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Volker M.

Bewertungen

Insgesamt 429 Bewertungen
Bewertung vom 31.01.2025
Hokusai
Marks, Andreas

Hokusai


ausgezeichnet

Der im Westen wohl bekannteste japanische Künstler ist Katsushika Hokusai, was nicht nur an den bemerkenswerten Zuschlägen für seine Werke bei internationalen Auktionen liegt, sondern auch an seinem Einfluss auf die europäische Kunstgeschichte. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden seine weltweit vertriebenen Holzschnitte und die seiner Nachfolger zu prägenden Vorbildern für Impressionismus und Jugendstil.
In Japan steht Hokusai in einer weit zurückreichenden Tradition, die er zwar in neue Bahnen lenkte, aber er wird dort nicht als isoliertes Ausnahmetalent gesehen. Andreas Marks stellt Hokusai, sein Leben und Werk in einen größeren Zusammenhang, indem er die Wechselwirkungen zwischen seinen Lehrern, Schülern und Verlegern thematisiert, aber auch seine vielfältige künstlerische Entwicklung. Hokusais frühe Arbeiten sind wesentlich seltener als die späteren, die teilweise in riesigen Auflagen gedruckt wurden. Die frühen unterlagen meist nicht der Zensur, da sie in kleiner Auflage privat verkauft wurden und motivisch größere Freiheit genossen. Dass Marks auch aus dieser Frühphase zahlreiche authentische Beispiele aufgespürt hat, ist die erste Überraschung in dieser an Überraschungen reichen Monografie. Die verzerrte Wahrnehmung von Hokusai nur als begnadetem Landschaftsmaler bekommt hier ganz neue Facetten, denn er war auch auf den Gebieten des (Schauspieler-)Portraits, der Buchillustration oder buddhistischen Malerei sehr erfolgreich. Es gibt kaum ein Genre, das er im Lauf seines langen Lebens nicht bediente.

Marks macht in seinem Buch nicht den Fehler, den anekdotischen Hokusai mit dem historisch Belegten zu vermischen. Die erste Hokusai-Biografie erschien fast 50 Jahre nach seinem Tod und stützte sich auf Erzählungen von Menschen, die den Künstler meist nicht mehr persönlich kannten. Hier die Wahrheit von der Legende zu trennen, ist nicht einfach, gelingt Marks aber überzeugend. Das gleiche gilt für die unterschiedlichen Künstlernamen, die Hokusai führte und die immer noch kontrovers diskutiert werden. Hokusai kommt auf weit über 20 belegte Namen, die er in verschiedenen Kontexten und Phasen verwendete. Auch hier sorgt der Autor für Ordnung. Unlösbar bleibt dagegen das Problem der „Eigenhändigkeit“, das bei der engen Kooperation von Schülern und Lehrern in japanischen Druckwerkstätten unvermeidlich ist. Hokusai hatte mindestens 50 Schüler, die alle in die Produktion involviert waren und seinen Stil perfekt beherrschten. Marks folgt nicht der vor allem im hochpreisigen Kunsthandel verbreiteten Heroisierung, die Hokusai als One-Man-Show inszeniert. Die „Marke“ Hokusai war ein Kunstbetrieb, der Masse liefern musste, um Familie und Angestellte zu ernähren. Reich wurde der Meister übrigens nicht damit, anders als die heutigen Händler, die mit ökonomischen Hintergedanken immer weiter an einer vermarktbaren Legende stricken.

Der Band ist chronologisch gegliedert und in sechs Kapitel nach den sechs Hauptkünstlernamen Hokusais unterteilt. Jedes Kapitel zeigt sowohl die biografische Entwicklung, als auch die charakteristischen Stil- und Motivmerkmale der jeweiligen Periode, wobei der Autor großen Wert darauf legt, Werke zweifelhafter Zuschreibung auszuklammern. Diese beispiellose Monografie zeigt mit fast 1500, oft originalgroßen Abbildungen, das riesige Oeuvre, das nach Schätzungen etwa 8000 Gemälde, Drucke und Zeichnungen umfasst haben mag. Auch wenn der Band damit keinen Catalogue raisonné repräsentiert (was er auch nicht vorgibt zu sein), ist es die mit großem Abstand umfangreichste Darstellung, nicht nur im Westen, sondern überhaupt. Die kritische Herangehensweise hebt Marks außerdem stark von kommerziell beeinflussten Autoren ab, und seine Unabhängigkeit und ausgewiesene Expertise machen „Hokusai“ zu einem echten Grundlagenwerk, das in keiner Sammlung fehlen darf, auch wenn ein Anhang mit authentischen Namenssiegeln und Verlegerstempeln sicher hilfreich gewesen wäre.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2025
Briefe von morgen, die wir gern gestern schon gelesen hätten
Vermes, Timur

