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Volker M.

Bewertungen

Insgesamt 421 Bewertungen
Bewertung vom 06.12.2024
Mushi-Shi - Volume 4 LTD.
Moog,Philipp

Mushi-Shi - Volume 4 LTD.


ausgezeichnet

Ginko ist ein Mushi-Shi. Er steht mit den Naturgeistern in Verbindung, kann sie sehen und kennt die verschiedenen Mushi-Arten. Eigentlich leben Mushi und Menschen in getrennten Welten, aber wenn diese sich berühren, kann es für die Menschen gefährlich werden. Ginkos Aufgabe ist es, die Welt der Mushi und der Menschen wieder zu trennen, was ihm oft, aber nicht immer gelingt.

Ich habe die ersten drei Staffeln mit großer Begeisterung gesehen und auch die vierte hält das Niveau problemlos. Die Geschichten stecken voller japanischer Naturphilosophie und verarbeiten klassische Motive japanischer Geistergeschichten. Nicht immer gibt es ein Happy End, ja manchmal bleibt das Ende sogar offen, wie es in japanischen Geschichten oft der Fall ist. Die Unbestimmtheit hat eine eigene Qualität, indem sie dem Zuschauer mehr Freiheiten der Interpretation lässt. Mushi-Shi ist insgesamt eher düster angelegt, was im Kontrast zu den wunderschönen Bildern steht, die starke Anleihen bei klassischen japanischen Holzschnitten nehmen. Die Atmosphäre steht stark im Vordergrund, was dem ruhigen Erzähltempo sehr zugutekommt. Es ist ein echter Genuss, sich das anzuschauen.

In der vierten Box liegt ein recht umfangreiches Booklet bei, das vor allem Arbeitsskizzen der Charaktere enthält, an denen sich die Anime-Zeichner bei der Produktion orientieren müssen. Hintergrundinformationen zur Welt der Mushi oder der japanischen Naturphilosophie gibt es leider auch in dieser Staffel nicht. Die Bonus-Tracks sind eher unergiebig. Sie zeigen einen unspektakulären Videorundgang durch das Studio und ein wirklich sehr dünnes Interview mit dem Regisseur. Man muss allerdings bedenken, dass es japanische Interviewer sind, die sich an dem orientieren müssen, was der japanische Zuschauer als Rollenbild eines Arbeitnehmers erwartet: Man arbeitet hart, ist bis zur Selbstaufgabe engagiert und doch nie mit sich zufrieden. Das hört man dann 20 Mal hintereinander. Japaner finden so was toll...

Trotzdem gibt es von mir fünf Sterne, weil die Episoden einfach nur genial gut sind.

(Die Blu-ray wurde mir von Polyband kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.12.2024
Welt der Renaissance: Rom
Roth, Tobias

Welt der Renaissance: Rom


ausgezeichnet

Rom war einer der ganz großen Gewinner der Renaissance: Zu Beginn des 15. Jahrhunderts hatte die Stadt kaum 20000 Einwohner, weite Teile der antiken Siedlungsfläche lag in Ruinen und wurde auch nicht mehr bewohnt. Nur die Päpste (und deren gab es damals bis zu drei gleichzeitig) hielten Rom die Treue und sie waren es auch, die die „Wiedergeburt“ bald einleiten sollten.

Nachdem er bereits ein Buch über die Renaissance in Florenz verfasst hat, widmet sich Tobias Roth diesmal der „zweiten Generation“, indem er die Entwicklung in Rom darstellt. Seine Methode ist ziemlich einmalig, indem er nicht nur die (kultur)geschichtlichen Fakten inhaltlich aufarbeitet, sondern nach jedem Kapitel einen oder zwei Originaltexte beisteuert, die einen direkten Bezug haben. Das können Schlüsseltexte zur Wiederentdeckung der antiken Kultur in Rom sein oder auch Tagebücher und Briefe von Reisenden und Gesandten, die ihr Entsetzen oder auch ihre Bewunderung zum Ausdruck bringen. Roth übersetzt die Quellen alle neu, angepasst an heutige Sprachgewohnheiten, sehr lebendig und ganz ohne historischen Staub. Ich war mehr als einmal überrascht, wie persönlich und für Menschen der Gegenwart nachvollziehbar die Autoren damals schrieben, so als wären 500 Jahre Distanz ohne Bedeutung. Aber dass ihre Gefühle und Gedanken den unseren so ähnlich sind, liegt nicht zuletzt daran, dass unsere heutige Gesellschaft auf den Werten dieser Humanisten gründet.

