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Renas Wortwelt

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Insgesamt 144 Bewertungen
Bewertung vom 10.01.2025
Tatort Hafen - Tod im Schatten der Elbflut / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.2
Kästner & Kästner

Tatort Hafen - Tod im Schatten der Elbflut / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.2


sehr gut

Dies ist bereits der zweite Band einer Reihe um Ermittlungen im Hamburger Hafen, leider habe ich den ersten Teil nicht gelesen. Das tut der Spannung und der Qualität dieses Romans aber keinerlei Abbruch
Dieser Kriminalroman, in dessen Mittelpunkt Hauptkommissar Tom Bendixen von der Wasserschutzpolizei steht, entwickelt eine hohe Dynamik auf verschiedenen Ebenen. Die vordergründigste ist das Wetter: Ein heftiges Unwetter mit Orkanstärke treibt auf Hamburg zu, die Wasserstände steigen, der Hafen muss evakuiert werden.
Da wird die Leiche eines jungen Afrikaners aus der Elbe gefischt, bekleidet mit den Overall einer bestimmten Reederei. Von dieser liegt aktuell nur ein Schiff im Hafen, so dass schnell klar ist, dass der Mann von dort kommen muss. Doch es stellt sich bald heraus, dass er kein Mitglied der Crew war, sondern ein blinder Passagier, ein „Einschleicher“. Und es bleibt nicht bei diesem einen blinden Passagier, eine Frau mit kleinem Kind wird auf dem Schiff gefunden. Schließlich wird auch noch das einzige weibliche Crewmitglied vermisst.
Eine weitere Person ist wohl offensichtlich vom Schiff geflohen und wird nun nicht nur von den Polizisten gesucht, denn der Fliehende hat einen Mord mit angesehen.
Zur Untersuchung des ersten Todesfalls kommt die Mordkommissarin Jonna Jacobi an Bord, steht aber vor einer Mauer des Schweigens, des Leugnens und der Lügen. Weiter hinzugezogen wird die Opferschutz-Mitarbeiterin Charlotte Severin, die sich um die Mutter und das Kind kümmern soll.
Charlotte wiederum hat mit heftigen eigenen Problemen zu kämpfen, sie wird von ihrem Ex, dem Vater ihrer Tochter, bedroht und muss sich vor ihm verstecken. Dieser Handlungsfaden wurde vom Vorgängerband übernommen, wo bereits Tom und Charlotte miteinander zu tun hatten und sich offensichtlich näher kamen. Tom wiederum sorgt sich um seine Frau, die nicht zu erreichen ist und daher nicht über die nötige Evakuierung informiert werden kann.
All diese Ereignisse tragen sich in einer einzigen Nacht zu, binnen weniger Stunden, in denen der Sturm zunimmt, das Wasser steigt und alle Beteiligten unter enormem Druck stehen.
Diese Beteiligten, die Protagonisten des Romans, sind sehr sympathisch und dabei durchaus lebensecht gezeichnet, mit eigenen Sorgen und Nöten und doch immer hellwach in ihrem Job. Gut beschrieben ist die hohe Belastung, unter der die Ermittler:innen stehen, physisch wie psychisch, sowie die immer mehr steigenden Herausforderungen durch das Wetter. Hier greifen die Autoren, das Ehepaar Angélique und Andreas Kästner, geschickt auf das Stilmittel zurück, Funksprüche darzustellen, die zwischen den verschiedenen Einsatzgruppen, die den Hafen sichern sollen, ausgetauscht werden. Dadurch entsteht eine enorme Dynamik, ein hohes Tempo in der Handlung.
Bis zum dramatischen Ende ahnt man wirklich nicht, wer den Mord begangen hat und den Fliehenden verfolgt. Auch so lässt sich in einem Krimi gute Spannung erzeugen. Dazu kommt ein gut und flüssig zu lesender Schreibstil.
Ein Manko aber liegt in dem, was auch gleichzeitig ein Vorteil ist: Der Autor war einst selbst Hauptkommissar am Hamburger Hafen, so dass insbesondere die Beschreibungen der Örtlichkeiten sowie der Abläufe unbedingt realistisch dargestellt sind. Was aber andererseits leider immer mal wieder zu Informationsüberfluss, sogenanntem Infodump, führt. Da werden die Gegebenheiten, wie z.B. die Rangordnung, auf einem Containerschiff beschrieben, die Zuständigkeiten der Wasserschutzpolizei und die diversen Orte im Hafen. Geschickt eingebaut werden diese durch die wissensdurstigen Fragen der Mordkommissarin an Tom Bendixen, der ihr diese Dinge dann immer gerne und ausführlich erklärt. Hilfreich erweist sich hier auch das Glossar am Ende des Buchs, das all die verwendeten Fachausdrücke erklärt. So interessant und auch durchaus wichtig solche Hintergrundinformationen sind, so reißt es doch leider auch manchmal aus der laufenden Handlung heraus.
Ebenso wie die häufig wechselnden Handlungsorte und damit auch die ebenso häufig wechselnden Protagonisten der Szenen. Einerseits ein Schachzug, durch Cliffhanger die Spannung zu erhöhen, andererseits reißt auch das aus der aktuellen Szene heraus, deren Faden man dann erst wieder finden muss, wenn die Ereignisse an der Stelle später weitergehen.
Dazu kommen ein paar Handlungsfäden, die es m.E. nicht gebraucht hätte, auch wenn ich den die einzelnen Bände verbindenden Faden erkenne. So hat mich die Geschichte um die vom Ex bedrohte Psychologin doch ein wenig gestört, denn das trug wirklich gar nichts zur Haupthandlung bei.
Aber trotz dieser recht kleinen Mängel ein fesselnder Krimi mit sympathischem Personal, der Lust auf die bereits angekündigte Fortsetzung macht.
Kästner & Kästner – Tatort Hafen: Tod im Schatten der Elbflut
Knaur, Dezember 2024
Taschenbuch, 382 Seiten, 12,99 €

