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BücherändernLeben
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Alt Ruppin

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Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 17.09.2024
Munk
Weiler, Jan

Munk


ausgezeichnet

Selbstreflexion führt zum wahren Ich

Mit 51 Jahren klappt Peter Munk zusammen. Herzinfarkt. Herz-OP. In der Reha-Einrichtung beginnt er ein Gespräch mit seinem Psychologen und dann heißt es für den Patienten so richtig an sich zu arbeiten.

Mit Anfang 50 hatte ich selbst meine große Herz-OP und wenn man dann wochenlang im Herzzentrum zubringt, dann hat man genügend Zeit um über sich und das Leben nachzudenken. Von daher war ich sofort drin in dieser Geschichte und konnte mich immer wieder gut in den Protagonisten hineinversetzen. Jan Weiler hat mit seinem Peter Munk einen Protagonisten erschaffen der für mich absolut glaubwürdig ist und der vor allem jetzt die Aufgabe von seinem Psychologen bekommt, wichtige Personen aus seinem Leben auf einen Zettel zu schreiben.

Peter Munk, ist zwar als Architekt erfolgreich, aber sonst steht er allein im Leben da. Jetzt schreibt er die Namen aller 14 Frauen auf zu denen er bisher eine Beziehung unterhielt. Als Leser erlebe ich nun mit, wie Peter Munk sich an jeder einzelnen Dame abarbeitet. Das wird keinesfalls langweilig. Ich erfahre sehr viel über den Protagonisten. Mehr als ein mal nimmt er seinen ungeliebten Vater dabei ins Visier und schrecklich und wohl überraschend stellt er plötzlich fest, dass er zumindest manchmal wie sein Vater ist.

Das Ende dieses Romans gefällt mir nicht und der Leser wird nach seiner eigenen Lektüre erfahren warum dies so ist, aber ein Roman ist halt kein Wunschkonzert. Jan Weiler hat einen Roman geschrieben, der auch für Leser mit gesundem Herz äußerst lesenswert ist!

4 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2024
Die Täuschung
Lohse, Eckart

Die Täuschung


ausgezeichnet

Gut, dass es kein Merkel-hau-drauf-Buch geworden ist.

Gerade nach dieser Lektüre fühle ich mich dazu ermuntert, dem Leser mitzuteilen, dass ich dieses Buch als Ossi gelesen habe. Ich trauere der ostdeutschen Kanzlerin in keinster Weise nach, aber ich finde es auch ziemlich ungerecht wenn heute viele Menschen vermeintliche Schuld auf sie schieben.

Da bin ich doch positiv überrascht mit welcher Sachlichkeit und mit welcher Offenheit Eckhart Lohse über unsere 16 Jahre mit Angela Merkel schreibt. Es gibt so viele Themen über die man heute reden könnte und wo man Angela Merkel heute fragen könnte: Warum haben sie nicht anders entschieden? Aber all das würde nicht viel bringen. Der Autor grast zwar viele Themen ab, zeigt sehr gut auf das Versagen der Altkanzlerin und vielleicht in einigen Fällen auch, auf ihr nicht sehen wollen.

Aber Eckart Lohse beschreibt auch, dass es uns Deutschen doch eigentlich ganz gut während dieser 16 Jahre ging. Russisches billiges Gas kam, die Bankenkrise hatten wir gut gemeistert und weil es unserer Wirtschaft damals so gut ging, kamen wir vergleichsweise ungeschoren aus der Corona-Krise heraus. So bewies Angela Merkel vielleicht doch Stärke im verwalten?

Aber vieles was sie eben einfach unterlassen hat, muss ich mir hier auch anhören und kann dem Autor nur eingestehen: Ja, da haben Sie wohl recht.

Besonders spannend fand ich, eben als Ossi, die Passagen, in denen Lohse über die Ostdeutsche schreibt und wie dann zum Ende der Merkel-Regierungszeit deutlich wird, wie sie sich als Ossifrau im Politikbetrieb gefühlt hat. Dieses Buch macht für mich in sehr ehrlicher Weise deutlich, dass noch lange nichts wirklich zusammengewachsen ist in Deutschland und das bislang in dieser Richtung auch nichts geschehen ist. Noch immer blickt der kluge Wessi auf seinen ostdeutschen Bruder hinab.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2024
Planet Aqua
Rifkin, Jeremy

Planet Aqua


ausgezeichnet

Schlafen wir weiter ???

