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nessabo

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Insgesamt 103 Bewertungen
Bewertung vom 30.01.2025
Das irrationale Vorkommnis der Liebe - Die deutsche Ausgabe von 'Love on the Brain'
Hazelwood, Ali

Das irrationale Vorkommnis der Liebe - Die deutsche Ausgabe von 'Love on the Brain'


sehr gut

Ein Hoch auf humorvolle und warmherzige Wissenschaftlerinnen!

Das ist mein zweites Buch der Autorin und ich hatte auch mit diesem eine wirklich gute Zeit. Ali Hazelwood scheint eindeutig ein Ding zu haben für sehr große Männer - das war mir persönlich ein wenig zu klischeehaft und "on the nose". Auf der anderen Seite gehören Klischees auch zu diesem Genre, damit kann ich also leben. 😅

Wirklich toll fand ich das Wissenschaftssetting, mein Ding sind nämlich ganz eindeutig smarte Frauen. Begeistert war ich zudem vom politischen Ton der Geschichte. Auch in eher seichtere Lektüre gehört für mich eine gewisse politische Relevanz und geschlechtsspezifische Diskriminierung im wissenschaftlichen Bereich ist nun einmal Realität. Ich mochte den weiblichen Zusammenhalt und die Ansätze von Revolutionswut richtig gern. Außerdem konnte ich mein Glück kaum fassen, als Veganismus bei beiden Protas eine Rolle spielte und sogar auch noch herauskam, dass es hierbei um mehr als eine Ernährungsform geht! Das bekommt von mir einen halben Bonusstern. ❤️

Auch der Humor war für meinen Geschmack ganz toll getroffen. Er ist cute, fein und warmherzig. Damit passt er perfekt zu meinem Bild der Protagonistin.

Was ich ziemlich störend fand, war die unglaubliche Begriffsstutzigkeit von Bee, die meiner Meinung nach so gar nicht zu ihrer Klugheit passt. Wie krass sie einfach sowohl in der Online-Kommunikation mit Shmac als auch in Bezug auf Levi auf dem Schlauch steht - I can't! 😩
Also klar, manche Menschen sind in sozialen Interaktionen weniger sensibel für bestimmte Signale, aber das wurde für ihren Charakter so zumindest nicht beschrieben. Und ihr ständiges "Nein, er hasst mich ja eigentlich", obwohl schon lange nichts mehr darauf hindeutete, ging mir zum Schluss wirklich auf die Nerven.

Ich fand davon abgesehen aber Vieles wirklich toll an dem Buch und für die Einbindung von Veganismus gibt es wie gesagt Bonus, daher 4,5 Sterne. 😊

Bewertung vom 27.01.2025
Death. Life. Repeat.
Finch, Louise

Death. Life. Repeat.


weniger gut

Toller Ansatz, aber was für eine schlechte Übersetzung!

Ich lese gerne hin und wieder Jugendliteratur bzw. Young/New Adult, habe also kein grundsätzliches Problem mit einer gewissen jungen Sprache sowie jugendlichen Protas. Aber bei diesem Buch hat mir der Erzählstil das Lesen doch sehr schwer gemacht und ich denke, dass das vor allem an der unglaublich schlechten Übersetzung lag.

Der Aufhänger dieser Geschichte ist innovativ und greift ein sensibles Thema auf. Nur deshalb und weil ich doch wissen wollte, wie die Zeitschleife am Ende aufgelöst wird, habe ich nicht abgebrochen. Die Übersetzung ist einfach so lieblos gemacht, dass Spencers Sätze über weite Strecken abgehackt und unzusammenhängend wirken, auch die Dialoge lesen sich oft völlig unharmonisch und eine emotionale Tiefe kann kaum erreicht werden. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass das im Original auch so geschrieben ist und das tut mir einfach nur leid für den Roman!

