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nessabo

Bewertungen

Insgesamt 85 Bewertungen
Bewertung vom 21.12.2024
Liebewesen
Schmitt, Caroline

Liebewesen


ausgezeichnet

Ungeschönt, zynisch, ehrlich und verletzlich - ein etwas anderer Beziehungsroman

Meine Erwartungen an „Liebewesen“ wurden nicht enttäuscht, im Gegenteil. Dieser Roman hat mich von Seite 1 an gefesselt, obwohl es ein eher leiser Roman ist, der viel mit Beobachtungen arbeitet. Doch das macht ihn überraschenderweise nicht weniger mitreißend.

Irgendwie ist das hier ein Liebesroman, ohne ein solcher zu sein. Er setzt eine romantische Beziehung zwar in den Mittelpunkt der Handlung, doch klassische Romantik sucht mensch beim Lesen vergeblich. Die Beziehung von Lio und Max ist besonders. Sie ist nicht laut, sondern leise, von Zärtlichkeit geprägt und trotzdem von Verletzungen begleitet. Beide bringen ihre eigenen Traumata mit in die Beziehung ein und versuchen, sich von ihnen zu lösen.

Ganz besonders steht Lio als Erzählerin im Fokus. Ihre Vergangenheit offenbart sich den Lesenden im Laufe der Handlung und ist schlicht herzzerreißend. Beginnend mit einer gewaltvollen und emotional abwesenden Mutter sowie einem sanften und doch überforderten Vater, endend mit einer Vergew@ltigung - all das trägt Lio in sich. Als sie von Max schwanger wird, folgen wir ihr im Gleichtakt der Schwangerschaftswochen - bis zur Entscheidung in SSW 12.

Ich finde diesen Roman wirklich absolut rund. Er geht unter die Haut, thematisiert unbegreiflich schlimme Dinge und wird immer wieder gesellschaftskritisch, ohne dabei zu schwer zu sein. Er legt mit seinem leichten Zynismus und Lios trockenen Beobachtungen den Finger in die Wunde - oft habe ich zustimmend genickt. Außerdem weigert sich Caroline Schmitt, ihre Figuren klar einzuordnen. Max ist sanft und trotzdem manchmal mindestens unsensibel, Lio ist offen und verschlossen gleichermaßen. Ich wollte sowohl Max als auch Lio an mehreren Stellen gerne schütteln und konnte sie dann doch wieder verstehen.
Die beiden zusammen funktionieren auf eine schwer zu beschreibende Weise, eine klassische Romance bekommen wir hier aber trotzdem keinesfalls. Und dann ist das auch nicht das einzige Duo des Romans, denn die Freundinnenschaft zu Mariam bildet ein ausgleichendes und so wichtiges Element in einer von romantischer Liebe geprägten Welt.

Ein schonungslos ehrliches Buch mit unglaublich viel Tiefgang, das mich emotional sehr berührt hat. Es zeugt von großer Authentizität in Bezug auf Beziehungen, den eigenen Körper und die Auswirkungen von Traumata. Und am Ende ist es eine Geschichte über Befreiung in einem sehr greifbaren, menschlichen Sinne.
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TW: Gewalt gegen Kinder, Vergew@ltigung, Abtreibung, Tod, Komplikationen nach einer OP

Bewertung vom 12.12.2024
Eva
Keßler, Verena

Eva


ausgezeichnet

Ein Buch rund um (Nicht-)Mutterschaft, das eine herausragende Tiefe und Ambivalenz abbildet

Vor der Beobachtungsgabe Verena Keßlers kann ich mich nur verneigen. Sie widmet sich in „Eva“ einem Themenfeld, das von Ambivalenz und Unverständnis geprägt ist, und liefert einfach ab.

Eva Lohaus, die titelgebende Figur, ist dabei nur eine von vier Frauen, denen je ein Kapitel gewidmet wird. Ihre Geschichten sind jedoch nicht isoliert, sondern miteinander verwoben. Dieses Verweben gelingt Keßler mit einer solchen Leichtigkeit und einem gleichzeitigen Feinsinn, dass es mich nur begeistern konnte. Ergänzt wird die Handlung um ganz besondere und zarte Beziehungen, die teilweise wirklich sehr überraschend kommen. ❤️

Zurück zu Eva Lohaus, die öffentlichkeitswirksam darüber spricht, warum sie es mit Blick auf die Klimakrise für egoistisch hält, weitere Kinder zu bekommen. Dem gegenüber stehen Frauen, die keine Kinder bekommen können oder die ihr Kind verloren haben. Außerdem eine Mutter, die erschöpft ist vom Muttersein und welche versucht, sich selbst als Individuum innerhalb und außerhalb der Rolle wieder zu verorten.