Wie schon in „Florenz“ hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Eleganz Tobias Roth Fakten aufbereitet. Seine historischen Abrisse sind von einer Informationsdichte, die einen erschlagen könnte, wenn sie nicht so raffiniert komponiert wären. Ein guter Krimiautor kann eine Person in drei Zeilen charakterisieren und der Leser hat sofort einen lebendigen Menschen vor Augen. Tobias Roth macht das ähnlich. Er verbindet die großen geschichtlichen Linien und Entwicklungen mit interessanten, oft anekdotenhaften Ereignissen, die die jeweiligen Protagonisten lebendig werden lassen. Diese Schlüsselpersonen tauchen auch in der Folge immer wieder auf, indem sie zu Ankerpunkten für neue Personen werden. So entsteht das Bild eines endlosen Netzwerks, in dem alle mit allen irgendwie verbunden sind. Dass Tobias Roth gleichzeitig ein brillanter Stilist ist, mit einem Faible für „schöne Sprache“, ohne dass er jemals auch nur andeutungsweise akademisch verkopft klingt, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

„Rom“ wird in diesem Buch zu einem brodelnden Energiezentrum, in dem sich viele herausragende Persönlichkeiten zu einem gemeinsamen Ziel versammeln: Die Ewige Stadt wieder zu dem zu machen, was sie einmal war. Kunst und Wissenschaften blühen, aber auch der Nepotismus, Ämterkauf und Korruption. In dieser unübersichtlichen Gemengelage schafft Tobias Roth den Durchblick. Aufgeräumt, sprachgewandt und mit einem überbordenden Detailwissen gesegnet. So lebendig kann Geschichte sein.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.12.2024
Die Essays von Warren Buffett
Cunningham, Lawrence A.;Buffett, Warren

Die Essays von Warren Buffett


ausgezeichnet

Die Aktionärsbriefe in den Jahresberichten sind häufig langweilig, schöngefärbt und bieten wenig lehrreiche Informationen. Nicht so bei Berkshire Hathaway. Die von Waren Buffett verfassten Essays haben mittlerweile Kultstatus und geben einen tiefen Einblick sowohl in das "Berkshire"-System als auch in allgemeinere Themen wie Management, Finanzierung und Bilanzierung von Unternehmen.
Lawrence A. Cunningham hat in seinem Buch die wesentlichen Aktionärsbriefe der letzten Jahrzehnte gesichtet, thematisch sortiert und ihnen ein ausführliches Einleitungskapitel mit Zusammenfassungen und Kommentierung vorangestellt. Herausgekommen ist ein sehr informatives Handbuch über Buffets Grundprinzipien, die alle Bereiche des Wirtschaftslebens betreffen. Die neueste 5. Auflage wurde wieder komplett überarbeitet und jetzt auch neu ins Deutsche übersetzt.
Übrigens sind sämtliche Essays auch im Internet im Rahmen der Berkshire-Jahresberichte verfügbar, allerdings dann nur in englischer Sprache und nicht thematisch aufgearbeitet, wie in diesem Buch.

Neben allgemeinen und universell gültigen betriebswirtschaftlichen Themen erfährt der Leser auch ganz konkret, wie Buffett (und somit Berkshire) z. B. über Unternehmenskäufe (am liebsten nur Barzahlung), Aktienrückkäufe (nur dann, wenn es den Gesamtwert von Berkshire steigert) oder Derivate (finanzielle Massenvernichtungswaffen) denkt. Buffets Investitionsregeln stellen die Binsenweisheiten der modernen Finanztheorie oft auf den Kopf. So hat für ihn die Diversifizierung auch Grenzen. Statt "Leg nicht alle Eier in einen Korb" favorisiert er "Leg alle Eier in einen Korb - und dann pass gut auf den Korb auf!". Auch sollte man sich nicht über steigende Aktienkurse freuen - es sei denn, man will seine Aktien in naher Zukunft verkaufen. Sinkende Aktienkurse sind für ihn immer eine gute Gelegenheit nachzukaufen. Und so hat er auch eine eigene Meinung über den sogenannten effizienten Markt, der eben nicht aus Prinzip den wahren Wert eines Unternehmens abbildet.