Denn sexualisierte Gewalt, Misogynie und bedingungsloser "Bro-Code" sind Themen, die unbedingt in Jugendbücher gehören und ich finde auch, dass sie hier in einer altersgerechten Form behandelt wurden. Dass hier auch Nietzsche aufgegriffen wird und Spencer darüber seine eigene Verantwortung hinterfragt bzw. entsprechend anerkennt, fand ich spannend gemacht. Auch toll, dass romantisches Begehren dann wiederum nicht das Schlüsselelement ist, sondern freundschaftlicher Zusammenhalt mehr zählt.

Aber ich habe mich einfach so durch den Text gequält. Völlig unnatürliche Formulierungen, etliche Rechtschreibfehler, fehlende Leerzeichen - das hat für mich jegliches akzeptables Maß überschritten und ich konnte dem Protagonisten durch die hölzerne Sprache kaum folgen. So schade, aber der Übersetzung kann ich daher nur 2 Sterne geben. Vielleicht ist das Original besser, aber das ist natürlich alles andere als zugänglich.

Bewertung vom 22.01.2025
Was wir nicht kommen sahen
Seck, Katharina

Was wir nicht kommen sahen


ausgezeichnet

Ein Brett von Buch und eine ganz wichtige Mahnung

[TW: einige, aber primär Suiz!d, Mobbing, digitale Gewalt]

Manchmal weiß mensch vor der Lektüre schon, dass das Buch eine Gratwanderung sein wird zwischen Gefallen und Herausfordern. Genau so ging es mir mit „Was wir nicht kommen sahen“. Das Buch ist ein absolutes Brett. Beim Lesen hatte ich zu 50 % einen Kloß im Hals, zu 35 % Wut im Bauch und zu 15 % Trauer im Herzen. Für die Geschichte muss mensch definitiv gewappnet sein!

Ich bin beeindruckt davon, wie vielschichtig Katharina Seck dieses hochaktuelle Thema hier in ein anspruchsvolles und lesenswertes Buch mit thrillerhaften Zügen gepackt hat. Ada suiz!diert sich. Ihre Mutter Jenny hat daraufhin nicht nur mit der eigenen Trauer und den Herausforderungen einer Ehe nach dem Verlust des einzigen Kindes zu kämpfen, sondern versucht auch herauszufinden, was passiert ist. Ada kommt als zweite Erzählerin zu Wort und dröselt die Vergangenheit kurz vor ihrem Suiz!d nach und nach auf.

Ganz besonders in der Geschichte ist die sogenannte Anonymität. Diese dritte Erzählperspektive besteht nicht nur aus einer namenlosen Person, sondern umfasst viele. Mal ist es ein frustrierter Mann, dem die Frauen nicht geben wollen, was ihm seiner Meinung nach zusteht (= Incel). Mal ist es eine junge Frau, die selbst zum Mobbingopfer wurde und aus Selbstschutz nun lieber bei den Mobbenden mitmacht. Und dann ist es wieder ein Mann, der über Plattformen wie Telegram in ein extremes Verschwörungsdenken abgedriftet ist und versucht, seiner Wut online durch Hasskommentare gegen die „Eliten“ Platz zu machen. Insbesondere diese Kapitel habe ich mit enorm viel Druck auf der Brust gelesen, so beklemmend ist diese Realität. Manchmal schienen mir die Gedanken der radikalisierten Personen zu reflektiert zu sein, ich verstehe aber, was die Autorin damit erreichen wollte. Wir bekommen als Leser*innen ein Profil von Menschen, die sich an Hass beteiligen, und versuchen, ihre Hintergründe zu verstehen, ohne sie jedoch aus der Verantwortung zu nehmen. Eine Gratwanderung, die der Autorin eindrucksvoll gelungen ist.

Es werden viele weitere Themen in diesem Buch angeschnitten, denn besonders Ada macht sich als junge Frau realistischerweise Gedanken um gesellschaftliche Umbrüche und große Krisen wie etwa die Klimakrise. So finden neben digitaler Gewalt eben auch strukturelle Misogynie, Rassismus, Polizeigewalt oder Kapitalismuskritik Raum.

