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Benutzername: 
Jessi2712
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 9 Bewertungen
Bewertung vom 08.11.2024
Die Lungenschwimmprobe
Renberg, Tore

Die Lungenschwimmprobe


ausgezeichnet

Worum geht’s?

Leipzig im Jahr 1681. Anna, ein junges Mädchen, wird beschuldigt, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Ein Verbrechen, das mit dem Tod bestraft wird.
Ein Arzt und ein Anwalt versuchen mit für die damalige Zeit neuartigen Methoden wie der Lungenschwimmprobe und fortschrittlichen Ideen, Annas Unschuld zu beweisen und sie vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ob es gelingt?

Wie war’s?

Ich sollte vielleicht vorab erwähnen, dass historische Romane so gar nicht mein Beuteschema sind.
Trotzdem hat mich der Grundgedanke, anhand der sogenannten Lungenschwimmprobe, die später in die Medizingeschichte eingehen sollte, zu beweisen, dass Anna die Wahrheit sagt, fasziniert, und ich wollte dem Buch unbedingt eine Chance geben.
Und ich wurde nicht enttäuscht und habe mich trotz der umfangreichen 700 Seiten nicht eine Sekunde gelangweilt.

Tore Renberg hat die damalige Zeit für mich lebendig werden lassen. Passenderweise durfte ich dieses Buch auf einer Rundreise durch Leipzig und Dresden lesen, was die historischen Orte für mich noch eindrucksvoller erlebbar gemacht hat.

Komplett hingerissen war ich von der Darstellung der verschiedenen Charaktere, allen voran Dr. Johann Schreyer, der erstmals eine Lungenschwimmprobe durchführt, und Dr. Christian Thomasius, der Rechtsanwalt mit dem Faible für gutes Essen, den wir quasi durchs gesamte Buch begleiten. Renberg hat ihn so gut beschrieben, dass ich oft das Gefühl hatte, direkt neben ihm zu sitzen.

»Er war das Neue.
Über seinem Kopf, davon gehe ich aus, stand eine sengende Sonne.
Manchen Menschen geht es so.« (S. 95).

Auch die Übersetzung von Karoline Hippe und Ina Kronenberger hat mir sehr gut gefallen, sie haben es geschafft, die damalige Zeit auch sprachlich erlebbar zu machen, ohne dass der Text irgendwie anstrengend oder schwierig zu lesen wird.

Einzig und allein bestimmte Szenen, wie z. B. der spätere Rachefeldzug von Hans Heinrich Voigt, Annas Vater, der das Unrecht, das seiner Tochter angetan wurde, rächen will, waren manchmal schwer zu ertragen, was unter anderem natürlich der sehr bildhaften Sprache geschuldet ist, bei der sofort ein Film vor dem inneren Auge abläuft. Aber alles passt, ist stimmig und sicherlich für die damalige Zeit auch authentisch.


Fazit

Ich habe es nicht bereut, mich diesem dicken Wälzer gestellt zu haben, von mir volle Punktzahl und eine uneingeschränkte Leseempfehlung! Ein Buch, bei dem man nach der letzten Seite so traurig ist, als hätte man einen treuen Wegbegleiter verloren.

Bewertung vom 11.10.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


gut

Ein Sommer auf Identitätssuche

Worum geht’s?

Lou hat’s nicht leicht. Den Job als Galeristin hat sie nach einem Schicksalsschlag vorübergehend an den Nagel gehängt, eigentlich will sie ein Buch schreiben, treibt aber orientierungslos dahin und verbringt viel Zeit mit ihrer kleinen Tochter Rosa. Sergej, ihr zweiter Ehemann, ist Pianist und jüdisch, genau wie sie. Eine ganz normale Familie in Berlin. Bis Lou einer Einladung zum 90. Geburtstag ihrer Tante folgt, die auf Gran Canaria feiert. Plötzlich wieder mit dem alten ex-sowjetischen Clan aus Israel konfrontiert, der sich dort trifft, wächst in ihr das Bedürfnis nach einer Identitätssuche. Sie stellt ihre Ehe in Frage, sinniert über ihre Familiengeschichte und landet schließlich unverhofft in Israel, um den drängenden Fragen auf den Grund zu gehen.

Wie war’s?

