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wisteria
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Hagenbach

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Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 22.01.2019
Retroland
Groebner, Valentin

Retroland


ausgezeichnet

Die Sehnsucht nach dem Authentischen

Das Buch „Retroland“ von Valentin Groebner, S.Fischer Verlag, Ffm. 2018, trägt den erläuternden Untertitel: „Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen“.

In dem nur knapp 220 Seiten umfassenden Werk wird alles gestreift was den Stadtplaner - wie auch den Marketingexperten - heutzutage berührt, wenn er sich beruflich mit Altstadt, erhaltender Erneuerung, Stadtmarketing, Gestaltungssatzung, Stadtsanierung, Dorferneuerung und Denkmalschutz etc... beschäftigt.

Nur dass diese Themen deutlich anders dargestellt und abgehandelt werden, wie gewohnt. Nämlich durch die Brille des Tourismusforschers und des Mittelalter- und Renaissanceforschers. So kommen entscheidend andere, bessere Blickrichtungen zustande.

Was hat z.B. der Mythos um den Berg Samanala Kanda in Ceylon mit der wiederaufgebauten Altstadt von Warschau zu tun? Vermittels einer langsam sich herausschälenden Theorie des Tourismus – beginnend mit einer leisen Kritik an Hans Magnus Enzensbergers ebensolchem Essay von 1962 schafft es Valentin Groebner den Leser mitzunehmen und nebenbei alle möglichen Begriffsdefinitionen unter die Lupe zu nehmen: Vergangenheit, Geschichte, Identität, Authentisch, Heimat, Substitution, Paradies, Replik, Kopie...

Fazit: das „Original“ existiert in der Regel gar nicht mehr. Das sind alles Rekonstruktionen.

Dabei spielen nebenbei auch die „Sex Pistols“ mit Ihrem Titel „Holiday in the Sun“ von 1976 eine Rolle. Auch die Alpen, Portugal und Spanien sind im Detail ihrer Monumente und Landschaften sehr treffend charakterisiert: „Ich reise also bin ICH“ wird ein Reiseprospekt beziehungsreich zitiert.

Die „Wiederholung“ als schillernder Begriff, als Gefühlschiffre (S. 147 ff):

„... Der Wunsch danach, dass im Urlaub endlich alles richtig sei, richtig wie früher, die Landschaft, die Hotels, die Strände und der Sound, dieser Wunsch schließt Ironie aus. Ich weiß nicht mehr, an welchem Mittelmeerstrand ich den VW-Bus mit Tiroler Kennzeichen gesehen habe – Sardinien? Er hatte Surfbretter auf dem Dach, die Seitentüren bemalt mit einem stilisierten Maori-Muster, darunter groß, in Schwarz: »Riders of the Storm«. Dasselbe Motto hat der Besitzer noch einmal sorgfältig verkleinert vorne über die beiden Frontscheinwerfer geschrieben. Unter den Scheinwerfern und dem Kühlergrill, auf der Stoßstange, saß ein großer Stoffteddybär. Er war mit Draht befestigt und sah, so gefesselt, ein wenig unbehaglich drein. Das Surferstüberl als Roadmovie und wildes Leben, The Doors mit Plüschtier...“

Ganz selbstverständlich werden auch die Doors mit Ihrem epochalem "Riders on The Storm" immer mehr als Denkmal zu betrachten sein. Nicht nur das Grab von Jim Morrison in Paris ist eine Pilgerstätte! Im Internet werden Lieder, Lyrics und Filme für eine Ewigkeit ausgestellt, aufgepäppelt, restauriert, mit Sauerstoff versorgt, ggf. wiederbelebt.

Sehr empfehlenswertes Buch – gerade auch wegen der zielgerichteten, wissensbasierten Umwege, die um das Thema kreisen.