Durch die wechselnden Erzählperspektiven, die sich zudem auf verschiedenen Zeitebenen befinden, bekommen wir abwechslungsreich und eindrucksvoll die Geschichte einer jungen Frau erzählt, welche ungeplant viel öffentliche Aufmerksamkeit erhält und sich dadurch extremer Gewalt ausgesetzt sieht. Doch Ada wehrt sich, lässt sich von Sprüchen wie „Das gehört zu einem Leben im Internet eben dazu“ berechtigterweise nicht aus der Fassung bringen. Dies ist keine Geschichte des Aufgebens, wenngleich es sehr wohl eine Geschichte über Verlust und ein schlimmstmögliches Ende ist.

Die Autorin verflicht elegant Details zu einer runden Geschichte, die bei aller Schrecklichkeit Hoffnung machen kann. Die Figuren sind authentisch emotional und dadurch nah an den Leser*innen dran. Sowohl Adas als auch Jennys Wanken zwischen einerseits Angst und Widerstand sowie andererseits tiefer Trauer und dem Wunsch nach Gerechtigkeit sind extrem gut nachvollziehbar. Das Pacing wurde am Ende recht plötzlich langsamer, was der Handlung ein wenig an Eleganz geraubt hat - auch wenn ich verstehe, warum es so geschrieben wurde.

Das Internet und Soziale Medien sind das, was wir aus ihnen machen. Digitale Gewalt ist nichts, das wir akzeptieren dürfen und dieses Buch ist eine äußerst schmerzhafte Mahnung. Must-Read!

Bewertung vom 22.01.2025
Verdammt wütend
Strømsborg, Linn

Verdammt wütend


gut

Großes Potenzial, das noch besser hätte ausgeschöpft werden können

Ich habe "Nie Nie Nie" damals verschlungen und wollte deshalb selbstverständlich auch das neue Buch der Autorin lesen - zumal das Thema Wut mich stark angesprochen hat. Und es hält dahingehend auch, was es verspricht, doch so richtig zufrieden bleibe ich nicht zurück.

Erst einmal finde ich es aber toll, dass Linn Strømsborg bei ihrem Schreibstil geblieben ist und wir hier wieder mit teils extrem kurzen, rasanten Kapiteln konfrontiert sind. Das gibt einen tollen Lesesog, den ich ehrlicherweise ohne diese Form wohl nicht gehabt hätte. Denn so sehr ich Britts Wut und Frustration in meinem Innersten nachfühle, so sehr haben sie mich auch gelähmt. Damit will ich absolut nicht sagen, dass alles einen Moment von Empowerment braucht. Unter dem Patriarchat Leidende haben ein Recht auf ihre Wut und Vieles lässt sich nunmal nicht wegrationalisieren. Das wird vor allem zu Beginn deutlich, doch diese Stärke konnte für mich nicht aufrechterhalten werden und wandelte sich für mich im weiteren Verlauf in das Gefühl, dass etwas fehlt.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich die Erzählperspektive irritierend fand. Es gibt mehrere Blickwinkel, die irgendwie gleichzeitig aus der jeweiligen Person und aus Britt heraus erzählt werden. Die Perspektiven sind dabei total wichtig und teilweise schlicht genial. Etwa, wenn die Autorin Espen zu Wort kommen lässt und so Maternal Gatekeeping thematisiert - das aber später durch die Perspektiven von Anita und Runa wieder in Relation setzt, indem klar wird, dass die Männer sehr wohl viel seltener Alltagsaufgaben/Mental Load übernehmen und es wohl eher weniger am vermeintlichen Gatekeeping der Frauen liegt. Wirklich ein großes Kompliment, wie unglaublich elegant Strømsborg die Komplexität struktureller Ungleichheiten im Privatleben hier abbildet.

Ich konnte die Vorzüge aber durch meine Irritation oft nicht so richtig genießen und wurde dadurch auch aus einer möglichen emotionalen Verbundenheit zu den Figuren gerissen. Genau das hätte es bei aller Beklemmung ob des Inhalts aber unbedingt gebraucht und das haben andere Bücher in diesem Feld meiner Meinung nach besser hinbekommen. Zusätzlich erschwert wurde mir das Lesen dieses Mal außerdem durch die Kombination aus Wut und Ängstlichkeit bei der Protagonistin. Das war mir persönlich zu viel, was aber einfach eine Präferenz ist.

