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CS
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Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 18.10.2024
Im Namen der Barmherzigkeit
Lind, Hera

Im Namen der Barmherzigkeit


ausgezeichnet

Puh. Wie viel ist ein Mensch im Stande zu ertragen? Bei diesem Buch wusste ich gar nicht so recht, was mich erwartet, auch wenn der Klappentext die Story eigentlich genug anteasert. Da ich aber gerne auch mal Romane lese, die auf wahren Begebenheiten beruhen, war ich hier sehr gespannt. Schon der Einstieg lässt erahnen, welche Abgründe sich hier auftun könnten, aber in keinster Weise war ich darauf vorbereitet, durch welche Hölle Steffi in ihrem Leben gehen wird. Man hat oft das Gefühl, man liest in einer Zeit von vor hundert Jahren, dabei ist das alles noch gar nicht so lange her.

Man kann hier eigentlich gar nicht so viel schreiben, ohne etwas vorwegzunehmen. Hera Lind hat es geschafft, Steffis Leben so authentisch wie möglich darzustellen, die Nachworte von Steffi, Fr. Dr. Winkler und Hera Lind selbst (das fand ich ganz toll, hier am Ende noch die persönlichen Sichtweisen der beteiligten Personen zu lesen) zeigen auf, dass hier offenbar eher noch Abstriche bei den Grausamkeiten gemacht wurden, dennoch ist das Buch stellenweise nur schwer auszuhalten. Als ob es nicht reicht, was Steffi in ihrem Leben generell widerfährt, lassen sie in all der Zeit auch noch so viele Personen im Stich, die eigentlich in der Pflicht gewesen wären, sie aus ihrer Hölle zu befreien.

Das Buch lässt mich schwer erschüttert zurück und macht mir wieder deutlich, wie viel Schicksale uns so oft im Leben verborgen bleiben und in welch privilegierter Umwelt ich groß werden durfte.

Es ist eine Geschichte, die der Welt erzählt werden muss und ein Meisterwerk, diese Geschichte in diesen Roman zu formen, der schlussendlich daraus geworden ist. Danke für dieses durch und durch bewegende und ergreifende Buch.

Bewertung vom 09.10.2024
Die Unmöglichkeit des Lebens
Haig, Matt

Die Unmöglichkeit des Lebens


gut

Die Umöglichkeit...des Lebens? Oder der Geschichte? Oder La Presencias?

Dieses Buch lässt mich unglaublich zwiegespalten zurück. Ich habe zu ihm gegriffen, da ich "Die Mitternachtsbibliothek" von Matt Haig geliebt habe, ein Buch mit durchaus "unwirklichen Bestandteilen", aber der Schreibstil war einfach so zauberhaft und auch die Geschichte selbst hatte ihren Reiz, so dass ich durchaus bereit war, mich wieder auf diesen Autor einzulassen und auch ein Genre in Kauf zu nehmen, in dem ich eigentlich nicht Zuhause bin, das Übersinnliche, sciencefiction-hafte.

Alles beginnt damit, dass Grace, eine ü70-jährige Britin, einen Brief ihres ehemaligen Schülers Maurice erhält und dies zum Anlass nimmt, ihm zu antworten, in dem sie ihm ihre Geschichte erzählt. Von Maurice hört man an dieser Stelle dann auch zum letzten Mal in diesem Buch, seine Geschichte wird keine Rolle spielen.

Die Kerngeschichte des Buchs muss ich nicht weiter wiedergeben, steht diese doch im Klappentext. Was nur sehr kryptisch im Klappentext steht ist, dass Grace auf der Suche nach ihrer Freundin Christina in Kontakt mit La Presencia kommt, ein seltsames Licht unter dem Meeresspiegel, welches Auserwählten übernatürliche Kräfte verleiht.
Und darum dreht sich eigentlich das gesamte Buch. Leider auch oftmals so detailliert, dass es mich nach manch ausführlicher Beschreibung der gelesenen Gedanken von für die Geschichte unwichtigen Leuten auf der Straße anfing zu stören, dass sich hier wirklich sehr viel um die telepathischen Fähigkeiten von Grace geht.

