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Stage Reptiles
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Holzkirchen
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Bücherwurm, Musikliebhaber, Filmeseher. Bunt gemischt in sehr vielen Genres unterwegs. www.stage-reptiles.com

Bewertungen

Insgesamt 12 Bewertungen
12
Bewertung vom 04.05.2020
Die Tote in der Sommerfrische / Viktoria Berg Bd.1
Dix, Elsa

Die Tote in der Sommerfrische / Viktoria Berg Bd.1


ausgezeichnet

Norderney 1912: Die feine Gesellschaft verbringt den Sommer am Meer. Unter ihnen ist Christian Hinrichs, der nicht zu den oberen Kreisen gehört, aber für ein Magazin einen Artikel über den Urlaub auf der Insel verfassen soll. Doch die Ruhe wird vom überraschenden Tod des Zimmermädchens Henny gestört, die eine Freundin des Gastes Viktoria Berg gewesen ist, auch wenn sie weit unter deren Stand anzusiedeln war. Als dann ein Gast ermordet wird, sind Viktoria und Christian sicher, dass es sich nicht um einen Zufall handelt. Sie beginnen auf eigene Faust zu ermitteln ...

1912, das Jahr des Untergangs der Titanic. Die Katastrophe ist nur wenige Monate alt, doch seinen Sommerurlaub will man sich davon nicht vermiesen lassen. Das Unglück findet in dem Krimi nur eine kurze, beiläufige Erwähnung. Vielleicht ist man des Themas auch einfach überdrüssig und daher macht es nichts aus, dass darauf nicht eingegangen wird, vielleicht empfindet man diesen Umstand aber auch als etwas störend. Mich hat er jedenfalls sehr irritiert. Doch dieser kleine Nebeneffekt soll die Freude an der Lektüre nicht schmälern. Beginnend mit dem Tode Hennys wird der Leser um 100 Jahre zurückversetzt. Das Obrigkeitsdenken war noch ein völlig anderes, die Abstufungen zwischen Arm und Reich deutlicher. Zu vieles, was unschicklich war, nicht erlaubt, Anstoß erregte. Dazu gehört auch, dass eine verheiratete Frau keine Entscheidungen treffen durfte und vom guten Willen ihres Mannes und dessen Zustimmung zu allem, abhängig war.

Elsa Dix hat sich intensiv mit Verboten, Gesetzen, Regeln und der damaligen Zeit zwischen Kaiserreich und Weltkrieg auseinandergesetzt. Dadurch schaffst sie es, viele Details einzubauen und eingehend zu erklären, was aus heutiger Sicht nicht mehr denkbar wäre - zumindest nicht in einem aufgeklärten, demokratischen, gleichberechtigten Deutschland. Dem Leser fällt es auf diese Weise auch gar nicht schwer, sich in diese Zeit zu versetzen und die Komplikationen, die dadurch entstehen, nachzuvollziehen.

Die Autorin kann aber dennoch Spannung aufbauen, kreiert Verwicklungen, die den Leser bei Laune halten und ihn mitfiebern und selbst ein bisschen raten lassen, wer denn nun Opfer und Mörder ist oder ob es doch ein Suizid war. Vielleicht haben beide Tode auch gar nichts miteinander zu tun und man wurde auf eine falsche Fährte gelockt? Trotz aller Spannung bleibt es nicht aus, stellenweise ungeduldig zu werden, sich nicht gar zu langweilen. Viele Kapitel drehen sich um das Drumherum, was darf man, warum kann Viktoria nicht machen, was sie will, warum ist Christian, wie er nun mal ist, was ist denn mit den beiden überhaupt? Weitab vom Kriminalfall konzentriert sich Dix vielleicht etwas zu oft auf eine Beschreibung der Gesellschaft und des Lebens von 1912, da heißt es hier und da: Durchbeißen!