Absolut kein schlechtes Buch und ich bin mir sicher, dass sich Viele gesehen fühlen und durch die Lektüre ihrer Wut hoffentlich noch mehr Ausdruck verleihen können. Mir fehlte es an emotionaler Zugänglichkeit einerseits und aktivem Handeln andererseits, daher nicht mein Favorit der Autorin, deren zukünftige Bücher ich aber dennoch lesen werde.

Bewertung vom 15.01.2025
Jeanie und Julius
Fuller, Claire

Jeanie und Julius


gut

Wichtige Perspektive, doch ziemlich zäh erzählt

Ich bin großer Fan des Verlags, doch mit „Jeanie und Julius“ war ich leider nicht wirklich glücklich.

Die Erzählperspektive rund um ein finanziell armes Geschwisterpaar in ihren Fünfzigern, die nach dem Tod der Mutter zwischenzeitlich in die Obdachlosigkeit rutschen, ist eine so wichtige. Und auf der einen Seite finde ich die zermürbende Not und Trostlosigkeit sehr gut eingesetzt, weil sie wohl die Realität gut abbildet. Doch war das Lesen dadurch auch sehr anstrengend und streckenweise zäh. Vielleicht hätten 100 Seiten weniger dem Buch gut getan.

Abgesehen davon haben mich die beiden Protas fast durchgängig so genervt. Sowohl Jeanie als auch Julius fand ich nämlich überwiegend unsympathisch und ihre Handlungen wenig nachvollziehbar. Ich konnte nicht verstehen, warum Jeanie so viel lügt, nur um Hilfe nicht annehmen zu müssen, und warum Julius seiner Schwester gegenüber mal herablassend und unehrlich, mal zugewandt und beschützend begegnet. Beim Lesen fühlte ich mich konstant in eine ferne Vergangenheit versetzt, obwohl die Handlung in der Gegenwart spielt. Wenn das von der Autorin beabsichtigt war und sie so das Zurückbleiben der beiden hinter der Mehrheitsgesellschaft abbilden wollte, ist das gut gelungen. Mich hat es immer mal wieder irritiert.

Ich finde es wirklich schwer, das Buch zu bewerten, weil ich selbst aus einer sehr privilegierten Position heraus spreche. Und soweit ich es einschätzen kann, war die Darstellung eines solchen Lebens authentisch. Mich hat das Lesen eher heruntergezogen und vielleicht soll das auch so sein, aber dessen muss mensch sich dann wohl vorher bewusst werden. Zudem wird das im Klappentext erwähnte Familiengeheimnis doch ziemlich langsam enthüllt, was für mein Empfinden das Zähe im Buch erneut unterstreicht.

Mich störte dann auch das Ende ziemlich, bei dem eine für mich nicht nachvollziehbare Charakterentwicklung stattgefunden hat. Tatsächlich fand ich die letzten 30 Seiten wirklich gut, weil ich eine Figur endlich greifen konnte, aber es fühlte sich im Vergleich zum vorherigen Erzähltempo gehetzt und unorganisch an. Diesen Wechsel hätte ich mir deutlich früher gewünscht. So war es für mich ein eher anstrengendes Buch mit einer guten Grundlage, aber wenig emotionaler Greifbarkeit.

Bewertung vom 15.01.2025
Hey guten Morgen, wie geht es dir? (MP3-Download)
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir? (MP3-Download)


sehr gut

Ein nüchternes, kunstvolles und vielschichtiges Buch

Zum Hörbuch: Inka Löwendorf ist keine schlechte Sprecherin, aber in Bezug auf Stimmfarbe und -varianz nicht meine liebste. Vor allem bei den Chatverläufen wurde mir nicht immer ganz klar, wer gerade schreibt. Grundsätzlich fand ich den Text als Hörbuch aber gut umgesetzt.