Ein Buch, das ich innerhalb weniger Tage verschlungen habe. Prinzipiell habe ich mich gut unterhalten gefühlt, auch wenn mir nicht so richtig klar ist, worauf die Autorin mit ihrer Geschichte nun eigentlich hinauswollte.
Gut nachvollziehbar waren für mich Lous Probleme mit ihrem Mann, ich kann mir gut vorstellen, dass das Leben mit einem Künstler, der sozusagen in seiner eigenen Welt lebt, nicht einfach ist. Auch die Beziehung zu ihrer Mutter und ungeliebten Schwiegermutter wurde sehr glaubhaft dargestellt. Die Buschtrommeln, mit denen die Gerüchte über Lou in ihrer Familie die Runde machen, haben mich oft zum Lächeln gebracht. An einem bestimmten Punkt scheint die Scheidung schon fast beschlossene Sache zu sein, obwohl von Lous Seite davon niemals die Rede war.
Weniger gelungen fand ich den Handlungsstrang rund um ihre Tante Maya und deren verstorbene Schwester Rosa. Was genau war die Message dahinter? Dass in keiner Familie die Dinge so sind, wie sie zu sein scheinen? Dass es immer mehrere Wahrheiten hinter einer Geschichte gibt?

Fazit

Da sich das Buch flüssig liest und man sich beim Lesen gut unterhalten fühlt, vergebe ich gerne 3 Sterne, auch wenn die Handlung bei mir so einige Fragen offen gelassen hat.

Bewertung vom 11.10.2024
La Louisiane
Malye, Julia

La Louisiane


weniger gut

Neue Ehefrauen braucht das Land!

Worum geht’s?

1720. Die französische Kolonie La Louisiane braucht dringend neue Ehefrauen, die den Fortbestand der Kolonie sichern. In der Pariser Salpêtrière erhält Superiorin Marguerite deshalb den Auftrag, eine Liste mit 90 Frauen zusammenzustellen, die mehr oder weniger freiwillig an Bord der La Baleine gehen und die beschwerliche Reise in die Kolonie antreten sollen.

Wir begleiten Charlotte, eine junge Waise, Geneviève, eine verurteilte Engelmacherin und Pétronille, eine Tochter aus besserem Hause, deren Gesicht von einem großen Muttermal entstellt ist und die alle, ob sie nun wollen oder nicht, auf der ominösen Liste landen, bei den Reisevorbereitungen, der beschwerlichen, langen Reise in ein neues Land und Leben, dem Verheiratet-Werden mit ihnen völlig unbekannten Männern und ihrer Zukunft in den USA.

Wie war’s?

Witzigerweise hat jemand in einer anderen Rezension geschrieben, die ersten 150 Seiten müssen man irgendwie „durchstehen“, danach würde es besser. Mir ging es nun genau umgekehrt. Ich war geflasht von der Leseprobe, habe mich riesig auf das Buch gefreut und bin auch voller Enthusiasmus in den ersten Teil gestartet.

Gerade die Beschreibung der Salpêtrière, der Stimmung in Paris, die meiner Meinung nach sehr gut eingefangen wurde, haben mir richtig gut gefallen. In diesem ersten Teil konnte ich mich noch mit der einen oder anderen der Frauen identifizieren, habe gespannt mitgefiebert, wie es nun mit ihnen weitergeht.

Und ziemlich genau nach diesem Teil ist dieser Lesefluss bei mir extrem gekippt. Die Autorin verliert sich in ziemlich langatmigen Landschaftsbeschreibungen, extrem konstruiert wirkenden Metaphern, der Text wirkt auf mich künstlich aufgeblasen und in die Länge gezogen, und durch das ständige Hin- und Herspringen zwischen den einzelnen Frauen kam ich irgendwann auch komplett durcheinander, zumal es sehr viele Namen und Nebenpersonen gibt, von denen man gar nicht weiß, ob sie irgendwann wichtig werden oder nicht. Alles in allem war bei mir nach 300 Seiten einfach die Luft raus und ich habe die Lektüre daher vorzeitig beendet.

Fazit

Packender Anfang, ein interessantes Stück vergessener Geschichte, aber der Stil hat mir in dem Fall ein „Durchhalten“ bis zur letzten Seite unmöglich gemacht. Die erste Leseenttäuschung 2024 und tatsächlich das erste Buch dieses Jahr, das ich leider nicht zu Ende lesen möchte.

Bewertung vom 24.09.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Wer ist hier das wahre Monster?

Worum geht’s?

