Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1330 Bewertungen
Bewertung vom 01.07.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Man umkreist sich
Und das bereits seit dem ersten Kennenlernen! Frie und Robert kennen sich seit der Mittelstufe und haben seither ein Auge auf einander geworfen. Allerdings, ohne sich darüber auch nur im geringsten bewußt zu sein, dass der andere genauso empfindet. Stattdessen sind sie jahre, nein: eher jahrzehntelang beste Freunde. Das Mädchen aus gehobenen Verhältnissen, aber mit agressivem Vater geschlagen und der Junge mit der alleinerziehenden Mutter, der sich seit seiner Kindheit mehr um sie kümmern muss als umgekehrt. Trotzdem: sie erkennen einander, haben in vielerlei Hinsicht dieselbe Wellenlänge.

Sehen sich wieder, mißverstehen sich, kommen wieder aufeinander zu und gestehen einander Jahre nach dem Abitur - Frie ist inzwischen alleinerziehende Mutter - ihre Liebe. Klappt alles nicht so ganz. Also: abrupte Trennung, nach Jahrzehnten ein neuer Versuch, der wiederum desatrös endet.

Das alles garniert mit einer Menge recht originellen weiteren Akteuren, die sich auf unterhaltsame Art in den Handlungsablauf einreihen.

Nicht gefallen hat mir das viele Rauchen - die Protagonisten sind fast 10 Jahre jünger als ich und schon zu meiner Jugendzeit wurde man als Nichtraucher nicht (mehr) für uncool gehalten. Genauso war es mit dem Trinken. Doch abgesehen von dem, dass einige Klischees etwas überzogen sind bzw. gar nicht passen, ist dies ein warmherziger, scharfsinniger Roman um das gemeinsame und getrennte Altern von Freunden bzw. Liebenden, das ausgesprochen charmant geschildert wird.

Bewertung vom 27.06.2024
Tödlicher Stoff / Die Hausboot-Detektei Bd.3
Achterop, Amy

Tödlicher Stoff / Die Hausboot-Detektei Bd.3


gut

Es geht weiter mit der Hausboot-Detektei: Nun bereits in deren drittem Fall. Denn: He still lives on a house boat, down on the river, nämlich Arie, ehemaliger Polizist. Inzwischen leidet er nicht mehr ganz so sehr unter den vergangenen Lasten; der Trennung von seiner Frau und dem Verlust seines Jobs kurz vor einer entscheidenden Beförderung.

Sein zündender Gedanke, nämlich die Gründung einer Detektei mit ähnlich jämmerlichen Kreaturen wie ihm selbst ist durchaus von Erfolg, wenn auch nicht von Reichtum gekrönt. Die fünf bauen sich mehr und mehr gegenseitig auf und ihr Wissen über Kriminalfälle aus. Auch haben sich anderhalb Pärchen sowie ein großes und ein kleines Haustiergefunden.

Der dritte Fall ist der Mord an einem angesehen Geschäftsmann, der von einem der Fünf beobachtet wird - mehr weiß man aber noch nicht.
Wieder basiert der Plot auf einer tollen Idee, doch leider ist die Ausführung aus meiner Sicht immer noch nicht ganz auf den Punkt gebracht, es wabert alles nämlich ein wenig vor sich hin, gerät auch mal aus dem Fluss (beziehungsweise aus den Grachten - wir befinden uns ja in Amsterdam=

Sicher, Humor ist vorhanden (wenn auch der manchmal etwas treffender sein könnte), aber die Spannung bleibt irgendwie so ziemlich aus.

Da geht doch noch was, gerade bei so vielen tollen Ideen!

Bewertung vom 26.06.2024
Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen
Grigorcea, Dana

Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen


gut

Ein Buch, auf das ich sehr gespannt war: ein Roman im Roman und dann auch noch zum Thema Kunst! Ich habe mich sehr auf diese Lektüre gefreut. Leider jedoch verpuffte mein Interesse recht bald, da die Zusammenhänge zwischen den beiden Erzählsträngen nicht so gestaltet waren, dass ich als Leserin ungeduldig dem weiteren Handlungsverlauf entgegen blickte.