Aber auch Berkshire hat nicht alles richtig gemacht und so beschreibt Buffett anhand vieler Beispiele, wie es zu teils sehr kostspieligen Fehlern gekommen ist. Bei der Übernahme des Rückversicherers General Re in 1998 war auch ein Derivategeschäft dabei. Die Auflösung des mit hohen Risiken verbundenen Geschäfts war aber schwieriger als gedacht, hat lange gedauert und mehr als 400 Mio. US-Dollar Verlust gebracht.

In den Essays erfährt man, was Berkshire ausmacht, worin sich das Unternehmen von anderen Finanzinvestoren unterscheidet und vor allem, wie stark Buffet "sein" Berkshire geprägt hat. Nur was passiert, wenn der über 94-jährige Gründer nicht mehr ist? Auch dafür ist bereits vorgesorgt. Buffet überlässt nichts dem Zufall.

Es ist schön, dass man auch ohne plakative und reißerische Aussagen, ohne vernebelnde Marketing-Sprache und ohne Anspruch auf Unfehlbarkeit Erfolg haben kann. So läuft's Business!

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.12.2024
Smart Thinking für das dritte Jahrtausend
Perlmutter, Saul;Campbell, John;MacCoun, Robert

Smart Thinking für das dritte Jahrtausend


sehr gut

Die Autoren: ein Physiker und Nobelpreisträger, ein Psychologe und ein Philosoph.
Das Buch: eine wissenschaftliche Entscheidungshilfe für komplexe Probleme, mit vielen Anwendungsbeispielen, verständlich aufbereitet für die Allgemeinheit.

„Smart Thinking für das dritte Jahrtausend“ basiert auf einem erfolgreichen Kurs an der University of California, Berkeley in den USA, in dem die Autoren Saul Perlmutter, John Campbell und Robert MacCoun Methoden und Werkzeuge vermitteln, mit denen sich Wissenschaftler vor Denkfehlern schützen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Die vorgestellten Methoden sind aber universell anwendbar, fördern das kritische Denken und zeigen, wie man mit Unsicherheit umgeht. Sie können uns vor einer Vielzahl von Selbsttäuschungen schützen und helfen, die Aussagen von Wissenschaftlern, Ärzten und anderen Forschern richtig einzuordnen oder durch einfache Plausibilitätskontrollen zu überprüfen.

Das Themenspektrum ist breit gefächert. Allgemeine Fragen wie „Gibt es nur eine Wahrheit?“ oder „Wie kommen wir zu einem gemeinsamen Verständnis der Wirklichkeit?“ werden von den Autoren ebenso intensiv behandelt wie konkretere Fragen: „Was macht einen guten Entscheidungsprozess aus?“ oder „Wie kommen wir vom Schwarz-weiß-Denken zum Wahrscheinlichkeitsdenken?“.

Besonders hervorzuheben ist aus meiner Sicht, dass es nicht nur ein evidenzbasiertes Selbsthilfebuch für den Einzelnen ist, sondern auch zeigt, wie Gruppen miteinander agieren. Die Wissenschaftler gehen der Frage nach, ob z.B. der Verstand einer Gruppe etwas anderes ist als eine Ansammlung von Einzelgehirnen. Sind Gruppen mehr - oder weniger - als die Summe ihrer Teile? Wie laufen Gruppenprozesse ab und wie kommen Gruppen zu Entscheidungen? Gerade in der heutigen Zeit der starken Polarisierung (Mobverhalten, Gruppenzwang, Schwarmintelligenz, Wertekonflikte, Diversität etc. ) sind Kompromisse notwendig. Die Autoren zeigen Techniken auf, wie Entscheidungen getroffen werden können, wenn z.B. Fakten gegen Werte stehen.