Pia, Jakob und Luca, ihr sechsjähriger Sohn – eine glückliche kleine Familie. Bis sich die Grundschule mit einem unglaublichen Vorwurf meldet, den die Eltern kaum fassen können. Ab diesem Tag sieht Pia ihren Sohn mit anderen Augen. Ist er wirklich der süße, kleine Unschuldsengel oder ein hinterlistiges kleines Monster? Was genau ist in der Schule vorgefallen? Und wie hängt das alles mit Pias eigener Kindheit, dem tragischen Verlust ihrer jüngsten Schwester und dem Verhältnis zu ihrer Adoptivschwester zusammen, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat?

Wie war’s?

Dieses Buch habe ich innerhalb von zwei Tagen förmlich verschlungen. Jessica Lind versteht es, sehr geschickt Gegenwart und Vergangenheit miteinander zu verweben.

Auf der einen Seite Pia, die plötzlich einen ganz anderen Blick auf ihren Sohn bekommt, deren Verunsicherung von Tag zu Tag immer größer wird. Die Fassade der heilen Welt, die schnell erste Risse bekommt, als Pia und Jakob sofort aus der WhatsApp-Gruppe der Eltern ausgeschlossen werden, nachdem der Vorwurf gegen Luca offen auf dem Tisch liegt.

Auf der anderen Seite Pias Kindheit mit dem tragischen Tod ihrer kleinen Schwester Linda, ein Tag, ab dem sich ihr Leben von Grund auf geändert hat. Die ungeklärte Frage, ob ihre Adoptivschwester Romi möglicherweise was damit zu tun hatte. Das jahrelange Todschweigen innerhalb der Familie, die eigene Mutter, die Pia und Romi mit Verboten schikaniert und sich vor allem Romi gegenüber sehr grausam verhält.

Und schließlich auf dem Höhepunkt des Spannungsbogens die Frage, wie weit Pia selbst bereit wäre zu gehen, um die Wahrheit aus Luca herauszuholen. Hier ist mir schon die eine oder andere Gänsehaut über den Rücken gelaufen.

Fazit

Auch wenn mir Pia als eigentlich Protagonistin dieser Geschichte oft sehr unsympathisch war (deshalb auch die Frage eingangs, wer hier das wahre Monster ist), habe ich mich von dieser sehr geschickt aufgebauten Story bestens unterhalten gefühlt und empfehle sie gerne weiter.

Bewertung vom 23.09.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

Ein Buch, das uns allen einen Spiegel vorhält

Worum geht’s?

Reza, im Iran geboren, kommt im Alter von 9 Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland. »Als wir Schwäne waren« erzählt die Geschichte einer Kindheit zwischen zwei Stühlen in den siebziger Jahren im Ruhrgebiet.

Wie war’s?

Vorab, das ist kein einfaches Buch. Ein Werk, das uns alle zum Nachdenken anregen sollte, wie wir mit dem Thema Migration, Integration und den Menschen umgehen, die zu uns nach Deutschland kommen.

Spannend geschildert fand ich vor allem den Spagat zwischen der Lebenswirklichkeit der Eltern, die sich gedanklich noch voll im Iran abspielt (»Sie kennen den Mullah, der im Fernsehen behauptet, Frauen, die keine Büstenhalter tragen, verursachen Erdbeben. Oder Gespräche von Geistlichen, bei denen es um die Frage geht, ob ein Kind haram ist, wenn sein Erzeuger bei einem Unfall auf die eigene Tante gefallen ist und sie dabei versehentlich geschwängert hat«).

Und als krassen Gegensatz dazu die Kindheit in der deutschen Siedlung, zwischen den Versprechungen des Kabelfernsehens, den Ostermärschen, einer regelrechten Hierarchie zwischen den verschiedenen Lagern, in der beispielsweise die Roma nochmal eine Stufe unter den Iranern stehen und noch »schlimmer« scheinen als alle anderen.

Den Bemühungen der Eltern, dieses Deutschland zu verstehen, die Sprache, die Schuhe, die dem Vater nicht passen, der Wassermelone, die nicht schmeckt. Und wie all ihre Versuche, hier eine Heimat zu finden, am Ende doch scheitern.

Beeindruckend war vor allem Rezas Weg, der anfangs wie seine Freunde immer mehr auf die schiefe Bahn zu geraten droht und irgendwann doch beschließt, sich zusammenzureißen und »Meter zu machen«.