Briefe von morgen, die wir gern gestern schon gelesen hätten


ausgezeichnet

Unsere Welt ist mittlerweile so irre, dass die Zukunft nicht mehr das Versprechen, sondern die Drohung ist. Was wäre, wenn es immer so weitergeht? Wenn die künstliche Intelligenz irgendwann bemerkt, dass es gar keine natürliche gibt? Wenn uns Konzerne regieren, deren Beschwerde-Hotline nur noch eine Geheimnummer hat? Oder man stelle sich mal vor, Wahlprogramme würden sich von der Realität entkoppeln! Eine gruselige Vorstellung.

Timur Vermes hat unsere Gegenwart ein kleines bisschen weiter überdreht und daraus keinen Roman gemacht, sondern ein satirisches Kaleidoskop, das er nach jedem Kapitel schüttelt, damit ein neuer Irrwitz herauskommt: Eine KI-Augenlinse, die die Realität an die Wünsche des Trägers anpasst. Archäologen der Zukunft, die sich Gedanken über eine unterirdische Kultstätte machen, in der tödliche Strahlenschätze lagern. Ein virtueller Thomas Gottschalk, der aus dem Grab eine Laudatio auf Deutschlands erste Influencer-Kanzlerin hält. Einen Bestellschein für maßgeschneiderte Babies, mit eingebauter Ritalinpumpe und Fernbedienung. Ein Gespräch mit Gott, der sich um andere Dinge kümmert als die um die Menschheit. Und das ist noch lange nicht alles.

So unterschiedlich die Themen, so unterschiedlich die Formate: Briefe, Interviews, Werbebroschüren, Zeitungsartikel, geheime Gesprächsmitschnitte. Immer ganz dicht dran und knallhart nachgefragt. Lanz ist auch dabei.

Den meisten Spaß hatte ich an den Dialogen, die so auf den Punkt geschrieben sind, dass wirklich jede Pointe sitzt. Messerscharf, absurd, aber nicht weniger realistisch als unsere absurde Gegenwart. Etwa so wie der brachialrhetorische Schlagabtausch zwischen den Presseabteilungen der Hamas und Israelis. Nur Gewinner. Irgendwann.

Sogar Dennis Scheck lobt Timur Vermes, aber spätestens hier wird dann klar, dass das alles nur ausgedacht ist. Kurz, aber nicht schmerzlos.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

Bewertung vom 15.01.2025
Warren Buffett: Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie.
Hagstrom, Robert G.

Warren Buffett: Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie.


ausgezeichnet

Warren Buffett gilt als der erfolgreichste Investor aller Zeiten. Kein Wunder, dass es unzählige Bücher über ihn und seine Anlagestrategien gibt, darunter sehr gute Analysen wie auch die von Robert G. Hagstrom. Seit 30 Jahren ist das Buch ein Bestseller und wird immer wieder neu aufgelegt und aktualisiert.

Der Portfoliomanager und Autor Hagstrom hat Buffetts Aussagen und Anlageentscheidungen über mehrere Jahre hinweg analysiert, um daraus die wichtigsten Methoden und Strategien für Privatanleger abzuleiten. Das Ergebnis ist eine Checkliste mit zwölf zeitlosen Anlagestrategien, die sich auf das Unternehmen, das Management und die Finanzen beziehen: Ist das Geschäftsmodell des Unternehmens verständlich, arbeitet das Management rational, ist es aufrichtig gegenüber den Aktionären und wie hoch ist die Eigenkapitalrendite?