Die verschiedenen Positionen scheinen so konträr und konfliktbeladen zu sein, dass ich es schlicht meisterinnenhaft finde, wie Keßler sie zu verbinden vermag ohne sich selbst zu positionieren. Und nicht nur die verschiedenen Lebensperspektiven werfen einen vielschichtigen Blick auf dieses komplexe Thema, sondern auch die Figuren sind in sich von einer Ambivalenz und Tiefe geprägt, die mich beeindruckt hat.

Denn wer keine eigenen Kinder haben möchte, will nicht zwangsläufig gar keine in ihrem Leben haben und wer eigene hat, kann auch abweisende Gefühle empfinden. Und nicht zuletzt darf sich die eigene Position auch einfach verändern, auch wenn das in unseren gesellschaftlichen Strukturen gar nicht so leicht ist. All das findet einen Raum in diesem großartigen Buch, das ich wirklich bedingungslos allen empfehle, weil es ein gut lesbares Plädoyer ist für Solidarität statt Abschottung bei unterschiedlichen Lebenseinstellungen.

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TW: (ungewollte) Kinderlosigkeit, Kindstod, Fruchtbarkeitsuntersuchungen, Gewaltandrohung, M0rd an Tieren (eine Szene, nicht explizit)

Bewertung vom 05.12.2024
Gute Gründe
Cohen, Nadine J.

Gute Gründe


sehr gut

Ein schweres Buch voller Zartheit und Liebe zum Leben

Mit „Gute Gründe“ hat Nadine J. Cohen einen wirklich tollen Debütroman mit viel Tiefgang geschrieben, der mich im richtigen Moment gefunden hat. Die Triggerwarnungen sollten hier unbedingt ernst genommen werden!

Yael befindet sich nach ihrem Su!zidversuch auf dem Weg zurück ins Leben. Sehr passend dazu ist die Sprache von einer Lethargie geprägt, die ich für sehr authentisch halte. Die Tage fließen um Yael herum, zu Beginn kommt sie nur durch die täglichen Besuche im Frauenschwimmbad ein wenig unter Menschen. Dort trifft sie auch Shirley und freundet sich mit ihr an - ganz ungeachtet des Altersunterschiedes.

Richtig toll fand ich, dass wir hier recht präsent eine jüdische Perspektive im Zentrum der Erzählung haben. So lernen die Lesenden nicht nur etwas über jüdische Kultur und Bräuche, sondern können eine Vorstellung davon erlangen, wie groß die Auswirkungen weitergegebener Holocaust-Traumata auf den Alltag der Überlebenden eigentlich sind. Ich hoffe, dass viele Menschen so Kontakt zu diesem Thema bekommen.

Ebenso bemerkenswert ist, wie Cohen die zur Depression passende Lethargie sprachlich umzusetzen vermag, ohne dass der Schwermut überhand nimmt. Kleine Fragmente - mal Rückblenden, mal kurze Gedanken - lockern den Text mit einem angenehm trockenen, fast schwarzen Humor auf. So bricht die Autorin auch mit einigen Stereotypen rund um psychische Erkrankungen, denn Betroffene liegen eben nicht zwangsläufig weinend im Bett, sondern führen unter Umständen ein von außen betrachtet „normales“ Leben.

Und nicht zuletzt mochte ich die Figuren und ihre Beziehungen richtig gern. Die sind nämlich sehr authentisch gezeichnet und entsprechend Yaels Situation zwar unterstützend, aber auch nicht konfliktfrei. Eine zentrale Rolle neben der Freundinnenschaft von Yael und Shirley spielt die Schwesternschaft zu Liora. Letztere befindet sich im Spannungsfeld zwischen Verantwortung für Yael und für ihre eigenen Grenzen.