Ich muss zur Verteidigung des Buchs sagen, dass der Schreibstil jederzeit wunderbar flüssig war und es mich trotz des teilweise etwas skurrilen Inhalts nie davon abhielt weiterlesen zu wollen, das zeichnet Matt Haig wohl irgendwie aus. Leider hat mich die Geschichte an sich dann aber nicht abgeholt, zu viel Fragen blieben am Ende. Zum Beispiel warum auch Menschen, die nichts Gutes im Sinn haben, von La Presencia auserwählt wurden und wie es denn entschieden wird, welche telepathischen Fähigkeiten jetzt mehr wiegen (z. B. Art gg. Grace).

Dabei ist der Kern der Story wirklich schön, die traurige Grace stellt sich ihrer Vergangenheit und findet auf Ibiza wieder neuen Lebensmut und -sinn, die Menschen auf Ibiza stellen sich gegen gierige Geschäftsleute, die nur aus finanziellen Gründen geschützte Sphären dieser Insel gefährden, Gut gewinnt gegen Böse und dass es immer gut ist, die Welt auch mal mit anderen Augen zu betrachten und mit den neuen Perspektiven auch für sich selbst wieder einen Weg zu finden.

Ich war selten so zwiegespalten, was eine Bewertung eines Buchs angeht. Schreibstil und Quintessenz sind für mich eigentlich fünf Sterne, die Story selbst eher 1-2 - bleiben in der Mitte drei Sterne :)

Wenn man sich auf Übersinnliches einlassen kann, kann man hier sicher mindestens einen Stern mehr geben, mir fiel das leider sehr schwer, vielleicht war meine Erwartung an Grace Geschichte auf Ibiza auch eine andere.

Bewertung vom 27.09.2024
Die Frauen von Maine
Sullivan, J. Courtney

Die Frauen von Maine


gut

"Hmm" war so das, was mir beim Zuklappen des Buchs nach der letzten Seite entfleucht ist. "Hmm" weil ich bei diesem Buch gar nicht so richtig weiß, wie ich es bewerten soll.
Eigentlich ist die Grundidee schön, ein altes Haus mit Geschichte auf einem Felsen am Meer, in Jugendtagen leerstehend inspiziert trifft man als Erwachsene wieder auf das Haus und fängt an, seine Geschichte und die der Bewohnerinnen zu erforschen. Doch irgendwie sprang der Funke nicht so richtig über.

Da sind Jane und Allison als beste Freundinnen, Jane wiederholt in ihrem Leben mehr oder wenig unwissentlich mit ihrem Alkoholismus die Geschichte ihrer Mutter, Allison hingegen führt zumindest augenscheinlich das perfekte Leben als Mutter und Pensionsbesitzerin. Genevieve als neue Besitzerin des Hauses am Meer hingegen spielt in einer ganz anderen Liga und scheint als Frau des reichen Unternehmers eher bald zwanghaft Freundschaften schließen zu wollen, was ihr mit ihrer Art aber eher so gar nicht gelingen will. Und sie beauftragt Jane, mehr über die Geschichte des Hauses herauszufinden, nach dem ihr Sohn Benjamin in seinem Zimmer einem Geist in Form eines kleines Mädchen begegnet ist.
Und dann taucht man eigentlich ein in die Geschichte der indigenen Bevölkerung, die ehemaligen Bewohner des Hauses und auch wenn eigentlich alles miteinander verflochten ist, kam bei mir doch keine richtige Verbundenheit zwischen den Personen auf.

Zwischendurch gab es immer wieder Passagen, die ich am Stück lesen musste, weil es so interessant war, wie z. B. den Teil um den Seefahrer Littleton, Hannah und Eliza oder die Geschichte um Marilyn und Daisy. Dann wiederum folgten ewig lange Abschnitte, die sich leider sehr hinzogen. Und man möchte Jane eigentlich ständig schütteln, damit sie ihre Lage erkennt und endlich in's Handeln kommt.

