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Oldiefreak
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Köln

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Bewertung vom 27.10.2011
Gerhard Jussenhoven - Man müßte nochmal Zwanzig sein...

Gerhard Jussenhoven - Man müßte nochmal Zwanzig sein...


ausgezeichnet

Die luxuriös ausgestattete Hommage an den in seiner Kölner Heimat auch fünf Jahre nach seinem Tod noch hochpopulären und im deutschsprachigen Raum prominenten Komponisten Gerhard Jussenhoven (100. Geburtstag 2011) bietet nicht nur die erste umfassende monographische Veröffentlichung über Leben und Schaffen. Vielmehr ist sie vieles in einem: ein dokumentarisches Panoptikum zum Blättern und Vertiefen, ein Stelldichein der Zeitgenossen, Kollegen und Weggefährten jeglicher Couleur, ein perspektivenreicher Sammelband mit Sachbeiträgen zu sämtlichen Aspekten des grosso modo in der Unterhaltungsmusik wurzelnden, in den Einzelsparten, Genres und institutionellen Bezügen dennoch breit gefächerten Schaffens.

Bemerkenswerte Aspekte der Vita, die über das bislang nur verstreut in Aufsatz- und Artikelform Überlieferte hinausgehen, lässt Herausgeber Helmar Harald Fischer in einem ebenso chronistisch informativen wie erzählerisch lebendigen biographischen Abriss (Extrakt eines achtstündigen Interviews mit dem über 90-Jährigen) Revue passieren: seien es die Berufsjahre des promovierten Juristen als Schlichter am Wettbewerbseinigungsamt der Kölner Industrie- und Handelskammer, die schicksalhafte Odyssee des 1941 zur Luftwaffe Eingezogenen, Kontakte zu Schallplattenbossen oder altersweises Philosophieren über die kölsche Eigenart.

Zu Wort melden sich in locker gegliederter Abfolge nicht weniger als rund 80 Autoren. Einschlägige Sachbeiträge aus erster Hand, in denen sich stets auch die persönliche Reverenz artikuliert, etwa liefern: Reinold Louis zu Jussenhovens Ursprungsdomäne, dem kölnischen und rheinischen Brauchtumsschlager, der frühere WDR-Hörfunkdirektor Manfred Jenke zu Jussenhovens Wirken im WDR-Programmbeirat mit entscheidendem Anteil an programmdramaturgischen Maßnahmen wie der Konzeption der rekordverdächtigen Radiowelle WDR 4, die Dramaturgin Dorothea Renckhoff zu Struktur, Idiom und stilistischer Stellung des satirischen Kaiser-Wilhelm-Musicals 'Gut Holz, Wilhelm!', der Kölner Historiker Werner Jung über die nazikritische Konnotation des Oldies 'Die hinger de Jadinge stonn un spinxe', last not least die Literaturwissenschaftlerin und Theaterverlegerin Krista Jussenhoven zu Genese und Aufführungsgeschichte der musikalischen Bühnenwerke ihres Vaters und dessen Kontakte mit dem Theatermetier generell.

Zur vielstimmigen Laudatio und repräsentativen V.I.P.-Aufwartung aber gestaltet sich der mit persönlichen Szenen, Notenrepros, Covers und Dokumenten großzügig illustrierte Prachtband durch die unzähligen, mitunter nachgedruckten persönlichen Reverenzen: zunächst als kollegialer Dank, oft als autobiographische Erinnerung und Anekdote, historiographisch interessant auch in Form von brieflichen Gratulationen oder offiziösen Ansprachen. Von Interpretenseite etwa grüßen Stars wie Peter Alexander, Bibi Johns, Wolfgang Völz oder Günter Wewel, kölsche Ikonen wie Ludwig Sebus, Bläck Fööss, Höhner und Brings sowie Spartenvertreter aus Schauspiel und Theater von Ernst H. Hilbich über Wolfgang Spier oder Curth Flatow bis Jürgen Flimm. Die Landes- und Stadtpolitik ist mit Jürgen Rüttgers, Fritz Schramma oder einem literarisch brillanten 'Ständchen eines Jussenhoven-Fans' aus der literarisch inspirierten Feder des unvergessenen Kölner Stadtdirektors Kurt Rossa vertreten, nicht weniger exponiert auch der WDR (Monika Piel, Dirk Schortemeier u.a.). Plädoyers für den unangefochtenen ästhetischen Rang des Unterhaltenden in der Musik, abseits der leidigen E-U-Diskussion, hält in vorderster Front das Musikerkollegium mit den Dirigenten Reto Parolari und Stefan Blunier sowie Vertretern der Autoren-Verbände, darunter: Christian Bruhn für die GEMA und ' nota bene ' die 'Neutöner' Giselher Klebe für die Dramatiker Union oder Manfred Trojahn für den Deutschen Komponistenverband.

Die Facetten des etwa 1200 Titel umfassenden Oeuvres kommen in den drei beigegeben CDs zum Klingen: gehobene U-Musik, Instrumentals, Chansons, Schlager Musical-Ausschnitte.