Ein kleiner Wermutstropfen ist leider das Ende. Da war mir dann nämlich Einiges zu schnell und manche Vorgeschichten wurden sehr kurz abgehandelt, obwohl ich mir da mehr Details gewünscht hätte. Das schien dann entsprechend willkürlich, weshalb mir auch die Emotionalität zum Schluss etwas abhanden gekommen ist. Abgesehen davon hat mich die Geschichte mit ihrer Schwere emotional an der richtigen Stelle getroffen und empfehle sie allen, die die dunklen Momente des Lebens selbst gut kennen. Dann kann das Buch nämlich wie eine warme Umarmung sein. ❤️‍🩹
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TW: Su!zid, psychische Erkrankung, Suchtverhalten, T0d, Trauer

Bewertung vom 04.12.2024
Schwindel
Yaghoobifarah, Hengameh

Schwindel


sehr gut

Tolle Figuren und spannendes Kammerspiel, mir jedoch textlich zu experimentell

Ich mochte Hengamehs ersten Roman „Ministerium der Träume“ richtig gern, deshalb war natürlich klar, dass ich auch deren neuen Roman lesen möchte. So ganz konnte „Schwindel“ meine Erwartungen aber leider nicht erfüllen.

Im Roman dreht sich alles um Ava sowie ihre drei Liebhaber*innen. Ava scheint mit ihren Liebschaften großzügig umzugehen und sich schnell in eine neue zu flüchten, wenn es emotional tiefer zu gehen droht. So gibt es einige enttäuschte Erwartungen und wie es der Zufall so will, befinden sich die vier irgendwann ausgeschlossen auf dem Dach von Avas Wohnhaus. In einer Art Kammerspiel tragen jetzt nicht nur die Figuren untereinander ihre Konflikte aus, sondern die Lesenden erfahren auch so Einiges über die einzelnen Protagonist*innen - und das ist authentisch komplex.

Hier komme ich auch zu einer klaren Stärke des Romans: Wie kaum jemensch sonst schafft es Hengameh, die Komplexität menschlicher Identitäten in eine Sprache zu packen. Wo fängt Eigenverantwortung an und wo hören alte Traumata auf (looking at you, Ava)? Ist eine Lesbe noch lesbisch, wenn der Partner ein trans Mann ist? Wie kann ein sicherer Raum für nichtbinäre 6ualität aussehen?

Die Figuren sind alle wirklich vielschichtig und ich mochte es, wie Hengameh sie nach und nach entpackt. Da trifft die ältere Lesbe, die ihre Freund*innen in der Aids-Pandemie verloren hat, auf die junge nichtbinäre Person und muss ihren Platz erst neu finden. Es geht um Label, das Hinterfragen ebendieser und um Allianzen, die sich im Roman sehr dynamisch immer wieder neu formen.

Und obwohl ich die Perspektiven richtig toll fand und das Buch auch gut lesen konnte, hat es mich nicht wirklich überzeugen können. Das liegt vor allem an den verschiedenen Textformen. Delias Abschnitte sind konsequent klein geschrieben und brechen auch mal mitten im Satz ab. Manche Seiten bestehen aus nur einem Wort, andere reihen die immer gleichen Worte in einem Strudel aneinander. Das sorgt zwar auch dafür, dass der Roman schnell zu lesen ist, aber ich habe zu solch künstlerischen Aspekten einfach keinen Zugang und daher die Seiten auf Verständnisebene quasi übersprungen. Die gewählte Sprache bewegt sich auf der Grenze zwischen direkt und vulgär - für mich war es okay so, aber wer mit Vulgarität ein Problem hat, wird hier nicht glücklich werden. Nicht gut gefallen hat mir außerdem, wie stark Drogen verschiedener Art immer wieder eine Rolle spielten. Und schließlich war mir die Geschichte am Ende zu fragmentarisch und nicht so abgeschlossen wie im Vorgängerroman.

Ein Buch für alle, die Hengamehs Erzählweise mögen, Lust auf tiefe & ambivalente Figuren haben und offen sind für kunstvolle Textformen. Für mich war es eine eher durchwachsene Lektüre, ich bleibe Hengameh aber dennoch treu und gebe wegen der lehrreichen Perspektiven im Buch trotz meiner Kritik eine gute Bewertung.