Obwohl ich schon einige Bücher über Warren Buffett und seine Value-Investing-Strategien gelesen habe, hat mich Hagstrom überrascht, zum Beispiel beim Thema Diversifikation, die er kritisch sieht. Warren Buffett hat sich bei seinem Portfoliomanagement immer auf wenige herausragende Unternehmen konzentriert und sieht sich daher als „company picker“ und nicht als „stock picker“. Dieser einzigartige Ansatz ist wahrscheinlich das Gegenteil von dem, was normalerweise über das Investieren am Aktienmarkt gelehrt wird, nämlich Aktien und damit das Risiko zu streuen. Buffett hat einleuchtende Gründe für sein „Focus Investing“, das allerdings nur für „erfahrene“ Anleger geeignet ist und entsprechendes Wissen und viel Arbeit voraussetzt. Will man das nicht, empfiehlt er „unwissenden“ Anlegern, in Indexfonds zu investieren, auch wenn diese Absicherung ihren Preis hat – schließlich kauft man immer auch die Underperformer im Index mit.

Neben einer kurzen Biografie Buffetts (mit 11 Jahren kaufte er seine erste Aktie) stellt Hagstrom auch fünf Fallstudien vor, die das Handeln und die Grundsätze des Jahrhundert-Investors anhand der Unternehmen Coca-Cola, Apple & Co. verdeutlichen.

Der Autor hat aber auch andere fokussierte Investoren daraufhin untersucht, ob sie ähnlich erfolgreich sind wie Warren Buffett (z.B. Bill Ruane vom Sequoia Fund oder Lou Simpson von GEICO). Hagstrom erklärt, warum es so wenige Nachahmer von Berkshire gibt und warum die Strategien der meisten Investmentmanager nicht funktionieren. Auch mit der Effizienzmarkttheorie geht Buffett hart ins Gericht.

Für mich das beste Buch über Warren Buffett, denn es betet nicht einfach nach, was andere schon geschrieben haben, sondern kommt zu ganz eigenen und oft überraschenden Schlüssen. Und auch wenn man nicht alles beherzigen kann, was Hagstrom herausgefunden hat, sollte man es zumindest wissen.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.01.2025
Stanley Kubrick's The Shining
Rinzler, J. W.

Stanley Kubrick's The Shining


ausgezeichnet

Steven Spielberg, der die Buchvorlage für „The Shining“ geliefert hat, schreibt im Vorwort sehr treffend, was Stanley Kubricks Filme auszeichnen: Sie brechen die etablierten Regeln des Kinos, erobern stets cinematisches Neuland und kein Film ist wie der andere. 13 Werke, darunter der esoterisch angehauchte Science-Fiction „2001- A Space Odyssey“, der Historienfilm “Spartacus”, die Endzeit-Komödie „Dr. Seltsam“ oder „Clockwork Orange“ und „Eyes Wide Shut“, die eigene Kategorien sind. Insgesamt 13 Oscar-Nominierungen für 13 Filme. Nicht nur für Spielberg ist Kubrick eines der größten Genies der Filmgeschichte.

„The Shining“ hat eine ganze Generation traumatisiert, ein Film, der sich in die Albträume eines jeden einbrennt, der ihn gesehen hat. Ganz ohne hektische Schnittfolgen, wie es bei Horrorfilmen üblich war (und ist), durchzogen von einer bedrohlichen Ruhe im eingeschneiten Overlook Hotel, dessen Geister Jack Torrance langsam in den Wahn treiben werden. Ein epochaler Horrorfilm über den regalmeterweise cineastische Literatur existiert, aber kein einziges Making-of. Fast zeitgleich kamen der renommierte Buchautor J. W. Rinzler und der Oscar-prämierte Regisseur Lee Unkirch („Toy Story“) auf die Idee, dem abzuhelfen. Rinzler hatte bereits umfangreiche Making-ofs der Star Wars Serie publiziert, Unkirch galt als einer der versiertesten Kenner von „The Shining“, dessen Memorabilia und Hintergrundinformationen er seit vielen Jahren sammelte. Die beiden trafen sich im Kubrick-Archiv in London und vereinbarten eine Zusammenarbeit, die über 10 Jahre bis zur Publikation andauerte. Rinzler verstarb kurz vor Drucklegung.