Ganz im Gegenteil: Mit dem Eintritt in diese spezielle Welt der Kunst habe ich mich leider sehr schwer getan. Das kann natürlich mit überhöhten Erwartungen zusammenhängen. Mir gingen gewisse stilistische Feinheiten, vor allem die wiederholten Parallelen in beiden Erzählsträngen (weiße Hütchen, um nur ein Beispiel zu nennen) gehörig auf den Keks.

Was als geschickter Kniff gedacht war, um die Spannung zu erhöhen, kam bei mir leider nicht an.

Bewertung vom 24.06.2024
So ist das nie passiert
Collins, Sarah Easter

So ist das nie passiert


sehr gut

Laika ist weg!
Willa hat es nicht leicht im Leben, schon als Kind nicht. Sie hat zwar eine liebevolle Mutter und mit ihrer jüngeren Schwester Laika pflegt sie ein so warmherziges Verhältnis, dass andere sie beneiden. Doch der Vater macht vor allem den beiden letzteren das Leben so zur Hölle, dass auch für Willa nichts mehr schön ist. Denn es ist ihr nicht möglich, den beiden zu helfen.

Und eines Tages verschwindet Laika einfach - sie ist gerade mal dreizehn Jahre alt. Und kommt auch nicht mehr wieder - erst vergehen Monate, dann Jahre. Weder für Willa noch für ihre Mutter ist das Leben noch lebenswert.

Wobei es für Willa noch einigermaßen erträglich ist, denn sie kommt auf ein Internat und teilt sich ein Zimmer mit ihrer bald besten Freundin. Doch zu Hause ist es brutal öde wie eh und je.

Kein Tag vergeht, ohne das Willa und ihre Mutter an Laika denken - was mag wohl mit ihr geschehen sein.

Dies ist wirklich ein sehr gelungener Spannungsroman, denn auch der Leser hat bis weit über die Hälfte des Buches keine Idee, was da passiert sein könnte.

Und die Autorin entwickelt einen so originellen Plot, dass ich glatt die volle Sternenzahl gegeben hätte, wenn sich die Zufälle nicht ein wenig zu sehr gehäuft und die Entwicklungen nicht teilweise einfach wahnwitzig geworden wären. Das ist schade, aber die Lektüre lohnt sich trotzdem!

Bewertung vom 23.06.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Die Welt ist groß
Und alles hängt irgendwie zusammen!

Elif Shafak ist wirklich eine großartige Schriftstellerin, die hier Geschichten aus diversen Epochen in einander verwebt. Das verbindende Element ist eines, ohne das niemand von uns leben kann, nämlich Wasser.

Tröpfchenweise, teilweise auch in Schwällen, wandert es aus dem üppigen, dabei blutdrünstigen Hof eines mesopotamischen Herrschers der Antike ins London des 19. Jahrhunderts und begleitet dort, im Umfeld der Ärmsten, nämlich direkt an der Themse, die Geburt von Arthur, der nichts vergessen wird und atemberaubend schnell lernt und versteht.

Und dann, fast in der Gegenwart, nämlich 2014, im äußersten Zipfel der Türkei, nämlich in ebendiesem bereits erwähnten Mesopotamien, die Taufe des Mädchens Narin im Fluss, die durch einen Bagger rüde unterbrochen wird - der Natur wird einmal mehr Einhalt geboten und wie so oft, leiden wieder einmal diejenigen, die sowieso nichts haben. Noch ein paar Jahr später wiederum begegnen wir 1918 in London einer jungen Schriftstellerin, die nicht mehr leben mag....

Reich und Arm, Nord und Süd - hier fließt alles zusammen in einem stimmigen und überaus eindrucksvollen Text, den ich mit Genuss gelesen habe!