Zum Buch selbst: Ehrlicherweise war ich zu Beginn eine ganze Weile lang nicht sicher, wohin dieses Buch eigentlich führen möchte. Martina Hefter hat hier ein Werk geschaffen, das vor allem durch Komplexität geprägt ist. Dahinter verschwinden manchmal die Emotionen der Figuren, nichtsdestotrotz halte ich es für ein großes Talent, die Welt in ihrer Vielschichtigkeit abbilden zu können.

Bereits die Protagonistin des Romans, aus deren Perspektive die Geschichte geschrieben ist, vereint verschiedene Blickwinkel auf sich. Sie ist schon etwas älter und versucht die Kontrolle über ihr Leben wiederzuerlangen, in welchem sie aufgrund ihres Altes weniger Aufträge als Performancetänzerin bekommt. Gleichzeitig pflegt sie aber auch ihren Mann Jupiter und legt Love-Scammer im Internet herein, von denen sie regelmäßig Anfragen erhält. Im Verlauf der Handlung macht sich Juno über viele Dinge Gedanken. Darunter zählen der eigene Rassismus sowie die persönlichen Privilegien, aber eben auch das eigene Leid aufgrund altersdiskriminierender und ableistischer Strukturen.

Ein wichtiges und innovatives Element ist die WhatsApp-Bekanntschaft zu ihrem ehemaligen (?) Love-Scammer Benu, der in Nigeria lebt und sich (scheinbar) zu erkennen gibt, nachdem Juno ihn bezüglich des Love-Scammings konfrontiert. Zwischen den beiden entsteht irgendetwas, klar definiert wird es wird jedoch nicht. Und das ist auch ein wiederkehrendes Muster des Buches: Um Vieles wird sich Gedanken gemacht, aber wenig konkret ausgesprochen. So ist auch das Ende ein wenig irritierend, eigentlich bleibt alles zur eigenen Interpretation offen.

Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, wenngleich mensch sich auch bewusst sein sollte, dass es hier vor allem um Alltägliches geht und weniger um eine besondere Dramaturgie. Das hat durchaus seinen Reiz, ist aber vielleicht nicht für alle Menschen oder Lebenslagen das Richtige. Die Sprache ist nüchtern und phasenweise kunstvoll, letzteres für mich aber in einem akzeptablen Maß (ich mag das nämlich oft nicht). Besonders loben möchte ich aber wirklich die Komplexität der Figuren, welche mich selbst zum Nachdenken gebracht hat.

Menschen sind vielschichtig, ganz viel ist nicht, wie es scheint. Das hat Martina Hefter hier interessant und durchaus unterhaltsam umgesetzt, ohne sich selbst klar zu positionieren.

Bewertung vom 15.01.2025
Ein anderes Leben (MP3-Download)
Peters, Caroline

Ein anderes Leben (MP3-Download)


gut

Spannende Grundlage, aber recht verwirrend erzählt

Zum Hörbuch: Ich finde es immer sehr schön, wenn die Autor*innen selbst das Hörbuch einsprechen - das gibt dem Hörerlebnis einen persönlicheren Touch. Caroline Peters hat eine angenehme Stimme mit schöner Varianz, der ich gerne zugehört habe. Verschiedene Emotionen und Figuren hat die Sprecherin wirklich greifbar umgesetzt.

Zum Buch selbst: Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um in die Handlung hineinzufinden und ehrlicherweise habe ich bis zum Schluss keinen guten Überblick über die ganzen Figuren gehabt. Die vielen Namen und Verbindungen haben mich sehr verwirrt. Das hat es mir auch ziemlich schwer gemacht, emotionale Verbundenheit zu ihnen aufzubauen.

An sich finde ich die Idee, die Geschichte der eigenen Mutter im Rückblick zu erkunden, wirklich spannend und habe mit der Protagonistin auf ihrer Suche nach bestimmten Wahrheiten und Erkenntnissen mitgefühlt. Gern mochte ich dabei auch den subtilen Alltagshumor, mit dem die erzählende Tochter über Vergangenes reflektiert.