3,5 ⭐️

Bewertung vom 28.11.2024
The Freedom Clause
Sloane, Hannah

The Freedom Clause


ausgezeichnet

Ein Befreiungsschlag auf mehreren Ebenen

Dieser Roman zeigt einmal aufs Neue, welch hohe Qualität der Pola-Verlag in seinem ersten Programm zu bieten hat. Auch „The Freedom Clause“ behandelt eine progressive Geschichte rund um weibliche Selbstbestimmung und hinterfragt ansatzweise den Standard einer heteronormativen, monogamen Beziehung.

Trotz meiner bislang guten Erfahrungen mit dem Verlag war ich ein bisschen skeptisch, ob ich hier nicht einfach zwei Protagonist*innen auf ihrer 6uellen Reise begleite. Doch auch, wenn der Aufhänger die teilweise Öffnung der Beziehung von Daphne und Dominic ist, geht es erstaunlich wenig um spicy Szenen und umso mehr um viel grundlegendere Fragen zu Selbstentwicklung und Beziehungen.

Das Paar im Zentrum der Handlung kennt sich seit Unibeginn und ist dementsprechend schon das gesamte Erwachsenenleben zusammen. 6uell scheint es dabei weniger rund zu laufen als in manch anderen Lebensbereichen, was Dominic dazu bringt, Daphne ein Abkommen vorzuschlagen: Die Freiheitsklausel erlaubt es ihnen, einmal jährlich eine Nacht mit einer anderen Person zu verbringen. Im Abkommen sind zudem weitere Regeln definiert, die diese Idee aber wenig überraschend auch nicht zu einer sonderlich guten machen. Dabei wird jedoch an keiner Stelle suggeriert, offene Beziehungsformen seien grundlegend irgendwie besser oder schlechter. Der Roman bezieht dazu meiner Meinung nach gar keine Stellung und behandelt alternative Beziehungsmodelle schlicht neutral.

Im Laufe der kommenden fünf Jahre tritt zutage, dass die beiden ganz grundlegende Unterschiede haben und sie sich noch in einer Lebensphase befinden, in der viel persönliche Entwicklung stattfindet. Und genau das ist das authentische Kernelement des Romans, welches ihn für mich so fesselnd gemacht hat. Dominic hat mit konkreten Unsicherheiten und auch einer bestimmten Männlichkeitsvorstellung zu kämpfen, für Daphne stehen vielmehr die eigenen (6uellen, aber nicht nur) Bedürfnisse im Fokus. Das Buch behandelt darüber hinaus die gesellschaftlichen Ansprüche an Frauen und transgenerationale Weitergabe.

Hannah Sloane hat hier einen Roman geschrieben, der so gut von seinen Figuren getrieben wird, dass ich ihn nicht aus der Hand legen wollte. Sie entwickelt die beiden Protagonist*innen unglaublich stark, ohne in Klischees abzurutschen. Ich mochte den klaren feministischen Ton, den lockeren Schreibstil, die emotionale Vielschichtigkeit und den fein eingesetzten Humor, mit dem Daphne ihre Erlebnisse verarbeitet. Ich habe mir fast ein bisschen mehr Spice gewünscht, allerdings hätte der vielleicht auch vom eigentlichen Thema abgelenkt. Das Cover finde ich ein wenig „billig“ gehalten, was der Tiefe der Geschichte nicht gerecht wird. Abgesehen davon aber eine klare Leseempfehlung.

4,5 ⭐️

Bewertung vom 22.11.2024
Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes
Becker, Giulia

Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes


ausgezeichnet

Giulia Becker bestellt, Giulia Becker geliefert

Ich glaube, wer Giulia Beckers Humor kennt und mag, wird hier sehr glücklich sein - ich zumindest war es. ❤️

Das zweite Buch der Autorin ist kein Roman, sondern eine Sammlung verschiedenster Texte und auch Textformen. Ob diverse Selbsttest („Bin ich ein Vampir?“), ein Michael-Bublé-Haiku, endlich einmal ernstzunehmende Horoskope (Gesundheitlich sollten sich wirklich alle Sternzeichen in Acht nehmen!) oder die Erzählung der einen Nacht, in welcher die Autorin nachts bei Media Markt eingeschlossen wurde. Und wer wollte nicht schon immer einmal wissen, welchem Strandtyp die Städte Hamburg und Leipzig eigentlich entsprechen? Einen krönenden Abschluss bildet meiner Meinung nach die Folge „Das perfekte Dinner“, die so chaotisch wie nur irgend möglich abläuft.