Die Tote in der Sommerfrische versetzt den Leser in die deutsche Vergangenheit und kann hervorragend das süße und auch harte Leben um 1912 beschreiben. Der Roman ist ein Ausflug in die Geschichte, detailliert mit liebevoll skizzierten Protagonisten und einem für sich genommen spannenden Kriminalfall.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2020
Neuschnee
Foley, Lucy

Neuschnee


sehr gut

Die alte Clique aus Unitagen trifft sich zum Jahreswechsel in den schottischen Highlands. Auf dem riesigen Gelände wollen sie alleine in Erinnerungen schwelgen und es sich gut gehen lassen. Doch dann schneidet heftiger Schneefall die Lodge von der Außenwelt ab und alleine sind die neun Freunde nicht ...

Was braucht man für einen spannenden Thriller? Gar nicht viel. Ein Naturereignis, das ein ohnehin abgelegenes Gebiet von aller Zivilisation abschneidet. Ein paar Freunde, die sich auseinander gelebt haben und viele Geheimnisse voreinander verbergen. Fremde, die zufällig zur gleichen Zeit Urlaub machen wollen, natürlich auch drei Angestellte, das Mädchen für alles, der Hausmeister und der Mann für's Grobe, der als Fahrer, Jäger, Aufpasser und noch einiges mehr fungiert.

So weit, so einfach - es braucht eben gar nicht viel und manches Detail schreit sehr stark nach Klischee. Das macht aber dann gar nichts aus, wenn die Geschichte spannend ist und man erstmal überhaupt nicht weiß, worum es geht und in welche Richtung es gehen wird. Dass vielleicht nicht alle diesen Jahreswechsel überleben werden, nun, das haben Thriller an abgelegenen Orten so an sich. Ein bisschen Zickenkrieg, verletzte Gefühle, Sex und Alkohol, das Auftrumpfen, wer den besseren Job und das bessere Leben hat.

In ihrem Debüt versteckt Lucy Foley allerdings mehr als den 08/15-Plot. Die Charaktere sind gut gezeichnet mit Macken, Ticks und Geheimnissen. Man erfährt als Leser immer wieder kleine Bruchstücke aus der gemeinsamen Vergangenheit und wird dann doch überrascht, dass Foley sich einen ganz anderen Dreh ausgedacht hat, als man erwartet hätte.

Neuschnee ist spannend und abwechslungsreich und überrascht den Leser, indem nicht die herkömmliche Freunden-treffe-sich-nach-Jahren-Story erzählt wird. Neben dem Haupterzählstrang, spielen sich kleine Geschichten in den Nebensträngen ab, denen man nicht immer eine große Bedeutung zumisst, die aber zur Auflösung führen - und Foley lässt keine Frage offen. Da freut man sich auf zukünftige Werke der Autorin.

Übrigens: das Hörbuch wird von insgesamt fünf Sprechern gelesen, so dass man die Perspektivenwechsel deutlich mitbekommt.

Bewertung vom 22.04.2020
Merkels Tochter
Hammesfahr, Petra

Merkels Tochter


ausgezeichnet

Vor 15 Jahren hat der Kriminalbeamte Merkel den Liebhaber seiner Frau erschossen. Nach 18 Jahren trifft er seine Tochter Irene wieder. Nach 20 Jahren muss er sie beerdigen - ohne ihr gezeigt zu haben, wie viel sie ihm bedeutet. Das einzige, was er jetzt noch tun kann, ist, ihren Mörder zu finden und sie zu rächen ...

Petra Hammesfahr ist nicht umsonst eine der erfolgreichsten deutschen Krimiautorinnen. Wie kaum ein anderer Autor dieses Genres weiß sie genau, wie sie ihre Charaktere zeichnen und ihr Seelenleben kreieren muss. Das sind nicht bloß erdachte Figuren auf einem Blatt Papier, in ihren Geschichten werden die Menschen lebendig und könnten nebenan wohnen, der Nachbar von gegenüber sein.

Merkels Tochter dreht sich viel um Liebe und eine zerstörte Existenz, emotionale Verkümmerung und viel zu späte Erkenntnis. Der ganze Roman ist auf das große Finale hin ausgerichtet und baut Spannung auf, so dass man das Buch gar nicht mehr weglegen kann. Ein Krimi? Ja, aber eben noch ein bisschen mehr. Es geht vielmehr um die Abgründe der menschlichen Seele, um unerwiderte Liebe und um Vorurteile gegen andere - obwohl man selbst keinen Deut besser ist. 

