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Benutzername: 
meany
Wohnort: 
Seligenstadt

Bewertungen

Insgesamt 107 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2024
Warte auf mich am Meer
Neff, Amy

Warte auf mich am Meer


ausgezeichnet

Das Gewicht derer, die wir zurücklassen

Genauso wie die Kinder hätte ich wahrscheinlich auch auf die schockierende Mitteilung meiner Eltern reagiert, hätten sie mir eröffnet, gemeinsam freiwillig aus dem Leben scheiden zu wollen.

Schon von frühester Jugend an zog es Joseph, den Bodenständigen aus kleinen Verhältnissen, hin zu Eveline, der höheren Tochter mit musikalischen Ambitionen. Als sie ihren Entschluss verkünden, setzt das in der ganzen Familie einen Prozess in Gang, das eigene Leben zu überdenken.

In Rückblenden entwickelt Neff die lange verschlungene Lebensgeschichte der beiden und ihrer drei Kinder, wobei sie auch innerhalb der Kapitel Brüche einbaut, um unterschiedlichen Perspektiven gerecht zu werden. Die Episoden ranken sich um allerlei Krisen, die deren panische Verlustangst erklären, so z.B. den Tod von Evelines Bruder im Krieg und ihr Verzicht auf eine Pianistenkarriere den Kindern zuliebe. Das sie immer wieder zusammenfinden, liegt an ihrer unendlichen Zuneigung zueinander, um die sie die Kinder direkt beneiden, weil sie sich nach so etwas lange vergeblich sehnen. Dabei bedeutet eine gelungene Beziehung nicht, dass der Himmel unentwegt voller Geigen hängt, sondern dass man die aufkommenden Schwierigkeiten erfolgreich bewältigt.

Sehr bildhaft und poetisch beschreibt Neff die zauberhafte Natur Neuenglands, aber besonders auch die emotionalen Zustände, die sich gegen Ende in einer Art und Weise steigern, die nüchternen Gemütern eventuell zu dick aufgetragen erscheinen können.

Wer resultierend aus der Inhaltsangabe einen Thesenroman über selbstbestimmtes Sterben erwartet, wird enttäuscht werden: dieser Roman ist ein überwältigender Hymnus auf die Kraft einer lebenslangen Liebe.

Bewertung vom 09.07.2024
Mein Wildpferd und ich / Forever Bd.1
Luhn, Usch

Mein Wildpferd und ich / Forever Bd.1


gut

Nachts im Wald

Die vielbeschäftigte, erfahrene Kinderbuchautorin weiß, wie man's macht: Internatsgeschichten sind schon seit "Hanni und Nanni" der Hit, und Pferdebücher garantieren einen lohnenden Absatz bei Schülerinnen. Und schreiben kann sie durchaus: der Aufbau der Szenen mit einer Binnenspannung, die Gestaltung der größtenteils sympathischen Charaktere, die eingeflochtenen Informationen über Pferdehaltung und das Reiten lassen keine Wünsche offen.

Beim Lesen hat es mich bis auf die sehr ästhetisch gestalteten Illustrationen kaum einmal mit irgendetwas überrascht. Es ist eine ziemlich konventionelle Jugenderzählung mit den altbekannten Beziehungskisten und Polarisierungen. Für Herz und Schmerz ist reichlich gesorgt: unter den Mädchen geht es gefühlvoll zu, im Zusammenhang mit Lorenz knistert es auffällig unterschwellig, und Annis Sehnsucht nach dem vermissten Ponyherz (warum wird er grammatikalisch falsch immer im Maskulinum angeredet?) mutet an wie eine dramatische Lovestory.

Den Anspruch auf irgendwelche Literaturpreise wird Luhn gar nicht erheben, aber das Buch ist gefällig genug, um seine dankbaren Leserinnen zu finden.

Bewertung vom 03.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


ausgezeichnet

Wie macht man einen Fünf-Sterne Mickey Finn?

Mit diesem Buch halte ich ein amüsantes, elegant geschriebenes Kleinod in der Hand, mehr Novelle als Roman schon aufgrund des Umfangs und der überschaubaren Berichtszeit. Aber wieviel Vergnügen hat mir diese Lektüre bereitet!