Durch die Beispiele und den flüssigen Erzählstil gelingt es den Autoren, die Problematik anschaulich und auch für Laien verständlich darzustellen. Mit einer kurzen inhaltlichen Zusammenfassung am Ende der manchmal recht komplexen Kapitel hätten sie die Kernaussagen allerdings noch einprägsamer transportieren können.
Aufgrund der vielen verwendeten Fachbegriffe hätte ich mir ein Glossar und ein Stichwortverzeichnis gewünscht. Nur mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses ist es leider kaum möglich, einmal gelesene Informationen wiederzufinden. Ein sehr gutes Gedächtnis ist also nicht hinderlich.

„Smart Thinking“ ist ein anspruchsvolles Buch - aber es lohnt sich.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.12.2024
Miss Hokusai Limited Mediabook
Watanabe,Anne/Aso,Kumiko/Hamada,Gaku/+

Miss Hokusai Limited Mediabook


ausgezeichnet

Katsushika Hokusai ist der berühmteste japanische Holzschnittmeister überhaupt und sein Hauptwerk „Die 36 Ansichten des Fuji“ ist selbst im Westen allgemein bekannt. Viel weniger bekannt ist, dass eine seiner vier Töchter, Katsushika Oi, ebenfalls eine sehr talentierte Zeichnerin war, die ihren Vater bei der Arbeit aktiv unterstützte. Ein wirklich eigenständiges künstlerisches Leben war ihr aber weitgehend versagt.

Der Film basiert auf dem in Japan sehr bekannten Manga „Sarusuberi“, der in drei Bänden zwischen 1983 und 1987 erschien und einzelne Episoden und anekdotisch überlieferte Ereignisse aus Katsushika Ois Leben thematisiert. Wie der Regisseur im Making-of erläutert, war sein Ziel, den Charakter des Manga weitgehend zu erhalten und sich nicht zu viele künstlerische Freiheiten zu nehmen. Der Film bleibt daher episodisch, erzählerisch zusammengehalten von den beiden Protagonisten Oi und Hoskusai, die ein eher schwieriges Verhältnis hatten. Hokusai ist nicht in der Lage, Gefühle anders als in seinen Zeichnungen zum Ausdruck zu bringen (was in der japanischen Gesellschaft allerdings bis heute ein männliches Rollenideal darstellt), während seine Tochter oft impulsiv und (für japanische Verhältnisse) unbeherrscht ist. Aber auch ihr gelingt es letztlich nicht, eine glückliche Familie zu gründen, da sie die Betreuung und Unterstützung ihres Vaters als gesellschaftliche Verpflichtung sieht. Ein wesentlicher Erzählstrang widmet sich dem Verhältnis zu ihrer blinden Halbschwester, die ihr Vater niemals besuchte, aus Angst vor Krankheit und Tod.

Die Bildsprache ist eindrucksvoll und referenziert auch einige bekannte Motive von Hokusais Holzschnitten, die geschickt in die Geschichte integriert werden. Überhaupt lehnen sich die Bilder sehr stark an japanische Holzschnittästhetik an, mit wunderbaren Farbstimmungen und durchdachten Bildausschnitten. Es ist ein visueller Genuss, der durch die langsame Erzählgeschwindigkeit auch Zeit hat zu wirken. Oft ist das, was nicht gesagt wird, wichtiger als das, was gesagt wird, genauso wie das, was man im Ausschnitt nicht sieht, manchmal wichtiger ist als das, was man sieht. Die Geschichte steckt voller magischer Andeutungen und Symbole, von denen die genannten Anspielungen auf berühmte Hokusai Holzschnitte nur ein Aspekt ist.

Das Ende bleibt offen – auch das ist eine japanische Erzähltradition. Nach dem Tod ihres Vaters wanderte Katsushika Oi weiter durch Japan, ihr Verbleib, Sterbeort und -datum sind unbekannt.

Der Film wird hier im Westen gerne als „Emanzipationsdrama“ beworben, was er aber in keiner Weise ist. Er ist fest verankert im japanischen Wertesystem, das die kindliche Pflicht den Eltern gegenüber über jede persönliche Entwicklungsmöglichkeit stellt. Oi gelingt es nicht, sich diesem Zwang zu entziehen und das nicht nur in der dramaturgischen Verdichtung der Geschichte, sondern auch im wahren Leben: Ihre einzige Ehe scheiterte, sie hatte keine Nachkommen, blieb als geschiedene Frau ohne Familie und lebte in prekären Verhältnissen. Ob ihr die Kunst ein echter Ersatz war, bleibt unklar. Ihr Vater haderte bis zu seinem Tod mit 89 Jahren (nach japanischer Rechnung mit 90 Jahren) jedenfalls mit seinem angeblich mangelnden Talent.