Bewertung vom 08.01.2025
May Morrigans mysteriöse Morde
Black, Katherine

May Morrigans mysteriöse Morde


sehr gut

Immer um den Neujahrstag herum verschwinden 16-jährige Mädchen, um dann etwa 14 Tage später tot aufgefunden zu werden. Das geschieht in einem ansonsten beschaulichen Dorf, in welchem die ehemalige Bibliothekarin May Morrigan ein ansehnliches Landhaus bewohnt. Ihre Mitbewohner sind zwei Dackel sowie ihr ehemaliger Studienkollege Fletcher.
May, die auch ehemals eine Buchhandlung betrieb, entledigt sich gerne mal unliebsamer Mitbürger. Wer ihr oder jemandem, der ihr etwas bedeutet, querkommt, wird schonungslos eliminiert. Doch als nun wieder ein Mädchen verschwindet, wird Mays Spürsinn geweckt: Sie beschließt, den Täter zu finden und sein grausliches Tun zu beenden. Die Zeit drängt, er muss vor Ablauf der üblichen 14 Tage gefunden werden.
Währenddessen bereitet man sich in der Buchhandlung auf die Lesung der berühmten Liebesromanautorin Barbara Bouvier vor, einer guten Freundin Mays. Der jetzige Betreiber der Buchhandlung, der zwergwüchsige Bastian Lovelace, kennt sich mit Computertechnik aus und wird ein wichtiger Helfer Mays und Fletchers bei der Suche nach dem Mädchenmörder.
Fletcher schwärmt derzeit für den jungen Metzger Lee, der sich aber als große Enttäuschung erweist, als er Fletcher tödlich beleidigt. Das wiederum bekommt Lee gar nicht gut.
So gibt es mehrere Handlungsfäden, davon beschäftigt sich ein weiterer mit dem Journalisten Danny Fox, der eigentlich Karriere machen möchte, wobei ihm allerdings ein sehr unliebsamer Kollege im Weg steht. Danny beginnt ebenfalls in dem Fall der verschwundenen Mädchen zu ermitteln, an seiner Seite eine junge Frau, deren Schwester eines der entführten Mädchen kannte.
All das wird temporeich und mit ziemlich viel Witz erzählt, ohne die diversen zwischenmenschlichen Probleme wie Vorurteile, Ausgrenzung und Ablehnung zu verschweigen. Die Figuren sind allesamt recht skurril, also eigentlich typisch englisch.
Doch vieles, was sie tun, erscheint wenig plausibel oder logisch, manchmal unpassend und nicht immer unbedingt verständlich oder nachvollziehbar. Insbesondere die Handlungen Mays, der titelgebenden Hauptfigur, wirken oft überzogen, zu unrealistisch, zu dick aufgetragen.
Eine nie überführte Mörderin, die sich unliebsamer Mitbürger einfach so entledigt, ist auf den ersten Blick witzig und auch spannend, aber es funktioniert hier nicht so wirklich, es bleibt stets ein gewisses Unbehagen.
Insgesamt also ein durchaus lesenswerter, weil unterhaltsamer Kriminalroman, bei dem die Aufklärung der Tat und die Entlarvung des Täters am Ende recht überraschend daherkommen. Völlig überzeugen kann diese Protagonistin bisher jedoch noch nicht.
Katherine Black - May Morrigans Mysteriöse Morde
aus dem Englischen von Dietmar Schmidt
Lübbe, November 2024
Gebundene Ausgabe, 334 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 06.01.2025
Leise tötet der Schnee
Schmöe, Friederike