Von Anfang an haben wir Menschen den biblischen Auftrag uns die Welt Untertan zu machen, falsch verstanden, so gut wie alles haben wir falsch gemacht. Entweder weil wir zu raffgierig waren oder weil wir es nicht besser wussten. Jeremy Rifkin spricht jetzt Klartext und für mich ist sein Buch wirklich ein Augenöffner der mich noch lange Zeit nicht loslassen wird.

Sehr anschaulich beschreibt der Zukunftsforscher wie unser Planet Wasser sich ständig verändert und wie er schon in wenigen Jahrzehnten aussehen könnte. Meeresspiegel werden steigen und Menschen in ihrer Existenz bedrohen. An anderen Orten werden lebensspendende Flüsse austrocknen, was gewaltige Migrationszüge nach sich ziehen wird. Wenn ich mir all diese Nachrichten und Informationen durch den Kopf gehen lasse wird mir Angst und Bange, auch wenn ich diese Zeiten wohl nicht mehr erleben werde, für meine Kinder bereits wird dies Realität sein.

Einiges was ich hier zu lesen bekomme, wusste ich bereits, anderes war mir neu. Hier alles in geballter Ladung zu erfahren und vor allem gesagt zu bekommen, dass in rund 80 Jahren unser Planet Wasser grundlegend lebensfeindlicher sein wird, weil wir ihn so ausgebeutet haben, dies macht zutiefst betroffen.

Rifkin kann von vielen Fachgebieten berichten: Sind wir Menschen nun ein Produkt aus dem biblischen Staub oder sind wir tatsächlich Wesen aus dem Wasser? Er kommt hier mit neuen Ergebnissen aus der Wissenschaft und die lesen sich höchst spannend . . .

Aber über allem steht das Problem Wasser. In Amerika werden heute Talsperren abgebaut auf die man vor 100 Jahren stolz war. Inzwischen hat man erkannt, dass man Wasser nicht einsperren darf, völlig egal wo und wie. Wasser ist unser wichtigster Begleiter auf Erden. Wenn wir überleben wollen, müssen wir ein neues Verhältnis zum Wasser und zu unserem Planeten überhaupt aufbauen. Ich lese Rifkin und sage ihm ständig: Ja, du hast recht, aber ich sehe nicht wie die Menschheit handelt.

Der Autor macht hier nicht auf Weltuntergangspropheten, aber er nimmt auch kein Blatt vor den Mund. Er beschreibt unseren Ist-Zustand, er sagt wie es so weit kommen konnte und er sagt sehr genau was sofort zu geschehen hat, will die Menschheit nicht in den Abgrund stürzen.

Bewertung vom 04.09.2024
Das gespaltene Indien
Mody, Ashoka

Das gespaltene Indien


ausgezeichnet

Hoffnung macht dieses interessante Buch nicht

Liest man das Buch von Ashoka Mody kommt man schnell zu der Erkenntnis: Ja es ist ein zutiefst gespaltenes Land und die Gräben werden jährlich tiefer, keins der wichtigen Probleme des Landes wird angepackt. Egal wohin man schaut herrschen Korruption und Schlamperei.

"Eine alarmierend große Zahl indischer Parlamentarier ist mit dem organisierten Verbrechen verbunden." lese ich hier und glauben Sie mir, dies ist nur ein Zitat von vielen, die mich zutiefst erschrecken und auch traurig macht. Beim Lesen sehe ich ständig ein Land vor mir welches gefühlt direkt vor dem Abgrund steht.

Das Buch lebt von seiner Vielzahl an Beispielen aus dem indischen Alltag. Egal ob man in die Hauptstadt schaut oder in einzelne Regionen: Wer sich um Ehrlichkeit bemüht wird bestraft. Ich sehe ein Land vor mir, welches mit zwei großen Anläufen mit der Demokratie nichts anzufangen wusste und nun in die Autokratie steuert.

Ashoka Mody fordert zwar immer mal wieder Bürgersinn und demokratisch engagierte Behörden, aber diese Wünsche werden durch den durch und durch korrupten Alltag so gut wie ungehört verhallen. Es gibt keine ernst zu nehmende Opposition, es gibt keinerlei Erfahrungen mit demokratischen Spielregeln . . . .

