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Bewertungen

Insgesamt 13 Bewertungen
12
Bewertung vom 13.10.2014
Dorf der Idioten
Monnehay, Max

Dorf der Idioten


schlecht

Ein Mann namens Pierrot beschließt eines Tages, ein Dorf für sich und all jene zu gründen, die von der Gesellschaft das Label “Idiot” aufgestempelt bekommen haben und im Zuge dessen verspottet und ausgegrenzt worden sind. Schnell findet Pierrot Unterstützer für seine Idee, die bald darauf in einer kleinen Welt nur für sich leben.
Die französische Autorin Max Monnehay hat sich für “Dorf der Idioten” ein wirklich spannendes Gedankenexperiment überlegt, das das Potenzial für reichlich Diskussionsstoff birgt: Was macht einen Menschen zum (vermeintlichen) “Idioten” – eine geistige Behinderung, der IQ oder vielleicht doch die Gesellschaft respektive das persönliche Umfeld eines Menschen? Und inwieweit verhalten sich die Einwohner des Dorfs der Idioten besser als ihre Umwelt, wenn sie jene abweisen, die sich ein Leben in dem Dorf wünschen, aber Dorfchef Pierrot nicht idiotisch genug erscheinen oder wenn Protagonist Bastien alle Nicht-Idioten durchweg beleidigt?
“Dorf der Idioten” könnte also ein grandioses Buch sein – wohlgemerkt: könnte! Max Monnehay nutzt die Idee des Dorfes lediglich als schmückendes Beiwerk, als eine Art Aufhänger oder Trigger, um die Geschichte des Ich-Erzählers Bastien zu erzählen. Die Einwohner des Dorfes grenzen sich von der übrigen Gesellschaft ab, leben unabhängig – doch wie sich dieses Dorfleben genau gestaltet, wird kaum erfahrbar. Vieles wird nur kurz und recht faktisch präsentiert. Monnehay wirft ihren Lesern diverse Informationen zu, die man einfach so annehmen muss, ohne selbst die Möglichkeit zu haben, die Geschehnisse “mitzuerleben” oder gar zu hinterfragen. Auch die Charaktere der Geschichte bleiben durchweg facettenlose Statisten. Für mich blieb folglich die gesamte Dorfgemeinschaft kein bisschen greifbar und das Konzept eines Dorfes für Idioten zu schwammig und undurchdacht.
Stattdessen dreht sich alles um Bastien: seine Kindheit, sein Einzug ins Dorf, das tragische Ereignis, welches ihn und seine Geliebte in Lebensgefahr brachte … Dabei konnte ich mich nie des Eindrucks erwehren, dass es eigentlich gar nicht um die Ereignisse an sich geht, sondern lediglich darum, dass Bastien sich einmal so richtig über alles in seinem Leben auskotzen kann (um mich einmal der im Roman verwandten Ausdrucksweise zu bedienen). Es scheint, als wolle Bastien einfach nur über alles und jeden seine Meinung äußern, die in der Regel immer negativ ist.
Sympathisch ist Bastien wahrlich nicht. Auch die Umstände, unter denen er groß geworden ist, konnten nicht mein Mitgefühl wecken, denn letztlich ist Bastien keinen Deut besser als die von ihm kritisierte Gesellschaft, ja er erschien mir sogar wie ein regelrechtes Arschloch (um mich noch einmal der Ausdrucksweise im Buch zu bedienen).
Hinzu kommt, dass Bastiens vermeintlicher Intellekt und seine sprachliche Stilistik nicht recht zusammenpassen. Glaubt man Bastiens Schilderungen darüber, was die Idiotie von ihm und den anderen Dorfbewohnern ausmacht, so muss der IQ extrem niedrig sein. Die Personen können scheinbar nicht einmal die einfachsten, alltäglichsten Dinge. Zugleich drückt sich Bastien aber – trotz seiner Vulgärsprache – zuweilen intelligent aus. Zwar wird im Verlauf des Buches deutlich, dass er bei Weitem nicht der Idiot ist, für den er sich stets hielt, doch unter Berücksichtigung seiner Vorbildung erscheint seine Ausdrucksweise dennoch nicht glaubhaft: Bastien hat wenig Bildung genossen, seine Mutter gab ihm stets nur Kinderbücher zu lesen – selbst nachdem Bastien die 20 Jahre überschritten hat – und so ist es doch recht unwahrscheinlich, dass ein Mensch mit diesem Bildungshintergrund zum Teil stark verschachtelte Sätze, viele (teils ungewöhnliche) Metaphern, Begriffe wie “Kakophonie” oder Vergleiche wie “[s]eine Stimme am Telefon war farblos wie Alaska” (s. 20) nutzt.
Fazit:
Max Monnehays “Dorf der Idioten” liegt ein spannendes, diskussionswürdiges Gedankenexperiment zugrunde, das die Autorin aber leider nicht weitergesponnen hat. Vergeudetes Potenzial.