Der 900 Seiten starke Textband folgt chronologisch den Ereignissen, von Spielbergs Buchvorlage bis zur Rezeption des Films nach der Premiere 1980. Zahllose Set Fotos, faksimiliertes Hintergrundmaterial und Film Stills ergänzen die minutiösen Beiträge, die Kubrick nicht nur als hochintelligenten Workaholic erkennen lassen, sondern vor allem als jemanden, der in einem extrem komplexen Umfeld buchstäblich jeden Aspekt des Filmemachens aktiv begleitete. Der Vertrag mit Warner ließ ihm nach Abnahme des Drehbuchs uneingeschränkte Freiheit, die Kubrick in den über zwei Jahren Produktion auch nutzte. Alle Teilnehmer beschreiben die Arbeit mit ihm mindestens als sehr intensiv, oft sogar brutal, Kubricks Perfektionismus nahm jedenfalls keinerlei Rücksicht. Er selber stand zwar nicht mehr für Interviews zur Verfügung, aber sein Archiv wurde noch von ihm für die Nachwelt konzipiert und enthält das, was er als Quintessenz in tausenden Kisten sorgfältig bewahrte. Dazu kommen noch über 100 Stunden Interviews mit noch lebenden Weggefährten, Publiziertes aus Filmzeitschriften, Yellow Press und weiteren privaten Aufzeichnungen. Es ist eine unfassbare Menge an Material, bei dem es nicht wundert, dass die Auswertung über 10 Jahre gedauert hat.

Der zweite Band ist mit „Scrapbook“ betitelt und enthält mehr als 400 Fotos der Produktion von „The Shining“. Kubricks echtes Notizbuch ist zwar nicht erhalten, es ging zerlegt in seinem Archiv auf, aber diese Rekonstruktion zeigt, wie es hätte aussehen können. Quellen sind das Kubrick-Archiv, aber auch private Fotos von anderen Beteiligten, viele Stills aus Deleted Scenes oder Set Fotos, alles jeweils mit knappen Erklärungen versehen. Sie ergänzen, ebenfalls chronologisch, den Textband und können fast parallel gelesen werden.

Die buchtechnische Verarbeitung ist hervorragend, mit solider Fadenbindung, angenehm getöntem Papier, Farbschnitt und robustem Schuber. Einzig der Textband hat einen Flexeinband aus Kunststoff, die ich persönlich nicht so schätze, weil man nicht vorhersehen kann, ob die Weichmacher im Lauf der Zeit ausblühen und die Oberfläche klebrig wird. TASCHEN achtet normalerweise auf sowas, also hoffe ich, das Material ist dauerhaft. Es wäre auch sehr schade, denn nach dieser Ausgabe ist zum Thema Making-of von „The Shining“ wirklich alles gesagt und recherchiert, was es zu sagen und recherchieren gibt. Als wäre man selbst dabei gewesen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.01.2025
Das Reisebuch Japan
Kleinschmidt, Bernhard;Elisa Mori

Das Reisebuch Japan


ausgezeichnet

Als ich Japan vor fast 20 Jahren „entdeckte“, war es wirklich noch eine Entdeckung. Das Land war vom Massentourismus völlig unberührt und das Reisen war eine Erfahrung, wie ich sie noch nicht kannte. Zuverlässig, sauber, ruhig. Zuverlässig ist das Reisen in Japan immer noch, sauber auch, aber ruhig? Das Land der aufgehenden Sonne ist Opfer seines eigenen Erfolgs geworden, Influencer und Bucket Lists haben schweren Schaden angerichtet, so dass mittlerweile nicht nur die Einwohner, sondern auch die Touristen über massive Einschränkungen klagen. Umso wichtiger ist die Vorbereitung.

Das „Reisebuch Japan“ ist eine gelungene Mischung aus Bildband und Reiseführer, wobei die Reiseinformationen sich auf touristische Sehenswürdigkeiten beschränken. Es gibt also keine „Praxistipps“ zu Transport, Unterkunft oder Verpflegung. Es ist eher ein Buch für die Vorbereitung zu Hause, weniger ein Reisebegleiter vor Ort.

Positiv ist die große geografische Bandbreite, die auch entlegene Winkel berücksichtigt und das wirklich ausgezeichnete Bildmaterial. Man bekommt visuell einen sehr guten Eindruck von dem, was einen erwartet und man kann sich auch darauf verlassen, dass es jeweils die absoluten Höhepunkte der Region sind. Die Kultur steht zwar im Vordergrund, aber es gibt auch Tipps für Erlebnisurlaub in der Natur oder zum Sport. Eingeschoben sind Spezialkapitel, die japanische Besonderheiten erklären (Onsen, Matsuri, Sushi ...) und gleich auch noch ein paar Empfehlungen geben. Sowohl die Auswahl der Ziele als auch die „Rankings“ der Autoren zeugen von viel Reiseerfahrung. Die meisten würde ich bedenkenlos teilen und ich kenne wirklich sehr viele der genannten Ziele.