(Die Blu-ray wurde mir von Polyband kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2024
Von Angesicht zu Angesicht
Eulberg, Dominik;Hörren, Thomas;Danke, Thorben

Von Angesicht zu Angesicht


ausgezeichnet

Insekten sind klein und die meisten von ihnen übersieht man, obwohl sie buchstäblich überall zu finden sind. Kaum jemand nimmt eine Lupe oder sogar ein Mikroskop zur Hand, um Details zu erkennen, aber selbst das wird schwierig, wenn das Objekt des Interesses Flügel hat, mit denen es wegfliegen kann.
Die Autoren von „Von Angesicht zu Angesicht“ nutzen moderne Hi-Tech-Methoden, um Fotos zu generieren, die man in dieser Perfektion selten zu sehen bekommt. Das Verfahren heißt Focus Stacking und beruht auf dem Prinzip, dass die Schärfenebene eines Einzelfotos heraus“operiert“ wird und dann bis zu 1000 Ebenen zu einem insgesamt scharfen Foto montiert werden. Das macht heutzutage zwar eine Software, aber viel Arbeit mit viel Know-How und Ausprobieren ist es immer noch. Das Ergebnis ist einfach nur atemberaubend.

Schon das Titelbild zeigt, welche faszinierenden Details in solchen Aufnahmen sichtbar werden. Jedes Härchen, jede Facette eines Auges wird gestochen scharf und der Winzling mutiert gefühlt auf die Größe eines Fußballs. Wie der Untertitel völlig richtig sagt, begibt man sich auf Augenhöhe mit den Insekten, oder besser noch, die Insekten kommen auf Augenhöhe mit uns. Sie werden zu Individuen, bekommen einen eigenen Charakter und ihre Schönheit und perfektionierte Funktionalität wird sichtbar.

In der Einleitung werden zuerst die Merkmale beschrieben, die allen Insekten gemeinsam sind, ihr morphologischer Aufbau, die verschiedenen Entwicklungsstadien, wie sie den Wettlauf um Überleben und Fortpflanzung meistern und noch ein eigenes Kapitel zum Wunderwerk Insektenauge. Die nachfolgenden Abschnitte behandeln exemplarische Ordnungen und Familien der heimischen Insektenfauna, zum Beispiel Libellen, Florfliegen, Marienkäfer oder Goldwespen. In kurzen Beiträgen werden deren Ökologie und Verhaltensbiologie vorgestellt, die dann in den begleitenden Makrofotos illustriert wird. Z. B. wird die Metamorphose von der Larve zum fertigen Insekt gezeigt, oder auch die hochangepassten Fresswerkzeuge, die nicht selten an Science-Fiction Monster erinnern. Dabei sind sie nur perfekte Beispiele für die Wege der Evolution.

Man schützt nur, was man kennt. Die Winzigkeit unserer Insekten (und das manchmal lästige oder schädliche Verhalten einiger Vertreter) machen sie zu entweder übersehenen oder gehassten Wesen. Bücher wie dieses können Vorurteile abbauen und gerade die junge Generation für Insekten begeistern. Vielleicht gelingt es ihr ja, die schwindende Vielfalt zu retten, denn in den letzten 40 Jahren sind 80 % aller Insekten aus unserer Umwelt verschwunden. Die Ursachen sind längst bekannt. Es wird also allerhöchste Zeit, dass wir Insekten endlich als Lebewesen auf Augenhöhe respektieren.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.11.2024
60 Jahre Wildlife Fotografien des Jahres
Kidman Cox, Rosamund

60 Jahre Wildlife Fotografien des Jahres


ausgezeichnet

Seit nunmehr 60 Jahren kürt das renommierte BBC Wildlife Magazine den Wildlife Photographer of the Year und in diesen 60 Jahren hat sich die Auszeichnung tatsächlich zu einem weltweit anerkannten Prädikat entwickelt. Es hat so manche Karriere überhaupt erst möglich gemacht.