Und am Ende ein "hmm" zum Fazit des Buchs, das schon schlüssig war, aber eben ja, ein "hmm". Dennoch sicher alles Geschmackssache und deshalb noch lange kein schlechtes Buch, nur bisschen viel lange Passagen und für meinen Geschmack zu viel Geister.

Bewertung vom 04.07.2024
Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
Westerbeke, Douglas

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel


gut

Aubry Tourvel - die Frau, die nicht bleiben kann. Eigentlich ein verlockender Gedanke, das ganze Leben mit einer Weltreise verbringen zu dürfen. Aber wenn es ein Muss ist? Da scheint es den Reiz das ein oder andere Mal doch zu verlieren. Aubry ereilt mit neun Jahren eine mysteriöse Krankheit, die sie dazu zwingt, jeden Ort im Leben nur einmal besuchen zu können, nach wenigen Tagen kommt die Krankheit wieder und sie muss weiterreisen, um zu überleben. Sie lässt ihr Zuhause somit hinter sich und zieht durch die Welt, einzig geheimnisvolle Bibliotheken geben ihr die Gelegenheit zu Ruh und Rast, ohne, dass sie die Symptome der Krankheit heimsuchen.

Der Klappentext und die Leseprobe haben mich ganz sehr an ein anderes Buch erinnert, nämlich "Das unsichtbare Leben der Addie LaRue" - ein ganz bezauberndes Roman, so dass meine Erwartungen hier zugegeben sehr hoch waren und zu Beginn des Buchs auch erfüllt schienen. Leider entwickelt sich das Buch dann doch sehr zäh, manche Orte werden ewig lang beschrieben, manche Begegnungen so detailreich, andere wiederum viel zu oberflächlich. Das Buch lebt von vielen Zeitsprüngen, durch welche ich hier und da nicht mehr richtig folgen konnte. Bedingt durch die erzwungene Rastlosigkeit werden aus selbst tiefgründigeren Begegnungen dann keine tiefgründigen Beziehungen, so dass man eigentlich ein wenig durch Aubrys Leben hastet. Sie kommt eben nie an, wie soll der Leser oder die Leserin das dann schaffen. Einzig mit Marta scheint es mal eine Episode zu sein, die sich über einige Jahre zieht. Die Journalistin Marta ist von Aubrys Leben so fasziniert, dass sie sich ihr anschließt. Weitere Begegungen wie Uzair, der Prinz Surasiva oder Lionel Kyengi enden dann doch immer wieder so schnell, wie sie begonnen haben.

Da mir die Idee der Geschichte allerdings weiterhin gut gefallen hat, war ich dann natürlich auch auf die Auflösung gespannt. Doch diese ließ mich dann doch eher verwirrt zurück. Vielleicht muss man Fantasy mehr lieben, als ich es tue, um mit dem Buch richtig warm zu werden, es war in Summe doch märchenhafter und fantastischer, als ich es erwartet habe, vielleicht liegt da auch der Grund, dass ich mich in diesem Buch nicht so richtig wiederfinden konnte.

Die Sprache, die geschriebenen Bilder und die Grundidee der Geschichte sind für mich in Summe dann aber zumindest die drei Sterne wert.

Bewertung vom 26.06.2024
In den Farben des Dunkels
Whitaker, Chris

In den Farben des Dunkels


sehr gut

"In den Farben des Dunkels" - ein tiefgründiger Roman darüber, was wie der sinnbildliche Flügelschlag eines Schmetterlings, in diesem Fall ein einzelner Tag ganze Leben verändert, ein Roman über Liebe und Freundschaft, über Abweisung und Trauer.

Als der dreizehnjährige Patch zufällig dazu kommt, wie die gleichaltrige Misty von einem Mann im Wald bedroht wird, geht er dazwischen und rettet sie damit, wird vom Täter aber daraufhin entführt und taucht erst einmal nicht mehr auf. Seine beste Freundin Saint will die Hoffnung nicht aufgeben und setzt alles daran, Patch zu finden und alle davon zu überzeugen, dass er noch lebt und sich die Suche lohnt. Als er nach fast einem Jahr dank ihrer Hilfe gefunden wird, soll alles wieder so sein, wie vorher. Doch das wird nicht passieren. Patch überlebte die Zeit in Gefangenschaft seiner Meinung nach nur durch Grace, einem Mädchen, das er nur gehört und gefühlt, nicht aber gesehen hat. Sein ganzes Leben wird sich von da ab daraufhin ausrichten, Grace zu finden, von der irgendwann alle denken, sie existiert nur in seiner Fantasie. Der Titel des Romans erschließt sich damit sehr schnell, denn er schafft es, ein Bild von ihr zu zeichnen.