Fazit

Ein Buch, das aktueller kaum sein könnte. Wie verhalten wir uns selbst dem Andersartigen gegenüber und was könnten wir besser machen? Beeindruckend die Szene, in der Reza mit seiner Mutter Kornelkirschen pflückt, die die allermeisten in Deutschland für giftig halten. Viele Leute gehen vorbei, bis sie irgendwann eine Frau darauf anspricht. Der Vater fragt sich später, warum denn die anderen nichts gesagt hätten. Ja, warum eigentlich? Hier habe ich mich beim Lesen an die eigene Nase gefasst und gefragt, ob ich was gesagt hätte. Ehrlicherweise muss ich zugeben, wahrscheinlich nicht. Ein Buch, das mich nachdenklich gemacht hat und eine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 15.09.2024
Ein anderes Leben
Peters, Caroline

Ein anderes Leben


ausgezeichnet

Hanna! Who the f*** was Hanna?

Worum geht’s?

Caroline Peters, eine meiner Lieblingsschauspielerinnen, legt mit »Ein anderes Leben« ihren ersten Roman vor.
Anlässlich der Beerdigung ihres Vaters Bow blickt die Ich-Erzählerin und jüngste Tochter der Familie Ramspeck auf das Leben ihrer Mutter Hanna zurück. Wer war diese spannende, oft so widersprüchliche Frau, Mutter von drei Töchtern aus drei verschiedenen Ehen?


Wie war’s?

Natürlich habe ich mich gefragt, ob Caroline Peters, unvergessen in ihrer Rolle als Kommissarin Sophie Haas in Mord mit Aussicht, auch Buch »kann«. Und ob. »Ein anderes Leben« hat mich begeistert, gepackt, förmlich durch die Seiten fliegen und am Ende auch beinahe Tränen vergießen lassen.

Angefangen am Tag der Beerdigung ihres Vaters Bow blickt die Tochter zurück auf das »Buch Hanna«, das Leben ihrer Mutter.

Die Kindheit mit so vielen Freiheiten, in der vor allem eines wichtig war: die richtigen Worte finden.
»Ich verstehe nicht viel, aber ich merke: Hanna ist gereizt. Oder alarmiert. Eine falsche Wortwahl bringt sie in Rage. Im Winter mit Badeanzug mit Gummistiefeln bekleidet in den Kindergarten wollen, die Tischdecke mit Tomatensoße vollschmieren, alles kein Problem, aber ein falsches Wort am Sonntagmorgen im Bett benutzen, das ist zu viel.«

Eine Kindheit mit einer Mutter, die ihren Gästen Weinbergschnecken mit Kräuterbutter serviert, den eigenen Kindern Toastbrot mit Mayo und Tomatenmark.

Interessant skizziert fand ich auch das Verhältnis der jüngsten Tochter zu ihren beiden älteren Schwestern, Laura und Lotta.

Immer wieder unterbrochen von Phasen, in denen der »schwarze Hund« zu Besuch kommt und Hanna mit Depressionen im Bett liegt.

Bis zu jenem Tag, an dem Hanna schließlich ihren Ehemann Bow und ihre jüngste Tochter verlässt und sich eine eigene Wohnung sucht, um ihren Frieden zu finden.
»Ihr Denken und Fühlen war endlich an dem Punkt angekommen, auf den Hanna zugestrebt war: ein eigenes Zuhause. Ein Zuhause, das sie ihren sich überschlagenden Gedanken, den vielen Worten in ihrem Kopf und ihrer Seele schuldig war.«

Eindrucksvoll geschildert wird auch, was diese plötzliche Trennung von der Mutter mit ihrer jüngsten Tochter macht und welche Auswirkungen dies sogar noch auf ihr Leben als Erwachsene hat – das Problem mit den Übergängen und der Rückkehr in eine lange leerstehende Wohnung, die ihr feindlich gesinnt vorkommt. Vieles davon konnte ich sehr gut nachempfinden.

Fazit

Am liebsten würde ich Frau Peters jetzt fragen, wieviel von diesem Buch nun tatsächlich autobiografisch ist, einfach weil es mich brennend interessiert. »Ein anderes Leben« hat mich voll abgeholt und begeistert, von mir glatte 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 14.09.2024
Die Leuchttürme der Stevensons
Weiß, Sabine

Die Leuchttürme der Stevensons


gut

Der Junge, der immer nur eines wollte – schreiben!

