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Philosoph

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Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 09.05.2009
Die große Liebe
Ortheil, Hanns-Josef

Die große Liebe


weniger gut

Ortheil schafft es sehr gut, Stimmungen zu transportieren, insbesondere auch, einen in Urlaubs- und Reisestimmung zu versetzen. Auch Spannungsmomente baut er teilweise geschickt auf, so dass das Lesen kaum langwierig wird. Man liest durchaus gerne zu Ende, ohne jemals ans Weglegen zu denken. Auch spürt man, dass hier ein kluger Autor am Werk ist, was ich grundsätzlich sympathischer finde als die Werke weniger kluger Autoren zu lesen.

Allerdings flachen die Spannungsmomente teilweise recht schnell wieder ab. Man vermisst etwas den großen Spannungsbogen und die überraschenden Wendungen. "Die große Liebe" muss eigentlich nicht wirklich große Hindernisse überwinden, so dass man sich zu der Frage gedrängt sieht, ob es wirklich berechtigt ist, hier von einer "großen Liebe" zu sprechen. Hinzu kommt, dass sich diese "große Liebe" gerade mal über einen Zeitraum von wenigen Wochen erstreckt. Auch dieser Umstand erhärtet nicht unbedingt den Anspruch des Titels. Was aber noch schwerer wiegt, ist, dass einem die Hauptfigur des Fernsehredakteurs seltsam fremd bleibt. Ich weiß nach der Lektüre nicht einmal, wie die Hauptfigur überhaupt aussieht und nach ein bis zwei Wochen habe ich bereits ihren Namen wieder vergessen. Dies ist vielleicht bezeichnend für die Figur und damit vielleicht auch für den Roman. Aber das ist nur das Äußerliche. Schlimmer ist, dass man im Grunde nicht sehr viel über das Innenleben der Hauptakteure erfährt. Der Roman bleibt, was die Charaktere anbelangt, erstaunlich flach, was mich doch sehr verwundert, da ich Ortheil, den ich bei einem persönlichen Interview mit anschließender Lesung erlebt habe und aus diversen Fernsehauftritten kenne, für einen außerordenlich klugen und sympathischen Zeitgenossen halte. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten haben mich nur ansatzweise überzeugt. Bisweilen erweckt es den Eindruck, dass Ortheil - der einzige Professor in Deutschland mit einem Lehrauftrag für kreatives Schreiben - zwar weiß, welche Zutaten es für einen Roman benötigt, dass aber die echte literarische Leidenschaft und Tiefe leider doch fehlen.

So bleibt letztlich festzuhalten: Ortheils "Die große Liebe" ist zwar durchaus lesenswert in dem Sinne, dass es nicht schade ist um die Zeit, die man bei der Lektüre verbringt. Auch wird die Lust, wieder ein Mal zu verreisen lebhaft in einem geweckt. Ein großer Roman ist Ortheil aber sicherlich nicht gelungen, sondern eben doch nur Mittelmaß.

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2009
Natürliche Ziele
Spaemann, Robert;Löw, Reinhard

Natürliche Ziele


sehr gut

Seit der Moderne ist die Wissenschaft der Meinung, dass die Betrachtung natürlicher Prozesse unter dem Aspekt ihrer Zielgerichtetheit steril sei und wie eine gottgeweihte Jungfrau nichts gebiere. Gegen dieses - aus Spaemanns und Löws Sicht - Vorurteil schreiben die Autoren an. Sie wollen aufzeigen, dass nicht nur Menschen, sondern alles Lebendige auf etwas aus ist, dass also jedem Lebewesen ein Telos (Ziel, Zweck) immer schon innewohnt und die Frage Wozu somit unentbehrlich ist.

Zunächst wird im Einleitungskapitel untersucht, was es mit der "Warum-Frage" auf sich hat und welche Antworten auf diese Frage überhaupt möglich sind: Neben der Kausalerklärung, die im Grunde nicht wirklich zu einem Verstehen führen könne, sondern nur Naturgesetze eruiere und zur Beherrschbarkeit der Natur beitrage, gebe es die Antwort "um ... zu". Nur diese Antwort ermögliche echtes Verstehen und Vertrautheit mit der Welt und sei deshalb unverzichtbar. Durch diese Vorüberlegungen gerüstet wird ausgiebig die Geschichte des teleologischen Denkens von Plato und Aristoteles über die Scholastik und frühe Neuzeit, Leibniz, Wolff und Kant, Fichte, Schelling und Hegel bis hin zu Schopenhauer und Nietzsche aufgezeigt. Anschließend arbeiten Spaemann und Löw heraus, inwiefern die Wirklichkeit seit dem 19. Jahrhundert durch die Evolutionstheorie entteleologisiert wurde, um diese Entwicklung dann einer eingehenden Kritik zu unterziehen und aufzuzeigen, dass eine Sicht der Welt ohne Teleologie, also ohne eine Zielgerichtetheit, gar nicht widerspruchsfrei möglich ist.

Beeindruckend ist vor allen Dingen der historische Horizont der Autoren. Dieses Buch ist laut Angabe des Verlages das erste Werk überhaupt, das die Geschichte des teleologischen Denkens darlegt. Interessant ist auch, wie die Autoren die Schwächen der Evolutionstheorie aufzeigen und deutlich machen, dass es - unabhängig davon, ob man ihrer Kritik in jedem Punkt folgen mag oder nicht - eines philosophischen Horizontes bedarf, um die modernen naturwissenschaftlichen Theorien adäquat einordnen zu können, da die Naturwissenschaftler dies in der Regel nicht selbst vermögen.

Leider ist das Buch an vielen Stellen doch sehr schwer verständlich. Eine etwas weniger abstrakte Sprache und mehr Beispiele und Erläuterungen hätten dem Werk sehr gut getan. Gleichwohl halte ich dieses Buch doch für sehr originell und absolut lesenswert. Es enthält eine ganze Fülle von sehr, sehr interessanten Anregungen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.