Saint hingegeben wünscht sich nichts mehr, als ihren alten Patch zurück. Sie klammert sich an die Hoffnung, sollte nur Grace gefunden werden, wird alles wieder gut. Sie vergisst darüber jedoch sich selbst, so dass mir Saints Leben an vielen Stellen fast körperlichen Schmerz verursacht und ich mich frage, wie sehr man sich selbst eigentlich für eine Sache aufgeben kann und sollte.

So begleitet das Buch die beiden durch ihr Leben und durch eine Reise quer über die ganze USA, eine Geschichte voller schicksalhafter Begegnungen, vermisster Mädchen, mit guten und schlechten Menschen. Nicht nur einmal dachte ich beim Lesen "Was soll jetzt noch kommen?", doch dann kam der nächste Plot Twist und man will wissen, wie es damit weiter geht. Zwischenzeitlich waren manche Gedankensprünge zwischen den Handlungen etwas zu sprunghaft für mich und ich brauchte immer mal kurz, um den roten Faden wieder zu finden. Das scheint aber Whitakers Handschrift zu sein, trifft aber nicht zu 100% meinen Geschmack.

Dennoch ein grandioser Roman, der es am Ende schafft, alle losen Enden zu einem Ende zusammenzuführen, das dem Ganzen würdig ist.

Bewertung vom 13.06.2024
Wir waren nur Mädchen
Jackson, Buzzy

Wir waren nur Mädchen


ausgezeichnet

Würde ich das Gleiche tun? Diese Frage habe ich mir während des Lesens gestellt. Hannie Schaft, eine starke Frau, wie sie kein Roman erfinden kann. Widerstandskämpferin im zweiten Weltkrieg und Mitglied im niederländischen RVV, dem Raad van Verzet.

Was für ein bewegendes Buch, Buzzy Jackson hat es geschafft, Realität und Fiktion soweit zu vereinen, um aus dieser Biographie einen ergreifenden Roman zu gestalten, der sich zu keinem Zeitpunkt wie ein Roman anfühlt. Die Geschichte von Hannie Schaft nimmt einen mit und auch wenn manch Handlungen von ihr unmenschlich erscheinen mögen, so fragt man sich doch, wie soll man in dieser Zeit der Unmenschlichkeit überhaupt noch menschlich handeln. Was rechtfertigt diese Art Widerstand, wie wiegt man Menschenleben gegeneinander auf und die Frage, die ich mir wie eingangs erwähnt sehr oft gestellt habe: wie würde ich handeln?

Hier möchte ich ein Zitat von Philine einfügen, was mich sehr nachdenklich gemacht hat:

"Vor dem Krieg war ich nicht politisch, weil es auch mein Vater nicht war. Nach dem Krieg jedoch begriff ich, dass ich es mir nicht leisten kann, nicht politisch zu sein, weil es die Politik war, die uns getötet hat."

Buzzy Jackson gibt dem Widerstand ein Gesicht und das kann man nicht oft genug tun. Hannie Schaft steht stellvertretend für all die mutigen Frauen und Männer, die alles riskiert haben, um diesem System Einhalt zu gebieten.

Am Ende wird die Geschichte von den wichtigsten Beteiligten in einem gesonderten Kapital noch fertig erzählt, was ich persönlich sehr wunderbar fand, weil man natürlich wissen wollte, wie es all den anderen ergangen ist. Man sollte dieses Buch also unbedingt auch über das Ende hinaus bis zum Nachwort lesen.

Bewertung vom 02.06.2024
Der Totenarzt / Detective Robert Hunter Bd.13
Carter, Chris

Der Totenarzt / Detective Robert Hunter Bd.13


sehr gut

Chris Carter ist ja ein Garant für Spannung, bei wenig Autoren fiebere ich einem neuen Titel so entgegen, wie bei ihm.