Hammesfahr hält dem Leser einen Spiegel vor und lässt ihn selbst eine Meinung bilden und seine eigenen Vorurteile überprüfen. Habe ich recht damit oder muss ich vielleicht einmal die Perspektive wechseln? 

Merkels Tochter ist eine tolle Geschichte, nicht gruselig, aber erschütternd auf ihre Art. Das Buch konnte ich nicht mehr aus der Hand legen und kann es jedem ans Herz legen, der etwas andere Krimis schätzt, gerne Sozialstudien betreibt oder fast schon voyeuristisch in fremdes Leben eintauchen will. 

Bewertung vom 22.04.2020
Löwenzahnkind / Charlie Lager Bd.1
Bengtsdotter, Lina

Löwenzahnkind / Charlie Lager Bd.1


gut

Charlie Langer hat ihre Vergangenheit tief in sich begraben. Doch nun wird die Kommissarin in ihre Heimat geschickt, um das Verschwinden der Schülerin Annabelle aufzuklären. Niemand darf wissen, dass Charlie aus der kleinen Stadt kommt und die Zeit läuft ab...

Das Debüt der schwedischen Autorin Lina Bengtsdotter führt die Leser nach Gullspång, ihrer Heimatstadt. Es ist eine kleine Hommage an den Ort, den man sich durch ihre liebevollen Beschreibungen sehr genau vorstellen kann. Ihre Reihe rund um Ermittlerin Charlie Langer spielt in eben jener Stadt und auch sie kommt ursprünglich von dort und muss für ihren ersten Fall zurück in ihre eigene dunkle Vergangenheit.

Ein bisschen zwiegespalten ist man, muss aber einen Schritt zurücktreten und sich fragen, warum. Langer hat ein dunkles Geheimnis, das sie verdrängt, so weit, so normal. Sie trinkt - auch das kommt bei Ermittlern gerne mal als Charakterzeichnung vor. Zudem hat sie einen nicht gerade kleinen Männerverschleiß, was auch kein Novum in der Literatur ist. Aber: Genau dies ist mehrfach kritisiert worden an dem Buch. Bei der Lektüre fand ich die Protagonistin auch wenig greifbar und konnte mich gar nicht mit ihr identifizieren, was ich aber weniger an Alkohol und Promiskuität festgemacht habe, vielmehr an ihrer teilweise unverständlichen und unprofessionellen Zerrissenheit, die nicht recht zu einer Ermittlerin passen wollen. Allerdings drängte sich mir nach einer Weile die Frage auf, warum manche an der Trinkerei und Sexualität der Ermittlerin so viel Anstoß nehmen und bei männlichen Kollegen mit gleichen Lastern alles super finden. Ist dieses Verhalten immer noch unschicklich für eine Frau und daher verpönt? Vielleicht einfach mal bei der Lektüre drauf achten und sich selbst fragen, was man davon hält.

Charlie Langer kommt nur schwer dem Leser nahe. Der Krimi ist vielschichtig und vermischt mehrere Handlungsstränge miteinander. Das Hörbuch, sehr gut gelesen von Tanja Fornaro, ist nicht die beste Wahl. Man muss sich stellenweise sehr konzentrieren, um dranzubleiben, den Faden innerhalb der Geschichte nicht zu verlieren oder gar geistig ganz abzuschalten. Beim Buch selbst ist das ein wenig anders. Auch wenn ich es nur stellenweise zum Vergleich gelesen habe, fiel mir doch auf, dass mancher Part zwar kleine Längen hat, man aber viel besser in der Story bleibt.