Der Bildband zeigt insgesamt 230 Fotografien aus den unterschiedlichen Wettbewerbskategorien, wobei zwei grundlegende Konzepte erkennbar werden: Die dokumentarische Fotografie und die ästhetische Fotografie, bei der die künstlerische Aussage die inhaltliche überwiegt. Letzter Aspekt ist eine eher neue Entwicklung, die sich vor allem aus den heute ungleich besseren technischen Möglichkeiten der Fotografie speist. Während die Fotos der Frühphase heute jeder normal begabte Fotograf hinbekommt, sind die aktuellen Siegerfotos oftmals Hightechprodukte, die mit teilweise aberwitzigem Aufwand realisiert werden. Das Schöne ist: Man sieht ihnen den Aufwand nicht an.

Zu jedem Foto bekommt man interessante Hintergrundinformationen, neben den genannten technischen Finessen auch den Ort und meist auch ökologische Details. Oft haben sich die Fotografen auch zur künstlerischen Absicht geäußert, oder die Strapazen geschildert, unter denen die Aufnahmen entstanden. Aber nicht alle Motive stammen von fernen Kontinenten, manchmal findet man sie auch vor der Haustüre und nicht alle Wettbewerbssieger waren Vollprofis, sondern haben hier als Amateure angefangen. Berühmt wurden ihre Fotos in jedem Fall, denn der Wettbewerb setzt bis heute Maßstäbe (letzte Woche gab es die neuen Preisträger. Wieder sensationell!).

Leider zeigen nicht alle Motive die heile Tierwelt, sondern in zunehmendem Maß auch, was die überbevölkerte Menschheit dem Planeten antut. Das gehört dann in die Kategorie Dokumentarfotografie, selbst wenn einzelne Bilder auch das schlimmste Drama noch in ästhetische Formen bringen.

Neben dem visuellen Genuss zeigen die Fotos sehr deutlich, dass sie das Produkt von enorm viel Arbeit, Leidensfähigkeit, technischem Können (und Equipment) und immer auch dem gewissen Zufall sind. Es kommt letztlich auf die richtige Tausendstelsekunde an.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.11.2024
Augusta Emerita
Eger, Christoph

Augusta Emerita


ausgezeichnet

Augusta Emerita ist im allgemeinen Bewusstsein nicht sehr präsent, zumindest weit weniger als andere römische Ruinenstädte von ähnlicher Bedeutung. Die Stadt, das heutige Mérida, liegt in der touristisch weniger erschlossenen Region Extremadura, weitab von den in der Antike wichtigen Handelshäfen am Mittelmeer. Trotzdem war der Ort bereits um die Zeitenwende Hauptstadt der Provinz Lusitania und führt seinen Namen auf den Stadtgründer Augustus zurück. Warum aber setzten die Römer eine (für die damalige Zeit) Großstadt mitten ins Hinterland, mit Arena, Theater, einem repräsentativen Forum und zahlreichen Großtempeln?
Das ist eine der Fragen, die der umfassende Band zu beantworten sucht, auf der Basis neuester Erkenntnisse der Archäologie und verfasst von den ausgewiesenen Experten zum Thema. Sie beleuchten sowohl die Entdeckungsgeschichte, die bis heute andauert und immer noch für Überraschungen sorgt, als auch die Entwicklungsgeschichte der antiken Stadt, die mehrere Phasen durchlief. Ähnlich wie Rom, ging mit dem Ende des Römischen Reichs zwar die technologische Infrastruktur zugrunde, die Bauten und Teile der Bevölkerung blieben aber und nutzten die Baustoffe, um die heutige Stadt Mérida zu errichten, wodurch sie eine außergewöhnlich große Zahl an Spolien besitzt, also wiederverwendeter antiker Bauelemente. In Verbindung mit den erhaltenen Inschriften erlauben sie detailreiche Rekonstruktionen und interessante historische Schlüsse. Digitale Rekonstruktionen sind auch die Highlights der vorliegenden Monografie, die in Zusammenarbeit zwischen dem Museo Nacional de Arte Romana und dem Landschaftsverband Rheinland (der bezeichnenderweise den Archäologiepark Xanten betreut) herausgegeben wird.