Bewertung vom 22.06.2014
Bluish Bd.1
Umeda, Abi

Bluish Bd.1


gut

Im Mittelpunkt von "Bluish" stehen die drei Waisenkinder China, Rin und Aki, die allein in einem alten Haus wohnen, nachdem ihre Adoptiveltern verstarben. Zwar sind die Kinder nicht (bluts-)verwandt, doch verfügt jeder von ihnen über magische Fähigkeiten: Rin, der älteste der drei, ist der Psychokinese mächtig, Aki kann Telepathie und die kleine China ist in der Lage, sich in andere Menschen zu verwandeln. Was sich im ersten Moment traumhaft anhört, ist für die drei Kinder eher Fluch als Segen, denn bislang haben ihre Fähigkeiten sie immer nur in Schwierigkeiten gebracht und sie zu Außenseitern gemacht. Zudem geht der Einsatz ihrer Kräfte mit Nebenwirkungen einher: China vergisst nach und nach die Menschen, in die sie sich verwandelt hat, Aki hingegen schwächt der Einsatz seiner Kräfte und er wird von einem plötzlichen Ausschlag geplagt, nachdem er die Gedanken anderer Menschen gelesen hat.

Im Laufe des ersten Bandes, der vier kurze Geschichten umfasst, lernen Aki, Rin und China jedoch, dass sie ihre Kräfte durchaus auch einsetzen können, um anderen zu helfen. Sie beginnen, ihre Fähigkeiten zunehmend als Gabe zu betrachten.

Leider steckt im ersten "Bluish"-Band jedoch viel verschenktes Potenzial. Zwar können Abi Umedas Zeichnungen, die zum Teil sehr detailliert ausgearbeitet sind, überzeugen, doch die Handlungen hätte die Mangaka noch ausfeilen müssen. Insbesondere die ersten beiden Geschichten haben mich ziemlich enttäuscht: Umeda führt uns in der ersten Epiosde ("Ein nutzloser Schatten") in das Leben und die Fähigkeiten der drei Protagonisten ein, was ihr auch gut gelungen ist. Doch als es zum eigentlichen Problem kommt und die drei Kinder ihre Fähigkeiten erstmals für etwas Gutes einsetzen können, kommt die Lösung viel zu schnell und einfach, sodass die Spannung, kaum dass sie erzeugt wurde, viel zu schnell wieder fällt. In der zweiten Geschichten tritt dieser Kritikpunkt erneut auf, wenn auch weniger stark: Just hat sich ein Problem angekündigt, ist es auch ohne sonderliche Hindernisse schnell gelöst. Hier hätte Abi Umeda die einzelnen Situationen, in denen die Kinder ihre Fähigkeiten zu gutem Zweck nutzen, durchaus ausbauen und ihnen mehr Zeit zur Entwicklung geben können - insbesondere da die Mangaka in der zweiten Erzählung noch einmal alles über die Fähigkeiten der Kinder wiederholt, was sie uns keine 60 Seiten zuvor schon ausreichend in der ersten Geschichte nahebrachte, wodurch etliche Seiten sinnlos vergeudet wurden. Erst in der dritten und vierten Geschichte gelingt es Abi Umeda, den Fokus wirklich auf die Handlungen zu legen und den Erlebnissen von Aki, Rin und China mehr Raum zu geben.

Fazit:

Ich habe "Bluish" mit gemischten Gefühlen zugeklappt. Die Zeichnungen und Figuren konnten mich überzeugen, auch gefielen mir Abi Umedas Ansätze, doch hat die Mangaka nur einen Bruchteil dessen herausgeholt, was möglich gewesen wäre. Statt vier kurzer Episoden hätte ich mir daher lieber eine längere Geschichte mit einer detaillierterer, komplexerer Handlung gewünscht.

