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Benutzername: 
JM
Wohnort: 
Düsseldorf

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 22.04.2025
Das Haus der Türen
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


weniger gut

Tan Twan Engs „Das Haus der Türen“ präsentiert sich als eleganter, sprachlich fein gearbeiteter Roman, der viel will – aber für mich letztlich mehr dekorativen als erzählerischen Wert hat.
Eine Geschichte über Ehebruch, gesellschaftliche Zwänge und historische Ereignisse, die jedoch mehr Kulisse als tragender Teil der Handlung sind. Viele historische Bezüge bleiben an der Oberfläche und werden nicht tief genug ausgearbeitet, um wirklich zu fesseln.

Zwar war es spannend, einen Einblick in Malaysias Geschichte zu bekommen – ein Thema, das in der westlichen Literatur selten eine Rolle spielt. Doch gerade diese kulturelle Tiefe wird häufig durch die Verwendung malaysischer Begriffe ohne Übersetzung oder klare Kontextualisierung erschwert. Statt Atmosphäre zu schaffen, entstehen so oft Verständnislücken, die den Lesefluss stören.

Auch die Figuren blieben für mich seltsam blass. Willies Beziehung zu seinem Partner verläuft im Sand, ohne Auflösung. Leslies Geschichte wirkt stellenweise interessanter – ihre Arbeit im chinesischen Zentrum, ihre Verbindung zu Ethel –, doch auch hier fehlt der emotionale Tiefgang. Ihre Erlebnisse fühlen sich wie Randnotizen an, statt Teil eines lebendigen Erzählbogens zu sein.

Hinzu kommt eine verwirrende Erzählstruktur mit häufigem Wechsel zwischen Ich-Perspektive und personaler Erzählweise sowie zwischen verschiedenen Zeitformen. Dieser stilistische Kniff wirkte auf mich eher sperrig als kunstvoll.

Bewertung vom 16.04.2025
Der Junge aus dem Meer
Carr, Garrett

Der Junge aus dem Meer


weniger gut

Garrett Carr entführt uns in Der Junge aus dem Meer in das raue, mystisch aufgeladene Irland der frühen 1970er Jahre. Die Geschichte beginnt mit einem beinahe märchenhaften Ereignis: Ein kleiner Junge wird an der Küste Donegals angespült – wortwörtlich ein Findelkind, dem das Schicksal einen neuen Anfang schenken will. Der Fischer Ambrose Bonnar, ein Mann von großer körperlicher wie seelischer Präsenz, nimmt das Kind ohne Zögern in seine Familie auf. Gemeinsam mit seiner Frau Christine, seinem Sohn Declan, seiner Schwägerin und dem alternden Großvater wächst Brendan, wie das Kind fortan genannt wird, inmitten der spröden Herzlichkeit des kleinen Fischerdorfes auf.

Der Roman verspricht mit dieser Ausgangslage eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Zugehörigkeit, Identität und familiärer Bindung – Themen, die besonders in einem kulturell und historisch vielschichtigen Setting wie dem ländlichen Irland viel Potenzial bergen. Doch trotz dieser verheißungsvollen Anlage gelingt es dem Text nicht durchgehend, das emotionale oder erzählerische Gewicht aufzubauen, das man sich erhofft.

Carrs Sprache bleibt über weite Strecken sehr nüchtern und beinahe sachlich – eine stilistische Entscheidung, die dem Stoff nicht gerecht wird. Gerade in einem Roman, der von geheimnisvoller Herkunft, menschlicher Wärme und dörflicher Dynamik lebt, hätte man sich mehr poetische Tiefe oder sprachliche Eigenwilligkeit gewünscht. Es fehlt das Funkeln, das einem solchen Inhalt Leben einhauchen könnte.

Auch die Figuren – obwohl von ihrer Konstellation her durchaus interessant – bleiben merkwürdig blass. Weder wächst einem Brendan als Kind besonders ans Herz, noch gelingt es dem Roman, Ambrose, Christine oder Declan in ihrer Komplexität wirklich greifbar zu machen. Man folgt den Personen durch ihre Alltage, durch Spannungen und kleine Dramen, ohne je das Gefühl zu haben, sie wirklich zu kennen oder mit ihnen zu fühlen.