Was bleibt als Fazit? Das ist gar nicht so einfach. Löwenzahnkind ist kein schlechter Erstling, aber auch nicht das beste Debüt der letzten Jahre, auch wenn es in Schweden ein absoluter Erfolg war. Auf jeden Fall macht der Anfang Lust auf die Fortsetzung Hagebuttenblut, die am 13. Juli 2020 erscheint. Bengtsdotter kann Spannung aufbauen und sie auch halten, hat ein paar unerwartete Wendungen eingebaut, so dass es nicht langweilig wird, nur eben etwas holprig. Löwenzahnkind ist kein Highlight, aber auf jeden Fall eine Leseempfehlung für Krimifans, die schwedische Krimis und weibliche Ermittler mögen.

Bewertung vom 20.04.2020
The One - Finde dein perfektes Match (MP3-Download)
Marrs, John

The One - Finde dein perfektes Match (MP3-Download)


sehr gut

Die Entschlüsselung eines genetischen Codes ermöglicht es, den perfekten Partner zu finden. Damit hat die Dating-Plattform MatchyourDNA fast alle Konkurrenzseiten vom Markt gedrängt. Aber sind Seelenverwandte auch wirklich glückliche Paare, die sich alles anvertrauen?

Ein einfacher DNA-Test und jeder Mensch findet sein perfektes Match - das klingt wundervoll und einfach. Doch schnell wird klar, dass es auch Menschen gibt, zu denen niemand zu passen scheint und die somit eine Außenseiterrolle einnehmen müssen. Natürlich gibt es auch in dieser Welt Paare, die nicht füreinander bestimmt sind, aber trotzdem geheiratet haben oder sich ineinander verlieben. Aber ohne diese Schmetterlinge im Bauch, kann das wirklich Liebe sein? Gerade die Frauen in dem Buch fragen sich das immer wieder mal. Was passiert eigentlich, wenn das perfekte Match das gleiche Geschlecht hat und man von seiner Homosexualität bisher überhaupt nichts wusste?

John Marrs hat für diesen Thriller viele Fragen abgedeckt, die bei einer solchen revolutionären Erfindung auftreten können. Eben die Frage nach Homosexualität, die bisher nicht ausgelebt wurde, die Frage nach den Unterschieden wie Alter oder Wohnort. Das Hauptthema ist jedoch, ob das perfekte Match auch die perfekte Beziehung nach sich zieht. Keine Lügen, keine Geheimnisse, kein Streit?

All das gibt es in der perfekten Beziehung ebenfalls und Marrs macht klar: Nichts unterscheidet sich von den herkömmlichen Partnerschaften ohne DNA-Abgleich. Das baut Spannung auf und macht The One zu einem echten Page Turner.  Dafür sorgt vor allem auch der Perspektivenwechsel in jedem Kapitel. Zuweilen mag dies aber etwas verwirrend sein, zu viele Figuren, deren Gedankenwelt man mitbekommt, zu viele Geschichten und Fäden, die gesponnen werden, auch wenn alles auf ein großes Finale hindeutet. Zusätzlich gibt es Zeitsprünge, die stellenweise zu unklar sind und man fragt sich unweigerlich: Warum dieser Zeitraffer und wie viele Tage oder Monate sind überhaupt vergangen?

Das Fazit fällt dennoch positiv auf, denn die Idee ist wirklich interessant und macht Lust auf das Buch - und die Geschichte fesselt Hörer und Leser gleichermaßen.

Das Hörbuch wird übrigens von Charles Rettinghaus gelesen, dem man stundenlang zuhören kann. Eine ruhige Stimme, die den Figuren trotzdem viel Leben einhaucht.

Bewertung vom 20.04.2020
Die fabelhafte Welt der fiesen Tiere
Nischk, Frank

Die fabelhafte Welt der fiesen Tiere


gut

Schaben haben zu Unrecht einen schlechten Ruf. Eigentlich sind diese Tierchen ganz sozial und sehr fürsorglich. Man muss sich nur mit ihnen beschäftigen - und mit zahlreichen anderen Insekten, von denen kaum einer etwas wissen will.

