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MrsAmy

Bewertungen

Insgesamt 17 Bewertungen
12
Bewertung vom 09.03.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


ausgezeichnet

Endlich Semesterferien! Lucy will nur eines: den Sommer an den verschiedener Berliner Seen genießen, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Phil. Doch als sie ihr WG-Zimmer betritt, steht da plötzlich ein Steinway-Flügel. Ihr Steinway-Flügel, den sie eigentlich zusammen mit ihrem alten Leben in München zurückgelassen hat. Denn Lucy ist geflohen, geflüchtet vor ihrer Mutter, die ihr kaum Platz zum Atmen lies. Hals über Kopf vor ein paar Jahren einfach so, ohne es ihren Eltern zu sagen. Kontakt? Keine Spur. Doch nun hat die Mutter anscheinend herausgefunden, wo Lucy wohnt und ihr den Flügel geschickt. Er steht für alles, was sie verdrängt hat. Und plötzlich fängt Lucy an, an ihre Großmutter Lyudmila – eine Polin, die damals als junges Mädchen ebenfalls von zu Hause ausriss und in Sopot an der polnischen Ostsee Zwischenstation machte und schließlich während des zweiten Weltkriegs nach Beirut flüchtete. Dort wuchs Lucys Mutter Daria auf, und auch sie flüchtete vor ihrer Mutter nach München, um sich dort ein Leben als Ärztin aufzubauen. Lucy drängen sich Fragen zu ihrer Großmutter auf und sie beschließt, nach Sopot zu reisen, um den Wegen von damals nachzuspüren.

Mit „Die Summe unserer Teile“ hat Paola Lopez einen herausragenden Roman vorgelegt, in dem sich zumindest in Teilen jede Mutter, jede Tochter wiederfinden sollte. Es geht dabei vor allem um das Bewusstsein, dass jede Mutter und jede Tochter auch ihr eigenes Leben hat und nicht nur im Kontext des Mutter- und Tochterseins gesehen werden sollte. Das es Erfahrungen gibt, die die jeweils andere Generation nicht kennt, die die Menschen aber geformt haben und sie auch zu dem machen, was sie sind. Sich dessen bewusst zu machen, würde wohl oftmals das gegenseitige Verständnis fördern. Zudem ist der Roman wirklich mitreisend. Ich fand es wahnsinnig interessant, Ausschnitte aus den Lebensgeschichten von Ludmila und Daria zu erfahren. Diese Ausschnitte sind immer wieder mittels einzelner Kapitel in die Handlung eingeflochten und fangen stets in dem Lebensalter an, in dem auch Lucy sein dürfte. Es ist die Zeit, in der wir uns als Menschen selbst finden, die uns ein Leben lang prägt. Für mich ist „Die Summe unserer Teile“ schon jetzt ein Lesehighlight in 2025!

Bewertung vom 14.02.2025
Our Infinite Fates
Steven, Laura

Our Infinite Fates


weniger gut

Evelyn ist alt, älter als man auf den ersten Blick vermuten mag. Denn sie ist gefangen in einem Kreislauf. In jedem ihrer Leben versucht sie, 18 Jahre alt zu werden. Älter werden, bei ihrer jeweiligen Familie bleiben … das ist ihr größter Wunsch. Und doch geht er nie in Erfüllung, weil stets der Tod auf sie wartet. Arden bringt den Tod. Arden, den sie liebt, den sie immer geliebt hat und immer lieben wird. Doch kurz vor ihrem 18. Geburtstag bringt er sie um, manchmal auch sie ihn, um ihm zuvorzukommen. Doch Evelyn hat genug davon, sie will den Kreislauf durchbrechen und endlich antworten. Doch wird es dieses Mal anders enden?