Beckers ganz spezieller Humor ist schwer in Worte zu fassen. Hier trifft eine bis ins kleinste Detail zugespitzte Absurdität des Alltags auf Satire und Selbstironie. Die Stimme der Autorin im Ohr zu haben, fand ich beim Lesen sehr bereichernd. Ohne das, ist es vielleicht ein bisschen zu abgedreht. Auch ich habe mich wiederholt gefragt, was ich eigentlich gerade gelesen habe, aber genau darum geht es irgendwie.

Doch die Texte kommen auch nicht gänzlich ohne Gesellschaftskritik aus. Die muss mensch zwar manchmal suchen, doch auf diese Art thematisiert die Autorin z. B. hegemoniale Männlichkeit, Sexismus und Fettfeindlichkeit.

Ich hatte einfach eine richtig gute Zeit mit dem Buch. Es wird mich thematisch aufgrund der Überspitzung jetzt nicht mehr großartig beschäftigen, aber den Anspruch hatte ich auch nicht. Klare Empfehlung für Fans der Autorin!

4,5 ⭐️

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2024
Meet me in Autumn. Eine Pumpkin spiced Romance
Gilmore, Laurie

Meet me in Autumn. Eine Pumpkin spiced Romance


sehr gut

Cozy, leicht und ein wenig klischeebehaftet

Ich denke, bei dieser Romance macht die aktuelle Jahreszeit ca. 50 % der Empfindungen aus! Wenn es draußen kalt und nass ist, kann mensch einfach perfekt in die Geschichte eintauchen. Und ganz ehrlich: Das ist eines der schönsten und passendsten Cover, die ich bislang gesehen habe. 🧡

Grundlegend fand ich das Buch wirklich gut. Es lässt sich leicht lesen, kommt ohne allzu großes Drama aus und ist von so einigen cozy Herbstreferenzen geprägt. Letztere hätten für mich sogar noch ausgeprägter sein können, meine Erwartungen waren aber auch recht hoch.

Ich mochte, dass sowohl Jeanie als auch Logan ihre Unsicherheiten haben und damit auch beide sanfte Figuren sind. Der Handlungsaufbau ist logisch und sogar von ein wenig Spannung geprägt, weil Jeanie sich in der Führung des Cafés ihrer Tante von einer unbekannten Person schikaniert sieht. Das wird lange ungeklärt gelassen und findet in einem völlig angemessenen Maß an Spannung für eine Romance statt. Der Vibe zwischen den beiden Hauptfiguren ist auf jeden Fall da und wie die beiden in spicy Szenen immer wieder unterbrochen werden, ist schon ziemlich lustig.

Gestört hat mich ein wenig, dass auch wieder mit den so häufigen Geschlechter-Klischees gearbeitet wurde. Hier die sanfte, liebevolle, schöne Frau und dort der muskelbepackte, beschützende, pragmatische Mann. Ich wünsche mir einfach so sehr, dass Hetero-Paare in Büchern ein wenig vielfältiger geschrieben werden.

Abgesehen davon aber ein sehr schönes Herbstbuch, das emotional in jegliche Richtung nicht aufwühlt und eine gute Abschaltlektüre mit einigem Spice ist, insofern mensch über die Klischees hinwegsehen kann.

Bewertung vom 16.11.2024
Hot Mess
White, Sophie

Hot Mess


ausgezeichnet

So viel mehr als eine Geschichte über Freundinnen und ein absolutes Highlight

Ich bin so unglaublich begeistert von diesem irischen Roman, der mit völlig ungeahnter Tiefe eine authentische Geschichte über Freundinnenschaft liefert. Er hat mich von vorn bis hinten gefesselt und am Ende ordentlich zum Weinen gebracht.