Auffällig ist die sehr gut koordinierte Abstimmung zwischen den einzelnen Autoren der Beiträge, die einerseits systematisch vorgehen, andererseits auf inhaltliche Wiederholungen soweit möglich verzichten. So ist der Band nicht nur umfangreich, sondern auch enorm informativ. Er geht ins Detail und verliert dennoch nicht die große Linie aus dem Auge, was bei einer Gemeinschaftsarbeit auf diesem Niveau eher selten ist.
Einzelbeiträge untersuchen die Groß- und Kleinplastik der Augusta Emerita, unter besonderer Berücksichtigung der handwerklichen Provenienz, sowie die antike Münzstätte und deren Produkte. Ebenso werden die imperialen Großbauten auf der Grundlage aktueller Forschung beschrieben, sowie einige repräsentative Wohnkomplexe, die teilweise sehr gut erhaltene Raumdekore zeigen. Als Beispiel für die frühchristliche Besiedlung dient das Pilgerzentrum der Heiligen Eulalia vor den Toren der antiken Stadtmauer, das ab den 1990er-Jahren archäologisch erschlossen wurde und kürzlich sogar eine bisher anekdotische Überlieferung der Kirchengeschichte bestätigte. Einzelbeschreibungen bedeutender neuerer Einzelfunde und ein ausführlicher Beitrag zu den frühislamischen Fundstätten Morería und Alcazaba schließen den Band ab.

Die Texte richten sich sowohl an ein Fachpublikum als auch interessierte Laien. Archäologische und architektonische Fachsprache wird zwar vorausgesetzt, sie ist aber in der Regel auch aus dem Kontext verständlich. Die zahlreichen Illustrationen, insbesondere die hervorragenden 3D-Rekonstruktionen, unterstützen das Verständnis, auch ohne dass man die Örtlichkeiten persönlich kennt. So entsteht ein sehr komplexes, aber auch faszinierendes Bild einer Stadt, die nicht zufällig viel Ähnlichkeit mit Xanthen hat. Die römische Modellstadt wurde in der ganzen Antike immer wieder erfolgreich kopiert. Und natürlich hatte die vermeintlich abgeschiedene Lokalität in der Extremadura strategische und logistische Gründe. Die Römer überließen eben nichts dem Zufall.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.11.2024
Das Ende des Chinesischen Traums
Sahay, Lea

Das Ende des Chinesischen Traums


ausgezeichnet

Nachdem ich kürzlich ein fürchterliches Buch des sogenannten „China-Experten“ Frank Sieren gelesen habe, dem die chinesische KP erkennbar die Feder führte, traut sich Lea Sahay das auszusprechen, was in China niemand mehr aussprechen darf: Xi Jinping hat sein Land mit diktatorischen Vollmachten in den Griff bekommen und säubert derzeit sowohl die Partei als auch die Wirtschaft von allen Subjekten, die ihm gefährlich werden können. Ein Personenkult, wie man ihn seit Mao nicht mehr kannte, ist da nur das sichtbare Zeichen des schleichenden Freiheitsverlusts.