Ich hatte einige Erwartungen an Laura Stevens Fantasywerk „Our Inifinite Fates“ … leider wurden die meisten davon enttäuscht. Doch zuerst zum Positiven. Das Buch – immerhin 400 Seiten stark – lässt sich echt gut lesen. Die Kapitel haben eine gute Länge und man ist schnell drin in der Handlung. Die Haupthandlung spielt in Wales im Jahr 2022, Evelyns aktuelles Leben, in dem sie verzweifelt versucht, ihre Schwester zu retten. Diese ist an Leukämie erkrankt und nur Evelyn kann ihr mit einer Knochenmarksspende helfen. Doch die Zeit ist knapp, bald wird sie 18. und ihre größte Liebe und zugleich ihr Mörder lauert schon. Immer wieder gibt es dazwischen Kapitel mit Arden und Evelyn aus einem ihrer früheren Leben. Kurze Abrisse, die die Liebe, aber auch Verzweiflung zwischen den beiden verdeutlichen sollen. Leider hat mich die Handlung so gar nicht mitgenommen. Zu Arden konnte ich einfach keine Verbindung aufbauen und die Liebesgeschichte wirkte schwer nachvollziehbar. Ja, Arden liebt Evelyn über alles, aber er muss sie einfach umbringen. Warum? Sagt er nicht, kann er nicht, würde zu sehr wehtun. Das wirkte einfach extrem konstruiert, auch konnte ich die Liebe zwischen den beiden nicht wirklich spüren. Auf den ersten 300 Seiten passiert zudem eigentlich nichts. Die Handlung hätte auch in gut 50 Seiten gepasst. Am Ende nimmt das Ganze noch ein bisschen Fahrt auf, aber auch hier: alles zu konstruiert. Und ehrlich gesagt: Noch eine Nummer größer ging es dann wohl nicht? Schade, dieses Buch hat mich um Grunde nur eines: echt enttäuscht!

Bewertung vom 29.01.2025
Dancing Queen
Fabbri, Camila

Dancing Queen


ausgezeichnet

Paulina hatte augenscheinlich einen Unfall. Sie weiß, sie ist in ihrem Auto und alles schmerzt. Doch was macht sie hier eigentlich? Wer ist der Hund, der bellt, wer ist das Mädchen, das augenscheinlich auch im Auto saß und wenig verletzt zu sein scheint. Ein Rätsel dieses Dasein.
Vorher: Pauline ist eine nicht mehr ganz junge, und noch keine alte Frau. Sie ist 35 Jahre alt und lebt in Buenos Aires. Acht Stunden am Tag verbringt sie im Büro der Versicherungsgesellschaft, bei der sie angestellt ist. Kein Job, der sie erfüllt, aber es ist okay. Wer mit ihr spricht, muss mit ihrer bissigen Ehrlichkeit klarkommen. Klar kommt vor allem Maite mit ihr, ihre wahrscheinlich einzige Freundin. Paulina ist unnahbar, da ist ein Schild um sie herum. Felipe, ihr Freund, scheint sie nicht zu interessieren. Auch der Hund nicht, der in ihrer Wohnung lebt. Doch stimmt das alles so? Und was ist eigentlich der Sinn des Lebens?

Camila Fabri legt mit „Dancing Queen“ einen wirklich guten Roman vor, der mit seinen 173 Seiten kein allzu großes Werk, dafür aber ein umso stärkeres ist. Wir tauchen ein in Paulinas Lebenswelt. Lernen ihre spröde, bissige Art kennen, mit der sie durch das Leben geht. Und dazwischen immer wieder Szenen aus dem Hier und Jetzt, von dem Unfall. Der vielleicht einen Wendepunkt markiert, auf den alles zuläuft. Das Eis bricht nach und nach und man merkt, das Pauline vielleicht gar nicht so ist, wie sie scheint. Das auch sie Freundschaft, Liebe und einen Sinn im Leben braucht. „Dancing Queen“ ist ein Roman, der uns zwingt, hinter die Fassade zu blicken. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 11.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Eduard Brünhofer ist auf dem Weg von Wien nach München. Für seine Reise hat er den Zug gewählt, weniger aus ökologischen Gedanken, das Flugzeug war vielmehr zu teuer. Denn ein wenig aufs Geld schauen muss er schon, er der einstmals gefeierte Autor. Doch schon seit vielen Jahren hat er nichts mehr zu Papier gebracht. Der Termin in München setzt ihn unter Druck, eigentlich müsste er noch etwas vorbereiten, aber dann spricht ihn im Zug eine Frau an und verwickelt ihn in ein immer tiefgehendes Gespräch über die Liebe und die Beziehung zu seiner Frau im Besonderen. Brünhofer ist ein wenig irritiert, er kennt die Frau ja gar nicht. Aber sie ist geschickt, bringt ihn immer wieder dazu, ihren Fragen zu antworten und so entspinnt sich ein Dialog über die verschiedenen Facetten von Liebe, Ehe und den Glauben oder Nichtglauben an Langzeitbeziehungen.