Bewertung vom 07.10.2013
Metamorphose am Rande des Himmels
Malzieu, Mathias

Metamorphose am Rande des Himmels


ausgezeichnet

“Metamorphose am Rande des Himmels” ist die Geschichte von Tom Cloudman, der sein Leben lang davon träumt, fliegen zu können. Seit seiner Kindheit versucht er immer wieder, sich in der Luft zu halten – doch jeder Flugversuch endet im Sturz, was Tom schnell zum Publikumsmagnet macht. Seine Flugexperimente werden fortan Berufung: Als Stuntman zieht Tom Cloudman durchs Land – ein Kunststück spektakulärer als das andere. Doch während er mit jedem Stunt versucht, frei wie ein Vogel durch die Lüfte zu gleiten, offenbart ihm schon bald ein Unfall ein schweres Schicksal. Gerade Tom, der die Freiheit liebt und sich gegen Konventionen und Zwänge aufbäumt, muss seinem Ende in einem modernen Käfig entgegenblicken: Gefesselt an einen Tropf und gelähmt vor Schmerzen und Tabletten ist Tom fortan eingesperrt – in der Sterilität des Krankenhauses, aber auch in seinem eigenen Körper. Dennoch hält Tom am Traum vom Fliegen fest. Als er dann auf dem Krankenhausdach auf die Vogelfrau Endorphina trifft, die ihm ein neues Leben als Vogel ermöglichen könnte, scheint sich sein sehnlichster Wunsch zu erfüllen. Auch die Gegenleistung – der Liebesakt mit der attraktiven Frau – erscheint ihm nicht als hoher Preis. Doch wie immer gilt: Man sollte vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht ...

Mathias Malzieu erzählt uns die Geschichte von Tom Cloudman auf eine weniger märchenhaft-poetische Weise wie “Die Mechanik des Herzens”, aber dennoch genauso individuell, bild- und wortgewaltig. Der französische Musiker und Autor nutzt eine Vielzahl – teils ungewöhnlicher – Metaphern und über allem schwebt die Farbe Rot: rote Kanarien, rote Beete, rotes Blut, rot wie die Liebe. Dabei verflicht Malzieu gekonnt Fantasy mit modernem Drama, Melancholie mit Humor, Schwere und Ernsthaftigkeit mit Leichtigkeit und Lebendigkeit. So wird “Metamorphose am Rande des Himmels” zu einer magischen Erzählung, die zwar von ernsten Themen und Traurigkeit geprägt ist, dabei allerdings nie in eine beklemmende Herz-Schmerz-Geschichte abdriftet.

“Metamorphose am Rande des Himmels” steckt zudem wieder voll herrlich-ungewöhnlicher Ideen. So lebt und fährt Tom Cloudman während seiner Zeit als Stuntman in einem eigens umfunktionierten Sarg durchs Land. Malzieu schildert dieses Mobil dabei so gekonnt, dass man es nicht nur förmlich vor sich sieht, sondern auch dessen Enge, aber auch Unabhängigkeit fühlt und in Gedanken wie Tom in diesem Multifunktionssarg liegt und in die unendlichen Weiten des Sternenhimmels blickt. Ähnlich lebendig schildert der Autor auch die restliche Geschichte. Insbesondere Toms Leben vor dem Krankenhausaufenthalt wird nur allzu greifbar. Man fühlt die Lebendigkeit und möchte gerne länger verweilen in diesem rasanten, einzigartigen Lebensstil, doch dann reißt die tödliche Diagnose Tom und den Leser aus diesem heraus. Stattdessen sieht sich Tom der Einöde des Krankenhauses ausgesetzt und das nun ausgebremste Leben des Stuntmans spiegelt sich in einem langsamerem Erzähltempo wieder. Eine weitere Veränderung in der Erzählweise folgt mit Beginn der Metamorphose: Erfährt der Leser zunächst alles aus der Ich-Perspektive von Tom, gesellt sich bald Endorphina hinzu, die sukzessive die Erzählerposition übernimmt.

Abgerundet wird dieses einzigartige Leseerlebnis durch die erneut wunderbare Covergestaltung von Benjamin Lacombe.