Worum geht’s?

In »Die Leuchttürme der Stevensons« von Sabine Weiss erfahren wir alles über eine wenig bekannte Zeit im Leben des bekannten Schriftstellers Robert Louis Stevenson – seine Kindheit und Jugend bis hin zum Abschluss seines Studiums.

Robert, der kränkliche kleine Junge mit der blühenden Fantasie aus Edinburgh, der immer nur eines wollte: Schreiben. Allerdings hat sein Vater Tom andere Pläne mit ihm. Robert soll der nächste in einer Dynastie der Leuchtturmbauer werden, der schon sein Großvater und auch sein Vater angehören. Doch das Ingenieurstudium ist für ihn stets nur Nebensache und er verfolgt es mit wenig Begeisterung, viel wichtiger ist ihm von Anfang an seine Schreiberei. Als er sich darüber hinaus noch in Jeannie verliebt, eine junge Frau, die sein Vater für unstandesgemäß hält, muss er die Stadt verlassen. Sein Vater will dem Sohn die Flausen austreiben, nimmt ihn mit auf seine Leuchtturm-Inspektionsreisen, wo er die praktische Seite kennenlernen soll. Immer enger wird das Korsett, in das sein ehrgeiziger Vater ihn pressen will. Immer wieder versucht Louis, auszubrechen und sich von den Zwängen zu befreien, was ihm einfach nicht gelingt. Kurse an der Uni werden geschwänzt, Rauschmittel konsumiert, bis er schließlich nach seinem Studienabschluss endlich den Mut findet, dem Vater zu sagen, dass er Schriftsteller sein will. Um des lieben Friedens willen schließt er nach dem Ingenieurs- noch ein Jurastudium an, doch auch diesen Beruf übt er nicht lange aus. Was später aus ihm wurde, ist weltbekannt.

Wie war’s?

Vorab muss ich sagen, dass historische Romane eigentlich gar nicht mein Beuteschema sind, allerdings habe ich hier mal eine Ausnahme gemacht und trotzdem zum Buch gegriffen, da mich das Leben des Schriftstellers sehr interessierte und ich auch schon einiges von ihm gelesen habe. Es ist auf jeden Fall spannend, zu sehen, woher er die Inspiration für seine wunderbaren Geschichten genommen hat.

Schon das Cover passt perfekt zum Buch und stimmt einen sehr schön auf den Inhalt und die raue See ein.
Was mir gut gefiel, ist die Art, wie Sabine Weiss mit Sprache spielt, mit ihrem Sätzen Atmosphäre schafft. Es geht schon direkt im ersten Kapitel los: »Finsternis. Flappernde, klappernde Finsternis.« Sie versteht es, die damals oft bedrückende Atmosphäre, Armut, Krankheit und die schwierigen Bedingungen, unter denen sich die ärmere Bevölkerung durchs Leben schlagen musste, so zu schildern, dass man sich viel darunter vorstellen kann.

Mein persönlicher Kritikpunkt an diesem Buch ist die Tatsache, dass vieles einfach zu sehr ins Detail geht. Diese detaillierten Beschreibungen von Leuchttürmen, Wellenbrecherbau etc. waren mir einfach »too much information« und ich habe hier oft nur noch überflogen, um nicht völlig die Leselust zu verlieren.

Auch die dargestellten Personen (abgesehen von Robert Louis und seinen Eltern, die wirklich ausführlich skizziert werden) waren mir persönlich oft zu blass, vieles wurde nur angerissen und man konnte sich nicht wirklich mit ihnen identifizieren.

Fazit:

Für alle, die historische Romane lieben, mit Sicherheit eine Leseempfehlung. Auch Schottlandfands oder Menschen, die sich für technische Einzelheiten von Bauprojekten interessieren, dürften voll auf ihre Kosten kommen, Fans von Robert Louis Stevenson sowieso. Ich persönlich war eher froh, dass das Buch dann nach 462 Seiten „endlich“ vorbei war.

Bewertung vom 09.09.2024
Mord in der Charing Cross Road
Hamilton, Henrietta

Mord in der Charing Cross Road


gut

Worum geht’s?

Butcher, ein unbeliebter Mitarbeiter des Londoner Antiquariats Heralds, wird erstochen an seinem Schreibtisch aufgefunden.

