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wortknistern
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Tübingen

Bewertungen

Insgesamt 24 Bewertungen
Bewertung vom 20.12.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


sehr gut

Ich bin ja riesen Alex Schulman Fan - seine beiden Vorgänger-Romane habe ich beide verschlungen und geliebt. Dementsprechend gefreut habe ich mich auf “Endtstation Malma” uuuuuund dementsprechend hoch waren auch die Erwartungen…😬

Eine Zugfahrt von Stockholm nach Malma, auf zwei Zeitebenen. Es geht (wieder) um die Dämonen der Vergangenheit, Eltern-Kind-Beziehungen, Familiengeheimnisse und weitergegebene Traumata.

Um ehrlich zu sein: Dieses Buch kam für mich nicht ganz an die Vorgänger ran. Irgendwie hat mich der Anfang verwirrt, weil ich über die Zeitebenen gestolpert bin und die Figuren nicht auseinander halten konnte. Aber die zweite Hälfte hat es für mich dann doch wieder rausgerissen, denn wie gewohnt bei Alex Schulman haben sich alle Teile dann doch noch nahtlos zusammengefügt und mich so gefesselt, dass ich es am Ende wiedermal nicht weglegen konnte. Wer Bücher sucht, die komplexe Familiengeschichten erzählen und die einen wiederholt emotional so richtig in die Magengrube schlagen: Alex Schulman is your guy!

Bewertung vom 30.08.2023
Vatermal
Öziri, Necati

Vatermal


ausgezeichnet

Arda liegt im Krankenhaus, Organversagen. Wie viel Zeit ihm noch bleibt, weiß er nicht. Und so schreibt er einen Brief an seinen Vater, den er nie kennengelernt hat. Er hielt es auf Dauer nicht aus in Deutschland, ging zurück in die Türkei, im Wissen, dass ihn dort das Gefängnis erwartet. Zurück ließ er zwei kleine Kinder, Arda und seine ältere Schwester Aylin. Arda erzählt von seinem Aufwachsen und der tragischen Geschichte seiner Familie, von seiner Mutter Ümran und seiner Schwester Aylin, die schon seit Jahren kein Wort mehr miteinander gesprochen haben.

Das Buch wurde ja direkt richtig gehyped, ich habe sooo viele positive Besprechungen gesehen, mehrfach wurde über eine Platzierung auf der Longlist vom deutschen Buchpreis spekuliert - und sie kam ja auch. Die Erwartungen waren also dementsprechend hoch - und ich muss sagen, für mich wurden sie leider nicht erfüllt. #unpopularopinionincoming

Ich fange mal mit dem positiven an: Ich hatte zuerst die Leseprobe gelesen und fand diese wahnsinnig gut. Den Schreibstil mochte ich sofort richtig gern. Irgendwie konnte der Autor aber für mich die Intensität, die die Leseprobe beziehungsweise der Anfang des Buches hatte, nicht über das ganze Buch aufrechterhalten. Das lag teils auch daran, dass ich die Dialoge aus Ardas Jugend ziemlich platt und stereotyp fand. Ich glaube, die Rückblicke ins Aufwachsen seiner Mutter haben für mich in Kombination mit dem Briefroman auch nicht so ganz funktioniert und mich teils auch verwirrt, die Stellen, an denen sich Arda direkt an seinen Vater wendet, habe ich jedenfalls deutlich lieber gelesen.

Versteht mich bitte nicht falsch, “Vatermal” ist definitiv kein schlechtes Buch und ich habe es auch nicht ungern gelesen. Es hat mich aber emotional über große Teile nicht so wirklich gepackt und ich glaube nicht, dass es mir besonders im Gedächtnis bleiben wird. Der Autor hat mit dem starken Anfang aber gezeigt, dass er richtig gut schreiben kann. Deshalb hoffe ich auf einen Nachfolger, der mir dann hoffentlich besser gefällt!

Bewertung vom 30.08.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

Alena Schröders Debüt-Roman “Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid” war im letzten Jahr mein absolutes Lieblingsbuch. Wievielen Menschen ich das Buch schon empfohlen habe, kann ich gar nicht mehr zählen. Als dann die Ankündigung zu “Bei euch ist es immer so unheimlich still” kam, war klar: Das ist die Neuerscheinung, auf die ich mich in diesem Jahr am meisten freue!