Die Erzählperspektiven wechseln zwischen drei Frauen hin und her. Claire fühlt sich nach einem vorerst nicht näher benannten Zwischenfall von ihrer alten Freundinnenclique ausgeschlossen und steigert sich zunehmend in diese Abweisung hinein. Lexi steht gemeinsam mit ihrer besten Freundin Amanda dank des sehr erfolgreichen Podcasts „Your Hot Friend“ zunehmend in der Öffentlichkeit und muss feststellen, dass ihre Freundinnenschaft vielleicht gar nicht so echt ist wie sie schien. Joanne ist eine junge Mutter, die innerhalb ihres Freundeskreises und ihrer Beziehung mit den Herausforderungen rund um Mutterschaft, Vereinsamung und Care Arbeit struggelt.

Obwohl sich die drei Frauen nicht kennen, finden sie auf einem für mich innovativen Weg zueinander. Das Pacing ist bis zu diesem Punkt eher langsam und zieht in der zweiten Hälfte extrem stark an. Später wird dann auch klar, warum die Autorin dies mutmaßlich bewusst so gestaltet hat und ich finde es nicht weniger als genial! Eine weitere Stärke von Sophie White, neben einem flüssigen Schreibstil und dem feinen Humor, sehe ich in der detailreichen Ausgestaltung ihrer Hauptfiguren. Ich kann hiervor nur meinen Hut ziehen und daher nur auf extrem hohem Niveau kritisieren, dass die Nebenfiguren daneben etwas flach schienen.

„Hot Mess“ behandelt entgegen meinen Erwartungen nicht nur das Thema rund um Freundinnenschaft Ü30 (und das alleine hätte mich schon vollends überzeugt), sondern geht unglaublich tief in das Thema mentale Gesundheit hinein - ganz konkret bipolare Störung. Die Danksagung der Autorin lässt vermuten, dass sie zumindest im weiteren Sinne persönliche Erfahrung einfließen lässt und das wundert mich nicht. Ich kann nicht in Worte fassen, wie gut hier depressive und manische Episoden beschrieben wurden. Es hat mich selbst in einen Rausch verfallen und danach auf herzzerreißende Art mitleiden lassen.

Das Buch verdient volle 5 Sterne, weil es unterhaltsam und lebensnah, dabei aber auch unglaublich tief ist. Ernsthaftigkeit und menschliches Wachstum in eine so gut lesbare Form zu packen, der es nicht an Humor mangelt, ist schlicht ein Talent und ich kann es kaum erwarten, mehr von der Autorin zu lesen.


[TW: psychische Erkrankung, bipolare Störung, Es$störung, suīzidales Verhalten]

Bewertung vom 16.11.2024
Triff mich über den Wolken
Burke, Andie

Triff mich über den Wolken


sehr gut

Begann fantastisch, schwächelte dann aber leider

Ich liebe queere RomComs/Romance und war vom Cover des Romans bereits sehr angetan. Hier wurde sich für ein in meinen Augen wunderschönes und elegantes Design entschieden, dass die Queerness auf subtile Art vermittelt.

Und ich war zu Beginn unglaublich begeistert vom Schreibstil sowie dem gewählten Humor. Protagonistin Olive beginnt die Handlung mit einem Flug, obwohl sie große Flugangst hat. Die Schilderung ihrer Angst war so greifbar, dass ich sie selbst gespürt habe. Und auch alles, was auf dem Flug bzw. danach an Absurditäten passiert, fand ich einfach toll. Ich mochte die Hauptfigur sehr gern, weil sie mir mit all ihren Unsicherheiten direkt nahbar erschien.

Doch leider, und das ist mir glaube ich so noch nie passiert, flachte meine Begeisterung recht schnell ab. Der Schreibstil bleibt bis zum Ende wirklich flüssig und gut lesbar. Deshalb konnte ich auch gut dranbleiben. Doch handlungstechnisch fühlte sich ganz viel für mich nicht rund an. Ich habe viele Gedanken von Olive als extrem repetitiv empfunden und hatte gleichzeitig über lange Strecken hinweg das Gefühl, dass sich nichts wirklich bewegt. Besonders den Mittelteil fand ich eher zäh. Dabei will ich nicht einmal sagen, dass ich Figuren, die zum Overthinken neigen, irgendwie schlimm finde. Eher im Gegenteil und ich mag es auch, wenn Charaktere in Romanen mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.

