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asc259
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OELSNITZ/ERZGEBIRGE

Bewertungen

Insgesamt 44 Bewertungen
Bewertung vom 03.06.2025
Sputnik
Berkel, Christian

Sputnik


gut

Gleich vorab: Die beiden Romane „Der Apfelbaum“ und „Ada“ finde ich besser. Von diesem Buch habe ich mir mehr versprochen.
Der Bogen von der unbewussten Geburt zur „nochmaligen Geburt“ bei den Theaterproben ist aber meiner Meinung nach gut gelungen. Vieles dazwischen, das pubertierende Empfinden des Heranwachsenden (als Mädchen aufgewachsen kann man das wohl nicht nachvollziehen), die Drogenexzesse, haben dafür gesorgt, diesem Buch Punkte abzuziehen.
Die Aufarbeitung der Nazivergangenheit bei der westdeutschen Jugend fand ich getroffen. In der DDR aufgewachsen ist man damit vollkommen anders umgegangen. Doch auch hier wurde das Thema totgeschwiegen. Die manchmal doch recht naiven Dialoge im Freundeskreis von Sputniks Eltern waren ebenfalls recht aufschlussreich.
Ein interessanter Einblick in das Paris zu Beginn der Siebziger ist bei mir gut angekommen.

Bewertung vom 15.05.2025
Perlen
Hughes, Siân

Perlen


sehr gut

Was macht es mit einem Kind, dessen Mutter so einfach an einem Nachmittag verschwindet, ohne ein Abschiedswort, ohne etwas mitzunehmen? Mariannes ganzes Leben ist davon geprägt. Immer stand das Warum im Raum, auch als sie selbst eine Tochter hat. Immer wieder erinnert sich Marianne an die schöne gemeinsame Zeit, an die Geschichten der Mutter, an die Lieder und wie sie zärtlich mit ihrem neugeborenen Brüderchen umging. War sie psychisch krank?
Die Protagonistin beschreibt das Chaos, dass geblieben ist, wie ihr Vater mit der Situation umzugehen versuchte. Marianne igelt sich ein, hat keine Freunde, schwänzt die Schule, benimmt sich auffällig. Ihr Vater lässt sie ihren eigenen Gedanken nachhängen, versucht niemals, Druck auf sie auszuüben. Man vermutet, Marianne sei erblich belastet, als sie nach der Geburt ihrer Tochter Auffälligkeiten zeigt.
Am Anfang werden mir all die Erinnerungsfetzen zu viel, doch dann fesselt mich das Buch, die Handlung nimmt Fahrt auf. Mit ihrer Tochter kehrt sie einmal im Jahr in ihr Dorf zurück, um an einer Gedenkfeier teilzunehmen, einer Art Kirmes. Und ohne zu spoilern, es gibt eine Antwort und als Marianne und ihr Vater diese erkennen, gelingt das Loslassen.

Bewertung vom 04.05.2025
Die geheime Sehnsucht der Bücher
George, Nina

Die geheime Sehnsucht der Bücher


ausgezeichnet

Jean Perdu ist ein alter Bekannter aus dem Lavendelzimmer. Dies ist das dritte Buch dieser Reihe. Über Jean ist schon so ziemlich alles erzählt. In diesem Buch sind seine Auszubildende Pauline und Françoise ein zwölfjähriges Mädchen die Protagonistinnen. Françoise liest alles, was sie in die Finger bekommt, und meistert ihren Alltag, beschützt ihre „verrückte“ Mutter. Doch ist diese tatsächlich verrückt? Sie wird von der Tochter auf das Bücherschiff geschickt und Françoise lernt dort die Besatzung der »Pharmacie Littéraire« kennen. Die Gedankengänge des Mädchens sind gespickt mit Metaphern, die Dialoge sind köstlich.
Pauline ist mit ihrer Vespa unterwegs und versorgt eine Auswahl von Klienten mit Büchern, von denen wir im Laufe des Buches auch so manches erfahren.
Dann steht sie zwischen zwei Männern und keiner der beiden versucht sie auf seine Seite zu ziehen. Sie ist aufrichtig ihnen gegenüber und hat dann keinen von den beiden.
Die Übersetzerin hat in der Story manche französischen Redewendungen gelassen, wohl weil diese im Original den Sinn besser treffen als übersetzt. Allerdings gibt es trotzdem eine sinngemäße Übersetzung für welche für mich, die keine Ahnung von der französischen Sprache haben.
Am Ende gibt es noch ein filmreifes Finale.