Daniel Glattauers neuer Roman „In einem Zug“ nimmt den Leser auf insgesamt 204 Seiten mit auf die Zugfahrt zwischen Wien und München. Ein etwas anderer Roman, der natürlich ein wenig Handlung bereithält, immerhin muss man sich im Zug auch einmal die Beine vertreten, besucht das Bordbistro und macht auch einmal die Bekanntschaft noch weiterer Fahrgäste aber ansonsten passiert nicht wirklich viel. Der Schwerpunkt liegt klar auf dem Dialog zwischen Eduard Brünhofer, dem einstmals gefeierten Autor, der sich schmerzlich seiner nachlassenden Wirkung vor allem auf das weibliche Geschlecht bewusst ist, und Catrin Meyr, seiner zufälligen Sitznachbarin im Viererabteil. Der Dialog ist oftmals kurzweilig, unterhaltsam und regt gleichsam an vielen Stellen auch zum Nachdenken an. Brünhofer fühlt sich von Catrin nicht selten in die Ecke gedrängt, reagiert mit unter trotzig, aber aus meiner Sicht bleibt er immer wahrhaftig. Im Mittelteil des Romans war es mir manchmal schon etwas lang, ich liebe Handlung und habe sie hier mitunter doch vermisst. Doch schon bald nimmt das Buch wieder (wie der Zug) Fahrt auf und am Ende muss ich sagen, was für ein genialer Roman. Wer jetzt neugierig geworden ist, dem kann ich dieses literarische Gusto-Stück nur wärmstens ans Herz legen.

Bewertung vom 01.12.2024
Die dunkle Hochzeit / Ever & After Bd.2
Tack, Stella

Die dunkle Hochzeit / Ever & After Bd.2


ausgezeichnet

Rain ist nicht nur die Nachfahrin von Schneewittchen, sondern sie hat es auch geschafft, den Prinzen wachzuküssen. Eigentlich hatte sie darauf gar keine Lust – denn wer will schon einen Skelettschädel küssen, den schon unzählige Märchennachfahrinnen an ihrem 18 Jahre Geburtstag versucht haben, ins Leben zurück zu holen. Doch Rain ist das Unmögliche gelungen. Doch statt neuem Glanz kommt mit dem dunklen Prinzen der Weltuntergang einher. Die Welt liegt in Trümmern und Rain befindet sich in der Gewalt des Prinzen, der sich auf dem Carneval des Teufels sein Hauptquartier geschaffen hat. Fieberhaft überlegt sie, zusammen mit ihrem Cousin Avery, der in einen Spatz verwandelt wurde, wie sie nicht nur dem Prinzen entkommen, sondern dabei auch noch die Welt retten kann. Und dann ist da natürlich noch Cole, der das gute Abbild des Prinzen ist, von ihm aber wieder in die Welt hinter den Spiegeln verband wurde, und in den sich Rain verliebt hat.