Fazit:
Mathias Malzieus “Metamorphose am Rande des Himmels” ist moderner und von einer weniger märchenhaften Poesie als “Die Mechanik des Herzens”, aber überzeugt in gleicher Weise mit einer gewaltigen Erzählkraft, viel Metaphorik und herrlich ungewöhnlichen Ideen. Es ist eine Geschichte über Leben und Tod, über Freiheit, Liebe und über das Wünschen. Die Erzählweise selbst entwickelt sich dabei stets weiter, passt sich an den Verlauf der Handlung an, ganz gleich welchen Weg diese auch einschlägt. So hat Mathias Malzieu erneut bewiesen, dass seine Romane zu den wohl ungewöhnlichsten gehören, die man auf dem Buchmarkt finden kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.05.2013
Drachenbrut / Die Feuerreiter Seiner Majestät Bd.1
Novik, Naomi

Drachenbrut / Die Feuerreiter Seiner Majestät Bd.1


weniger gut

Unzählige Kritiken im Netz lobten Naomi Noviks Auftakt zur Reihe “Die Feuerreiter seiner Majestät”. Ich selbst muss mich jedoch in die kleine Riege jener einreihen, die von “Drachenbrut” enttäuscht waren. Dabei hat das Buch durchaus seine Stärken. Allein die Idee, Drachen als Teil eines Heeres gegen Napoleon in die Schlacht ziehen zu lassen, ist gut und hebt sich von anderen Drachengeschichten ab. Allerdings war mir die Umsetzung dann doch zu zäh.

“Drachenbrut. Die Feuerreiter seiner Majestät 1″ lässt sich grob dreiteilen: Zu Beginn lernen wir Kapitän Will Laurence und den Drachen Temeraire kennen, der an Bord von Laurences Schiff schlüpft. Laurence ist fortan verantwortlich für den Drachen, der auf Grund seiner schwarzen Farbe und der ungewöhnlichen Größe von keinem der Schiffsleute einer der bekannten Drachenrassen zugeordnet werden kann. Lange Zeit begleiten wir Laurence und Temeraire an Bord: Wir sehen den Drachen heranwachsen, erleben seinen ersten Flug und beobachten, wie sich zwischen beiden eine sehr enge Freundschaft entwickelt. Im zweiten großen Handlungsabschnitt finden wir uns mit beiden im Trainingslager wieder: Dort soll Temeraire gemeinsam mit anderen Drachen auf den Kriegseinsatz vorbereitet werden. Das letzte Drittel dreht sich schließlich um die Schlacht von Dover.

Obwohl all dies viel Potenzial bietet, kam für mich an keiner Stelle wirkliche Spannung auf bzw. wenn, dann immer nur für einen kurzen Augenblick. Der erste Band der Reihe “Die Feuerreiter seiner Majestät” erschien mir stattdessen wie eine viel zu lange Einleitung für die Folgebände. Selbst alltägliche oder wiederkehrende Ereignisse (z. B. das Füttern der Drachen) wurden mit größter Ausführlichkeit beschrieben. An vielen Stellen hätte ich mir gerne mehr Tempo oder mehr Ereignisse gewünscht, obwohl ich generell auch Geschichten mit ruhigem Erzählstil mag – hier erschien mir diese Langsamkeit jedoch nicht passend, sondern nur unglaublich anstrengend und ermüdend. Insbesondere die stundenlange Beschreibung der Schlacht hätte ich gerne in zusammengeraffter Form präsentiert bekommen, anstatt jede Bewegung, jede Handlung und jeden Gedanken detailliert zu erfahren.

Naomi Novik nimmt sich daneben sehr viel Zeit, um den Lesern die Welt der Drachen nahe zu bringen. Die Entwicklung und Darstellung der verschiedenen Drachenarten kann dabei sehr überzeugen. Auch die Schilderung der Freundschaft zwischen Laurence und Temeraire ist gut gelungen. Allerdings blieben die Nebencharaktere nur Schatten für mich. Bis auf wenige Ausnahmen sind die meisten Figuren sehr blass, was sie beliebig austauschbar macht. Daher hatte ich während des ganzen Buches Probleme, die Namen den jeweiligen Personen oder Drachen zuzuordnen. Zudem erschien mir Temeraire nicht immer glaubhaft. Da er einer chinesischen Rasse angehört, zählt er zu den weisesten Drachen der Welt. Manchmal kam mir seine Denk- und Sprechweise jedoch sehr naiv und ein wenig dümmlich vor. Natürlich ist Temeraire noch nicht sehr alt, doch da während des ganzen Handlungsverlaufs keinerlei Entwicklung diesbezüglich festzustellen war, gehe ich nicht davon aus, dass sich dies in den Folgebänden noch ändert. Gefallen hat mir jedoch, dass Naomi Novik den Drachen auch Empfindungen wie Unsicherheit und Eifersucht zuschrieb, die ich so bisher eher weniger aus Drachengeschichten kenne.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.08.2012
Kälte
Northrop, Michael