Leise tötet der Schnee


gut

Das Setting ist altbekannt aus ähnlich gestrickten Krimis: Eine überschaubare Anzahl an Figuren trifft zusammen an einem von der Außenwelt abgeschnittenen Ort, wo sogleich ein Verbrechen geschieht, für das alle in Verdacht geraten.
In Ich-Form aus der Sicht der Protagonistin Kea Laverde, von Beruf Ghostwriterin, erleben wir die Ereignisse, die sich kurz vor Weihnachten in den Tiroler Bergen zutragen. Kea, wenig trainierte Schreibtischarbeiterin, wagt sich auf eine geführte Schneeschuhwanderung. Auch die anderen Teilnehmer scheinen nicht gerade geeignet für eine solche Tour, der eine trinkt ständig, die andere ist schwer erkältet, eine plappert die ganze Zeit und eine andere lästert permanent über alle anderen. Ein explosive Mischung von Menschen, von denen einige zusammengehören, andere so tun als kennen sie sich nicht, obwohl sie durchaus miteinander bekannt sind.
Als ein völlig unvorhersehbarer Schneesturm hereinbricht, sind alle auf der Berghütte, wo eigentlich nur eine kurze Pause geplant war und wo sie auf eine zweite Gruppe treffen, eingeschneit. Weder der nahegelegene Sessellift noch Telefon oder Internet funktionieren, auch Handys haben natürlich keinen Empfang. Während des Abends brechen erwartbare Konflikte auf und am nächsten Morgen ist ein Mensch tot.
Kea fühlt sich bemüßigt, alles zu kontrollieren und zu untersuchen, sie hinterfragt, verhört, sichert Indizien, ermittelt, geht ständig trotz des Unwetters und trotz ihres eigenen Unwillens nach draußen, um den Toten zu begutachten, findet verdächtige Spuren und klärt so am Ende die Tat auf. Dabei stellen sich diverse Beziehungen zwischen den Anwesenden heraus, entscheidende Vorkommnisse aus der Vergangenheit treten zutage. Dass Kea sich bei ihren ungefragten Ermittlungen natürlich selbst in Gefahr bringt, ist erwartbar. Die Auflösung, die Aufklärung der Tat schließlich ist überraschend und war zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar, was dadurch etwas konstruiert wirkt.
Insgesamt ein recht konventioneller Krimi mit den typischen und üblichen Charakteren, dem ebenfalls typischen Setting. Spannung entsteht durchaus, wenn auch auf eher niedrigem Niveau, was auch der gewählten Ich-Form geschuldet ist. Die Handlungen und Aktionen der Protagonistin allerdings sind selten oder so gut wie nie nachvollziehbar, was die gesamte Story etwas unrealistisch oder zumindest wenig plausibel macht.
Trotz der Mängel aber ein leicht und flüssig zu lesender Kriminalroman, wenn auch mit etwas wenig Tiefgang.
Friederike Schmöe - Leise tötet der Schnee
Gmeiner, Oktober 2024
Taschenbuch, 202 Seiten, 12,00 €

Bewertung vom 03.01.2025
Der Krimidinnermord / Phyllida Bright Bd.3
Cambridge, Colleen