Fazit: Letztlich bleibt Der Junge aus dem Meer eine ruhige, solide erzählte Geschichte über Familie, Zusammenhalt und das Fremde im Vertrauten. Doch wer sich von einem solchen Buch mehr emotionale Tiefe, stärkere Charaktere oder stilistische Raffinesse erhofft, wird hier nicht fündig.

Bewertung vom 23.03.2025
Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


ausgezeichnet

„Wir alle wandeln auf dieser Welt herum, unwissend, weshalb irgendwas existiert, wie lange es existieren wird und ob dieses Irgendwas, das unser Alles ist, reiner Willkür oder einem Plan entspringt.“

Von der ersten Seite an fesselt mich Elisas Lebensgeschichte. Ein junges Mädchen verliert von jetzt auf gleich ihr Zuhause und muss alleine in der großen Welt zurechtkommen. Wie lange braucht ein Schmetterling um aus dem Kokon zu schlüpfen? Jeder Schmetterling braucht seine eigene Zeit, so auch Elisa. Doch ihre unermüdliche Art zu lieben hält sie am Leben. Besonders die Liebe zur Dichterin Mascha Kaleko. Und hier muss ich mich bei Sarah Lorenz bedanken. Denn die Werke der Dichterin erweitern wirklich meinen Horizont. Und dass auf der Liebe des Lesens so ein brillantes Buch herausgekommen ist - Chapeau!

Insbesondere die Blickweise auf Freund*innenschaften hat mich wahnsinnig berührt.

Ich hoffe sehr, dass es nicht bei einem Roman bleibt!

Bewertung vom 21.03.2025
Schwebende Lasten
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


ausgezeichnet

„Aber jeder, der sich an sie erinnerte, sah eine Frau mit weißen Haaren und Lachfältchen um die Augen, in ihrer Lieblingskittelschürze mit den Kornblumen über dem Dunkelblau, die immer fadenscheiniger wurde. Und es blieb die olfaktorische Erinnerung an den Geruch zwischen Achselhöhle und Ärmelsaum des Kittels. Weiblich. Würzig.“

Hanna wächst als vierte und jüngste Schwester in Magdeburg auf. Sie wird von ihren Halbschwestern als Arbeitskraft hin und hergereicht, bis sie ihren eigenen Blumenladen eröffnet. Damit beginnt für Hanna der glücklichste Abschnitt ihres Lebens. Doch wer braucht Blumen im Krieg?
Trotz eines invaliden Mannes gelingt es Hanna die ganze Familie zu ernähren und zum Teil ihr Monatsgehalt aufzugeben, um kein weiteres Kind zu gebären.
Hanna ist stark, mutig, diszipliniert, fürsorglich. Sie stellt ihre eigenen Bedürfnisse hinter die aller Familienmitglieder an.

Auf nur 280 Seiten durchlebt man Hannas Leben und lernt eine gewaltige Überlebenskünstlerin kennen, dessen Liebe zur Floristik sie bis zu ihrem Atemzug begleitet.

Bewertung vom 10.03.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


gut

Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten ins Buch reinzukommen. Zunächst hatte ich auch etwas Bedenken, dass es keine Gespräche/Beziehungen/ Parallelen zwischen weiblichen Protagonistinnen geben wird. Doch das hat sich schnell gelegt und es wurde sogar sehr ernsthaft Kritik an Partnerschaftsgewalt verübt - was ich als sehr positiv wahrgenommen habe. (Vielleicht waren noch Anlaufstellen für Betroffene als Hilfsmöglichkeit zum Ende des Buches nicht verkehrt.)
Zwischendrin kamen immer mehr Menschen namentlich (teilweise ziemlich ähnlich) vor, sodass ich kurzzeitig den Uberblick über die Personen im Buch verloren habe. Aber irgendwann konnte man doch recht eindeutig erkennen, welchen Familien und Zusammenhänge eine wesentliche Rolle in der Geschichte spielen.
Der Hirschunfall stand den ganzen Roman über sehr im Mittelpunkt und wurde am Ende aber leider relativ beiläufig „zu Ende" abgewickelt, da hätte man auf jeden Fall mehr draus machen können.
Grundsätzlich möchte ich aber den Schreibstil gerne und fand die Zeitsprünge in die Vergangenheit auch sehr hilfreich und es machte die Geschichte damit noch etwas aufregender. Allerdings braucht man Ausdauer um es bis zum Ende zu lesen, weil die Spannungskurve nicht wirklich vorhanden ist.