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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1398 Bewertungen
Bewertung vom 09.02.2025
Campion. Tödliches Erbe
Allingham, Margery

Campion. Tödliches Erbe


gut

Margery Allingham erzählt hier die Geschichte eines wertvollen, traditionsbeladenen Kelches, Eigentum der Familie Gyrth, der offenbar auch von anderer Seite begehrt wird und den Gyrths auf unlautere Weise abspenstig gemacht werden soll.

Zeit, einen der besten Detektive Englands, nämlich Albert Campion, mit ins Boot zu holen - ein schmales, blasses und unscheinbares Männlein, das gleichwohl nie seine gute Laune verliert und grundsätzlich frohen Mutes in die Welt blickt, auch in Situationen, in denen es schwerfällt, dies zu verstehen. Bald wird klar, dass Campion, der Einzige ist, dem es gelingen könnte, das Unglück zu verhindern.

Ähnlich Agatha Christies Poirot kombiniert er bereits im Voraus und zieht Schlüsse, die kein anderer versteht - doch, einer schon, wie in einer besonders brenzligen Situation deutlich wird.

Margery Allingham geht deutlich abenteuerlustiger vor als wir es von Agatha Christie gewohnt sind, wobei ich jedoch die Letztere deutlich bevorzuge, möglicherweise nur aus Gewohnheit. Allerdings hatte ich hier gelegentlich Mühe, den Volten der Autorin zu folgen - sie waren nicht zu rasant, sondern vielmehr ein wenig wirr dargestellt aus meiner Sicht.

Dennoch eine lohnenswerte Lektüre, auch wenn durchgehend Männer als Teufelskerle und Macher dastehen, Frauen hingegen lediglich als Beiwerk, Wahrerinnen der Tradition und nicht zuletzt als Unruhestifterinnen wahrgenommen werden.

Bewertung vom 08.02.2025
Achtzehnter Stock
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


gut

Hoch oben über Berlin
Da wohnt Wanda mit ihrer Tochter Karlie mitten in einem der sozialen Brennpunkte der Stadt. Ihr Leben ist trist mit einem Funken Hoffnung auf etwas Glanz - Wanda hofft seit Jahren auf eine Karriere als Schauspielerin. Das Leben im Hochhaus wird durchaus authentisch geschildert, was ich als einstiges Kind aus dem elften Stock gut beurteilen kann. Sie hat ihre Leute, die hinter ihr stehen: alles Frauen. Und solche, die sie in Notlagen kontaktiert, aus meiner Sicht nutzt sie sie ganz klar aus: alles Männer. Ja, Wanda lebt in einer Blase. Sie lässt Dinge mit sich geschehen, dreht nur selten selbst an einer Schraube.

Es war seltsam, einen Roman über eine solche größtenteils passive Protagonistin zu lesen, stellenweise wurde es ziemlich oberflächlich, was ich schade fand, denn den Stil der Autorin habe ich durchaus genossen.

Aktiv wird sie vor allem, wenn es um die fünfjährige Karlie geht, weswegen mir der Beginn besonders gut gefiel - da erkrankt das Kind plötzlich ernsthaft und Wanda muss sich um Lösungen bemühen. Auch wenn diese nicht auf Überlegungen basieren, zeigt dieser Abschnitt Wandas Willen, für Karlie einzustehen.

In Bezug auf ihren Beruf wartet sie auf Anrufe der Großen der Branche - ein Roman zwischen Hoffen und Harren, wobei das Harren überwiegt. Ich hatte bei der Lektüre immer wieder den Eindruck, dass sich das Buch noch in Überarbeitung befindet und die endgültige Version noch nicht ganz gefunden ist.

Bewertung vom 02.02.2025
Frau Hempels Tochter. Roman
Berend, Alice

Frau Hempels Tochter. Roman


ausgezeichnet

Ein Roman aus dem frühen 20. Jahrhundert, in dem es um die sogenannten kleinen Leute geht: allen voran Frau Hempel, deren Beruf man heute als Hausmeisterin oder auf neudeutsch sogar -managerin bezeichnen würde. Sie sorgt dafür. dass im mehrstöckigen Mietshaus, in dem auch der Eigentümer selbst wohnt, alles seine Ordnung hat - und dafür, dass ihre Tochter, die zierliche Laura es irgendwann man besser haben wird - indem sie jeden kleinsten Nebenjob annimmt. Herr Hempel ist Schuster und ebenso maulfaul wie seine Gattin gesprächig ist. Auch ihm liegt daran, Laura eine rosige Zukunft zu bescheren.