Der Krimidinnermord / Phyllida Bright Bd.3


ausgezeichnet

Der bisher, so finde ich, beste Band der inzwischen dreiteiligen Reihe um die mit viel detektivischem Spürsinn ausgestattete Haushälterin von Agatha Christie. Herrlich englisch, voller wunderbar skurriler Typen, mit viel unterschwelligem Humor und einer fein erzeugten Spannung.
Phyllida Bright ist Haushälterin und – im Geheimen – gute Freundin der berühmten Agatha Christie. Ihr Vorbild und Schwarm ist Hercule Poirot und wie dieser verfügt Phyllida über hohe Menschenkenntnis und ausgeprägten Spürsinn für das Verbrechen.
Welches ihr diesmal in Form des Mordes am Gastgeber eines Krimidinners begegnet. Der Arme, der das Zeitliche segnet, wollte dieses Dinner vor allem begehen, um als neu Zugezogener die Bekanntschaft der in seiner Nachbarschaft lebenden berühmten Autorin zu machen. Die jedoch statt ihrer selbst ihre Freundin Phyllida zu der Veranstaltung schickt. Bevor der Abend aber richtig beginnen kann, wird der Hausherr tot aufgefunden, was zuerst niemand bemerkt, da jeder annimmt, dies gehöre zum Krimi-Spiel.
Der anwesende Arzt findet recht schnell die Todesursache, welche eindeutig auf Mord verweist. Ein Sturm mit heftigen Regenfällen sorgt dafür, dass der Inspektor von außerhalb nicht kommen kann, so dass Phyllida, nur wenig eingeschränkt durch den örtlichen Constable, sogleich ihre eigenen Ermittlungen startet.
Natürlich haben alle geladenen Gäste hinreichend Motive, sich des Ermordeten zu entledigen. Etliche Geheimnisse kommen ans Tageslicht, nicht immer zur Freude der Beteiligten, was Phyllida am Ende auch selbst gefährlich deutlich zu spüren bekommt.
Zum Glück gibt es aber ja auch noch den Chauffeur Bradford, der immer dann zu Stelle ist, wenn man ihn braucht. Zwischen ihm und Phyllida knistert es erheblich, was für weitere große Unterhaltung in diesem kurzweiligen und überaus gut strukturieren Krimi sorgt.
Ein sehr witziger Running Gag in diesem Band ist der von Phyllida neu für den Haushalt gekaufte Staubsauger, eine gewaltige, allen bisher völlig unbekannte Neuerung. Durch die Wetterlage verzögert sich die Lieferung immer wieder, was von allen außer Phyllida herzlich begrüßt wird. Denn alle Zimmermädchen im Haushalt und auch einige der Hausdiener fürchten sich sehr vor diesem neumodischen Teufelsgerät. Das selbstverständlich im Zuge der Aufklärung des Mordes noch eine erhebliche Rolle spielen wird.
Bei aller Leichtfüßigkeit, die dieser Story innewohnt, entwickelt das Ganze hinreichend Spannung und sorgt mit Humor und vor allem dank des ganz wunderbar gezeichneten Figurentableaus voller typisch englischer Sonderlinge für beste Krimi-Unterhaltung.
Herrlich verschlungen, perfekt gelungen und das alles in typischem Agatha-Christie-Stil, ohne jedoch jemals eine bloße Kopie zu sein.
Unbedingt empfehlenswerte Krimireihe, die viel Lust auf den nächsten Band macht.
Colleen Cambridge - Der Krimidinner Mord
aus dem Englischen von Angela Koonen
Lübbe, November 2024
Gebundene Ausgabe, 364 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 30.12.2024
Der Twyford-Code
Hallett, Janice