Ein hochinteressantes Buch. Man fragt sich nach der Lektüre besorgt; Was wenn Indien in den völligen Abgrund rutscht ???

Bewertung vom 02.09.2024
Brief in der Nacht
Polak, Chaja

Brief in der Nacht


ausgezeichnet

"Denn das geht nicht, was Israel jetzt tut."

Je nachdem welcher politischen Seite Sie sich zugehörig zählen, werden Sie dieses Büchlein mögen oder eben nicht. Für mich und mein Empfinden beschreibt Chaja Polak hier sehr offen von der schwierigen Lage in Nahost. Sie gehört nicht zu den großen Israelfanatikern, die dieses Buch nicht einmal anschauen, sie steht aber auch nicht auf der Seite der Palästinenser.

Vorsichtig äußert sie ihre politische Meinung. Chaja Polak macht deutlich wo man in der Betrachtung dieses neuen Krieges mit einer Bewertung beginnen muss. Auf alle Fälle muss über den Sechstagekrieg gesprochen werden und auch über die Siedler die ihr Glück auf geraubtem Land suchen.

Die Holocaustüberlebende Chaja Polak erzählt davon, wie sie erzogen wurde. Erst ist ein jeder Mensch und erst dann ein Jude oder ein Palästinenser. Bei so einer humanistischen Haltung ist es nicht so schnell möglich nur Krieg als Lösungsmittel von Konflikten für möglich zu halten.

Die Autorin sagt viele kluge Sätze in ihrem Büchlein. Sie wird diesen Krieg damit nicht beenden können, aber vielleicht wird sie den einen oder anderen Leser, der selbstverständlich bereits seine eigene Meinung hat, noch einmal zum Nachdenken anregen können. Mir war diese Lektüre sehr hlfreich. Vielen Dank Chaja Polak.

Bewertung vom 28.08.2024
Unsere Zeit der Wunder
Sparks, Nicholas

Unsere Zeit der Wunder


ausgezeichnet

Wunder gibt es immer wieder

Von Nicholas Sparks habe ich bereits viel gelesen, aber "Unsere Zeit der Wunder" gehört für mich zu seinen besten Romanen. Er erzählt gleich zwei Storys in einer und gegen Ende steigt die Spannung, man mag das Buch nicht mehr aus der Hand geben und alle Puzzleteile fügen sich wie ein Wunder plötzlich zusammen.

Tanner hat einige Jahre in Afrika gearbeitet. Als er nach Amerika zurückkommt, liegt seine Großmutter im Sterben. Er ist bei seinen Großeltern aufgewachsen, kennt seine Eltern nicht, jetzt eilt er zu seiner Großmutter, um in ihren letzten Wochen bei ihr zu sein. Bereits auf dem Sterbebett liegend flüstert sie Tanner den Namen seines Vaters zu . . .

Und Pustekuchen, es beginnt keine wilde Detektivarbeit in der Tanner nach seinem Vater sucht. Nicholas Sparks beginnt in aller Seelenruhe eine neue Geschichte zu erzählen und lässt mich erst mal zappeln.

Der unstete Tanner, der als Erwachsener noch nie so richtig eine eigene Wohnung hatte, trifft plötzlich auf Kaitlyn. Sie ist Ärztin und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Tanner verliebt sich sofort in sie, aber er hat bereits seine nächste Stelle in Afrika angenommen . . .

Für mich war dieser Roman mit seiner berührenden Story ein wundervolles Leseereignis. Beim nächsten Roman sollte der Verlag allerdings den Korrekturleser austauschen bzw. ihm eine Lesebrille finanzieren, damit er auch die letzten Fehler im Manuskript findet.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2024
Freiheitsschock
Kowalczuk, Ilko-Sascha

Freiheitsschock


ausgezeichnet

Ohne Freiheit gibt es keinen Frieden

Was Ilko-Sascha Kowalczuk hier vorlegt, ist eine glasklare Analyse der politischen Gegenwart in den neuen Bundesländern. Mir kommt sehr entgegen, dass der Autor selbst Ossi ist und ich mir nicht von einem Wessi meine Vergangenheit und Gegenwart erklären lassen muss.