Aber Olives Figur fand ich nicht rund und ihre so oft geschilderten Angstzustände nicht greifbar. Irgendwann wird zu mehreren Figuren auf einmal geschrieben, dass sie Depressionen haben, was für mich vorher überhaupt nicht ersichtlich war und deshalb nicht glaubhaft wirkt. Etliche Handlungsstränge wurden irgendwie aufgenommen und dann schlicht nicht weitergeführt. Das führte bei mir dazu, dass ich trotz des eigentlich großen emotionalen Potenzials kaum mitgefühlt habe. Und das ist einfach schade, wo doch auch die Themen Pflege, erkrankte Angehörige und lebenserhaltende Maßnahmen so wichtige sind. Außerdem störte mich die Darstellung der Antagonistin als eindimensional fies wirklich sehr.

Der Roman hat an einer ziemlich späten Stelle ein bisschen Spice, der mir persönlich einfach zu spät kam bzw. konnte ich vorher zu wenig einen Vibe spüren. Eigentlich fand ich beide Figuren toll und der Roman als Ganzes hätte für mich großes Potenzial gehabt. Er wirkte auf mich allerdings in der Konstruktion der Geschichte unausgereift. Ich runde ggf. auf dafür, dass es ein Debütroman ist, der sich auf jeden Fall super leicht lesen lässt, und weil ich das Potenzial wertschätzen möchte.

3,5 ⭐️

Bewertung vom 08.11.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


sehr gut

Ein Buch zwischen Einsamkeit, Verlust und Verbundenheit

Rasha Khayats Roman tut weh und ist in meinen Augen kein Werk, dass mensch schnell weglesen kann. Er spielt primär 2020 und damit im ersten Pandemiejahr, was dem Buch eine ganz besondere Atmosphäre verleiht, die uns in der Literatur wohl noch häufiger begegnen wird.

Protagonistin Hanna sieht sich mit mehreren Ebenen an Einsamkeit konfrontiert. Da ist die Isolation als alleinstehende Person innerhalb eines Lockdowns. Da ist aber auch der Tod der Großeltern, die ihr sehr früh ein Elternersatz waren. Und zusätzlich spielt der Verlust einer Freundinnenschaft eine zentrale Rolle.

Denn in Rückblenden lernen wir auch Cem und Zeyna kennen, mit denen Hanna in einem nicht näher benannten kleinen Ort eng befreundet war. Zeyna und ihr Vater Nabil flohen aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland und obwohl das Trauma gar nicht so explizit thematisiert wird, trägt es viel zur Schwere des Buches bei. Cem und Zeyna teilen zudem eine von Rassismus geprägte Realität, die nach dem 11. September 2001 an Intensität zunimmt. Hanna sieht den Schmerz, ist aber hilflos und kämpft gleichzeitig mit einer widersprüchlichen Eifersucht. Damit bekommt diese Figur eine ambivalente Tiefe, die ich großartig umgesetzt fand.

Und auch das Pacing des Buches ist einfach besonders. Während die Phasen der Gegenwart regelrecht entschleunigt sind und damit die Isolation der Pandemie so gut greifbar machen, zieht das Tempo in den Rückblenden stark an. In denen erfahren wir mehr über den Aufbau und Zerfall einer Freundinnenschaft.

Das Dreiergespann befindet sich in einem Feld voller verbindender und trennender Elemente. Ob der Alltagsrassismus, den Hanna nicht nachempfinden kann, oder der Tod der eigenen Mutter, der wiederum Zeyna und Hanna auf besondere Art miteinander verbindet. Trotz all dessen ist diese Gemeinschaft lange ein stabilisierendes Element, das erste Krisen überwindet, bis sie an einem Zwischenfall zerbricht. Was genau passiert ist und ob in der Gegenwart wieder eine Annäherung stattfinden kann, müssen die Lesenden selbst herausfinden.

Dieses Buch ist einzigartig und bei einer geringen Seitenzahl unglaublich dicht. Khayat schreibt atmosphärisch und schafft es damit, Schmerz und Einsamkeit auf eine subtile Art eindrücklich zu vermitteln. Der Text wirkte lange in mir nach und kann deshalb auch nicht einfach wegkonsumiert werden. Die wechselnden Erzähltempi fand ich rückblickend sehr schlüssig, beim Lesen hat es mich aber auch manchmal aus dem Konzept gebracht.

Insgesamt aber eine klare Leseempfehlung für dieses gefühlvolle Werk!

4,5 ⭐️