Der Twyford-Code


ausgezeichnet

Steven Smith ist oder besser war Analphabet, das Lesen und vor allem das Schreiben fällt ihm immer noch schwer. Also verwendet er die Sprachaufzeichnungsfunktion eines Handys, um seine Geschichte festzuhalten. Doch wem erzählt er sie?
In vielen Aufzeichnungen, teils in Form von Tagebucheinträgen, teils in Mitschnitten von Gesprächen oder Telefonaten, berichtet Smithy, wie er genannt wird, von seinen Erlebnissen auf der Suche nach dem Geheimnis des Twyford Codes. Gerade erst nach vielen Jahren aus dem Gefängnis entlassen, erinnert sich Steven Smith an Ereignisse aus seiner Kindheit, als er einen Kurs für Kinder mit Schreib- und Leseschwäche besuchte, bei Miss Trout. Nachdem er eines Morgens ein Buch der Schriftstellerin Edith Twyford gefunden und es seiner Lehrerin übergeben hatte, fuhr diese mit der kleinen Schülergruppe auf einen Ausflug, an dessen Ende, so erinnert er sich, Miss Trout verschwunden war und nie wieder auftauchte.
Dies alles lässt ihm keine Ruhe und er beginnt zu recherchieren, er will unbedingt herausfinden, was damals mit Miss Trout geschah. Dazu sucht er die damaligen Klassenkamerad:innen auf und mehr oder weniger willig sind diese bereit, ihm zu helfen. Jetzt aber beginnen die Geheimnisse erst recht, wird das Ganze immer mysteriöser. Immer mehr Ungereimtheiten entdeckt Steven, immer mehr Ungewöhnliches scheint mit dem Verschwinden der Lehrerin in Verbindung zu stehen. Denn die Autorin Twyford scheint eine Spionin im Zweiten Weltkrieg gewesen zu sein, aber war sie das wirklich? Und wenn ja, für wen? Welche geheimen Botschaften versteckt sie in ihren Kinderbüchern? Und sind seine Freunde immer ehrlich? Was erinnern sie noch von damals?
Unterstützung bekommt Steven von der Bibliothekarin Lucy, die von seiner Neugier und seiner Suche nach der Wahrheit angesteckt wird.
Vieles, was er herausfindet, erinnert ihn an seine Vergangenheit. Und so zeichnet er mit dem Handy viele seiner Erinnerungen auf. Aus seiner Zeit als Kind, aufgezogen von seinem älteren Bruder, nachdem erst die Mutter und dann der Vater spurlos verschwanden. Aus seiner Zeit als Mitglied der Gang von Andy Harrisson, die für ihn eine Ersatzfamilie war.
Nach und nach scheint es Steven und Lucy zu gelingen, mehr und mehr des Twyford-Codes zu entschlüsseln. Nach und nach finden sie Spuren zu Orten und zu noch mehr Geheimnissen. Und nach und nach wird klar, dass sie nicht allein sind, dass sie verfolgt und bedroht werden.
Das Ganze liest sich überhaupt nicht einfach, man muss sich wirklich hineinlesen in diesen Roman. Erst im Laufe der Zeit gewöhnt man sich an die Erzählweise, die Transskripte der Sprachaufzeichnungen, die viele Worte, die Steven spricht, nicht korrekt wiedergeben, die anstößige Ausdrücke überschreiben. Besonders schwierig ist es, Gesprächen zu folgen, da nur von Sprecher:in 1 und Sprecher:in 2 die Rede ist, man also hochkonzentriert sein muss, um nie zu verlieren, wer denn gerade spricht, insbesondere, wenn es mehr als zwei Sprecher:innen sind. Oft werden die Gespräche durch Hintergrundgeräusche unterbrochen, oft wird Steven beim Sprechen abgelenkt oder er kommt mit der Technik nicht klar.
All das sorgt für hohe Authentizität, aber macht eben die Lektüre hochkomplex und auch ein wenig anstrengend. Dennoch entwickelt die Geschichte trotzdem oder gerade deswegen einen enormen Sog, baut von Anfang an eine große Spannung auf, die stetig steigt. Denn die große Frage, wohin das alles führen kann, schwebt stets über den Seiten.
Dieses Ende, die Auflösung, ist dann wie eine Anti-Klimax. Nichts von dem, was am Ende aufgeklärt wird, war (jedenfalls für mich) während der gesamten Geschichte erkennbar. Von daher ist der Schluss eine absolute Überraschung, vollkommen unvorhersehbar. Andererseits verlangt diese Auflösung eine sehr langatmige, umständliche Erklärung mit zahlreichen Verweisen auf bestimmte Textstellen, die im Vergleich zum bisherigen Romanteil eher ernüchternd wirkt.
Insgesamt ein absolut ungewöhnlicher, wirklich gelungen verschlungener Roman, hochspannend, fesselnd, überraschend und aus all diesen Gründen unbedingt empfehlenswert, auch wenn man ein gewisses Durchhaltevermögen braucht.
Janice Hallett – Der Twyford Code
aus dem Englischen von Stefanie Kremer
Atrium, März 2024
Gebundene Ausgabe, 431 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 20.12.2024
Nachtwald
Walsh, Tríona

