Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
hannah écoute

Bewertungen

Bewertung vom 01.12.2010
3 zu viel für diesen Job
Silber, Herwig

3 zu viel für diesen Job


ausgezeichnet

„Und aus welchen Gründen haben Sie sich für unser Unternehmen beworben?“
Derartig standardisierte Floskeln sind in Bewerbungsgesprächen nicht mehr oft zu hören. Besonders, wenn es um die Besetzung einer Spitzenposition geht.
In Herwig Silbers Roman „3 zu viel für diesen Job“ soll Personalberater Herzberg für ein multinationales Unternehmen der Automobilindustrie eine Führungskraft besetzen, eine Perle aus dem Meer der Mittelmäßigkeit finden. Doch er bedient sich ungewöhnlicher Verfahren um die Belastbarkeit der Bewerber zu testen. Die Auftraggeber lassen ihm freie Hand und so kann Herzberg an den Kandidaten beliebig neue Auswahlmöglichkeiten für sein Repertoire ertesten.

Drei Männer und eine Frau dürfen sich nach vorheriger Auswahl den Herausforderungen Herzbergs stellen. Schauplatz ist ein namhaftes Berliner Hotel, in dem er sich mit Assistenz und den vier Bewerbern eingemietet hat. Die Jobanwärter müssen sich knallharten Szenarien unterziehen, um ihre Fähigkeiten zu beweisen und dabei haben die - teilweise sadistischen und abwegigen - Episoden nicht zwangsläufig etwas mit den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle zu tun. Denn der Personalberater will nicht nur Konzentrationsfähigkeit oder Verhandlungsgeschick testen, sondern auch den Charakter der Bewerber in außergewöhnlichen Stresssituationen auf Herz und Nieren prüfen.
Für ein Wochenende befinden sich die Aspiranten in Herzbergs Kosmos, er spielt Gott, über Zufall und Schicksal erhaben und sie müssen seine Regeln akzeptieren. Oftmals inszeniert er auch, wenn sich die Bewerber gerade außerhalb der Prüfungssituationen wähnen.
Doch auch bei dem umsichtigen Herzberg läuft nicht alles nach Plan. Schließlich sieht sich der agile Headhunter von seinem Assistenten getäuscht und muss reagieren.
Herzberg geht vollkommen in der Rolle des omnipotenten Strippenziehers auf, doch ist nicht auch er nur eine Marionette im Spiel der großen Wirtschaftsbosse?

„3 zu viel für diesen Job“ zeigt pointiert, wie eine Bewerberauswahl der Zukunft aussieht und in Ansätzen auch heute sicher schon Usus ist. Silber lässt an dramaturgischer Raffinesse nichts fehlen und webt feinsinnig eine kriminalistische Nebenhandlung in den Roman aus der Arbeitswelt. Das satirische Porträt der Machtkämpfe in den Führungsetagen steckt schlichtweg voller Überraschungen, ist kurzweilig und mit Wortwitz gespickt.