Ich gebe aber zu: ein kleines bisschen Angst hatte ich davor, dieses Buch zu lesen, zu oft schon war ich von einem Buch begeistert und der Nachfolger konnte an diese Begeisterung nicht anknüpfen. Hier war die Sorge allerdings unbegründet, Alena Schröder hat mich wieder komplett abgeholt, ich habe es doll geliebt - auch wenn das Buch nicht gaaaaaanz an “Junge Frau…” hereingereicht hat. Das lag aber auch dran, dass “Junge Frau…” von der Handlung her einen stärkeren Spannungsbogen besitzt, wie “Bei euch…”. Was Alena Schröder aber einfach so gut kann, wie kaum jemand anderes: Zum einen liebenswerte, interessante und multidimensionale Charaktere schreiben und zum anderen mehrere Handlungs- und Zeitstränge miteinander verknüpfen. Hoffe auf ganz schnellen Alena-Schröder-Nachschub, werde auf jeden Fall alles lesen, was sie veröffentlicht und wenn es nur ihr Einkaufszettel ist #ultra

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.08.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


gut

Eine Frau, alleinerziehend, deren nun volljährige Kinder ausziehen, weshalb sie sich ihre Wohnung nicht mehr leisten kann und sich verkleinern muss, die versucht herauszufinden, wer sie eigentlich ist und dafür in Fotos, Erinnerungen und Familiengeschichten wühlt. Ein Roman, geschrieben im Stil von Autofiktion, als Hauptthema weibliche Selbstfindung – eigentlich genau mein Ding. Trotzdem lässt mich der Roman zwiegespalten zurück.
Zum einen ist da dieser grandiose Einstieg: „Der Hund hat schon wieder ins Auto gekotzt. Er hielt durch, bis ich auf den Parkplatz bei der Hundewiese einbog, dann brach es aus ihm heraus.“ (S. 7). Bin ja ein Fan von guten ersten Sätzen und der hier hatte mich sofort. Und auch sonst waren da wirklich einige Stellen drin, bei denen ich sofort meinen Bleistift gezückt und unterstrichen habe, beispielsweise dieses schöne Zitat: „Die Frau, über die ich schreibe, gibt es nicht. Sie ist ein Konstrukt, zusammengesetzt aus Erinnerungen, viele davon fehlerhaft, aus Selbstüberhöhung und Selbsthass, aus Erzählungen von anderen, aus Bildern in Fotoalben.“ (S. 88)
Dann gab es aber auch die andere Seite, denn immer wieder kamen dann Stellen, die mich so gar nicht erreicht haben und mittendrin hatte ich einen so richtigen Durchhänger, dass ich kurz – trotz der vielen Unterstreichungen – überlegt habe, das Buch abzubrechen, weil ich nicht so ganz wusste, wo es eigentlich noch hinwill und dadurch auch irgendwie das Interesse verloren habe. Das lag zum Teil auch an der Protagonistin: Einen großen Teil der Erzählung nehmen ihre finanziellen Sorgen ein und der Wunsch, ihre Wohnung nicht verlassen zu müssen und auf Wohnungssuche festzustellen, dass sie sich ihre Wunschwohnungen nicht leisten kann (alles absolut verständlich!). Zwischen den Wiederholungen zu ihren finanziellen Nöten erfährt man allerdings, dass sie zwei Immobilien besitzt: Ein Haus auf dem Land, ein kleines Apartment in der Stadt - in beide möchte sie aber nicht ziehen. Konnte ich persönlich (zumindest für eine Übergangslösung) nicht so ganz nachvollziehen.
3,5/5

Bewertung vom 26.07.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


ausgezeichnet

Wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich von mir aus zu diesem Buch wahrscheinlich nicht gegriffen. Die Grundidee klang zwar witzig, aber so richtig angesprochen hat mich das Thema irgendwie auch nicht. Zum Glück hat der Dumont Verlag mich damit überrascht, denn “Nincshof” war für mich ein absolutes Überraschungs-Highlight!