Nachtwald


weniger gut

Familientreffen der besonderen Art: Claire hat neu geheiratet und ihre Kinder Lizzie und Liam sowie Tochter Freya und Schwiegersohn Hudson ihres neuen Ehemannes George finden sich zu einem gemeinsamen Wochenende in einem (natürlich) völlig abgelegenen Herrenhaus ein.
Allein schon dieses mühevoll konstruierte Setting – ein renovierungsbedürftiges Haus mitten im Wald, ohne hinführende Straßen und selbstverständlich ohne Internet- oder Telefonanschluss oder Handynetz – steht bildhaft für den gesamten Roman.
Lizzie, aus deren Perspektive der Roman erzählt wird, hat eine Entziehungskur hinter sich, nachdem sie bekifft und betrunken Auto fuhr und einen Unfall baute, bei dem ihr jüngerer Bruder Liam leicht verletzt wurde (er hat lediglich eine kleine Narbe am Kinn). Dieser Unfall steht seither zwischen ihr und sowohl Bruder wie Mutter, die ihr beide stark misstrauen, insbesondere fehlt ihnen der Glaube, dass Lizzie inzwischen wirklich „trocken“ ist.
Das sind die Voraussetzungen, unter denen sie sich nun für ein verlängertes Wochenende im Haus des neuen Mannes ihrer Mutter einfinden. Das Haus ist alt und ständig renovierungsbedürftig und ist die absolute Leidenschaft von George, dem zweiten Mann von Claire. Ihr erster Mann und Vater von Lizzie und Liam, Declan, hat Selbstmord begangen und die Familie und seine Firma mit hohen Schulden zurückgelassen.
Außerdem am Wochenende dabei sind Freya, Georges Tochter und ihr frisch angetrauter Ehemann Hudson, ein steinreicher Amerikaner. Weiterhin anwesend ist noch Mia, eine von Claire engagierte Köchin.
Doch am Abend des ersten Tages erscheint ein weiterer unangemeldeter und sehr unangenehmer Besucher. Er bedeutet für alle Anwesenden Schmerz, Wut und Chaos. So ist es kein Wunder, dass er am nächsten Morgen tot aufgefunden wird. Natürlich besteht keinerlei Möglichkeit, die Polizei zu rufen, da passenderweise auch noch das einzige verfügbare Gefährt, ein Quad, nur bedingt einsatzfähig ist.
Es kommt, wie es kommen muss, alle verdächtigen sich gegenseitig. Lizzie sucht nach Beweisen, dass George der Bösewicht ist, vor allem um ihre Mutter davon zu überzeugen. Doch die Dinge liegen natürlich ganz anders, als sie glaubt.
All das wird zwar recht temporeich und mit reichlich Plotwists erzählt, aber ist dann doch viel zu überzeichnet. Vor allem das Verhalten von Lizzie ist völlig überzogen, sie ist permanent überdreht, hetzt von einer Ecke zur anderen, ändert ständig ihre Meinung über den oder die möglichen Täter, hat sogar ihren eigenen Bruder in Verdacht. So wirkt ihr Aktionismus, wirken die Beschreibungen ihrer Emotionen und Reaktionen geradezu überkandidelt, unrealistisch. Gerade diese Hektik macht all das unglaubwürdig.
Dass dann, als sich die Klimax nähert, natürlich auch noch ein Gewitter über alle hereinbricht, ist so ein Klischee, wie eigentlich der ganze Roman. Dessen Ende dann wiederum überdramatisiert ist, so dass es schon fast lächerlich wirkt.
Fazit: Ein als Thriller bezeichneter seichter Krimi, bei dem weder Handlung noch Charaktere oder deren Motive überzeugen.
Triona Walsh – Nachtwald
aus dem Englischen von Birgit Schmitz
Fischer, November 2024
Klappenbroschur, 380 Seiten, 17,00 €