Wie ein Phantom taucht die rätselhafte Eve im Zug nach L.A. auf und lässt so manchen Menschen, denen sie begegnet, in temporären Krisen sehr gewieft kleine Wohltaten angedeihen. Im Nu hat sie sich im Milieu der Filmschaffenden gut vernetzt und besonders der jungen Schauspielerin Olivia de Havilland unentbehrlich gemacht. Unterwegs hat sie noch den abgehalfterten Schauspieler Prentice und den pensionierten und verwitweten Polizisten Charlie aufgelesen, die auch Gelegenheit erhalten, eine maßgebliche Rolle zu spielen. Einzelheiten über ihre Vergangenheit in New York gibt sie nur zögerlich und bruchstückhaft preis, aber sie spinnt ihre Fäden trickreich und gewitzt, die ihr schon bald zugute kommen, als es gilt, einen Skandal um heimlich aufgenommene Nacktfotos der Newcomerinnen diskret zu bereinigen - denn das würde das Ende der kaum begonnenen Filmkarriere bedeuten: Me too in den Dreißigern!

In filmreifen Szenen voller Situationskomik greift das von ihr eingefädelte Räderwerk ineinander, dass einem als Leser schier schwindlig wird. Am Ende jedes Kapitels lässt einen eine geschickt platzierte Pointe innehalten und nachdenken, damit man nicht den Überblick verliert. Das erfordert einige Konzentration, macht aber viel Spaß, zumal Towles das alles in einer leichtfüßigen, ironischen Tonlage und mit einem Augenzwinkern erzählt.

Bewertung vom 28.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


weniger gut

Ein leutseliger Mann

Die dem Buch zugrunde liegende Intention finde ich spannend: del Buono rollt den unglücklichen Tod ihres Vaters durch einen Autounfall Jahrzehnte später auf und bildet anhand dessen die Familiengeschichte und ihr gesellschaftliches Umfeld ab.

Leider wird die Autorin ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, obwohl sie akribisch recherchiert und in einem gewandten Stil schreibt. Das eigentliche Thema gibt wohl nicht ausreichend Fülle für die an sich mageren 200 Seiten her, so dass sie es mit allerhand Betrachtungen aufbläht, die ich teilweise deplaciert finde, z.B. die masturbierende Zweijährige im Zug.

Das Ganze wirkt auf mich wie das Ergebnis eines Brainstormings, denn die Gedanken sind nicht in Kapitel unterteilt, sondern in verschieden lange Abschnitte, was auf mich einen willkürlichen Eindruck macht. Erst auf Seite 128 kommt sie langsam zu Ergebnissen, mit den greifbaren Inhalten fällt mir auch die Lektüre leichter, aber diese bewegen sich dann doch allzusehr im spekulativen Bereich, z.B. über die Homosexualität. Da helfen mir dann auch keine "metaphysischen Ereignisse" über diese Kluft hinweg.

Die charmanten Gedankenreisen, die ich bei Capus und Geiger so schätze, haben hier bei mir nur einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Deshalb kann ich das Buch trotz des Lobs prominenter Schriftsteller nicht guten Gewissens empfehlen.

Bewertung vom 25.06.2024
Mord stand nicht im Drehbuch
Horowitz, Anthony

Mord stand nicht im Drehbuch


ausgezeichnet

Im Wettlauf mit den Forensikern

Alle Bände dieser Reihe habe ich jetzt bereits gelesen, weil ich einfach dieses englische und speziell Londoner Flair liebe, und habe ausgehalten, dass mir doch die Interaktionen zwischen dem Detektiv Hawthorne und seinem Schreiber Horowitz einigermaßen auf die Nerven gehen - ich könnte locker darauf verzichten. Umso positiver hat es mich dann erstaunt, dass sich diese ständigen Kabbeleien im vorliegenden Band sehr in Maßen hielten und ich mich jetzt an einem ganz klassischen Krimi à la Agatha Christie erfreuen konnte mit einem fest eingegrenzten, genau definierten Personenkreis und Ermittlungen hauptsächlich durch das Vernehmen der Verdächtigen und der Zeugen.

Alles kreist um zwei zentrale Fragen: wer ist der Täter, und warum belastet er ganz gezielt Anthony Horowitz? Das Spannende in der ganzen Geschichte sind die unterschiedlichen Facetten, die sich beim Interview all der Beteiligten herauskristallisieren: je nach Perspektive stellt sich die Materie ganz anders dar, und dabei weiß man noch gar nicht, in welchem Umfang gelogen wird. Bei einer Vorortrecherche ergibt sich dann irgendwann noch ein totaler Wendepunkt, und mit dem neuen Spin kommt noch einmal richtig Bewegung in die Story.