Bewertung vom 16.04.2025
Das Haus der Türen
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


ausgezeichnet

Von asc259

Lesley führt ein privilegiertes Leben in Malaysia. Ihr Mann ist ein erfolgreicher Anwalt, sie hat zwei nette Kinder, die von dem Kindermädchen betreut werden, das einst auch sie aufzog. Eine Anzahl einheimischer Bediensteter macht der Familie das Leben angenehm. Doch so richtig zufrieden kann Lesley trotzdem nicht sein. Da ist zum Beispiel die Ungleichheit der Frauen. Sie diskutiert kontrovers mit ihrem Mann und den gemeinsamen Gästen darüber, findet jedoch kaum Gehör.
Der Roman informiert uns nicht nur über das Leben der Briten in Malaysia zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unter der perfekten Oberfläche brodeln die Geheimnisse. Ebenfalls über die für mich unbekannte Geschichte Chinas zu jener Zeit habe ich viel lesen können.
Lesley begehrt nicht wirklich auf, nimmt sich einige Freiheiten, doch letztendlich muss sie sich ihrem Schicksal fügen und ihren Mann nach Südafrika folgen, obwohl sie ihre Insel liebt.
Der Roman zieht einen durch die Handlung, man mag ihn gar nicht zur Seite legen. Nicht nur das Gesellschaftsbild hat mich gefesselt, auch die Einblicke in die Natur kommen sehr ausführlich zur Geltung.

Bewertung vom 31.03.2025
Ein Raum zum Schreiben
Valla, Kristin

Ein Raum zum Schreiben


ausgezeichnet

Eine Schriftstellerin braucht ihren eigenen Platz zum Schreiben. Diese Erkenntnis hat auch die Autorin, begibt sich auf die Suche nach einem solchen und findet diesen in einem kleinen reparaturbedürftigen Haus in Südfrankreich. Wir erfahren von den Schwierigkeiten, ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen, die sie fast zum Aufgeben zwingen. Dabei lässt sie uns an ihren Recherchen teilhaben zu erfolgreichen Schriftstellerinnen der Weltliteratur, die gleichzeitig zu ihren eigenen Innenarchitektinnen geworden sind. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, die zum Teil von ihren Frauen die Rücken freigehalten bekamen (beispielsweise Thomas Mann) haben diese sich ihren Platz allein geschaffen neben Ehemann, Kinderbetreuung und Widrigkeiten der Behörden. Unsere Autorin lebt heute, hat einen Mann, der sich um die familiären Belange kümmert und somit IHR den Rücken freihält. Eine gelungene Geschichte, die die Herausforderungen der Gegenwart mit denen mir mehr oder weniger bekannter Autorinnen verknüpft.

Bewertung vom 06.03.2025
Vor hundert Sommern
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


ausgezeichnet

1924 und 2024, das sind die Jahre in denen die Geschichten starten. Im Jahr 2024 beginnen Anja und ihre Tochter Lena damit, die Wohnung der Mutter bzw. Großmutter aufzulösen. Dabei stoßen sie auf Sachen aus dem Jahr 1924. Elisabeth, Anjas 94-jährige Mutter und Lenas Großmutter wird davon an eine Zeit erinnert, die sie aus den Erzählungen ihrer Tante erfahren hat. Rückblicke auf die Wohn- und Arbeitsverhältnisse 1924 wechseln sich ab mit hochbrisanten aktuellen Ereignissen. Man findet Parallelen von damals, als die NSDAP erstarkt, dem Judenhass von damals bis heute. Nach und nach gibt Elisabeth lange gehütete Familiengeheimnisse preis. Auf der anderen Seite stehen die brandaktuellen Geschehnissen, die Konfrontation seit dem 7. Oktober 2023, dem Krieg im Nahen Osten, der auch an deutschen Unis seine Spuren hinterlässt.

Bewertung vom 15.02.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


ausgezeichnet

Der Klappentext suggeriert, dass es sich um den Bau des Panamakanals handeln könne. Doch im Vordergrund hier stehen die Menschen zu Anfang des 20. Jahrhunderts, nicht nur am Panamakanal, die Menschen mit ihren Biografien und Schwächen. Und es wird uns ein Bild von diesem Land vermittelt, seiner üppigen Vegetation und seinem ungesunden Klima, sowie einem Abriss seiner Geschichte. Die Menschen agieren jeder für sich, manche treffen sich und gehen dann wieder ihrer Wege. Es geht auch um Krankheiten, genauer gesagt um Lungenentzündung und Malaria und die Behandlungsmethoden. Es gab kaum Erfahrungsaustausch der einzelnen Ärzte, jeder behandelte nach Gutdünken. Gut habe ich gefunden, dass bei vielen der handelnden Personen in die Zukunft geblickt wurde, der weitere Werdegang. Ein beeindruckendes Werk, das uns Ort, Zeit und Charaktere plastisch vor Augen geführt hat.