Laura selbst ist ein braves Mädchen, das nicht zu viele Flausen im Kopf hat und in der Regel tut, was die Eltern - beziehungsweise die Mutter - sagt. So wird sie zunächst Kindermädchen beim Hausbesitzer, dann folgt sie einer Adligen, die sich verheiratet, als Dienstbotin in deren Haushalt und da die Mutter dort nicht eingreifen kann, tut sie, was sie für richtig hält, bpsw. unternimmt einen Sonntagsausflug mit dem jungen, verarmten Grafen aus dem Hinterhaus.

Das alles klingt bescheiden und sachorientiert, aber das Gegenteil ist der Fall: Alice Berend beschert uns - und das im Jahre 1913 -einen vielschichtigen Gesellschaftsroman, der für mich zum Lesespaß sondergleichen wurde. Die feine Ironie, der wohldosierte Mutterwitz und die originellen Ideen der Autorin garantieren einen Lesegenuss, bei dem nichts vorauszusehen ist. Die Figuren - auch die Nebendarsteller - sind mit wenigen Sätzen so klar gezeichnet, dass ich sie sofort vor Augen hatte. Ein Roman, der sicher auch als Schauspiel oder Film erfolgreich wäre, wenngleich man dann auf die wunderbare Sprache der Autorin verzichten müsste. Ein Lesehighlight gleich zum Jahresbeginn!
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Bewertung vom 30.01.2025
Fun
Felsenheimer, Bela B

Fun


sehr gut

Männer sind Schweine!
So heißt ein Lied der "Ärzte", deren Mitglied Bela B. Felsenheimer uns nun auf andere Art und Weise - nämlich in seiner Eigenschaft als Romanautor - von diesem Umstand zu überzeugen versucht.

Das tut er ausgesprochen gründlich: die in diesem Roman vorkommenden Männer - allen voran eine Deutschrock-Band, deren Charakter wahrscheinlich eher nicht von dem der "Ärzte" übernommen wurde, sind allesamt Schweine, einige davon sogar in mehrfacher Hinsicht.

Die Frauen sind zwar keine Engel, aber höchstens etwas bis sehr naiv und zu sehr den aktuellen Trends folgend, ansonsten haben sie keinen Dreck am Stecken. Der "Fun", den hier jeder haben will, unterscheidet sich ebenfalls geschlechterbedingt: die Männer wollen tatsächlich alle nur das Eine, vorzugsweise von blutjungen weiblichen Wesen, einige sind auch in anderer Hinsicht ausgesprochen schlimme Finger. Die Frauen hingegen haben deutlich Harmloseres im Sinne, wenn es um ihre Wünsche und deren Erfüllung geht. Der Autor steht hier also felsen(heimer)fest auf Seiten der Frauen.

So weit, so gut - in Genderangelegenheiten hat der Autor also das Herz auf dem rechten Fleck - es sei denn, man ist bedingungslos der Genderisierung der deutschen Sprache verpflichtet (was für mich nicht zutrifft). Aber im Hinblick auf eine geist- und spannungsreiche Lektüre ist mir das Ganze dann doch ein bisschen zu eindimensional - man merkt schon sehr früh, worauf das Ganze hinauslaufen wird, auch im Hinblick auf die abschließende Volte.

Bewertung vom 28.01.2025
Not your Darling
Blake, Katherine

Not your Darling


gut

Hoppla, jetzt komme ich!
England in der Nachkriegszeit - das ist kein Land, in dem Margaret leben möchte! Mit List und Tücke katapultiert sie sich in die Vereinigten Staten und mit noch etwas mehr davon nach Hollywood, dem Ort, an dem Stars geboren werden. Sie tauft sich um in Loretta und sucht einen Job. Dabei weiß sie genau, was sie will und es ist keine Rolle in einem Film. Nein, sie will Maskenbildnerin werden und diesen Job von der Pike auf erlernen!

Dass das nicht einfach ist , so ganz ohne Geld und vor allem ohne Erfahrung, ist klar Aber Loretta hat etwas anderes, nämlich einen eisernen Willen, Selbstbewusstsein und Standvermögen. Obwohl sie ein paarmal auf die Nase fällt und zwar so richtig, gibt sie nicht auf.