Doch insgesamt konnte mich das Buch nicht erreichen. Es gab einige gute Szenen, die ich als tiefgründig empfunden und über welche ich gern noch viel mehr erfahren hätte. Die ganze Vergangenheit rund um eine Fluchtgeschichte und Dinge, über die nicht eben gesprochen wurde, aber auch um allgegenwärtigen Sexismus fand ich wirklich interessant, doch viel zu schnell waren die meisten Szenen wieder verpufft. Und vor allem emotional konnte ich mit den Figuren wenig anfangen. Manchmal tat mit Hanne in ihrer Situation leid, doch dann fand ich sie im Umgang mit ihren Kindern wieder einfach nur schrecklich.

Der Roman hat eine gute Grundlage und die potenziellen autobiografischen Züge der Geschichte sind spannend. Doch die Figurenlast und Zeitsprünge haben mich eher verwirrt, eine emotionale Tiefe fehlte mir. Deshalb wird mir das Buch nicht in Erinnerung bleiben.

2,5 ⭐️

Bewertung vom 10.01.2025
Griechischstunden
Kang, Han

Griechischstunden


schlecht

Anstrengend und emotional distanziert

Ich wollte gern etwas von der Literaturnobelpreisträgerin lesen und "Griechischstunden" wurde mir als Einstieg empfohlen. Das war scheinbar keine gute Wahl und ich verbleibe mit dem Entschluss, einfach nichts mehr von Nobelpreisträger*innen zu lesen, insofern es mich nicht unabhängig davon interessiert. Vielleicht kann das auch nicht über einen Kamm geschert werden, aber ich denke, zu der Sprache, die in diesen Sphären ausgezeichnet wird, habe ich oft keinen Zugang.

Das Buch habe ich bei der Hälfte abgebrochen, weil es mich gelangweilt und streckenweise abgestoßen hat. Und ich möchte mich auch darin üben, Bücher abzubrechen. Ich muss sagen, besonders die Schilderungen der männlichen Figur fand ich sehr unangenehm. Er wirkte auf mich fast bessessen mit seinem love interest und gleichzeitig grenzüberschreitend.

Abgesehen davon habe ich emotional auch einfach gar nichts mitgenommen. Die Handlung schlingerte so vor sich hin, ohne dass ich eine Ahnung davon hatte, wo genau sie eigentlich hinmöchte. Ich konnte zwischen den Figuren auch keinerlei Verbindung spüren. Sprachlich war es mir zudem viel zu beobachtend. Das bedeutet nicht, dass für mich immer extrem viel passieren muss in Büchern, aber dann muss es mich wenigstens emotional berühren. Wenn beides fehlt, finde ich die Lektüre einfach anstrengend.

Vielleicht eine Liebeserklärung an Sprache, aber für mich bleibt sie nicht verständlich.

Bewertung vom 10.01.2025
Drei Tage im Juni
Tyler, Anne

Drei Tage im Juni


ausgezeichnet

Messerscharfer und zugleich sanfter Roman einer Ausnahmeautorin

Anne Tyler war mir bislang nicht bekannt und ich bin froh, dass sich das nun geändert hat. Was für eine großartige Schriftstellerin mit einem riesigen Talent für geschliffen scharfe Worte, die exakt ins Schwarze treffen! Mit „Drei Tage im Juni“ hat sie ein Familienporträt geschaffen, welches zwar ohne großes Drama auskommt, aber deshalb nicht minder unterhaltsam ist.

Vor allem das zentrale Paar, bestehend aus Gail und ihrem Ex-Mann Max, hat einfach einen ganz besonderen Vibe, wie er selten in Büchern zu finden ist. Die beiden sind auf der einen Seite sehr verschieden. Gail ist eher verschlossen, reserviert, vorsichtig und ängstlich, während Max spontan, offen, lebensfroh und etwas naiv zu sein scheint. Und doch funktionieren sie auf der anderen Seite auch nach der Scheidung noch so, als wäre es nie anders gewesen. Ich sah mich beim Lesen fast neben ihnen stehen und das viele Nonverbale beobachten, welches die Autorin hier geschickt zwischen den Zeilen vermittelt.