Frank Nischk ist Zoologe und liebt Insekten. Das liegt nicht nur an seinem Beruf, sondern auch an seiner unbändigen Neugier und dem großen Forscherdrang. Es begann mit Schaben für eine Diplomarbeit und wuchs sich aus zu einer Leidenschaft, die nie endete. So nimmt er seine Leser mit auf eine Reise durch Deutschland, den Regenwald und fast durch die ganze Welt und erzählt. Von seinen eigenen Gedanken und Eindrücken, den Ängsten und kleinen Unfällen. Schmerz ist messbar und nach einer unschönen Begegnung mit Ameisen lernt Nischk auch eine neue Stufe Schmerz kennen.

Kein Krabbeltier scheint vor ihm sicher zu sein. Dabei fallen auch kleine Dinge auf wie Heuschrecken mit unterschiedlicher Beinfarbe. Aber auch Vögel fallen ihm auf, beispielsweise der Große Potoo, der ihn eines nachts erschreckte. Der Vogel klingt nach einem wimmernden Menschen und wer das nicht glaubt, kann gerne einmal den Barcode im Buch einscannen und sich selbst davon überzeugen. Diese Barcodes mit kurzen Infos und Aufnahmen kommen an mehreren Stellen der Lektüre vor. So kann man als Leser noch weiter in diese faszinierende Welt eintauchen.

Um ehrlich zu sein, ich hatte etwas anderes von dem Buch erwartet. Vielleicht mehr Kurzgeschichten gespickt mit lustigen und spannenden Fakten. Aber es ist eine autobiographische Erzählung, die diese Fakten immer wieder untergemischt bekommen hat. Nicht schlecht, nur anders als erwartet, auf jeden Fall aber mit Lernfaktor. Es lohnt sich auch, bei den etwas zähen Stellen weiterzulesen und vielleicht verliert man das ein oder andere Vorurteil oder die Angst gegenüber so manchem Insekt.

Bewertung vom 01.04.2020
Ein Junge, sein Hund und das Ende der Welt (eBook, ePUB)
Fletcher, C.A.

Ein Junge, sein Hund und das Ende der Welt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Einst gab es viele Menschen und ein ganz anderes Leben, doch das kennt Griz nur aus den Erzählungen seiner Eltern. Er kennt nur eine Handvoll Menschen und ihre Hunde. Doch dann wird sein Hund gestohlen und Griz will seinen treuen Weggefährten um jeden Preis zurückholen ...

Eine dystopische Welt, wie man sie aus vielen futuristischen Geschichten kennt. Leere, Öde, der Kampf um das Eigentum und gegen Feinde gehören zum Alltag. Dass Hauptfigur Griz nicht viele Menschen kennt, wird bereits auf den ersten Seiten klar, wenn er seine Umgebung beschreibt, die Familie und die paar Bewohner von den anderen Inseln, die er bisher kennengelernt hat. Das Angesicht der Erde hat sich verändert und man kann immer wieder erkennen, dass Fletcher einige düstere Zukunftsvisionen herangezogen hat, um seinen Roman zu verfassen. Ganz falsch scheint er damit nicht zu liegen. Gesetze gibt es nicht mehr, nur noch diese ungeschriebenen Regeln, die sich die Natur auferlegt hat. Und Griz und sein Hund sind mittendrin.

Griz ist ein besonderer Junge, zwischen der Vergangenheit, die er nur aus Erzählungen kennt und der harten Jetzt-Zeit wechselt er zu Beginn immer wieder hin und her. Er beginnt zu schreiben, kann das noch, was nicht mehr selbstverständlich ist, und damit schließt sich auch die Lücke, warum diese Geschichte überhaupt funktionieren kann - in dieser Erzählperspektive.

Der Leser kommt schnell rein, vergisst seine eigene Umwelt und findet sich bald in dieser etwas dunklen Umgebung wieder, spürt die Angst, die innere Unruhe, die langsam aufgebaut wird. Da die Hauptfigur erzählt, weiß man schnell um seine Gedanken und Gefühle, kann manche Begegnungen und Ereignisse besser einordnen in einer fremden Zukunft. Die Wut, der Schmerz, die Enttäuschung und der feste Wille, den geliebten Hund zurückzuholen, werden so deutlich, dass der Leser mit aufbrechen möchte und Griz auf jeden Fall zur Seite stehen mag.