"Der Totenarzt" ist der 13. Teil der Reihe "Robert Hunter & Carlos Garcia", einem unschlagbaren Ermittlerteam der UV-Einheit des LAPD, hier landen nur die wirklich üblen Fälle.

Während einer Autopsie entdeckt die Gerichtsmedizinerin Dr. Hove, dass die vor ihr liegende Leiche, eigentlich Opfer eines Verkehrsunfalls, sozusagen vor ihrem Tod gestorben sein muss. Und zwar durch grausame Folter. Doch wer tut sowas und warum? Ein klarer Fall für Hunter & Garcia, und spätestens, als eine zweite Leiche auftaucht, auf die der "Tod vor dem Tod" ebenfalls zutrifft, ist klar, hier muss ein Serientäter am Werk sein und die Frage stellt sich, wie lang dieser schon agiert.

Auch der 13. Teil liest sich wieder wie gewohnt flüssig, die typisch Carter-mäßigen Cliffhanger am Ende der Kapitel zwingen einen förmlich, doch noch einmal umzublättern und ein weiteres Kapitel zu verschlingen. Dieser Schreibstil ist wirklich einmalig und so sind seine Bücher immer viel zu schnell vorbei.

Die Story war diesmal anders...weniger umfangreich, weniger grausam, weniger blutig, dafür umso tiefer. Das Motiv des Täters lässt einen mit Gänsehaut zurück, empfindet man vielleicht sogar Mitleid und Verständnis? Dafür kommen mir die Ermittlungen und die Jagd auf den Täter in dieser Geschichte etwas zu kurz, am Ende dachte ich mir "Das war jetzt irgendwie alles zu einfach und zu glatt.", was die Spannungskurve etwas flacher verlaufen lässt. Nichtsdestotrotz wieder ein starkes Buch und bereits jetzt steigt die Vorfreude auf den hoffentlich 14. Teil.

Bewertung vom 22.05.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


sehr gut

Drei Personen, die unterschiedlicher nicht sein können, treffen auf einem alten Bauernhof aufeinander und stellen sich mit gegenseitiger Unterstützung Ihren Dämonen der Vergangenheit.

Romy Fölck ist ja für mich immer ein Garant für sehr viel Lesefreude, liebe ich doch ihre Elbmarsch-Krimireihe und auch ihr Romandebüt "Die Rückkehr der Kraniche" lies mich in ihrer Literatur versinken. So war die Vorfreude auch auf diesen Roman sehr groß.

Benno lebt einsam und zurück gezogen auf seinem alten Bauernhof und kümmert sich um den Lebensabend von Tieren, die niemand mehr haben mag. Seine Vergangenheit machte ihn zu einem verbitterten Mann, der sich selbst und auch den Hof aufgegeben hat, Mahnungen und Androhungen zur Vollstreckung werden gar nicht mehr geöffnet, was man nicht sieht, ist schließlich nicht da.

Thea, eine Aussteigerin aus Portugal, wohin sie Ende zwanzig nach einer schmerzhaften Trennung geflüchtet ist, verspürt über 20 Jahre später Heimweh und stößt auf das Mietangebot einer kleinen Wohnung auf Bennos Hof. Sie nimmt allen Mut zusammen und gibt ihrem Heimweh nach, weil sie merkt: vor den Schmerzen der Vergangenheit kann man auch nach Jahrzehnten nicht weglaufen. Mit ihren zwei Ziegen im Gepäck macht sie sich auf zurück nach Deutschland.

Juli, ein junges Mädchen auf Wanderschaft, ist auf der Suche nach sich selbst, oder auch der Nähe zu ihrem verstorbenen Großvater oder auch auf der Flucht vor ihrer Mutter...vielleicht auch von jedem ein bisschen. Ein Unfall auf ihrer Wanderung nach Amsterdam verschlägt sie zwangsweise auf Bennos Hof, kommt sie mit ihrem verletzten Fuß doch keinen Meter weiter mehr voran.