Klingt nach einer komplizierten Handlung? Nein, eigentlich nicht. Immerhin reden wir hier vom zweiten Band „Die dunkle Hochzeit“ der Triologie „Ever & After“ der deutschen Autorin Stella Tack. Wer bereits den ersten Band gelesen und sehnsüchtig auf die Fortsetzung gewartet hat, ist schnell drin in der Handlung und wird das Buch kaum noch aus den Händen legen können. Wer den ersten Band noch nicht gelesen hat, dem sei dieser auf jeden Fall im Vorfeld ans Herz gelegt. So versteht man vor allem die Geschichte zwischen Rain und Cole besser, der im zweiten Band lange nur eine untergeordnete Rolle spielt, da er einfach von der Bildfläche verschwunden ist. Dafür lernen wir den dunklen Prinzen besser kennen. Der zweite Band besticht auf über 700 Seiten durch eine gut durchdachte Handlung, die tatsächlich ganz ohne unnötige Längen auskommt. Auch das es nun doch einen dritten Band geben wird, stört mich nicht im geringsten, weil das Buch sich absolut super und spannend lesen lässt. Beeindruckend finde ich bei Stella Tack, dass die Handlung in weiten Teilen grausam, düster und auch echt brutal ist, sie dem Ganzen – vor allem durch Rain und die anderen „guten Figuren“ – aber dennoch eine noch vertretbare Leichtigkeit gibt. Kurzum: ein kurzweiliges, spannendes Lesevergnügen zum einfach Abtauchen in eine andere Welt.

Bewertung vom 05.11.2024
Als wir im Schnee Blumen pflückten
Harnesk, Tina

Als wir im Schnee Blumen pflückten


ausgezeichnet

Máriddja und ihr Mann Biera haben ihr ganzes Leben miteinander verbracht. Jetzt sind beide im Herbst ihres Lebens angekommen und Biera versinkt zunehmend im Vergessen, während Máriddja eine Krebsdiagnose erhält. Sie wird sterben, aber noch ist es nicht soweit und sie ist fest entschlossen, ihr Leben bis dahin noch ein wenig zu genießen und Biera zu beschützen. Immer wieder gehen ihre Gedanken nun auch in die Vergangenheit. Das Ehepaar, das in einem kleinen abgelegenen Dorf lebt, wurde zeitlebens nicht mit Kindern beschenkt, obwohl sie sich nichts sehnlichster wünschten. Doch eine Zeit lang lebte ihr Neffe, als Baby und Kleinkind bei ihnen und erhellte ihre Welt. Doch dann wurde er ihnen wieder entrissen und der Schmerz über diesen Verlust hat sie tief geprägt.
Kaj und Mimmi sind ein junges Pärchen, dass der Stadt den Rücken zuwendet und in einem kleinen schwedischen Dorf mitten in der Natur ein Haus gekauft haben. Langsam kommen die beiden in der neuen Umgebung an und lernen die Menschen des Ortes kennen. Dabei wird Kaj auf sanfte Weise Schritt für Schritt in seine früheste Kindheit zurück entführt.

„Als wir im Schnee Blumen pflückten“ ist ein leichter und dennoch berührender Roman von Tina Harnesk. Die Handlung verläuft in zwei Strängen. Da sind einmal die Kapitel, die die etwas schrullige und liebenswerte Máriddja in den Vordergrund rücken und dann jene, in denen das Leben von Kaj und seiner Mimmi im Fokus stehen. Dabei bleibt lange Zeit unklar, in welchem zeitlichen Verhältnis beide Handlungsstränge zueinander stehen, was eine ganz eigene Spannung erzeugt und mich immer wieder hat weiter lesen lassen. Die Kapitel haben eine sehr angenehme Länge und die einzelnen Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Vor allem in Kaj konnte ich mich gut hineinfühlen, bei Márddja hatte ich mitunter etwas Schwierigkeiten, auch weil manche Dinge lange Zeit nicht wirklich benannt werden und ihre Handlungen mitunter für mich als Leserin keinen Sinn ergeben haben. Die Unterhaltungen von Márddja mit der netten jungen Telefonistin „Siré“ – womit natürlich Siri von Apple gemeint ist, sind an sich gut erheiternd, treffen aber nicht so ganz meinen Humor, da es doch etwas konstruiert wirkte. Da diese Stellen, aber nicht soviel Raum im Platz einnehmen, fällt es nicht ganz so stark ins Gewicht. Ansonsten legt Harnesk hier einen wunderbaren Roman für lange Winterabend vor.