Es gibt nur einen Punkt, den ich kritisieren muss, und der bezieht sich auf das anfangs Gesagte: So schön einige der Sehenswürdigkeiten auch sind, sie sind teilweise hoffnungslos (!) überlaufen. Der Eikando in Kyoto, auf Platz 7 der persönlichen Bestenliste der Autoren, hat im Herbst Warteschlangen von 2-4 Stunden und die berühmten Torii von Fushimi-Inari sind unerträglich geworden. Das muss man wissen, wenn man eine Tagestour plant und ggf. auf weniger überlaufene Ziele ausweichen. In Kyoto wird das aber schon schwierig. Andererseits kann ich verstehen, wenn man die Top-Highlights auch sehen möchte, deshalb ist es absolut notwendig, die Ziele unabhängig zu recherchieren. Die Stadt Kyoto hat z. B. für einige Attraktionen seit Kurzem einen „Crowd Simulator“, der dabei hilft, ein geeignetes Zeitfenster zu finden.

Das Buch ist mit großer Reiseerfahrung zusammengestellt, es ist in den gewählten Themenbereichen informativ und erlaubt dem Leser gute Entscheidungen zu treffen. Aber das Japan von heute ist nicht das Japan von gestern, besonders im Expo-Jahr 2025, so dass vor Reiseantritt in jedem Fall eine gründliche Nachrecherche nötig ist, sonst wird ein zu voll gepackter Tagesplan schnell zur herben Enttäuschung.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.01.2025
Seunggu Kim
Kim, Seunggu

Seunggu Kim


ausgezeichnet

Wie erholt man sich in einer Gesellschaft, die immer in Eile ist, die keine Zeit hat und in überindustrialisierten Städten mit wenig Naturräumen lebt? Koreaner sind Pragmatiker. Sie planen ihre Freizeit so effizient wie die berufliche Arbeit und wägen Aufwand gegen Nutzen ab. Stadtnahe Freizeitparks und Festivals sind Gelegenheiten, mit geringem Aufwand zusammen mit anderen Spaß zu haben. „Kollektiven Individualismus“ nennt der Fotograf Seunggu Kim dieses Phänomen, das es in dieser Ausprägung nur in Korea gibt. Für Europäer sind das uniforme Verhalten und die trostlose Einfachheit der „Attraktionen“ mit Individualismus kaum zu assoziieren, in Korea ist das ganz offensichtlich anders. Kim hat seit fast 10 Jahren detaillierte Übersichtsfotos von Freizeitparks und Festivals aufgenommen und gibt so interessante Einblicke in das Vor-Corona, Während-Corona und Nach-Corona Korea. Die Unterschiede sind kaum wahrnehmbar, was auf bestimmte kollektive Verhaltensmuster zurückzuführen ist, die es Korea ermöglichte, ohne drakonische Maßnahmen die Corona-Pandemie zu überstehen, bei der gleichzeitig geringsten Todesrate aller Industrienationen.
Kims Fotos werden immer aus erhöhten Perspektiven aufgenommen und wirken oft wie Drohnenbilder, wodurch der gleichgeschaltete Individualismus, der für den europäischen Betrachter so irritierend ist, auf den ersten Blick erkennbar wird.

Im Nachwort erklärt der Autor diese auffälligen kulturellen Unterschiede, allerdings zeigen die Fotos auch keine absolute Realität, denn die vielen Dutzend Menschengruppen eines einzelnen Bildes sind einfach zu perfekt arrangiert, um natürlich zu sein. Sie visualisieren also eher ein Konzept. Aber letztlich macht das künstlerische Fotografie immer.

Kim nutzt Großformatkameras für seine Fotos, was im verkleinerten Format als Überdetailliertheit wahrgenommen wird. Es sind echte Wimmelbilder, die man gerne größer sehen möchte, um die Raffinesse der Komposition klarer zu erkennen. Das Buchformat ist erkennbar ein Kompromiss, der den riesigen Originalen zwar nicht wirklich ebenbürtig ist, aber zumindest einen realen Eindruck vermittelt.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2025
Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus
Twain, Mark

Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus


ausgezeichnet

Mit 14 habe ich den „Yankee“ zum ersten Mal gelesen, damals noch als reine Abenteuergeschichte. Es war tatsächlich meine erste literarische Begegnung mit Mark Twain, noch vor „Tom Sawyer“ oder dem herrlichen „Bummel durch Europa“, mit der wohl lustigsten Beschreibung der deutschen Grammatik überhaupt. Im Abstand von einigen Jahrzehnten habe ich den „Yankee“ jetzt wieder gelesen und er hat mich erneut gefesselt. Zu meinem Glück hatte ich viele Wendungen schon vergessen, so dass die Spannung nicht gelitten hat, hinzugekommen ist aber die Bewunderung für die originelle Geschichte, die tatsächlich ein echter Science-Fiction-Roman ist. Der Ich-Erzähler wird aus seiner Gegenwart, dem Ende des 19. Jahrhunderts, geradewegs ins Mittelalter katapultiert, wobei er mit seinem technischen und naturwissenschaftlichen Wissen einen unschlagbaren evolutionären Vorteil genießt. In kürzester Zeit erobert er sich die Stelle des Premierministers und beginnt, das Land umzubauen. Sein Fernziel ist die Abschaffung der Leibeigenschaft und des Adels, was erwartungsgemäß auf Widerstand trifft, doch Twains Überlegenheitsgefühl bekommt irgendwann Risse. Der Zauberer Merlin, mit dem er in inniger Feindschaft verbunden ist, wartet nämlich nur auf seine Gelegenheit. Und die wird kommen.

Twains Humor zeichnet sich besonders durch seine Menschenfreundlichkeit und feine Selbstironie aus, wodurch die menschlichen Schwächen sogar noch deutlicher hervortreten. Der Kampf von Wissenschaft und Logik gegen tumben Glauben ist selten so originell beschrieben worden und die Mechanismen, mit denen Menschen in einer weltanschaulichen Blase die Wahrheit ausblenden, erinnert doch sehr an unsere Gegenwart. Twain ist erstaunlich zeitgemäß, bedenkt man, dass das Buch fast 150 Jahre alt ist. Die Einfälle sind heute noch so originell wie damals und nicht umsonst wurde es mehrfach verfilmt. Übrigens erschien der „Yankee“ noch vor dem Roman „Die Zeitmaschine“ von H. G. Wells, der sich nicht wenige Ideen von Twain „geborgt“ hat.

Die Übersetzung ist gut, aber an einigen Stellen, bei denen englische Wortspiele im Hintergrund stehen, hätte ich mir etwas mehr Mühe bei der Übertragung gewünscht. Harry Rowohlt war einer der wenigen Übersetzer, der solche Transferleistungen ins Deutsche genial hinbekam, hier gelingt das nicht ganz so elegant. Auch die „mittelalterliche“ Wortwahl der Einheimischen erinnert mich eher an Living History als an authentischen Sprachgebrauch.

Trotzdem habe ich das Buch wieder mit großem Vergnügen gelesen, auch weil die liebevolle Buchausstattung der Manesse-Ausgabe dazu zusätzlich beiträgt. Eine Geschichte, die jede Generation aufs Neue begeistern wird.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.12.2024
Die Kunst des Quality Investing
Kroeze, Luc

Die Kunst des Quality Investing


sehr gut

Zur Diversifikation gehört eine breite Anlage in Aktien, denn der Aktienmarkt hat bisher (!) mittelfristig noch jede Krise gemeistert. Wer den Aufwand scheut, sollte in breit gestreute Aktien-ETFs (z.B. auf den Referenzindex MSCI World) investieren, muss dann aber in Kauf nehmen, dass die Rendite den Markt nicht wesentlich übertrifft. Wer mehr will oder Spaß am Stockpicking hat, kann sich selbst auf die Suche nach einzelnen Aktien machen - mit dem Risiko, teure Fehlentscheidungen zu treffen. Um dieses Risiko zu minimieren, gibt es verschiedene Anlagestrategien, die Aktien nach unterschiedlichen Kriterien auswählen.
Luc Kroeze beschreibt in seinem Buch, was unter Quality Investing zu verstehen ist und wie es sich von gängigen Strategien wie Value- und Growth-Investing unterscheidet. Darüber hinaus erläutert er, was den Reiz dieser Anlagephilosophie ausmacht und wo mögliche Fallstricke lauern. Ziel des Buches ist es, Anlegern eine Hilfestellung zu geben, woran sie Qualitätsaktien erkennen können. Dazu hat er Kriterien für Qualitätsmerkmale entwickelt, die er seinen Lesern in einer Checkliste detailliert vorstellt.