Der Schauort ist ein kleines österreichisches Dorf an der ungarischen Grenze, das sich laut einer Legende vor etlichen Jahren im Schilf versteckt und so ungestört von der Außenwelt existiert hat. Es findet sich eine vierköpfige Gruppe zusammen, die sich “die Oblivisten” nennen und in der Tradition ihrer Dorf-Legende die Geschichte wiederholen wollen: Nincshof soll vergessen werden! Blöd nur, dass sich eine bekannte Dokumentarfilmerin mit ihrem Mann, der mit seiner Irrziegen-Zucht Touristen in die Region locken möchte, im Dorf niederlassen.

Überzeugt hat mich sofort der feine Humor, der sich durch das gesamte Buch zieht und der mich oft zum schmunzeln gebracht hat. Angefangen beim Thema, über die Dialoge bis hin zu Details wie die Irrziegen. Dazu liebenswerte, etwas schrullige Charaktere, wie zum Beispiel die Rentnerin Erna Rohdiebl, die nachts in andere Gärten einbricht, um im Pool schwimmen zu können. Interessant fand ich auch, dass - entgegen der vermutlich meisten Dorf-Historien - in Nincshof einige ziemlich feministische Traditionen herrschen, wie das Weiterreichen des Nachnamens der Frau. Die philosophischen Fragen, die das Thema “Vergessen/Erinnern” mit sich bringt, haben dem Buch eine angenehme Tiefe gegeben - nicht zu seicht, aber auch nicht so tief, als dass es nicht mehr unterhaltend und leicht zu lesen gewesen wäre. Auch wenn ich es am Anfang wirkich nicht gedacht hätte, hat mich das Buch aus einer Leseflaute gezogen und ich habe es quasi gar nicht mehr aus der Hand legen können. Falls ihr also auch dachtet, dass das Buch nix für euch ist: Lest unbedingt mal in der Buchhandlung rein, ob euch der Humor zusagt! Und da ich schon häufiger gelesen habe, dass “Nincshof” etwas an Mariana Leky erinnert, muss ich da wohl auch ganz dringend mal was lesen.

Bewertung vom 24.04.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

“Hauptsache, es wird keine tragische Liebesgeschichte. Dafür habe ich keine Kapazitäten.” (S. 188). Ich auch nicht, Tilda. Gut, dass “22 Bahnen” auch keine tragische Liebesgeschichte ist, sondern eine schöne Erzählung über den Zusammenhalt zwischen zwei Schwestern, die in instabilen Familienverhältnissen aufwachsen. Die Liebesgeschichte gibt es zwar auch, war aber halt nicht der Mittelpunkt, was ich sehr erfrischend fand.

“22 Bahnen” punkte bei mir außerdem mit: Charakteren mit viel Tiefgang, einem tollen Schreibstil, witzigen Dialogen, einer nicht-kitischigen Liebesgeschichte und (last but not least) einem wuderschönen Cover. Tilda, die ältere Schwester, jobbt im Supermarkt an der Kasse und spielt dabei immer ein Spiel, bei dem sie versucht anhand der Gegenstände zu erraten, was für ein Mensch da einkauft, so kleine wiederkehrende Details mag ich einfach. Zwischen den Zeilen lässt sich dann auch viel zum Thema soziale Herkunft herauslesen, da hat also für ein 200-Seiten-Buch echt einiges dringesteckt!

Ida, die kleine Schwester, war mir aber manchmal ein bisschen zu unglaubwürdig erwachsen für ihr Alter. Darüber kann ich aber hinweg sehen, denn “22 Bahnen” war ein Roman, den ich einfach sehr gerne (und sehr schnell, weil ich dringend wissen wollte, wie es weiter geht) gelesen und mit einem schönen Gefühl - aber auch ein bisschen Wehmut, dass die Geschichte damit vorbei ist - zugeklappt habe. Tilda, Ida und Viktor werden mich im Herz aber noch eine Weile begleiten.

Und ich brauche ganz dringend Buchempfehlungen zu ähnlichen Büchern, “22 Bahnen” hat nämlich einfach komplett meinen aktuellen Lesegeschmack getroffen und im Zweifel lese ich es im Sommer einfach nochmal.

Bewertung vom 30.03.2023
Keine gute Geschichte
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte


sehr gut

Arielle Freytag hat den sozialen Aufstieg geschafft: Aus dem Brennpunktviertel zur erfolgreichen Social-Media-Managerin in einer Agentur mit schicker Wohnung in Creme-Tönen und fancy Kaschmir-Pullis. Hilft aber alles nichts gegen ihre Depression, die sie in Behandlung zwingt. Danach und noch nicht in der Lage, weiterzuarbeiten, kehrt sie zurück in die Heimat und zu ihrer Großmutter, die sie aufgezogen hat. Dort sind zwei junge Mädchen verschwunden, was Erinnerung an das Verschwinden ihrer eigenen Mutter weckt.