Bewertung vom 27.08.2024
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

Sie ist schön, hat zwei gesunde Kinder, ein Haus im Vorort der Stadt und einen Mann, der sie liebt. Alles ist perfekt. Doch nur scheinbar. Denn sie ist verliebt – in ihren Mann. Bereits seit 15 Jahres sind sie verheiratet, doch für sie ist es noch immer so, wie am ersten Tag. Wenn er nicht da ist, vermisst sie ihn, wenn er nach Hause kommt, muss alles für ihn perfekt sein. Sie inszeniert sich und ihre Beziehung, möchte am liebsten nur für ihn leben. Doch was ist, wenn er sie einfach verlassen würde? Wenn er sie gar nicht so sehr liebt, wie sie ihn liebt? Sie achtet auf jedes Zeichen von ihm, alles wird protokolliert und auf die Goldwaage gelegt. Ihr Liebesleben scheint auf Tanz auf Messers Schneide zu sein, es fehlt nicht viel, dann fällt sie.

„Mein Mann“ von Maud Ventura ist ein Roman, wie man ihn nicht alle Tage liest. Wir erleben im Buch eine Woche aus Sicht der Protagonistin – wie sie heißt, erfahren wir nicht. Auch wie ihr Mann heißt nicht – denn er ist ihr Mann: „Mein Mann hat keinen Vornamen, er ist mein Mann, er gehört mir.“ Die Handlung ist dennoch logisch aufgebaut und doch kommen einem beim Lesen Zweifel. Im Grunde würde man von der Ehefrau sagen, dass sie ein arges Problem hat. Und immer häufiger zwang sich mir der Gedanke auf, ob sie ihren Mann wirklich liebt. Denn ist diese Form der Kontrolle, des Beobachtens, dieses Argwöhnische wirklich Liebe? Oder ist sie nur von dem Gedanken der Liebe fasziniert? Ihre Handlungen sind mitunter schwer nachzuvollziehen, mitunter schüttelt man den Kopf oder stößt ein ungläubiges Lachen aus. Lesen lässt sich der Roman sehr gut, er hat mich auf seine ganz eigene Art gefangen genommen, es war doch ein besonderes Lesevergnügen, dass ich so schnell nicht vergessen werde.

Bewertung vom 28.07.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


ausgezeichnet

Eilish führt ein geregeltes Leben. Sie ist leitende Angestellte bei einem Dubliner Unternehmen, ihr Mann Larry arbeitet in führender Position für die Lehrergewerkschaft von Irland. Sie haben ein schönes Haus und vier gesunde Kinder. Doch eines Abends tritt die Dunkelheit über ihre Türschwelle. In Irland ist eine Notverordnung in Kraft und die Regierung hat eine neue Geheimpolizei gegründet. Zwei Beamte wollen mit Eilish Mann Larry sprechen, doch dieser ist nicht zu Hause. Wenige Tage später geht Larry zu einer von ihm organisierten großen Demonstration der Lehrergewerkschaft und kommt nicht mehr nach Hause. Keiner weiß wo er ist, kein Anwalt darf mit ihm sprechen. So wie Eilish geht es auch anderen. Menschen werden verhaftet und die Verzweiflung greift in die Eingeweide. Die politische und gesellschaftliche Lage spitzt sich immer mehr zu und es geschehen Dinge, die noch vor kurzem unfassbar gewesen wären. Eilish bemüht sich derweil um einen geregelten Alltag, vor allem muss sie ihre vier Kinder (vom Baby über zwei Teenager bis hin zum jungen Erwachsenen) schützen und sich noch dazu um ihren immer dementeren Vater kümmern. Die Katastrophe rückt unaufhaltsam näher.