Die Checkliste besteht aus 13 Kriterien, die Kroeze in zwei Kategorien unterteilt: qualitativ und quantitativ. Qualitativ ist beispielsweise zu beurteilen, ob das Geschäftsmodell leicht verständlich ist, das Unternehmen über Wachstumspotenzial und eine gewisse Preissetzungsmacht verfügt und möglichst rezessionsresistent ist. Aufwändiger sind die qualitativen Kriterien, die sich auf die Zahlen in der Bilanz beziehen. Hier erklärt der Börsenspezialist, auf welche Kennzahlen es ankommt, warum der Gewinn pro Aktie von Anlegern oft falsch interpretiert wird und wenig aussagekräftig ist und warum der freie Cashflow so wichtig ist. Besonders intensiv geht der Autor auf die Gesamtkapitalrendite ROIC ein. Auch wenn die Kapitel zu den quantitativen Prüfkriterien etwas zahlenlastig sind, lohnt es sich, dranzubleiben und die Argumentation nachzuvollziehen. Allerdings hätte ich mir zum besseren Verständnis konkrete und detaillierte Beispiele aus Bilanzen bestehender Unternehmen gewünscht.

Längst nicht alle Unternehmen verwenden dieselben Begriffe. Der Experte empfiehlt daher, sich von vornherein die englischen Begriffe anzueignen, da diese standardisierter sind und die Bilanzen ausländischer Unternehmen ohnehin in englischer Sprache verfasst werden. In seinem Buch verwendet er jedoch grundsätzlich die deutschen Begriffe und folgt seinem eigenen Rat nicht. Hier hätte er meines Erachtens zumindest im Anhang eine Gegenüberstellung der deutschen und englischen Begriffe / Kennzahlen aufnehmen oder mit Fußnoten arbeiten sollen.
Auch ein Stichwortverzeichnis zum Nachschlagen und Hinweise auf weiterführende Literatur fehlen mir.

Das Investieren in einzelne Aktien ist ein mühsamer Prozess. Doch Kroeze hilft mit seiner Checkliste, die besten Unternehmen herauszufiltern und zu bewerten. Er gibt hilfreiche Tipps für den Aufbau des eigenen Portfolios, erklärt, warum bestimmte Branchen wie Banken, Rohstoffe und Autos für den Qualitätsinvestor nicht in Frage kommen, zeigt, dass 15 bis 20 Einzelaktien für eine gute Diversifikation ausreichen und widerlegt den Mythos vom idealen Einstiegszeitpunkt beim Aktienkauf.

Ein guter Start für den Qualitätsinvestor mit einer sehr hilfreichen Checkliste.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.12.2024
Mushi-Shi - Volume 4 LTD.
Moog,Philipp

Mushi-Shi - Volume 4 LTD.


ausgezeichnet

Ginko ist ein Mushi-Shi. Er steht mit den Naturgeistern in Verbindung, kann sie sehen und kennt die verschiedenen Mushi-Arten. Eigentlich leben Mushi und Menschen in getrennten Welten, aber wenn diese sich berühren, kann es für die Menschen gefährlich werden. Ginkos Aufgabe ist es, die Welt der Mushi und der Menschen wieder zu trennen, was ihm oft, aber nicht immer gelingt.

Ich habe die ersten drei Staffeln mit großer Begeisterung gesehen und auch die vierte hält das Niveau problemlos. Die Geschichten stecken voller japanischer Naturphilosophie und verarbeiten klassische Motive japanischer Geistergeschichten. Nicht immer gibt es ein Happy End, ja manchmal bleibt das Ende sogar offen, wie es in japanischen Geschichten oft der Fall ist. Die Unbestimmtheit hat eine eigene Qualität, indem sie dem Zuschauer mehr Freiheiten der Interpretation lässt. Mushi-Shi ist insgesamt eher düster angelegt, was im Kontrast zu den wunderschönen Bildern steht, die starke Anleihen bei klassischen japanischen Holzschnitten nehmen. Die Atmosphäre steht stark im Vordergrund, was dem ruhigen Erzähltempo sehr zugutekommt. Es ist ein echter Genuss, sich das anzuschauen.