Augenzwinkernde Andeutungen auf seine Jugendkrimis und Bezüge auf Literatur und Film machen Spaß. Meiner Ansicht nach kommt Horowitz immer mehr in Fahrt, und ich freue mich, dass er den Vertrag unterschrieben hat.

Bewertung vom 17.06.2024
Krähentage
Cors, Benjamin

Krähentage


sehr gut

Schaut nach oben

Das Charakteristikum von Psychothrillern sind die mentalen Deformationen der Täter, denen nicht selten solche der Ermittler gegenüberstehen. Die Logik dessen zu enträtseln macht ein Gutteil der Spannung aus, man blickt gerne den Profilern über die Schulter.

In diesem Fall haben aber auch die Kommissare offensichtlich ihre Leichen im Keller, die sich mit den außerordentlich grausamen Morden zu einem düsteren Amalgam vermischen.

Ein klassischer Whodunnit-Krimi ist das nicht, der Täter wird frühzeitig bekanntgegeben, und Cors treibt ein perfides Spiel mit den Lesern, indem er die Bahnen der konträren Parteien manchmal fast zur Berührung bringt.

Das hat mich über eine lange Strecke atemlos bei der Stange gehalten, zumal dieser Autor eine fesselnde Atmosphäre erzeugt, vorausgesetzt, man nimmt an dem allgegenwärtigen Ekelfaktor nicht allzusehr Anstoß. Die Charakterisierungen konnten mich überzeugen, aber irgendwann im letzten Drittel kippte meine Bereitschaft zur Identifikation und ich nahm ein dramaturgisches Gerüst wahr, das mich zunehmend störte bis zum Schluss, der mir etwas konstruiert erschien.

Trotzdem bereue ich die Lektüre des überdurchschnittlich durchkomponierten Thrillers keineswegs.

Bewertung vom 13.06.2024
Treibgut
Brodeur, Adrienne

Treibgut


ausgezeichnet

Das Leben liegt in den Details

Voller Elan und Zuversicht stürzen sich Vater Adam und seine beiden erwachsenen Kinder in die Herausforderungen der kommenden Zeit. Die bildende Künstlerin Abby wird von einem führenden Magazin promoted, eine Ausstellung steht kurz bevor. Ihre Schwangerschaft hält sie noch geheim. Der erfolgreiche Unternehmer Ken denkt über einen Einstieg in politische Ämter nach als Krönung seiner Laufbahn, im Wahlkampf des Sommers 2016, als noch alles offen ist zwischen Clinton und Trump. Der bipolare Naturwissenschaftler Adam jongliert mit seiner Medikation, da ihm während der manischen Episoden ganz erstaunliche Erkenntnisse über den Walgesang ereilen.

In kurzen Kapiteln erhellt Adrienne Brodeur die jeweiligen Perspektiven, und wie in den Facetten eines geschliffenen Kristalls bündelt und bricht sich das Licht, bis die Leser bald erkennen, welche "Leichen im Keller" da untergründig wühlen.

Schließlich kommt auch noch die Bostoner Polizistin Steph ins Spiel - wie ein Katalysator, denn schnell wird klar, dass ihre Eröffnungen die ganze Familie kräftig durcheinanderschütteln werden.

Und so bereiten sie mehr oder weniger für sich Adams siebzigsten Geburtstag vor.

Die einzelnen Szenen sind präzise komponiert und charakterisieren die Personen glaubhaft und mit einer Prise Humor. Wie die Ereignisse ineinandergreifen, ähnelt einer Screwball Comedy und gewinnt gegen Ende immer mehr an Fahrt. Ich habe den Roman gelesen als Unterhaltungsliteratur im besten Sinne des Worts, amüsant, aber nicht seicht, und kann ihn gern weiterempfehlen.

Bewertung vom 11.06.2024
Geheimauftrag für Ninja Komo - lesen lernen mit dem Leseraben - Erstlesebuch - Kinderbuch ab 6 Jahren - Lesenlernen 1. Klasse Jungen und Mädchen (Leserabe 1. Klasse)
Thilo

Geheimauftrag für Ninja Komo - lesen lernen mit dem Leseraben - Erstlesebuch - Kinderbuch ab 6 Jahren - Lesenlernen 1. Klasse Jungen und Mädchen (Leserabe 1. Klasse)


ausgezeichnet

Die Nacht ist der Freund des Ninja

Ninjas stehen momentan hoch im Kurs bei den Kids, denen man schon etwas bieten muss, damit sie sich gerne im Lesen üben. Wenn sie am Ende der ersten Klasse alle Buchstaben beherrschen, sind sie in der Lage, dem Text dieses Buches zu folgen.