Bewertung vom 18.12.2024
Die Aufführung
Hallett, Janice

Die Aufführung


ausgezeichnet

Das gibt es bereits, Romane, die statt einer offensichtlichen Handlung lediglich aus zwischen zwei Menschen ausgetauschten E-Mails bestehen. So ganz bekannt in „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer. Aber auch in dem wunderbaren Buch „Ist es Liebe? – Nein, es ist … unmöglich“ von Sarah Lotz.
Bei dem vorliegenden Roman aber handelt es sich um den Austausch von diversen Textnachrichten – Mails, WhatsApp, SMS usw. – zwischen ganz vielen verschiedenen Menschen. Und dazu trägt sich das Ganze noch auf zwei Handlungsebenen zu.
Da haben wir einmal diejenigen, die all diese Textnachrichten lesen, Charlotte und Femi, und zwar im Auftrag von Roderick Tanner. Er übergibt die Texte an diese Beiden, von denen lange nicht klar ist, welche Funktion sie haben. Ihre Aufgabe ist es, anhand der Nachrichten, die sie durcharbeiten, einen Mordfall aufzuklären.
Das ist die zweite, eigentliche Handlungsebene. Alles trägt sich in einer englischen Kleinstadt zu. Diverse Menschen sind Teil einer Hobby-Theatergruppe und studieren ein neues Stück ein. Initiator und Regisseur ist Martin Hayward, dessen Frau Helen übernimmt wie stets die Hauptrolle. Auch seine Tochter Paige, ihr Mann Glen sowie ihr Bruder James und dessen Frau Olivia sind normalerweise Teil der Truppe. Doch Olivia ist mit Zwillingen hochschwanger und fällt daher aus. Paige hingegen ist anderweitig eingebunden, denn ihre zweijährige Tochter Poppy ist schwer erkrankt an einem sehr seltenen Tumor.
Es gibt etliche weitere Mitglieder der Theatergruppe, vor allem tritt die Krankenschwester Isabel in Erscheinung sowie eine Freundin der Familie Hayward, Sarah-Jane.
Sarah-Jane insbesondere legt sich sehr ins Zeug, als es darum geht, sehr hohe Spenden zu sammeln, um das extrem teure Medikament für Poppy bezahlen zu können, ohne das es anscheinend keine Heilung für das Kind geben kann.
Isabel hingegen setzt sich dafür ein, dass ihre neue Kollegin Samantha in die Theatergruppe aufgenommen wird. Zu dieser baut Isabel ein geradezu symbiotisches Verhältnis auf, wird nahezu besessen davon, die allerbeste Freundin Samanthas zu werden. Die im Übrigen eine der nur zwei Figuren des Romans ist, von denen keine Textnachrichten vorkommen.
Die Handlung zusammenzufassen ist nicht einfach, da vieles parallel läuft und auch vieles gleichzeitig geschieht. Dabei „geschieht“ lange im Grunde gar nicht viel. Es geht immer nur um das Theaterstück, die Proben, die Rollenverteilung und es geht um die Sammlung von immens hohen Spenden durch Tombolas, eine Spendengala und diverse andere Wohltätigkeitsveranstaltungen.
So dauert es lange, bis wirklich dramatisches sich ereignet, bis sich herausstellt, dass das gesammelte Geld fast vollständig verschwunden ist und bis schließlich ein Mitglied der Gruppe ermordet aufgefunden wird. Doch trotzdem ist der Roman nie langweilig, ist man unglaublich nah an den Figuren, selbst wenn sie in ihren Nachrichten scheinbar völlig belangloses mitteilen.
Aus diesen Belanglosigkeiten die wichtigen Details herauszufinden, das wird dann am Ende zur Aufgabe für Charlotte und Femi, die beiden für den Anwalt Tanner arbeiten. Der dafür sorgen möchte, dass nicht jemand unschuldig für den Mord bestraft wird, sondern der wahre Täter oder die wahre Täterin.
Man liest nahezu atemlos durch dieses Buch, immer auf den entscheidenden Hinweis, die entscheidende Aktion wartend. Die Figuren sind, obwohl ja nur anhand der von ihnen verschickten Nachrichten, ungemein plastisch dargestellt, alle haben ihr Profil, jede und jeder ist durch bestimmte Eigenarten erkennbar.
Manches ist verwirrend, denn auch Nachrichten von Außenstehenden werden gezeigt, deren Bedeutung man erst viel später erkennt. Dabei sind viele Nachrichten absolut lebensecht dargestellt, mit Werbung in der Fußnote oder Tippfehlern und dergleichen.
Über all das als Verfasserin den Überblick zu behalten ist sicher wirklich schwer und daher umso bewundernswerter. Mich hat dieser Roman wirklich überzeugt, trotz der langen Einführung bis zum eigentlichen Ereignis. Weitere Romane von dieser Autorin werde ich ganz sicher lesen.
Janice Hallett - Die Aufführung
aus dem Englischen von Sabine Schilasky
Atrium, November 2024
Gebundene Ausgabe, 528 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 13.12.2024
Man kann im Leben auf vieles verzichten, aber nicht auf Katzen und Literatur

Man kann im Leben auf vieles verzichten, aber nicht auf Katzen und Literatur


sehr gut

Es sind die üblichen „Verdächtigen“, deren Texte hier versammelt sind – womit diese schöne Anthologie schon von vorneherein ein genüssliches Leseerlebnis verspricht.
Vertreten sind so bekannte Autoren wie Erich Kästner, Ernest Hemingway, Mark Twain, Emile Zola oder Samuel Butler und ebenso bekannte Autorinnen wie Patricia Highsmith, Marcia Davenport und natürlich die unvermeidliche Elke Heidenreich.
Sie erzählen von eigenen und erfundenen Katzen und Katern, von Abenteuern, von Nähe und Zuneigung, von Geheimnissen, mysteriösen Vorkommnissen, vom mehr oder weniger glücklichen Zusammenleben von Samtpfote und Mensch.
Da gibt es die Geschichte von Tobermory, einem Kater, mit dem ein Wissenschaftler angeblich kommunizieren kann. Was dann dazu führt, dass dieser Kater lauter Dinge ausplaudert, die die Gesellschaft lieber unter dem Teppich gelassen hätte. Dem Kater bekommt dies am Ende weniger gut.
Da gibt es die Katze, die Robinson Crusoe spielte. Dies allerdings unfreiwillig, nachdem sie von ihrer Familie auf einer Insel zurückgelassen worden war. So musste das Tier viele Monate allein zurechtkommen, lernen, Futter zu fangen, sich vor Wind und Wetter zu schützen. Wie es überlebte und wie groß die Freude beim Wiedersehen war, das liest sich spannend und berührend.
Und es gibt die Geschichte um Mings fette Beute. Mings Frauchen hat einen neuen Lover, doch die Liebe zwischen Katze und Mann hält sich sehr in Grenzen. Was am Ende besagtem Mann gar nicht gut bekommt. Auch diese Geschichte hat einen gewissen Spannungseffekt.
So sind es ganz abwechslungsreiche Texte, kurze und lange, lustige und traurige, komische und besinnliche, die diese Sammlung beinhaltet. Dadurch ist für jede Leserin und jeden Leser etwas dabei, nur vielleicht nicht für solche, die keine Katzen mögen…
Eine wirklich schöne Zusammenstellung an Erzählungen, ein sicher auch sehr geeignetes Geschenk für Katzenfreundinnen und -freunde.
Julia Bachstein (Hg.) - Man kann im Leben auf vieles verzichten, aber nicht auf Katzen und Literatur
Schöffling & Co., Oktober 2024
Taschenbuch, 233 Seiten, 16,00 €