„Das Lied des Propheten“ von Paul Lynch hat im Jahr 2023 den Booker Prize gewonnen – und ja es ist ein Roman, der eine Bühne braucht, weil er so wichtig ist, weil er uns in unseren Grundfesten erschüttert und mit einer düsteren Vorahnung zurücklässt. Ich möchte nicht zu viel über den Inhalt schreiben, weil man dieses Buch wirklich selbst gelesen haben muss. Einmal angefangen, konnte ich mit dem Roman nicht mehr aufhören. Immer tiefer wurde ich in den Strudel der Ereignisse gezogen, die dabei nicht konstruiert oder provoziert wirkten, sondern logisch in ihrer Konsequenz. Immer mal wieder wollte ich Eilish anschreien, ihr sagen: Mach doch was! Warum wartest du so lange?! Aber die Beweggründe für ihr Handeln sind ebenso logisch und nachvollziehbar, auch wenn man vielleicht an ihrer Stelle doch anders entschieden hätte. Doch wie lange ist man blind für gewisse Dinge, wie lange sagt man sich: Es wird schon wieder, alles nicht so schlimm. Irgendwie kommen wir schon durch. Getragen wird der Roman dabei nicht nur von der Handlung, sondern vor allem auch von Lynchs Schreibstil, der besonders ist und der dazu führt, dass einen das Geschehen noch mehr in seinen Bann zieht und atemloser macht. Es ist ein grandioser Roman, der seines gleichen sucht und der so wichtig ist. Unbedingt Lesen!

Bewertung vom 01.06.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


ausgezeichnet

Auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert befindet sich die Transsibirien-Kompanie auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Denn nur sie vermag es, mit ihrem Zug durch das geheimnisvolle und gefährliche Ödland zu fahren. Das Ödland erstreckt sich zwischen China und Moskau, die Natur hat auf tausenden Kilometern die Herrschaft übernommen, ist mutiert und hat den Mensch verdrängt. Die Menschheit hat zwei hohe Mauern als Bollwerk gegen diese ausufernde Natur gebaut und nur der Zug verbindet auf kürzester Strecke die beiden Enden. Das Ödland bedeutet Wagemut, Neugier und Faszination. Die einen nutzen den Zug aus Notwendigkeit, andere, um sich etwas zu beweisen, andere sind Teil der Crew, die jedes Mal wieder die Gefahren der Durchquerung auf sich nimmt. Doch bei der letzten Fahrt ist etwas passiert und keiner kann sich erinnern. Der Zug und seine Crew haben sich verändert, es ist nicht greif- aber spürbar. Vieles ist anders und es stellt sich die Frage: Was wird passieren auf dieser neuerlichen Überquerung durch eine Natur, die sich so rasch verändert, dass man seinen eigenen Augen nicht trauen kann?

Bücher mit ausufernden Titel hatte ich noch nie gemocht, da ich hier bereits schlechte Erfahrungen sammeln konnte. Hier hatte mich aber der Klappentext derart überzeugt und neugierig gemacht, dass ich doch zum Buch gegriffen habe. Und „Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“ hat mich nicht enttäuscht. Der Titel, den Sarah Brooks ihre Debüt verliehen hat, macht auch wirklich Sinn, da dies der Titel eines Buches ist, der im Roman selbst eine wichtige Rolle spielt. Es ist sozusagen der Ausgangspunkt. Ich wusste nicht so recht, was mich eigentlich im Roman erwartet, doch ich bin eingestiegen in den Ödlandzug und konnte das Buch nur sehr schwer aus der Hand nehmen. Die Spannung und die Andeutungen bauen sich nach und nach auf, ich fühlte mich vor allem in der ersten Buchhälfte an Jeff Van Der Mees „Auslöschung“ erinnert. Atmosphärisch dicht, nicht ganz greifbar, lauernd. Die Kapitel haben genau die richtige Länge und oft dachte ich mir … eines geht schon noch. Die Handlung wird von verschiedenen Personen aus wahr genommen, die alle ihre eigene Geschichte, ihr eigenes Gepäck mitbringen, alle haben verschiedene Motivationen für diese besondere Reise. Da ist etwa Maria, die unbedingt herausfinden will, was bei der letzten Durchquerung passiert ist, dann Henry Grey, ein in Ungnade gefallener Wissenschaftler, der auf seine Wiederherstellung hofft und dann noch Weiwei, das Zugkind. Geboren und aufgewachsen im Zug hat sie ein ganz besonderes Verhältnis zum Ödland. Es ist faszinierend, wie sehr die Natur in diesem Roman immer mehr in den Fokus rückt und immer mehr an Bedeutung gewinnt. Hat dieser Roman eine Botschaft? Unbedingt? Geht es dabei um die Umweltsünden der Menschen, wie es mancherorts angedeutet wird? Aus meiner Sicht definitiv nicht. Dieses Buch ist ein Erlebnis, ein Roman, der auf seine ganz eigene Art um Verständnis zwischen Mensch und Natur wirbt. Ein Roman, den man sich nicht entgehen lassen sollte und der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Bewertung vom 14.04.2024
Steirisches Weinland
Moser, Martin