Diese drei unterschiedlichen Charaktere haben anfangs so ihre Schwierigkeiten zueinander zu finden, hat doch jeder andere Vorstellungen vom Zusammenleben und von der Art, wie der Hof denn gestaltet sein sollte. Nach dem Bennos finanzielle Probleme zu Tage treten, schmieden die beiden Frauen einen Plan, wie man Benno aus dieser Misere helfen könnte. Doch will der das überhaupt?

Das Buch liest sich wie alles von Romy Fölck super flüssig und kurzweilig, leider trifft das Wort "kurz" in diesem Roman etwas mehr zu, so dass mir die ganze Geschichte eigentlich zu schnell ging. Der Moment von Theas Ankunft zu einem engen Verhältnis aller Beteiligten und den Lösungen aller Probleme vergeht doch etwas sehr wenig Zeit und ich hätte die Geschichte gern ein wenig länger und tiefer gelesen, als sie in dem Buch schlussendlich zu Tage tritt.

Nichtsdestotrotz wieder ein gelungenes Buch dieser Autorin, ich freue mich weiter hin auf Nachschub!

Bewertung vom 08.04.2024
Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt
Heiland, Julie

Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt


ausgezeichnet

Dresden 1945 - kaum vorstellbar, was in dieser Nacht vom 13. auf den 14. Februar in unserer Landeshauptstadt stattgefunden hat. Wir alle kennen aber noch die Ruine der Frauenkirche und können nun mittlerweile immer wieder bewundern, was aus daraus nach jahrelanger, herausragender Arbeit geworden ist.
Als gebürtige Sächsin fühle ich mich Dresden sehr verbunden und so war dieser Roman für mich quasi ein Muss und es hat sich geloht. Ich mag es, wenn man die Orte in dem Buch selbst kennt und vor seinen Augen hat.

Drei Generationen, drei Frauen, ein transgenerationales Trauma. Die Perspektive von Lotte nimmt im Buch den größten Raum ein, in Ergänzung zur Geschichte ihrer Enkelin Hannah Anfang der 90er. Lottes Tochter Marlene ist eigentlich das Bindeglied zwischen den beiden, deren Geschichte kommt aber erst am Ende des Buches so wirklich an das Tageslicht, was aber sehr stimmig ist.

Nach der Bombennacht in Dresden 1945 beginnt für Lotte ein neues Leben, aber die Strapazen des Krieges sind noch lange nicht vorbei, im Gegenteil, die Zeit danach ist voller Hunger, Kälte und vor allem Trümmern, die die Bevölkerung noch jahrelang beschäftigen werden. Zeiten des Verzichts, in denen die Sehnsucht nach dem Leben manchmal fast übermächtig wird, nichts wünschen sich die Trümmerfrauen mehr, als ein wenig Normalität. Als Lotte Jakob kennenlernt, in dem sie in an einer Brücke vom Suizid abhält, nimmt sie ihn mit nach Hause und es folgt eine lange Zeit des Kennenlernens und des Schweigens, gibt es doch im Leben des Juden so viel, worüber er nicht sprechen kann und mag. Auch Lotte kämpft noch mit ihrer verlorenen Liebe Leo, ebenfalls ein Jude, und sie hat sich vorgenommen, diesmal alles besser zu machen.
Auf der anderen Seite stehen in dieser Zeit aber auch Menschen wie Achim, die ihre Nase immer wieder in den entsprechenden Wind des jeweiligen Regimes gehalten haben, und so heil durch alle Diktaturen gekommen sind.

Und dann ist da noch Hannah, sie arbeitet nach ihrem Architekturstudium im Jahr 1993 auf der Baustelle der Dresdner Frauenkirche und ist an der Umsetzung des Wiederaufbaus beteiligt. Ihre Mutter Marlene ist vielbeschäftigte Bürgermeisterkandidatin, ohne viel über ihre eigenes Leben preiszugeben, Kontakt zu Hannahs Oma Lotte gibt es nicht und sie hat bis dato auch nie erfahren, warum. Dann findet sie bei den Aufbauarbeiten ein Foto aus einer Sammlung und es verschlägt ihr fast die Sprache, sieht dieses Bild der Trümmerfrau ihr und ihrer Mutter doch wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Wer ist diese Frau? Und was verbindet sie miteinander?