Bewertung vom 11.01.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


ausgezeichnet

Es beginnt zunächst langweilig. Zwei Bücher zwei unabhängige Geschichten. Da ist Escher, der Trauerredner, der auf den Elektriker wartet und in der Wartezeit ein Buch liest über einen Kronzeugen in einem italienischen Gefängnis, der auf sein Zeugenschutzprogramm wartet. Er hat einen deutschen Verbrecher mit auf die Zelle bekommen, der ihm Deutsch beibringen soll. Dafür hat dieser ihm ein Buch gegeben, das von diesem umständlichen Escher handelt, der auf den Elektriker wartet. Doch dann nimmt die Geschichte Fahrt auf, als der Elektriker tot umfällt und Escher nimmt an, er habe aus Versehen die Sicherung eingerastet. Aus dem Italiener wird Marko Steiner, der sich zunächst in die Schweiz absetzt, später nach Deutschland geht und dort mehrfach umzieht. Immer wieder lesen die beiden in ihren Büchern und es wird langsam interessant, Escher will für die Witwe eine Trauerrede halten, Steiner heiratet bekommt eine Tochter und zieht nach Österreich. Und schon kann man das Buch nicht aus der Hand legen. Mehr als „einfach genial“ kann man nicht dazu sagen, ohne zu spoilern. Ein grandioser Aufbau eines Buches. Mitten im Absatz beginnt die jeweils andere Handlung, in dem Augenblick, als sich der Protagonist zum Lesen entschließt, setzt die andere Handlung ein.

Bewertung vom 03.12.2024
Der König
Nesbø, Jo

Der König


ausgezeichnet

Man sollte zunächst „Ihr Königreich“ gelesen haben, bevor man sich auf diesen Roman einlässt. Doch auch ohne den ersten Teil zu kennen, kann man gut reinkommen in die Handlung, weil wesentliche Querverbindungen zum ersten Buch nochmal angeschnitten und erläutert wurden. Dies Querverbindungen sind jedoch nicht annähernd so effizient, wie im ersten Band erzählt.
Gleich zu Beginn dieses Buches bekennt Roy, ein Mörder zu sein. Wie gelingt es Nesbø nur, dass dem Leser dieser Mörder sympathisch wird? Dass die Morde irgendwie nachvollziehbar sind?
Roy plaudert mit dem Leser, gibt ihm seine Gedankengänge preis, die kein Mensch im Dorf nachvoll-ziehen kann. Die Beziehung zwischen den Brüdern kippt, sie agieren gegen Ende gegeneinander. Roys Gedankengänge sind anfangs noch nachvollziehbar werden jedoch mit der Zeit immer grotesker. Norwegisches Noir vom Feinsten und man kann sich an vielen Stellen eines Schmunzelns nicht erwehren. Einen Nesbø kann man nur mit 5 Sternen bewerten.

Bewertung vom 26.10.2024
Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


ausgezeichnet

Regina ist eine Frau, die so ziemlich jeden bewertet und das nicht zum Besten. Sie macht sich zum Mittelpunkt in allen Gesprächen, kehrt heraus, was sie alles geleistet hat. Allein Tochter Wanda entspricht den Anforderungen der Mutter, sie ist ehrgeizig genug, diesen zu genügen. Mit einer Selbstdisziplin erreicht sie alles, was sie sich vorgenommen hat. Nur mit den Männern läuft es bei ihr nicht immer gut.
An Antonia dagegen hat sie ständig etwas auszusetzen, doch der ist klar, dass sie ihre Mutter niemals zufriedenstellen wird und versucht das auch gar nicht erst. Oft fallen viele bittere Worte. Als Antonias Tochter Celina zur Welt kommt, kann Regina nicht verstehen, warum sie nicht abgetrieben hat, Schließlich ist der Vater des Kindes verheiratet und nicht bereit, sich von seiner Familie zu trennen. Am Ende ist es jedoch genau dieses Enkelkind, dass die Großmutter bedingungslos liebt und das mit ihren naiven Fragen und gesunden Menschenverstand die Großmutter nimmt, wie sie ist. Ein Buch, welches die Konflikte des täglichen Lebens in der Familie krass aufzeigt und das am Ende die Familie trotz allem zusammensteht.