Lea Sahay lebt als Korrespondentin in Beijing und hat die Coronakrise in China am eigenen Leib miterlebt, mit allen furchtbaren Konsequenzen für die Bevölkerung. Es war Xi Jinpings Testlauf für die totale Unterdrückung und der Test hat funktioniert. Alle Bewohner der Stadt mussten sich selber internieren, ohne Rücksicht auf Notfälle. Sahay wurde selber Opfer, als ihr Sohn schwer erkrankte und nicht behandelt wurde, bis ein PCR-Test vorlag. Da war das Kind bereits in lebensbedrohlichem Zustand. Man merkt der Autorin an, wie sie dieses Erlebnis traumatisierte. Aber auch die Veränderungen in der Gesellschaft hat sie miterlebt und dokumentiert. Menschen, die noch vor wenigen Jahren auskunftsfreudig und offen waren, sind heute eingeschüchtert und bleiben betont unpolitisch. Die immense Jugendarbeitslosigkeit entwickelt sich ebenfalls zu einem massiven Problem, das den Chinesischen Traum von Wohlstand und (relativer) Freiheit platzen lässt. Sahay erkennt auch, dass diese Generation verloren geht, denn sie kannte einerseits die Freiheiten und Perspektiven früherer Jahre, kann sie aber selber nicht mehr nutzen. Es staut sich gesellschaftlicher Frust auf, der kein Ventil mehr hat, sich aber unweigerlich irgendwann entladen wird.
Trotz perfektioniertem Überwachungsstaat, trotz Gulags für Abweichler, trotz Gleichschaltung der öffentlichen Meinung, ist dieses China auf dem Weg ins Abseits. In der Bevölkerung hat sich, gesteuert durch die Staatsmedien, ein extremer Nationalismus etabliert, mit dem Westen als Feindbild. Ob es Xi noch gelingt, Taiwan zu überfallen, wie er es in seinem Masterplan bis 2050 befohlen hat, lässt sich noch nicht sagen, aber die Tatsache, dass man bei innenpolitischen Problemen gerne einen Krieg anfängt, ist diktatorisches Grundwissen. Das lässt nichts Gutes erahnen.

Bücher wie dieses sind rar geworden, denn Chinas Einfluss reicht mittlerweile bis in die Köpfe von Journalisten, die sich ihre Gesinnung abkaufen lassen. Lea Sahay erlebt gerade am eigenen Leib (und dem ihrer Familie) Chinas Weg in die Dunkelheit und traut sich als eine der Wenigen, offen darüber zu sprechen, etwas, das ihren chinesischen Freunde verwehrt ist. Hoffentlich darf sie noch lange berichten, ohne dass auch sie Konsequenzen zu spüren bekommt.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.11.2024
Lucky Luke 102
Achdé;Jul

Lucky Luke 102


ausgezeichnet

Worauf gründet die amerikanische Zivilisation? Auf Bier! Kein Präriestädtchen ohne Saloon, Bier schweißt die Gesellschaft zusammen und ist auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. In Milwaukee gibt es die größte Ansammlung von Brauereien der USA, ja sogar die größte Brauerei der Welt steht hier und ausgerechnet jetzt sind die Arbeiter seit Wochen im Streik. Die Saloons laufen im ganzen Land trocken, mit fürchterlichen Entzugserscheinungen für die an steten Nachschub gewöhnten Kunden. Da kann nur einer helfen, der neuerdings rauchentwöhnte Cowboy mit dem schnellen Schießeisen. Lucky Luke soll zwischen Arbeitern und Brauereibesitzer Martz vermitteln, aber die Fronten sind verhärtet. Erst als die Daltons als Streikbrecher in Martz Fabrik eingesetzt werden, kommt unerwartet Bewegung in die Sache.

„Letzte Runde für die Daltons“ spielt mit dem Klischee der deutschen Immigranten in den USA und nimmt liebevoll Eigenarten und auch historische Personen auf die Schippe. Sei es die deutsche Obrigkeitshörigkeit, der Hang zu sozialistischem Gedankengut und deftigem Essen, der sprichwörtliche Fleiß oder die Liebe zu den Farben Schwarz, Rot und Gold: Jul und Achdé haben ihre originelle Geschichte mit so viel Liebe zum Detail gestrickt, dass das Lesen richtig Spaß macht. Und die Gags zünden! Nicht nur das, sondern man lernt auch noch ordentlich was dazu. Eine ganze Reihe bekannter Persönlichkeiten oder heute noch berühmter Marken haben deutsche Wurzeln und das endet zum Glück nicht bei Donald Trump. Dass Achdé den Morris-Stil mittlerweile dermaßen perfekt drauf hat, dass man ihn vom Meister kaum noch unterscheiden kann, hat sich ja rumgesprochen, aber auch die Ideen von Texter Jul reichen an die besten Lucky-Luke-Zeiten heran. Das Team hat sich wirklich eingespielt und während der Generationenübergang bei Comic-Reihen nicht überall geglückt ist, würde ich das bei Achdé/Jul bedenkenlos unterschreiben. Flott erzählt, wirklich originell ausgedacht, super recherchiert und perfekt ins Bild gesetzt. Das war sicher noch lange nicht die letzte Runde.

(Der Comic wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.