Ein Roman, den ich vor allem aufgrund des Stils und der Sprache gern gelesen habe. Autorin Katherine Blake (und ebenso ihre Übersetzerin) haben die Vorstellung von wagemutigen Tausendsassas geschaffen, die vor nichts Angst haben, um in Hollywood erfolgreich zu sein. Leider konnten dabei die Präsentation der Charaktere und der Handlung als solcher nicht ganz mithalten. Ich war zwar im richtigen Jahrzehnt am passenden Ort, fand da aber nicht ganz diejenige, die ich suchte.

Bewertung vom 26.01.2025
Fernwehland
Naumann, Kati

Fernwehland


ausgezeichnet

Um die Welt mit der "Völkerfreundschaft"
Einem großen Kreuzfahrtschiff nämlich, das in Stockholm gefertigt wurde und nach einem Unfall von der DDR aufgekauft wird. Für Henri, der schon als Kind vom Seefahrerleben träumte, werden damit seine kühnsten Träume wahr. Im Gegensatz zu seinem Vater Erwin, der nur vom Meer geträumt hat, ist es ihm nämlich gelungen, eine Ausbildung zum Matrosen zu machen und nun kennt er keine Grenzen mehr. Sein Arbeitgeber allerdings schon, weil er die vom Staat gesetzten Grenzen einhalten muss, aber das ist für Henri kein Thema - zunächst jedenfalls. Denn obwohl er selbst sich nicht allzusehr um die Politik schert, kommt ihm diese irgendwann in der Quere.

Wir begleiten Leser*innen begleiten aber nicht nur Henri, sondern auch seinen Vater Erwin von Kindheit auf und dazu zeitweise auch einige andere Menschen wie die Schwedin Ida, deren Lebensgeschichte wie die von Henri und seiner früheren Kollegin Simone ganz fest mit der "Völkerfreundschaft", die inzwischen "Astoria" heißt, verbunden ist.

Kati Naumann ist eine der Autorinnen, deren Romane ich voller Sehnsucht erwarte, sobald ich von ihnen gehört habe. In ihnen wird die Vergangenheit auf eine Art zum Leben erweckt, die informiert berührt und mich mit allen Sinnen packt. Ich kann ihre Bücher nicht aus der Hand legen, bis ich am Ende angelangt bin. Sie sind nicht nur eindringlich und anregend geschrieben, nein, die Autorin hat auch mehr als sorgfältig recherchiert und könnte - da bin ich überzeugt - aus dem ihr vorliegenden Material noch zwei oder drei weitere Werke erschaffen. Ich habe mit den Protagonisten gelacht und gelitten. Ein wundervoller Roman, den ich mit Sicherheit das ein oder andere Mal wieder lesen werde - wenn ich mir etwas besonders Gutes tun will!

Bewertung vom 21.01.2025
»Wenn Ende gut, dann alles« / Svetlana und Tommi ermitteln Bd.1
Klüpfel, Volker

»Wenn Ende gut, dann alles« / Svetlana und Tommi ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Ein neues Ermittlerduo sorgt für Spannung - und für Tränen
Wobei die Tränen meist Lachtränen sind - aber nicht nur. Denn Möchtegern-Autor Tommi und seine ukrainische Putzfrau Svetlana, die selbst auf dieser Bezeichnung besteht, kümmern sich um die Aufdeckung eines Mordes. Und der hat mit einem kleinen Mädchen aus der Ukraine zu tun, das nun mutterseelenallein dasteht.

Was außer den beiden so richtig niemanden interessiert - und seien wir ehrlich, zunächst nicht einmal Tommi. Aber Svetlana, gerüstet mit einem beträchlichen Maß an Lebenserfahrung und einem noch größeren an intuitiver Intelligenz, lässt nicht locker - und so "ermitteln" die beiden in ihrem ersten Fall gemeinsam. Svetlana ist der eigentliche Star des Romans; sie hat eine Art, deutsche Ausdrücke zu verdrehen, die mich während meiner Lektüre immer wieder zum Lachen brachte - und zwar, bis die Tränen flossen. Und ein erhebliches Maß an Mitgefühl und Einfühlungsvermögen in die Situation ihrer Landsleute, die sich aufgrund des Krieges in der Heimat in Deutschland befinden - diese Eigenschaft brachte mich aufgrund ihrer Nähe zur Realität aus anderen Gründen zum Weinen.

Ein warmherziger und witziger Krimi von Volker Klüpfel, der einen Hälfte des Autorenduos der "Kluftinger"-Reihe, der den ernsten Hintergrund nicht außer Acht lässt. Andere Themen, die er in diesem Buch streift, sind das Zusammenleben verschiedener Generationen in Deutschland, sowie Wohnungs- und Beziehungsprobleme. Immer in heiterem Kontext, aber nicht ohne ernsten Hintergrund. Ich habe diese Lektüre sehr genossen und freue mich bereits auf den nächsten Band!