Was für ein Debüt! Lisa Roy hat es geschafft, eine Protagonistin zu schreiben, die gleichzeitig relatable und unsympatisch ist. Als jemand, die selbst in einer Marketing-Agentur gearbeitet hat, habe ich die Teile zu Beruf (und bspw. auch ihrem Imposter-Syndrom) komplett geliebt. Arielle erzählt das Buch in einem rotzigen Tonfall mit vielen Anglizismen - das mochte ich eigentlich ganz gern (Stellenweise war es mir etwas too much), wird aber einigen auch gar nicht gefallen.

Richtig gut gefallen hat mir das Thema soziale Ungleichheit, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte zieht. Die verschwundenen Mädchen, Arielles verschwundene Mutter - hätte die Welt mehr Interesse an ihrem Verschwinden, wenn es sich nicht um eine Ashanti, Tochter einer alleinerziehenden Mutter aus dem “Assi-Viertel”, und eine drogennehmende Teenie-Mutter handelte, sondern um eine geigenspielende Charlotte aus der Reihenhaussiedlung? Oder bei Arielle, die zu Beginn ihrer Agentur Karriere gar nicht weiß, wie sich wohlhabende Menschen kleiden oder verhalten, und die trotz beruflichen Erfolges an Imposter-Syndrom leidet.

Fazit: Ich mochte das Buch sehr, würde es aber nicht uneingeschränkt allen empfehlen. Ich kann mir vorstellen, dass wem die Verbindung fehlt, die Protagonistin eher negativ wahrgenommen wird - vielleicht mal reinlesen in der Buchhandlung. Für mich ein spannendes Debüt, das mir noch eine Weile im Kopf bleiben wird.

Bewertung vom 30.03.2023
Meine Süperküche
Kaptan, Meltem

Meine Süperküche


ausgezeichnet

Ich muss ehrlich zugeben: Meltem Kaptan kannte ich nicht (ich gucke aber auch weder Fersehen noch Comedy). Ein Kochbuch zu türkischer Küche besaß ich aber noch nicht, und dass es auch noch für Vegetarier*innen geeignet ist, hat mich dann gleich doppelt neugierig gemacht.

Das Kochbuch deckt die “klassischen Kochbuch-Kategorien” Vorspeisen, Suppen & Eintöpfe, Hauptgerichte und Nachspeisen ab. Ich glaube, bei der Auswahl an Gerichten wird wirklich jeder*r fündig. Und es ist auch - wie auf dem Klappentext versprochen - wirklich Vegetarier*innen-freundlich. Super viele Gerichte sind sowieso schon vegetarisch (ein paar sogar vegan) und viele kann man auch noch “vegetarisieren”, in dem bspw. Hackfleisch durch vegetarisches Hack ersetzt wird. Ich schätze, dass ca. eine gute Handvoll eher schwieriger zu “vegetarisieren” ist, aber für ein nicht rein vegetarisches Kochbuch finde ich das mega!

Ich finde es auch richtig schön, dass bei den Gerichten auch noch der türkische Name und oft eine Erklärung zum Namen oder zur Herkunft des Gerichts dabei war - so lernt man auch gleich noch was zur Kultur. Die Gestaltung im Inneren mag ich sehr. Schöne Food-Fotografien, die Texte sind - sowohl von der Sprache, als auch von der Gestaltung her - eher schlicht gehalten. Das mag ich aber sehr, so ist das Rezept selbst übersichtlich und einfach zu lesen. Ich muss sagen, ich bin kein Fan von Personen auf dem Cover von Kochbüchern, aber das ist persönlicher Geschmack.

Von mir gibt es eine Empfehlung und ich gehe jetzt erstmal türkisches Käsegebäck machen!