In der vierten Box liegt ein recht umfangreiches Booklet bei, das vor allem Arbeitsskizzen der Charaktere enthält, an denen sich die Anime-Zeichner bei der Produktion orientieren müssen. Hintergrundinformationen zur Welt der Mushi oder der japanischen Naturphilosophie gibt es leider auch in dieser Staffel nicht. Die Bonus-Tracks sind eher unergiebig. Sie zeigen einen unspektakulären Videorundgang durch das Studio und ein wirklich sehr dünnes Interview mit dem Regisseur. Man muss allerdings bedenken, dass es japanische Interviewer sind, die sich an dem orientieren müssen, was der japanische Zuschauer als Rollenbild eines Arbeitnehmers erwartet: Man arbeitet hart, ist bis zur Selbstaufgabe engagiert und doch nie mit sich zufrieden. Das hört man dann 20 Mal hintereinander. Japaner finden so was toll...

Trotzdem gibt es von mir fünf Sterne, weil die Episoden einfach nur genial gut sind.

(Die Blu-ray wurde mir von Polyband kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.12.2024
Welt der Renaissance: Rom
Roth, Tobias

Welt der Renaissance: Rom


ausgezeichnet

Rom war einer der ganz großen Gewinner der Renaissance: Zu Beginn des 15. Jahrhunderts hatte die Stadt kaum 20000 Einwohner, weite Teile der antiken Siedlungsfläche lag in Ruinen und wurde auch nicht mehr bewohnt. Nur die Päpste (und deren gab es damals bis zu drei gleichzeitig) hielten Rom die Treue und sie waren es auch, die die „Wiedergeburt“ bald einleiten sollten.

Nachdem er bereits ein Buch über die Renaissance in Florenz verfasst hat, widmet sich Tobias Roth diesmal der „zweiten Generation“, indem er die Entwicklung in Rom darstellt. Seine Methode ist ziemlich einmalig, indem er nicht nur die (kultur)geschichtlichen Fakten inhaltlich aufarbeitet, sondern nach jedem Kapitel einen oder zwei Originaltexte beisteuert, die einen direkten Bezug haben. Das können Schlüsseltexte zur Wiederentdeckung der antiken Kultur in Rom sein oder auch Tagebücher und Briefe von Reisenden und Gesandten, die ihr Entsetzen oder auch ihre Bewunderung zum Ausdruck bringen. Roth übersetzt die Quellen alle neu, angepasst an heutige Sprachgewohnheiten, sehr lebendig und ganz ohne historischen Staub. Ich war mehr als einmal überrascht, wie persönlich und für Menschen der Gegenwart nachvollziehbar die Autoren damals schrieben, so als wären 500 Jahre Distanz ohne Bedeutung. Aber dass ihre Gefühle und Gedanken den unseren so ähnlich sind, liegt nicht zuletzt daran, dass unsere heutige Gesellschaft auf den Werten dieser Humanisten gründet.

Wie schon in „Florenz“ hat mich sehr beeindruckt, mit welcher Eleganz Tobias Roth Fakten aufbereitet. Seine historischen Abrisse sind von einer Informationsdichte, die einen erschlagen könnte, wenn sie nicht so raffiniert komponiert wären. Ein guter Krimiautor kann eine Person in drei Zeilen charakterisieren und der Leser hat sofort einen lebendigen Menschen vor Augen. Tobias Roth macht das ähnlich. Er verbindet die großen geschichtlichen Linien und Entwicklungen mit interessanten, oft anekdotenhaften Ereignissen, die die jeweiligen Protagonisten lebendig werden lassen. Diese Schlüsselpersonen tauchen auch in der Folge immer wieder auf, indem sie zu Ankerpunkten für neue Personen werden. So entsteht das Bild eines endlosen Netzwerks, in dem alle mit allen irgendwie verbunden sind. Dass Tobias Roth gleichzeitig ein brillanter Stilist ist, mit einem Faible für „schöne Sprache“, ohne dass er jemals auch nur andeutungsweise akademisch verkopft klingt, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

„Rom“ wird in diesem Buch zu einem brodelnden Energiezentrum, in dem sich viele herausragende Persönlichkeiten zu einem gemeinsamen Ziel versammeln: Die Ewige Stadt wieder zu dem zu machen, was sie einmal war. Kunst und Wissenschaften blühen, aber auch der Nepotismus, Ämterkauf und Korruption. In dieser unübersichtlichen Gemengelage schafft Tobias Roth den Durchblick. Aufgeräumt, sprachgewandt und mit einem überbordenden Detailwissen gesegnet. So lebendig kann Geschichte sein.

(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.