Bewertung vom 23.11.2018
Die immer Neue Altstadt / Forever New: Frankfurt's Old Town

Die immer Neue Altstadt / Forever New: Frankfurt's Old Town


sehr gut

Leider hat das € 58,-teure Buch real nur ca. 240 Seiten Lese- und Bilderstoff, da es eine Leinen-gebundene Deutsch-und-Englisch-Fassung ist. Der Inhalt ist allerdings erstklassig. Sehr qualifizierte, seltene Abbildungen der Stadt Frankfurt am Main. Besonders positiv hervorzuheben und zu empfehlen ist der Aufsatz von Stephan Trüby "die Einstecktuchisierung der verrohten Bürgerlichkeit....", auch wenn der Tenor - die ganz Rechten kapern jetzt auch die Altstadt - etwas übernervös erscheint, und die Erhaltung von Baudenkmalen und von ganzen städtebaulichen Denkmalumgebungen allgemein dadurch -ohne Not- einen reaktionären und faschistoiden Zungenschlag bekommt, auch wenn der Autor das so vielleicht nicht direkt meint. Diese verkürzende Argumentationskette gab es nach dem II.Weltkrieg bis in die 1970er Jahre in der Architektur- und Städtebau-Literatur schon einmal und ist somit ein echtes Deja-vu. Ob der Autor die Wiederaufnahme der "alten" rechts-links Argumentation in dieser Kontinuitätslinie bezweckt ? Wer bei Nils/Gutschow oder bei Durth die Städtebaugeschichte der letzten 100 Jahre in Deutschland nachliest und nachvollzieht, kommt jedenfalls zu einer anderen Schlussfolgerung. Dennoch sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 09.01.2018
Das Königreich der Sprache
Wolfe, Tom

Das Königreich der Sprache


ausgezeichnet

Ein "Königreich" ist in der Regel ein Begriff der eine räumliche Fläche mit einem vordemokratischen Herrschaftssystem verknüpft. Das Wort "Kingdom" hingegen taucht in vielen Pop-Songs auf. Dort bezieht es sich nie auf einen Fläche sondern auf etwas Metaphysisches oder ist eine Metapher für etwas ganz Anderes. Meist mit "Glück" konnotiert, was man im Deutschen nicht so ganz nachvollziehen kann. So bezieht sich auch der Song-Titel "Kings & Queens" 1969 von "Renaissance" auf etwas ganz anderes als man das im Deutschen so zu erkennen meinte.

Zwischen dem Englischen und der Übersetzung ins Deutsche gibt es ja viele Ungereimtheiten, man denke nur an das Wort "Leader", das so gerne in der internationalen Machtpolitik benutzt wird, und dann bei uns nicht "Führer" heißt sondern gerne "nur" mit "Anführer" übersetzt wird. Das hat natürlich gute, sehr deutsche Gründe... und trägt damit nicht unbedingt zum besseren Verständnis z.B. des Führers der westlichen Welt bei, der - wie wir kürzlich erfahren haben - den "größeren Knopf" hat.

Der Verfasser der witzigen Bauhauskritik „ From Bauhaus to our house“ (N.Y., 1981, deutsch: Mit dem Bauhaus leben, Ffm. 1984) hat nun ein vorzügliches Buch über die Geschichte der Sprachforschung geschrieben. Jedem „Strukturalisten“ und jedem, der den Wissenschaftsbetrieb kennt oder die Produktionsbedingungen von Wissen kennenlernen möchte, sehr zu empfehlen: „Das Königreich der Sprache“ von Tom Wolfe (Mchn., 2017, O:“ the Kingdom of speech, N.Y., 2016). Und nebenbei kann man sich noch Gedanken machen, wie das eine oder andere Wort von Tom Wolfe im Originaltext wohl lautete und warum die Übersetzung von Yvonne Badal uns den lockeren Sprachstil des Autors so gut nachempfinden lässt.

So heißt es an einer Textstelle des Buches, an der es um die Entstehung der Publikation der Evolutionstheorie geht:

"... Als Mr. Charles Darwin das Manuskript und den Brief (von Alfred Russel Wallace, WMH) im Juni 1858 erhielt - und man möge mir nun den Anachronismus eines Idioms verzeihen, das erst rund ein Jahrhundert später erfunden wurde -, flippte er aus...."

So mögen wir Tom Wolfe......

Bewertung vom 23.10.2017
Trinote VZ Impala schwarz 2024

Trinote VZ Impala schwarz 2024


ausgezeichnet

...hervorragender Tages- und Wochenkalender, den ich seit 17 Jahre schätze und nutze.