Bewertung vom 16.01.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


ausgezeichnet

Marlene ist frisch verwitwet - und dabei war doch etwas ganz anderes abgesprochen mit Rolf, mit dem sie seit über 30 Jahren verheiratet war. Sie hatte sozusagen eine Familie auf Distanz - seine drei Söhne waren bereits vorhanden, als sie im Alter von 37 mit ihm zusammen kam.

Als er nicht mehr konnte und auch nicht wollte, da sah sie auch keinen Sinn mehr in ihrem Leben, aber nun ist er fort und sie ist noch da. Und trifft aus Zufall einen Bekannten aus früheren Zeiten, mit dem jetzt auf Augenhöhe ist: Jack war nämlich in der Grundschule in ihrer Klasse, jetzt hingegen ist er ihr Klempner und zieht bei ihr ein.

Eine ungewöhnliche, berührende Geschichte, die stellenweise fast das Niveau von "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" erreicht, es am Ende aber doch leider etwas zu eilig hat, so dass der Schluss aus meiner Sicht etwas knapp ausfällt und der gesamten Handlung nicht ganz gerecht wird.

Dennoch hat es Spaß gemacht, die Charaktere der Autorin Susann Pásztor zu begleiten und näher kennenzulernen!

Bewertung vom 16.01.2025
Verlassen / Mörderisches Island Bd.4
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlassen / Mörderisches Island Bd.4


sehr gut

Dies ist bereits der vierte Krimi der isländischen Autorin Eva Björg Ægisdóttir, den ich gelesen habe und ich muss gestehen, dass ich zunächst etwas verwirrt war, weil sich dieser Band nicht so recht in die bisherige Reihe um Ermittlerin Elma einfügen wollte. Im Verlauf der Lektüre wurde dann aber klar, dass er eigentlich den anderen Büchern vorangestellt ist, Elma ist noch nicht als Ermittlerin nach Akranes zurückgekehrt.

Auch die Handlung ist etwas außergewöhnlich, geht es hier doch um eine der reichsten Familien Islands, die sich zu einem Familienwochenende in einem schicken Hotel inmitten der Natur trifft. Alte und neue Verbindungen und ebensolche Differenzen blitzen wieder auf und irgendwann gibt es eine Leiche - oder doch nicht?

Die Autorin vermag die Spannung im großen und ganzen durch ihren Stil - es wird aus der Perspektive unterschiedlicher Charaktere berichtet - zu halten, wenngleich es für mich hilfreich gewesen wäre, wenn manche Fakten früher dargelegt worden wären. Nicht der gelungenste Fall der Autorin Eva Björg Ægisdóttir, aber einer, den ich durchaus gern gelesen habe.

Bewertung vom 15.01.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


ausgezeichnet

Margrit ist schon 102 Jahre alt und hat, bis sie weit über 80 war, in einem erfüllenden Beruf gearbeitet. In die Seniorenresidenz zog sie erst mit über 90 und hat nun Angst, dass sie vor ihrem Tod noch einmal umziehen muss - in eine Pflegestation. Margrit schaut nach vorn, vor allem aber nach hinten und versucht, sich über bestimmte Stationen ihres Lebens klar zu werden, sich selbst und ihr Umfeld verstehen zu lernen.

Begleitet wird sie im Alltag durch ihre ehemalige Schwiegertochter Brisko - der Sohn weilt in Australien und hat dort eine neue Familie gegeründet - und ihre Enkelin Luzie, die eigentliche zweite Hauptfigur des Romans. Luzie versucht, nach einem sexuellen Übergriff in Australien ihr Leben und vor allem sich selbst neu und deutlich resilienter aufzustellen - unter anderem durch die Umwandlung eines Hobbies - nämlich dem Tätowieren - in einen Beruf.

Was mir sehr gefällt: Luzie tätowiert vor allem ihre Großmutter und nähert sich dadurch deren Leben und der Vergangenheit ihrer eigenen Familie. Wichtige Themen des Romans sind Hamburg vor und während des Zweiten Weltkriegs, die Rolle der Frau einst und heute verbunden mit der Fragestellung, wie sie selbst (also die Frau) ihre Rolle beeinflussen kann.

Ein außerordentlich scharfsinniges, aber auch warmherziges und humorvolles Werk, das ich jedem empfehle, der beim Lesen gern historische Vergangenheiten kennen lernt!