute Übungshefte. Für den Urlaub fühle ich mich aber auch jetzt schon ausreichend gerüstet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.03.2025
Abroad in Japan
Broad, Chris

Abroad in Japan


ausgezeichnet

Wer kommt auf die Idee, quasi ohne japanische Sprachkenntnisse an einer Schule in Japans Outback Englisch zu unterrichten? Oder anders gefragt, welches Land importiert gezielt Englischlehrer, die die Landessprache nicht beherrschen? Antwort Frage 1: Chris Broad. Antwort Frage 2: Japan. Als Chris 2012, einige Monate nach Fukushima, erstmals das Schulgebäude der Sakata Junior High School betritt, sieht das alles nicht nach einer besonders guten Idee aus und um der Wahrheit die Ehre zu geben, das Gefühl bleibt die kommenden zwei Jahre weitgehend erhalten. Hätte Chris in der Einsamkeit seiner 10 Quadratmeter Wohnung nicht begonnen, Youtube Videos zu drehen, sein japanisches Abenteuer wäre wohl 2013 schon zu Ende gegangen, aber der Weg hin zu einer wirtschaftlich tragfähigen Existenz in Japan war mehr als steinig.

„Abroad in Japan“ beschreibt Chris‘ erfolgreiche Bemühungen, sich in die japanische Gesellschaft zu integrieren, Freunde zu finden und an den zahlreichen kulturellen Hürden nicht zu verzweifeln. Ganz abgesehen vom Wetter, denn in Sakata fallen im Winter viele Meter Schnee. Ein Zuckerschlecken ist das Leben in Japan jedenfalls nicht, das haben viele Autobiografen vor Chris Broad auch schon festgestellt.
Das Besondere an diesem Buch ist Chris‘ selbstironischer britischer Humor und die manchmal ziemlich schonungslose Analyse der eigenen Situation, ohne dass es jemals larmoyant oder Japan gegenüber respektlos würde. Er legt zwar den Finger auch in Japans offene Wunden, das mit einem unreflektierten Kadavergehorsam althergebrachte Regeln niemals auf Sinnhaftigkeit hinterfragt, dessen Gesellschaftssystem andererseits aber sehr resilient ist. Broad geht mit offenen Augen durch das Land, sieht Missstände genauso wie Bewundernswertes und versucht, so tief in den japanischen Alltag einzudringen wie möglich. Parallel erfährt der Leser, wie es zu Chris‘ sensationellem Youtube-Erfolg kam, denn geplant war das alles nicht. Heute hat er ein Millionenpublikum und seine witzigen, aber immer informativen Videos sind absolut sehenswert.
Das Buch ist wirklich gut geschrieben. Locker, originell, emotional, oft urkomisch, nie respektlos und so lebendig wie das Leben selbst. Ich hatte nie den Eindruck, da versucht jemand sein Image zu pflegen oder dass der Autor zu irgendeinem Zeitpunkt unaufrichtig wäre. Im Gegenteil, so manche Beichte erforderte viel Mut, sie auszusprechen, was Chris Broad nur umso sympathischer macht. Eines der besten, wenn nicht das beste „Ich in Japan“-Buch, das ich kenne. Und ich kenne sie quasi alle.

Der einzige Wermutstropfen: Der Übersetzer kocht leider sein identitäres Süppchen, indem er ständig gendert, was manchmal echt nervig und ganz sicher nicht die Schuld von Chris Broads Originaltext ist.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.