Kälte


sehr gut

Es ist der längste und stärkste Schneesturm, den die USA je gesehen haben. Das kalte Weiß liegt meterhoch und beerdigt unter sich jegliche Zivilisation – kein Strom, keine Heizung, kein Kontakt zur Außenwelt. Unter diesen Bedingungen sitzen auch Scotty, seine beiden besten Freunde, vier weitere Schüler sowie ein Lehrer nach Schulschluss in der örtlichen Highschool fest. Um Hilfe zu holen, begibt sich Lehrer Gossell hinaus in die eisigen Schneewehen – eine hoffnungslose Wanderung, von der er nie zurückkehren soll.
Auf sich allein gestellt sitzen die Jugendlichen tagelang in der Schule fest. Dank der Schulkantine haben sie zwar ausreichend Nahrung, doch Kälte, Dunkelheit, eingefrorene Wasserleitungen und damit schlechte Hygienebedingungen stellen die sieben unterschiedlichen Schüler vor Herausforderungen, die sie nur überwinden können, indem sie zusammenarbeiten und ihre gegenseitigen Vorurteile ablegen. Schon bald werden sie aber vor Gefahren gestellt, denen sie nicht mehr gewachsen sind. Ein Ausweg scheint unter den immer schlechteren Umständen unmöglich.
Michael Northrop hat sich für ein Szenarium entschieden, das die Menschen an ihre Grenzen führt – eine Katastrophe so gewaltig, dass selbst die besten Techniken, Rettungspläne und -mannschaften nicht helfen könntent. Eine dramatische Situation, deren Ausmaße auf alltägliche Selbstverständlichkeiten Northrop glaubhaft darlegt, deren psychische Folgen hingegen jedoch eher unterschätzt wurden. Ein Ereignis, wie es in “Kälte” geschildert wird, bringt Erwartungen an eine starke Dramatik mit sich. Hierfür kommt die Darstellung der Geschichte jedoch zu leicht herüber. Zum einen liegt dies an der doch recht großen Unbeschwertheit der sieben Teenager, zum anderen daran, dass Protagonist Scotty, der die Geschichte erzählt, stellenweise auch humorvoll berichtet. Andererseits lockert der teils schwarze Humor auf und macht das Buch für die jugendliche Zielgruppe zu einem leichteren Leseerlebnis. Gerade für die Behandlung im Unterricht, für die der Loewe Verlag unter [...] auch eine Lehrerhandreichung bereitgestellt hat, kann dies von Vorteil sein.
Erzähler Scotty Weems spricht die Leser in seinem Buch direkt mit “euch” an und berichtet weniger, als würde er zu ihnen schreiben, sondern vielmehr, als säße er seinem Publikum gegenüber und würde zu ihnen sprechen. Die Ausdrucksweise ist locker und jugendlich, aber nie betont cool oder aufgesetzt. Auf Modewörter oder extremen Slang wird verzichtet, selbst geflucht wird nur in Maßen: Krasse Schimpfwörter werden vermieden oder nur angedeutet. Auch das Fallenlassen von Markennamen oder das Betonen von Statussymbolen hat Northrop fast gänzlich vermieden.
Den auf den ersten Blick stereotyp erscheinenden Figuren lässt Michael Northrop genug Facetten zukommen. Er zeichnet Gründe für die Wesensart und Handlungsweisen der Jungen auf und bringt seine Charaktere dazu, hinter die Fassaden der anderen zu blicken.Lediglich die beiden Mädchen Julie und Krista bleiben recht blass. Sie sind die Vorzeigemädchen, ohne große Makel oder Schwächen und ähneln sich zu sehr, was sie untereinander sehr austauschbar macht.
Für die einzelnen Ereignisse und das Kennenlernen der ersten Figuren lässt der Autor seinen Lesern viel Zeit. Das Ende kommt daher sehr abrupt und lässt doch einige Fragen offen.Eine Art abschließender Gesamtüberblick über die Folgen des größten Schneesturms aller Zeiten hätte das Ende mehr abgerundet und das Buch etwas vollendeter scheinen lassen.

Fazit:
In “Kälte” hat Michael Northrop eine ernste Thematik ohne Schwermut aufgearbeitet. Der jugendlichen Zielgruppe wird der Roman mehr als gerecht – sowohl stilistisch als auch inhaltlich, da neben dem verheerenden ökologischen Ereignis auch ganz alltägliche Sorgen und Probleme Jugendlicher angesprochen werden. Michael Northrop gibt den jungen Lesern dabei einen Protagonisten, der sie wie ein Freund direkt und mit sehr authentischer, natürlicher Wortwahl anspricht.

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