Fletcher hält aber auch immer wieder kleine Überraschungen bereit und so wird es nicht eine langweilige Verloren-Zurückgeholt-Erzählung, sondern ein fesselndes Buch mit Charakteren, die einem bald ans Herz gewachsen sind.

Eine tolle, einfühlsame Geschichte, die ganz viele Emotionen birgt und durch einen guten Erzählstil niemals langatmig wird. Fast will man sagen, ein Buch für jedermann!

Bewertung vom 25.02.2020
Blut schweigt niemals
Harbort, Stephan

Blut schweigt niemals


ausgezeichnet

Manche Spuren führen ins Leere, manche konnten nicht ausgewertet, weil es zum Tatzeitpunkt noch keine entsprechenden Methoden gab. So warten Opfer und Angehörige Jahrzehnte lang auf Gerechtigkeit und Gewissheit, was geschah und warum.

Cold Cases haben vor allem durch die gleichnamige TV-Serie das Interesse einer breiten Masse geweckt. Was dort noch fiktiv war, ist oftmals Realität. Zwar ist die Aufklärungsquote in Deutschland sehr hoch, doch immer wieder gibt es Fälle, bei denen die Ermittler im Dunkeln tappen und irgendwann die Ermittlungen einstellen müssen. Manchmal hilft der Zufall, manchmal werden alte Fälle nach Jahren wieder betrachtet, um Spuren mit neueren Methoden zu untersuchen oder neue Ermittlungsansätze zu finden.

Der deutsche Kriminalist Stephan Harbort hat sich in seinem aktuellen Buch einige dieser Cold Cases herausgegriffen und beschreibt, wie die Ermittler nach teilweise Jahrzehnten doch noch zu Geständnissen und zur Überführung der Täter beitragen konnten.

Die einzelnen Fälle sind gut beschrieben. Harbort beginnt mit der Tat, beschreibt die Umstände, die damaligen Ermittlungen und wie schließlich der Fall als ungeklärt abgelegt werden musste. Dabei verwendet er einige Fachbegriffe, die er allesamt für den Laien verständlich übersetzt und erklärt. Der Schreibstil ist flüssig, was am fehlenden Fachchinesisch liegt und daran, dass der Autor eine streng sachliche Beschreibung ablehnt. Empathisch werden sowohl das Leben der Opfer als auch die Situation der Angehörigen, die sich mal als Täter entpuppen, mal auf Gewissheit hoffen. Dabei wird Harbort aber nicht weinerlich oder zu parteiisch. Auch die Hintergründe aus Tätersicht, sofern sie der Öffentlichkeit zugänglich sind, werden erläutert. Spielen Kindheitstraumata, Suchterkrankungen oder psychische Störungen eine Rolle, erfährt das der Leser. Der Einblick in die Ermittlungen, die teilweise in den 1980er Jahren stattgefunden haben oder auch in Ostdeutschland, wo es vor und kurz nach der Wende noch andere Ermittlungsmethoden gab, ist auch historisch betrachtet interessant. So kann man Vernetzung und wissenschaftlichen Vorschritt durch die Wiederaufnahme der Ermittlungen in den 2000ern deutlich sehen. Was damals nicht möglich war, ist heute an der Tagesordnung und erleichtert die Auswertung von Spuren und die Feststellung der Täter.

Das aktuelle Buch des Kriminalisten behandelt reale Fälle, daher muss man sich selbst gut einschätzen können, ob man mit den beschriebenen Dingen klar kommt. Andererseits hat man über die Taten in der Zeitung lesen können, daher ist nicht alles fremd. Wieder ist es ein sehr gelungenes Werk, das sich schnell liest, aber auch einen bitteren Nachgeschmack zurücklässt und manchmal fragt man sich selbst, wie gerecht man die Urteile findet. Aber es bleibt auch ein gutes Gefühl zurück, dass kein Opfer vergessen und die Ermittlungsakte irgendwo vergessen wird, denn Blut schweigt niemals.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.11.2019
Die Träne der Zauberschen
Cushing, Ian