Noch überwiegen die Bilder: mehr niedlich als cool, aber ästhetisch und aussagekräftig. Direkte Rede hat der bekannte Autor Thilo in Sprechblasen verpackt. Die angenehm groß gedruckte Fibelschrift wird den Kindern keine Schwierigkeiten bereiten, die Story ist trotz ihrer Kürze ausreichend anspruchsvoll, um die Neugier zu wecken, damit die kleinen Leser bei der Stange bleiben. Mit Rätseln und Übungen überprüfen die Jungen und Mädchen ihre Lernfortschritte.

Von dieser Sorte Kinderbücher kann man gar nicht genug anbieten, bis die Schülerinnen und Schüler begreifen, wieviel Spaß Bücher machen.

Bewertung vom 09.06.2024
Verräterisches Lavandou / Leon Ritter Bd.10
Eyssen, Remy

Verräterisches Lavandou / Leon Ritter Bd.10


ausgezeichnet

Ein Killer auf der Flucht

Einem entspannten Urlaub in idyllischer Landschaft setzt doch ein nervenaufreibender Thriller das I-Tüpfelchen wohligen Schauderns auf. Das ist das Erfolgsrezept von Martin Walker, Jean-Luc Bannalec und eben auch Remy Eyssen.

Für ein wohliges Schaudern sind die Grausamkeiten eines (oder gar mehrerer) Mörders reichlich krass - verfilmt möchte ich mir das gar nicht anschauen. Ansonsten stimmt für mich alles: auf jeden Fall funktioniert der Krimi als solcher in der Logik der Ermittlungen und der Erschwernisse, verursacht durch Situation (Aufenthalt des Staatspräsidenten), interne Querelen (Karrierestreben des Chefs) und Begleitumstände (immer wieder die aufdringliche Presse). Die in der Serie fest verankerten Protagonisten Leon Ritter, Gerichtsmediziner, und Isabelle Morell, Capitaine de Police, laden ein zur Identifikation. Die Schauplätze sind so authentisch geschildert, dass man meint, sie mit Google Maps abfahren zu können.

Mit der Wahl dieses Romans macht man nichts verkehrt, egal wohin einen die Urlaubsreise führt.

Bewertung vom 29.05.2024
Keine Spaghetti sind auch keine Lösung
Neumayer, Silke

Keine Spaghetti sind auch keine Lösung


gut

Ein Catering für eine Beerdigung - una bella compania

Warum nicht? Muss man denn traurige Ereignisse wie den Tod einer Freundin nur in schwarzen Farben nachzeichnen? Und haben Binsenweisheiten nicht auch einen wahren Kern?

Den Alltag von drei Freundinnen erschüttert der Tod der vierten gründlich, indem er Handlungsbedarf einfordert, der einen längeren Aufenthalt in der Toscana erforderlich macht. Ein lachendes und ein weinendes Auge also bei den ehemaligen Schulkameradinnen, die mittlerweile etwas in die Jahre gekommen, aber lange noch nicht jenseits von Gut und Böse sind. In einer so existenziellen Situation denkt man schon einmal über die Sinnhaftigkeit des bisherigen Lebens nach.

Die südliche Sonne begünstigt das Liebesleben ganz allgemein, sorgt jedoch auch für heftige Verwicklungen. Dahinter verblasst direkt die Frage, was sie mit dem geerbten Haus der verblichenen Amelie anstellen sollen. Die Angelegenheit eskaliert, und schließlich kriechen die Leichen aus dem Keller, was das reinste Purgatorium initiiert.

Nachdem die Handlung fast 200 Seiten lang geplätschert ist, baut sich wie aus dem Nichts eine Klimax auf, die die Beziehung der drei auf eine harte Probe stellt - und von da an wird es spannend, wobei die kurzen Kapitel jeweils aus der Perspektive einer Protagonistin der Geschichte einen gewissen Drive verleihen. Am Ende geht es Schlag auf Schlag und es schürzen sich die Knoten.

Ein leichter Sommerroman für den Urlaub.