Bewertung vom 22.06.2024
Marie und die drei Geheimnisse
Wilms, Judith

Marie und die drei Geheimnisse


gut

Ein Roman mit Heilungsvermögen?
Das weckte zwar von Beginn an mein Interesse, kam mir aber durchaus auch etwas suspekt vor: wie kann man geheilt werden - seelisch, wohlgemerkt, indem man "nur" eine Geschichte liest.

Schnell wurde klar, dass die Geschichte von Marie, die bei einem Retreat auf einer griechischen Insel ihr gebrochenes Herz - ihr langjähriger Partner hat sie sehr abrupt und für sie überraschend verlassen heilen möchte, in Zusammenhang mit Erkenntnissen aus der Psychologie verfasst wurde, weswegen sie wenig Überraschendes enthält.

Teilweise erfüllt sie aus meiner Sicht das Ziel, dem Lesenden zu helfen, teils habe ich mich aber auch ganz schön geärgert. Denn Marie kümmert sich nur um sich selbst, es ist ihr egal, ob der alte Mann, der ihr auf dem Markt begegnet, vielleicht selber Hilfe braucht oder ob der Kollege im Kurs vielleicht auch gern mal ein tröstendes Wort hören würde.

Ein Buch, das mich in einem Zwiespalt hinterlässt - ich werde wohl noch länger darüber nachdenken. Vielleicht ist das ja aber auch das eigentliche Ziel....

Bewertung vom 19.06.2024
Das Waldhaus
Webb, Liz

Das Waldhaus


gut

Eher Familienroman als Thriller

Wobei mich dieser Aspekt überhaupt nicht stört, lese ich doch nur sehr ausgewählte Thriller und gern - soweit im Vorfeld entsprechend bestimmbar - solche mit tieferem Hintergrund, was hier definitiv der Fall ist

So entwickelt sich die Story um Hannah, die als Enddreißigerin ins Elternhaus zurückkehrt, um den dementen und längst verwitweten Vater zu versorgen, zunächst auch sehr vielversprechend - Familiengeheimisse und -zerwürfnisse inklusive. Vor allem geht es um den Tod der Mutter vor vielen Jahren - was das doch kein Selbstmord wie vielfach vermutet? Welche Rolle spielt der längst entronnene Bruder, der sich zu einem recht bekannten Fernsehschauspieler entwickelt hat. Und welche die Nachbarn, mit denen die Familie früher mal sehr eng war, jetzt aber gar nicht mehr?

Fragen über Fragen! Hätte sich alles sehr spannend und eindringlich entwickeln können, doch leider ist daraus eine langatmige, kleinteilig erzählte Geschichte geworden, die gut um ein Drittel hätte kürzer sein können.

Bewertung vom 12.06.2024
Tödlicher Duft / Ein Fall für Commissaire Campanard Bd.1
Anour, René

Tödlicher Duft / Ein Fall für Commissaire Campanard Bd.1


gut

Mord mit Duft
Beziehungsweise im Umfeld der tollsten Düfte. Denn Parfumeur Eric Sentir, einer der besten, nein: begnadetsten Duft-Kompositeure ist ermordet worden und noch hat niemand eine Idee, wer der Schuldige sein könnte und aus welchem Grund. Dass der Mord im Umfeld der Düfte stattfand, erstaunt hingegen niemanden, denn wir befinden uns in Grasse in der Provence, DER Hauptstadt der Düfte schlechthin. Commissaire Campanard, ein eigenwilliger, dabei sehr erfahrener Ermittler, stellt flugs ein kleines Team zusammen - neben ihm sein junger Kollege Olivier und die berühmte Polizeipsychologin Linda Delacours aus Paris, die sich gerade in einem Tal ihres Schaffens befindet und daher siist. Mit ihr hat Campanard etwas besonderes vor: sie soll undercover an der Parfumeursschule, an der der Mord stattfand, an einem Lehrgang, der gerade beginnt, teilnehmen.