Bewertung vom 07.03.2023
In blaukalter Tiefe
Hauff, Kristina

In blaukalter Tiefe


ausgezeichnet

“Ein Segeltörn ins Ungewisse”.
Die schwedischen Schären. Fünf Personen an Bord einer Yacht. Ein undurchschaubarer Skipper. Zwei Paare. Geheimnisse, Lügen, Machtspiele. Aufbrodelnde Konflikte. Und eine immer rauer werdende See…

“In blaukalter Tiefe” hat mich von Beginn an komplett gefesselt! Ich habe es Abends begonnen und hatte zum Glück am nächsten Tag frei - so konnte ich mich in meinen Lesesessel krümeln und das Buch einfach fertig lesen! Die Geschichte hat einen richtigen Sog auf mich entwickelt und ich wollte unbedingt erfahren, was zwischen den Personen passiert und wie der Segeltörn ausgeht.

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und die Leser*innen erhalten Einblicke in alle Personen - außer den Skipper Erik. Die Perspektiv-Wechsel und damit einhergehenden eher kurzen Kapitel haben der Geschichte ein hohes Erzähltempo gegegen und mich dementsprechend nur so durch die Seiten fliegen lassen. Ich mochte außerdem richtig gern, dass die Charaktere allesamt sehr differenziert erzählt und nicht nur platte Stereotypen waren. Durch die verschiedenen Perspektiven merkt man als Leser*in auch, wie unterschiedlich Situationen von verschiedenen Menschen wahrgenommen werden, weil unterschiedliche Blickwinkel und Wünsche dahinterstecken.

Fazit: Für mich war es ein Roman, der mich komplett gefesselt und dadurch gut unterhalten hat. Wer ein Buch für einen Tag/ein Wochenende auf dem Sofa oder für den Urlaub sucht, das man nicht mehr aus der Hand legen kann: This is your book! 5/5 Sterne und ich möchte jetzt unbedingt noch den ersten Roman der Autorin lesen!

Bewertung vom 07.03.2023
Wovon wir leben
Birnbacher, Birgit

Wovon wir leben


ausgezeichnet

Bei “Wovon wir leben” habe ich in die Leseprobe gelesen und fand sie gut, war aber ehrlicherweise nicht so begeistert, dass ich dachte, das Buch unbedingt lesen zu müssen (und bei den vielen tollen Neuerscheinungen bin ich da teils knallhart). Zum Glück hat @hanserliteratur mir das Buch als Überraschungspost zugeschickt, denn “Wovon wir leben” ist bislang mein absolutes Highlight des Bücher-Frühjahrs!

Ich habe ca. 50 Seiten gebraucht, bis ich es so richtig, richtig doll geliebt habe, dann konnte ich es aber nicht mehr aus der Hand legen. Im Vordergrund steht das Thema Arbeit mit der Protagonistin Julia, die ihren Job als Krankenschwester nach einem Fehler verloren hat und zu ihrem Vater ins Dorf der Kindheit zurückkehrt. Dort hat die Fabrik, in der die meisten gearbeitet haben geschlossen. Und dann ist da noch Oskar, der sich von einem Herzinfarkt erholt und ein bedingungsloses Grundeinkommen bezieht.

“Wenn Arbeit einfach Arbeit wäre, wäre Auszeit zum Beispiel Auszeit. Aber Auszeit zählt auch nur, wenn die Arbeit die Arbeit bleibt.” (S. 8)

Auf nicht einmal 190 Seiten bringt Birgit Brinbacher aber noch so viele Themen mehr unter, wie zum Beispiel Familienbeziehungen, Care-Arbeit, Gender-Rollen (besonders im Dorf), Inklusion, Zukunftspläne - generell die Frage: Wie wollen wir eigentlich leben?

Brigit Birnbacher schreibt sehr feinfühlig und hat mit ihren Worten bei mir so oft mitten ins Herz getroffen, ohne dabei ins kitschige oder pathetische abzurutschen. Dass ich Bücher mit Bleistift in der Hand lese und schöne Stellen markiere kommt bei mir häufig vor, dass ich gleich mehrfach zusätzliche Herzen an den Rand male, weil ich die Stellen so sehr liebe, dafür muss ein Buch etwas ganz besonderes sein - “Wovon wir leben” gehört dazu. Ganz große Empfehlung!

“Bea war immer anders. Bea ist Architektin geworden. Bea ist winterhart, Bea blüht ganzjährig, etwas an ihr trotzt immer noch dem wachstumsfeindlichen Klima hier.” 💚