Und das ist wirklich, was mich am meisten beeindruckt hat: Tyler vermag es, mit wenigen Worten absolut authentische Menschen und Lebenssituation zu zeichnen. Es wirkte fast, als hätten die Figuren selbst den Text geschrieben, so greifbar war jeder Satz. Die ganze Handlung beschränkt sich auf drei Tage: den Tag vor der Hochzeit der gemeinsamen Tochter, die Hochzeit selbst und den Tag danach. Es passiert wenig Großes und viel Kleines. Besonders geliebt habe ich natürlich, dass eine Tierschutz-Katze hier ein ganz bestimmtes Herz gewinnt. ❤️

Weder Schreibstil noch Handlung sind sonderlich romantisch und trotzdem war das Lesen eine absolute Wohltat. Die Autorin lässt Raum für Figuren, die Fehler machen; Raum für Überlegungen, Scheitern, Zusammenfinden, Gemeinsamkeiten und Konflikte. Ich fand vor allem den subtilen Humor zwischen Gail und Max einfach nur herzerwärmend und habe an einigen Stellen ordentlich lachen müssen, obwohl es kein Humor ist, der mit einem großen Gong daherkommt. Stattdessen sind es einfach die Feinheiten, mit denen sich die beiden aufeinander beziehen und trotz der Trennung vor vielen Jahren einfach so gut kennen wie kaum jemand sonst.

Ein Buch mit einer leisen Handlung, unvergleichlich präziser Sprache und ganz viel Liebe für seine Figuren, die bereits Einiges an Lebenserfahrung mitbringen. Ich habe jeden Satz geliebt!

Bewertung vom 09.01.2025
Donnerstags im Café unter den Kirschbäumen
Aoyama, Michiko

Donnerstags im Café unter den Kirschbäumen


weniger gut

Nach dem Vorgängerroman bin ich leider ziemlich enttäuscht

Ich habe "Frau Komachi empfiehlt ein Buch" wirklich geliebt und wollte deshalb natürlich das neue Buch der Autorin lesen. Doch auch, als ich mich an den Kurgeschichten-Stil gewöhnt hatte, konnte es mich leider nicht begeistern.

Zum einen finde ich den Klappentext mehr als irreführend, vor allem mit dem vorherigen Buch im Hinterkopf. Es wird meiner Auffassung nach suggeriert, Wataru und das Café spielen eine zentrale Rolle. Aber Wataru ist nur eine Figur von vielen und das Café taucht zwar immer mal wieder auf, konnte für mich aber nicht als wichtiges Element überzeugen (im Kontrast zur Bücherei im Vorgängerroman). Auch, dass es eher zart miteinander verwobene Kurzgeschichten sind, hatte ich nicht erwartet.

Die einzelnen Kapitel sind wirklich sehr kurz. Dadurch lassen sie sich zwar gut lesen, aber mir fehlte an vielen Stellen der Tiefgang. Und dann waren es schlicht viel (!) zu viele Figuren. Eine immer mit mindestens einer anderen verwoben, was ich eigenlich wirklich sehr mag, aber bei der schieren Menge an Charakteren ist es schwer, am Ende noch durchzublicken. Außerdem fühlten sich einige Verbindungen für mich zu konstruiert und die Weisheiten irgendwie platt an.

Mir waren die Figuren auch insgesamt zu wenig divers, muss ich sagen. Sie leben zwar teils an verschiedenen Orten und sind unterschiedlich alt, aber scheinen alle charakterlich sehr ähnlich zu sein. Eine Stelle gleich zu Beginn ist mir zudem sehr aufgestoßen, als einem Charakter gleich klar ist, dass die Frau seiner Begierde offensichtlich keine Liebesbriefe schreibt, weil diese an eine andere Frau addressiert sind - alles klar... 🙄

Eine schnelle Lektüre, die mich an eine andere berühmte Café-Reihe erinnert hat, zu der ich ähnlich ablehnend stehe. Wer so etwas aber prinzipiell mag und keinen langen Text lesen möchte, wird hier vielleicht besser zurechtkommen als ich. Für mich bleibt der Nachfolger weit hinter dem ersten Buch zurück. 💔

2,5 ⭐️