Aus dem Leben eines kleinen Mannes

gut

Dieses Buch ist durchaus lesenswert, wenn es meinen Ansprüchen an wirklich gute und wertvolle Literatur auch nicht wirklich genügt. Dafür ist "Aus dem Leben eines kleinen Mannes" nicht groß, nicht tief und nicht einzigartig genug. Artmann schafft es jedoch, dass man genau diese Meinung für die Dauer eines Buches vergisst, d.h.: Ich habe das Buch gerne und auch mit viel Vergnügen gelesen, kann aber jetzt nicht genau sagen, warum eigentlich.

Artmann schreibt zweifelsohne interessant, und ihn als talentfrei zu bezeichnen, wäre sicherlich eine unverschämte Lüge. Ein wahrer Wortkünstler, ein Zauberer der Bilder und souveräner Formulierer ist er jedoch nicht. Ich sehe ihn eher als Beobachter, als Verkäufer, als Darsteller kleiner Geschichten, die gut aufgebaut und durchdacht sind. Es fehlt mir hier und da aber oft an der wahren emotionalen Tiefe. Gefühle werden oft nur angedeutet, ohne detailliert beschrieben zu werden. In manchen Momenten wirken mir die Akteure noch zu blass und schemenhaft.
Ich verlange von einem allwissenden Erzähler, der zudem noch im Präsens schreibt, in der heutigen Zeit dichtere und extremere Beschreibungen der Innenleben der Protagonisten. Ich will mich nicht fragen müssen: Na, wie fühlt der Held sich jetzt wohl? Nein, ich will die Gefühle drastisch vorgesetzt bekommen, um sie nachvollziehen zu können, um mich wirklich mit den Personen zu identifizieren.

Artmann provoziert Gefühle beim Leser, das kann ich nicht leugnen. Und diese Gefühle sind positiv. Am Ende mag man Karl Bauer, man mag den Autor, man will den zweiten Teil lesen, und mit seinem eigenen Leben ist man irgendwie auch versöhnt. Mir persönlich sind Bücher jedoch lieber, die nicht positiv enden, die Fragen offenlassen, die den Leser verwirren und fordern.

Artmann hat ein Buch für normale, einfache Menschen geschrieben, die gerne lachen, gerne mitleiden, gerne auch mal ein wenig schadenfroh sind, im Herzen an das Gute in jedem Erdenbewohner glauben und am Ende ein Happy End haben wollen. Dieses Buch ist nichts für wahre Literaturliebhaber, Literaturkenner und die Genießer gemeißelter Wort- und Satzkunstwerke, wo jede einzelne Silbe es wert ist, gerühmt und gepriesen zu werden. Dieses Buch hat dennoch seine Daseinsberechtigung, und ich wiederhole mich gerne: Ich habe es auch wirklich mit Vergnügen gelesen. Dieses Buch war für mich wie - Urlaub vom Lesen.

Zusammenfassend lässt sich hier sagen: Artmann hat nicht nur das Talent, sondern auch die Fantasie dazu, ein erfolgreicher Autor für "normale Leser" zu werden. Dieses Buch ist der beste Beweis dafür. Wahre Kunstkenner und Liebhaber des perfekten Sprachstils wird er wohl niemals erreichen - doch das dürfte den Leuten, die bei den schönen Geschichten von Karl Bauer, Herbert, Stephan und Marianne träumen, lachen, weinen und fühlen können, relativ egal sein - und Artmann auch!

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