Gleich zu Anfang teilt der Historiker kräftig aus. Er kritisiert Katja Hoyer und Christina Morina und ich verstehe diese Kritik und sage: Ja, recht hast du. Das Dirk Oschmann ebenso die Prügel des Autors abbekommt, gefällt mir nicht und ich kann es nicht so recht verstehen, weil ich im Verlauf der Lektüre immer wieder denke; soweit seid ihr beiden gar nicht auseinander.

Die friedliche Revolution vom Herbst '89 ist bereits Jahrzehnte Geschichte und immer noch schwärmen und sehnen sich viele Ossis zurück ins warme Nest. Gegen die Verklärung beschreibt Ilko-Sascha Kowalczuk hier sehr gut, wie die Revolution verlaufen ist, selbst darüber gibt es inzwischen die verrücktesten Legenden. Faktisch ist es so: Die DDR war kein Land voller Revolutionäre, wie schreibt der Autor sehr schön: "Normalbürger aber blieben hinter den Gardinen stehen und warteten ab." Erst in der Nacht der Maueröffnung kamen die Massen auf die Straßen und passierten die Grenze westwärts.

Besonders spannend wird es im Buch dort, wo Ilko-Sascha Kowalczuk das Entstehen und das Erstarken der AfD in Ostdeutschland erklärt. Für mich sind seine Ausführungen perfekt und genau so nachvollziehbar, denn ich war dabei.

Der Historiker schreibt: "Anerkennung stellt eine oft unterschätzte Vorbedingung für gelebte Freiheit dar." Dies scheint mir der wichtigste Satz im Buch zu sein. Die meisten Ossis fühlen sich bis zum heutigen Tag vom Westen nicht anerkannt, sie fühlen sich unterlegen, also rebellieren sie mithilfe der AfD.

Man merkt Ilko-Sascha Kowalczuk an, dass er die DDR selbst erlebt hat und genauestens weiß, wovon er schreibt. Er erzählt auch von seiner Familie und gibt Geschichten preis, die zeigen wie das Leben auch aussah. Ilko-Sascha Kowalczuk sagt es selber in seinem Buch: Die Ossis, die inzwischen Fans der AfD oder auch der BSW geworden sind, werden dieses Buch bestimmt nicht lesen, aber für mich und hoffentlich viele andere Leser ist dieses Buch spannend und zeitweise fühle ich mich zurückversetzt in die Ereignisse der Wendezeit. Gut, dass der Autor die Gegenwart mit in sein Buch hinein genommen hat.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.08.2024
Das wiedergefundene Licht
Lusseyran, Jacques

Das wiedergefundene Licht


ausgezeichnet

Ein altes Buch, passend für unsere Gegenwart

Jacques Lusseyran erzählt in seinem zutiefst berührenden Buch seine Geschichte. Der blinde Junge verliert mit 8 Jahren sein Augenlicht. Jahre später kommt er ins KZ Buchenwald. Er leitet eine Widerstandsgruppe und sein fehlendes Augenlicht hindert ihn nicht daran, Dinge glasklar zu sehen, die Andere nie sehen.

Das Buch ist Jahrzehnte alt, es wurde immer mal wieder aufgelegt. Nun ist es in einer neuen Übersetzung von Uta Schmalzriedt noch einmal erschienen. Ein Blick in die politische Gegenwart macht schnell klar, wie wichtig dieses Buch auch in unserer Gegenwart wieder ist.

Dieses Buch lebt von den klugen Beschreibungen Jacques Lusseyrans. Man muss es einfach gelesen haben um zu kapieren wie es ist berührt und zutiefst ergriffen zu sein. Der Autor ist stark und hat einen erstaunlichen Willen zu Leben und zum Widerstand. Viele seiner Freunde überleben nicht.

Mit dem Sieg der Alliierten endet der Bericht von Jacques Lusseyran. Seine Begründung finde ich wichtig: Mit allem Weiteren würde ich den Leser langweilen, aber alles was ich beschrieben habe, gehört allen Menschen. Für mich sind das starke Worte und man darf es gern auch als Aufforderung verstehen: Egal wie klein und schwach du dich auch fühlst, Widerstand kannst du immer leisten.