Steirisches Weinland


ausgezeichnet

Manche Menschen sind ihr Leben lang auf der Suche danach, andere haben es bereits gefunden: Dasjenige Urlaubsgebiet, in dem man sich einfach wie zu Hause fühlt. Für uns ist es die Südsteiermark. Oft haben wir schon die Fahrt bis fast an die slowenische Grenze unternommen, um inmitten der Weinberge herrliche Tage zu verbringen. Diese besondere Mischung aus Natur, Weinbergen, genussvollem Essen in den Buschenschänken (kleine Lokale, die oft hausgemacht Weine und ausschließlich kalte Speisen anbieten) und der Herzlichkeit der Menschen ist es, die diese Gegend zu einer ganz besonderen machen. Auch Martin Moser hat sich in diese Region verliebt und mit dem Rother Wanderführer „Steirische Weinberge“ nun ein Buch vorgelegt, dass auf 55 Touren die Region intensiv erlebbar macht.

Moser hat das Steirische Weinland dabei in die drei Regionen Schilcherland, Südsteiermark und Vulkanland aufgeteilt. Jedes der Gebiete hält etwa gleich viele Touren bereit, die Streckenlänge liegt je zwischen knappen zwei bis etwa vier Stunden. Natürlich gibt es auch längere Touren über fünf bis sechs Stunden. Da man aber im Weinland immer auch ausreichend Zeit für eine Einkehr einplanen sollte, sind die überwiegenden Streckenlängen klug gewählt, den hier haben wir wirklich eine Genussregion, die man mit allen Sinnen genießen sollte. Die Schwierigkeiten führen von 35 leichten über 19 mittelschwere zu einer schweren Route und halten alle Facetten bereit. Da gibt es etwa die Wanderung, die bei Deutschlandsberg durch die Klause und hinauf zur Burg führt (wer diese einmal gegangen ist, ist schockverliebt und will sie immer wieder gehen.) Dann eine andere, die den Wanderer zur Strutz Mühle führt, die natürlich auch besichtigt werden kann und die aus meiner Sicht eine der schönsten Plätze im Weinland ist. Auch die Tour auf den Großen Speikkogel gehört zu den Klassikern und führt einen in eine ganz andere Natur. Kurzum, dieses Buch hält alles bereit, um einen das Steierische Weinland näher zu bringen.
Die Touren sind mit absolutem Sachverstand ausgesucht und die enthaltenen Bilder vermitteln einen sehr guten Eindruck, was einen erwartet. Natürlich fehlen auch hier die kleinen Kartenausschnitte und Höhen-Zeit-Diagramme nicht. Aus meiner Sicht, ist es jedoch absolut empfehlenswert, sich mit einer zusätzlichen Karte (egal ob digital oder aus Papier) auszustatten, denn so ist man immer auf der sicheren Seite. Die Kurzinfos gegeben wie gewohnt die wichtigsten Hinweise zur Tour, etwa zu Ausgangspunkt, Anforderungen, Einkehr und evtl. möglichen Varianten. Sofern eine Anreise mit dem ÖPNV möglich ist, so wird auch hierauf eingegangen. Die Tourenbeschreibungen sind sehr gut und enthalten alle relevanten Punkte. Immer wieder weist der Autor auf Sehenswertes hin und lenkt so gezielt den Blick des Wanderers. Hinweisen möchte ich noch auf die Möglichkeit, sich die GPS-Tracks der einzelnen Touren herunterzuladen. Diese kann man dann entweder direkt in die Rother App importieren, aber auch in andere Trackingprogramme ist eine Übernahme möglich. Wir haben damit bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Also … mit diesem Wanderführer im Gepäck steht einem erholsamen und sehenswerten Urlaub im Steierischen Weinland nichts mehr im Wege!

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