Die Träne der Zauberschen


ausgezeichnet

Ian Cushing hat mit seinem dritten Roman ein neues Terrain betreten. Nach den ersten beiden stark philosophischen Werken, nimmt er seine Leser nun mit auf eine Reise in ein weiteres dunkleres Kapitel der Geschichte. Hexenverfolgungen, Prozesse und die Morde an ihnen werden lebendig. Wie dumm und abergläubisch man handelte, wie willkürlich man Frauen an den Pranger stellen konnte, das alles zeigt Cushing in seinem aktuellen Buch Die Träne der Zauberschen. Mit viel Wissen und Empathie reist er in das Jahr 1611, in dem die Hexenverbrennung in dem kleinen Ort Pfüeln stattgefunden hat. Hier angekommen werden Barbaras Leben und ihr Prozess genauer unter die Lupe genommen. Damalige Sprachansätze und Gepflogenheiten werden übernommen und dem Leser somit ein ziemlich gutes Bild vermittelt von dem Umfeld der vermeintlichen Hexe.

Immer wieder, in jedem geraden Kapitel, springt man in die Neuzeit und lernt die drei Freunde und ihre Familien kennen, deren Leben plötzlich auf den Kopf gestellt wird. Nach und nach verweben sich beide Geschichten, bis es zum großen Showdown kommt.

Mit dem aktuellen Buch ist Cushing ein sprachlich exzellentes Werk gelungen, das gekonnt mitten in das dreckige, düstere Zeitalter der Hexenverfolgungen führt, so dass sich der Leser um Jahrhunderte zurückversetzt fühlt. Ohne kitschig zu werden oder zu stolpern, gelingt immer wieder der Sprung in die moderne Welt. Ein bisschen Historie, ein bisschen Fantasy und ganz viel Literatur.

Bewertung vom 03.11.2019
Tote kriegen keinen Sonnenbrand / Henni von Kerchenstein Bd.1
Sellnick, Hilke

Tote kriegen keinen Sonnenbrand / Henni von Kerchenstein Bd.1


ausgezeichnet

Hilke Sellnick schreibt seit über 30 Jahren erfolgreich Romane, die regelmäßig die Spitzenplätze der SPIEGEL-Bestsellerliste stürmen. Dabei ist die Autorin dafür bekannt, immer wieder neue Pseudonyme zu verwenden, was sie auch ganz praktisch findet: Floppt ein Roman, wird einfach ein anderes Pseudonym verwendet. Aber bei Sellnick floppt wenig. Auch ihre neue Reihe rund um die Pianistin Henriette von Kerchenstein, liebevoll Henni genannt, scheint bereits nach dem ersten Band ein wahrer Renner zu werden.

Mit viel Humor wird Henni verkuppelt, schlägt jedoch jedes Angebot aus. Der Leser begibt sich mit ihr schließlich auf eine abenteuerliche Reise in die schöne Toskana, wo Henni bald schon mit einem Mord konfrontiert wird, den sie aufzuklären versucht. Der Hauptcharakter ist bereits auf den ersten Seiten sympathisch. Henni ist unkompliziert, hat kleine Spleens, ist aber eher der Kumpel von nebenan, die Freundin, mit der man stundenlang Kaffee trinken gehen und ratschen möchte.

Man darf keinen spannungsgeladenen Krimi mit Mordfällen, Obduktionen und knallharter Ermittlungsarbeit erwarten. Dafür aber ein humorvolles Buch mit starken Charakteren, die toll gezeichnet sind. Schnell wird man zu einem Teil der Geschichte, taucht ein in Hennis Welt und begibt sich selbst auf die Suche nach der Lösung. Schließlich kann Henni hin und wieder Hilfe gebrauchen, wenn sie sich auf die Spuren des Täters begibt.

Sellnick ist mit diesem Roman ein klasse Einstieg in eine neue Buchreihe gelungen. Allzu lange auf den zweiten Band muss man auch nicht mehr warten, der wird am 09. Dezember bereits veröffentlicht. Ein tolles Weihnachtsgeschenk und die richtige Lektüre für triste Wintertage, wird der Leser doch in die wunderschöne Toskana entführt.

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