Ein interessantes Szenario, das sich aus meiner Sicht leider etwas schwerfällig entwickelte, so dass die Spannung zu kurz kam. Wenn die komplizierten Ausführungen der Aktivitäten des Teams weniger umständlich dargestellt worden wären, hätte mich der Krimi sicher begeistern können.

Das Show Down allerdings macht einiges wett, ebenso wie der originelle Humor des Autors, der ab und zu hervorblitzt. Daher werde ich mich vor dem nächsten Band sicher nicht drücken!

Bewertung vom 10.06.2024
Long Island
Tóibín, Colm

Long Island


ausgezeichnet

Eine irische Familien- (und/oder Liebes-)geschichte
Wenngleich immer wieder mit starken italienischen Elementen. Denn vor vielen Jahren heiratete die Irin Eilis einen italienischen Klempner aus New York und verlegte nach einigem Hickhack ihren Lebensmittelpunkt dorthin. Und ward in der irischen Kleinstadt, aus der sie kam, nicht mehr gesehen.

Bis, ja bis - sie eines Tages von einem Familienzuwachs erfuhr, mit dem sie nichts zu tun hatte. Ein Kunde ihres Mannes teilte ihr mit, dass seine Frau von ihrem Mann Nachwuchs erwarte - und es sei geplant, dass dieser in Eilis`Haushalt aufgezogen werde. Nicht mit ihr! Nachdem klar war, dass sie ihren Mann von dessen Absichten nicht abbringen konnte, reiste sie zu ihrer Familie - von der vor Ort nur noch die Mutter und ein Bruder übrig waren nach Irland. Dort wiederum traf sie auf ihre eigene Jugendliebe, von der sie aber eigentlich nichts mehr wissen will.

Aus all dem resultiert ein ordentliches Durcheinander, das durch eine Hochzeit, die Ankunft von Eilis beiden Kindern und das Eintreffen eines Briefs, der vor allem von denen gelesen wird, an die er sich nicht richtet, verstärlt wird.

Das alles klingt nach leichter Kost, ist es aber nicht, wenn man die Darbietung des Autors Colm Tóibín in ihrem gesamten Umfang annimmt und genießt. Der Autor schreibt seh bildhaft und bringt eine Leichtigkeit hinein, die aus meiner Sicht wieder und wieder hinterfragt werden sollte. Ebenso wie der wiederholt hevorblitzende Humor..

Das Einzige, was mich gestört hat, dass es keine direkte Zeitangabe gibt. Es hat eine Weile gedauert, bis ich den Roman in der Mitte der 1970er Jahre ansiedeln konnte. Ansonsten hat er mir jedoch ein großes Lesevergnügen beschert und ich empfehle ihn von Herzen weiter!

Bewertung vom 09.06.2024
Columbusstraße
Dahmen, Tobi

Columbusstraße


ausgezeichnet

Die Graphic Novel "Columbusstraße" ist eine ebenso persönliche wie eindringliche Graphic Novel. Dem Zeichner und Autor Tobi Dahmen dient dazu seine eigene Familiengeschichte als Grundlage und er hat sich eine sehr schwierige Zeitspanne ausgesucht, nämlich die des Nationalsozialismus, genauer gesagt: die Jahre 1935 bis 1945.

Angesiedelt ist die Story im Familiensitz in Düsseldorf-Oberkassel, einem wohlhabenden und auch heute noch gut erhaltenen Stadtteil, der nicht gerade als größtes Nazi-Nest des Landes bekannt war.

Dadurch wird umso deutlich, dass man nirgends dem diktatorischen Regime, dass sich bis in die kleinsten Abläufe - gleichgültig, in welchem Bereich - des Lebens erstreckte, entrinnen konnte. Bzw. war dies fast unmöglich.

Offen und ehrlich geht Dahmen in seinem Werk vor und man merkt jeder einzelnen Zeichnung und jeder Sprechblase an, wie viel Engagement und Herz darin steckt. Ein opulentes, für mich sehr wertvolles Werk, das ich niemals wieder hergeben, aber noch oft verschenken werde!