Die beiden abwechselnden Erzählungen aus der Nachkriegszeit der Trümmerfrauen und dem Wiederaufbau der Frauenkirche in den 90ern ergänzen sich wunderbar, die Geschichte baut sich Stück für Stück zu einem großen Ganzen auf und man will einfach immer wissen, wie es weiter geht und wie die Geschichten am Ende zusammenführen.

Es ist ein wahnsinnig berührendes Buch, das auf den ersten Blick wie ein kitschiger Liebesroman erscheinen mag, jedoch so viel Tiefe, so viel Ehrlichkeit hat und aufzeigt, welche Pakete die Nachkriegsgenerationen und auch noch deren Nachfahren mit sich herum tragen müssen und wie wichtig es eigentlich ist, diese ehrlich aufzuarbeiten, um diese Traumata zu besiegen. Das Buch ist viel zu bewegend und geschichtlich viel zu tiefgründig und interessant, um kitschig zu sein. Ein Roman mit Nachwirkung, den man gelesen haben muss.

Bewertung vom 20.03.2024
Die Burg
Poznanski, Ursula

Die Burg


weniger gut

Der Escape Room in der historischen Burg Greifenau soll nichts weniger sein als ein Meisterwerk der künstlichen Intelligenz und der immersiven Simulationstechnologie. Unter der Leitung des Milliardärs Nevio wurde die Burg zu einem wahrhaftigen Labyrinth umgestaltet, das die Sinne der Teilnehmer auf ungeahnte Weise herausfordert. Die Gerüche sind authentisch, die Optik täuschend echt und sogar das Fühlen lässt die Grenzen zwischen Realität und Simulation verschwimmen. Man könnte fast meinen, man sei wirklich in einer mittelalterlichen Burg gefangen.

Nun soll ein Testlauf stattfinden, eine bunte Mischung an Charakteren. Da ist der Escape-Room-Besitzer Maxim, der Geschichtsprofessor Lothar, die Influencerin Isabell, Petra, die das Ticket gewonnen hat und Emil, ehemaliger Schwimmer und heute eher ein Z-Promi. Dazu das Team rund um Nevio selbst inkl. IT-Experten und Spielleiterin.

Doch bald wird klar, dass "KIsmeth", wie die KI genannt wird, seine eigenen Regeln entwickelt hat und das Verlassen der Burg bei Weitem nicht in den ursprünglichen vier Stunden vorgesehen ist. Die Aussagen und Wünsche der Teilnehmer werden mehr als wörtlich genommen, das Safe Word ignoriert und KIsmeth scheint jedes noch so schmutzige Detail aus deren Vergangenheit zu kennen. Was eigentlich ein spannender Plot sein sollte, entpuppte sich leider als ziemlich zähe und langatmige Story ohne Tiefe. Wie sonst in solchen Geschichten üblich, spielen die Charaktere leider kaum eine Rolle und geben überhaupt keine zwischenmenschlichen Interaktionen preis, erst gegen Ende kommt ein wenig sowas wie Fahrt auf und der ein oder andere zeigt Ansätze seines wahren Gesichts.

Die immer wieder ähnlichen Abfolgen in jedem neuen Raum ziehen das Buch leider arg in die Länge, immer wieder die detailgetreue Beschreibung der eigentlich immer gleichen Situationen lässt einen eigentlich nur auf eine Aufklärung warten. Ich mag Escape Rooms wirklich, aber hier mit zu rätseln war bei all den dem Leser eher unbekannten Insidern quasi unmöglich, erst gegen Ende erfährt man, warum das jetzt alles überhaupt so passiert, wie es passiert.

Die Auflösung entlockte mir dann leider auch nur noch ein "Aha.", es blieben für mich zu viele Fragen offen, die Charaktere waren farblos und die Möglichkeiten der Grundidee wurden bei Weitem nicht ausgeschöpft. Schade, da habe ich von Ursula Poznanski schon viel besseres gelesen.

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