Später studierte Jacques Lusseyran Literatur und wurde Universitätsprofessor in den USA. Am 21. September 2024 wäre der Autor 100 Jahre alt geworden.

Bewertung vom 14.08.2024
Brennende Felder
Kaiser-Mühlecker, Reinhard

Brennende Felder


ausgezeichnet

"Schreiben ist eigentlich meine einzige Heimat."

Luisa Fischer hat bereits viele Leben angefangen zu leben. Immer wieder beginnt sie neu. Immer wieder verlässt sie eine Beziehung um eine neue zu beginnen oder auch um mal ein paar Jahre allein zu leben.

Sie wechselt nicht nur die Menschen in ihren jeweils begonnen Leben schnell wieder, sie wechselt oft auch ihre Lebensorte. Was genau ist es, was sie ständig neu beginnen lässt? Ist das, was sie führt ein unstetes Leben? Und ist sie es die es mit den Anderen nicht aushält oder ist es genau anders herum? Oder will sie einfach ihr eigenes Leben mit anderen teilen?

Alle Beziehungen in denen die Protagonistin lebte, sind nicht gerade normale Beziehungen. Was Reinhard Kaiser-Mühlecker hier beschreibt sind für mich immer wieder neue, nicht einfache Lebensumstände und ich frage mich: Soll ich mit Luisa Mitleid haben oder soll sie sich irgendwann einmal am Riemen reißen und endlich sich ihrem Leben stellen?

Für mein Empfinden hat Reinhard Kaiser-Mühlecker ein sehr kluges Buch über menschliche Nähe und Lebensentwürfe geschrieben. Luisa wächst mir ans Herz und das Romanende gefällt mir nicht, aber diesen Roman empfehle ich sehr gern weiter.

Bewertung vom 11.08.2024
Reichskanzlerplatz
Bossong, Nora

Reichskanzlerplatz


ausgezeichnet

Wer war Magda Goebbels wirklich ???

Von einer völlig außergewöhnlichen Seite, nähert sich Nora Bossong der Person Magda Goebbels. Es ist keine Biografie der ersten Dame in Hitlers tausendjährigem Reich, es ist das Porträt einer Frau, die sich verleiten lies, aus der etwas wurde und die dann in den Abgrund stürzte.

Hans, der seine homosexuellen Neigungen nicht vor dem Stiefsohn der späteren Magda Goebbels verheimlichen konnte oder auch nicht wollte, kommt nach dem Tod seines Schulfreundes Magda immer näher . . .

Und so begleite ich Hans und Magda rund 20 Jahre lang durch ihr Leben und dies ist geprägt vom Verfall der Weimarer Republik, Hitlers Größenwahn und dessen Abgesang. Das Wesentliche in diesem Roman ist für mich wie die Autorin aufzeigt, wie Menschen sich positionieren, wie weit sie sich mit dem neuen tausendjährigem Reich identifizieren. Magda schwenkt um und wird zur glühenden Anhängerin von Hitlers Visionen. Hans wird zum Mitläufer.

Dieser Roman ist kein Sachbuch und dennoch ist er ein Musterbeispiel dafür, wie Menschen leicht zu verführen sind, wie sie bereit sind eigene bisher gelebte Werte über Bord zu werfen und wie sie auch bereit sind Widerstand zu leisten bzw. sich dem grausamen tausendjährigem Reich rechtzeitig entzogen haben. Schuldzuweisungen braucht es von Nora Bossong nicht, es reicht völlig aus, der Handlung zu folgen und ich begreife langsam, dass dieser Roman nicht nur in unserer Geschichte spielt, sondern sehr aktuelle Themen aufgreift.

Selbstverständlich ist es besonders reizvoll sich mit der Person der Magda Goebbels zu beschäftigen. Als Leser erfahre ich etwas aus ihrer ersten Ehe, viel von ihrem Denken und mir wird ein mal mehr bewusst, dass ich mit moralischen Verurteilungen zurückhaltender werden sollte. Ein jeder Mensch bringt seine Biografie mit ins Leben und diese bestimmt seinen weiteren Lebensweg. Entschuldigt wird damit nichts, aber um des besseren Verstehens willen darf man sich auch mit Porträts von Menschen beschäftigen, die aus einem politischen Sumpf kommen, dem man lieber aus dem Weg geht oder ihn politisch bekämpft.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.