Natürlich taucht schon bald Scotland Yard auf, doch parallel beginnen Sally, eine junge Mitarbeiterin und Johnny, ein Juniorpartner, mit ihren eigenen Ermittlungen.

Wer hat Butcher ermordet und was hat das alles mit dem Geist zu tun, der kurz zuvor mal wieder im Antiquariat gesichtet wurde? Und wer steckt hinter den Diebstählen wertvoller Bücher, die auch aus anderen Antiquariaten gemeldet wurden?

Wie war’s?

Man spürt auf jeder Seite, dass dieser Krimi in den sechziger Jahren geschrieben wurde. Die ganze Geschichte wirkt ein wenig angestaubt, allerdings nicht auf eine negative Art und Weise, es ist eher eine Art Zeitreise in die Vergangenheit. Ein klassisch britischer Krimi, bis auf den einen Mord recht unblutig und mit einer ganz interessanten Story.

Warum ich persönlich wahrscheinlich den zweiten Teil eher nicht lesen werde? Alle Protagonisten wirkten auf mich seltsam blass, ich konnte mich mit niemandem so recht identifizieren und habe schon auf den ersten Seiten, in denen wie in einem Theaterstück ein Mitarbeiter nach dem anderen vorgestellt wurde, langsam den Überblick verloren. Auch die angekündigte Liebesgeschichte kommt erst auf den letzten Seiten so langsam ins Rollen und konnte mich nicht wirklich abholen

Auch die ellenlagen Beschreibungen, wer wann in welchem Raum gewesen sein könnte und wer an wem vorbeigelaufen sein müsste, haben mich irgendwann nur noch gelangweilt und ich muss ehrlich zugeben, dass ich hier doch das eine oder andere überblättert habe.

Fazit

Für Fans klassischer englischer Krimis sicherlich eine Leseempfehlung, allerdings kein Vergleich mit Miss Marple oder ähnlichem. Mein persönliches Fazit: kann man lesen, wenn gerade der Lesestoff knapp wird, „muss“ man aber nicht unbedingt.

Bewertung vom 25.08.2024
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

O là là, gefährliche Obsession!

Worum geht’s?

Eine Frau, die rundum zufrieden sein könnte. Glücklich verheiratet, zwei süße Kinder, im Job erfolgreich als Lehrerin und Übersetzerin. Trotzdem gibt diese leise Stimme in ihrem Kopf einfach keine Ruhe: Liebt mich mein Mann wirklich? Gesagt hat er es gestern Nacht wieder – oder habe ich das nur geträumt? Aber wenn er mich wirklich liebt, warum hat er dann gestern nicht meine Hand genommen, als wir zusammen Ferngesehen haben … dabei habe ich sie doch extra zu ihm rübergeschoben? Und warum hat er vorgestern vergessen, mir eine gute Nacht zu wünschen? Und wie kann ich ihn für seine kleinen Vergehen bestrafen? Als die Fragen immer drängender werden, beschließt SIE, ihren Mann auf die Probe zu stellen. Erst nur ein kleines bisschen, irgendwann ein bisschen mehr bis sie schließlich zu weit geht.

Wie war’s?

Ich habe diesen Roman am Wochenende quasi in einem Rutsch verschlungen und kann verstehen, warum er in Frankreich so gut angekommen ist.
Der Spannungsbogen baut sich erst ganz allmählich auf, trotzdem kann man das Buch kaum aus der Hand legen und fliegt quasi durch die Kapitel. Immer mit der Frage im Kopf, ob ER irgendwann mitbekommt, was für ein falsches Spiel SIE mit ihm treibt.
Einige Punkte fand ich doch schockierend, so zum Beispiel, dass SIE überlegt, dass sie es zwar verkraften könnte, wenn eines ihrer Kinder stirbt, nicht aber den Tod ihres Mannes.
Den Epilog auf den letzten Seiten habe ich mit angehaltenem Atem gelesen, mit dem Twist hätte ich am Ende so gar nicht mehr gerechnet. Chapeau, Maud Ventura und ihre weiteren Werke werde ich auf jeden Fall im Auge behalten.

Fazit

Meine unbedingte Leseempfehlung! Super für alle, die gern französische Romane lesen, kein Problem damit haben, wenn sich ein Spannungsbogen erst allmählich aufbaut, dafür aber umso mehr psychologische Hintergründe der Protagonisten aufgedeckt werden. Eine sehr empfehlenswerte Geschichte über eine obsessive Liebe und ihre Folgen.