Bewertung vom 11.12.2024
Mord im Himmelreich
Winkelmann, Andreas

Mord im Himmelreich


sehr gut

Mein erster Roman von diesem Autor, der bislang eher durch Thriller als durch Cosy-Crime-Romane bekannt ist. Hier erzählt er von Mord und anderen Verbrechen auf einem Campingplatz in der Nähe von Potsdam.
Idyllisch gelegen inmitten dreier Seen wird dieser Platz mit dem schönen Namen „Himmelreich“ zum Ort eines mysteriösen Todesfalls. Der hier campierende Schauspieler Björn Kupernikus rettet einen kleinen Hund von einem schwimmenden Stand-Up-Board und entdeckt dabei eine unter dem Board befestigte Leiche. Bei dieser Aktion lernt er die unerschrockene Annabelle kennen, im Ort lebende Künstlerin mit ausgeprägtem Sinn für Humor.
Beide zusammen beschließen, die Aufklärung des Falles nicht allein der Polizei, vertreten durch Kommissar Fass, zu überlassen, zumal Kupernikus die gerettete Hündin, die man als Zeugin des Mordes betrachten kann, bei sich aufnimmt. So gerät er auch in den Fokus diverser Verdächtiger.
Derer gibt es natürlich viele, ebenso wie es viele gibt, die ihm entweder gar nicht oder mit Lügen auf seine Fragen antworten. Wie immer wundert es mich bei solchen Romanen, wie bereitwillig Leute überhaupt mit Menschen reden, die im Grunde keinerlei Befugnis für solche Befragungen haben, aber sei es drum, ohne das würde ein Roman dieses Genres nicht funktionieren.
Während der Recherchen begegnet Kupernikus vielen Menschen aus der Umgebung, solchen, die ihm feindselig begegnen und solchen, die anscheinend nichts zu verbergen haben. Im Laufe der Gespräche, die er führt, stellt sich relativ schnell heraus, dass dubiose Investoren gerne das Land rund um die drei Seen aufkaufen möchten, wogegen sich die Einwohner teils vehement, teils vergebens, wehren.
Der Roman ist flott geschrieben und auch die Handlung ist recht temporeich, es kommt nie Langeweile auf, alles, was geschieht, hat mit dem Fall zu tun. Die Dialoge sind lebendig, wenn auch manchmal etwas sinnentleert. Das Ganze wird humorvoll erzählt, mit einigen gelungenen Pointen, anderen etwas arg kalauerhaften Scherzen. Das Personal ist sympathisch. Annabelle, immerhin dreifache Witwe, mit ihrem Witz und ihrer Verve, Kupernikus mit seiner Beobachtungsgabe und seiner Gelassenheit. Die Nebenfiguren sind ein wenig skizzenhaft und eher mit den üblichen Klischees beschrieben.
Die Auflösung schließlich, die, wie so oft in Krimis, dem Hobby-Ermittler Kupernikus am Ende irgendwie so einfällt, ist eher nicht schlüssig, war durch alles vorige Geschehen kaum erahnbar.
Insgesamt ein netter, leichtgewichtiger Krimi, ohne Action und ohne Thrill, dafür mit warmem Humor. Und er weckt Erwartungen für eventuelle Folgebände.
Andreas Winkelmann - Mord im Himmelreich
Knaur, November 2024
Taschenbuch, 328 Seiten, 16,99 €

Bewertung vom 09.12.2024
Eat, Poop, Die
Roman, Joe

Eat, Poop, Die


ausgezeichnet

„Der Biologe Joe Roman erzählt vergnüglich und hoffnungsfroh davon, wie unser Planet durch das Fressen, Kacken und Sterben von Tieren geformt wird.“ – So steht es im Klappentext.
November 1963: Bei einem Vulkanausbruch vor der Südostküste Islands werden aus 120 Meter Tiefe große Mengen vulkanischen Auswurfs, Asche, Schlacke und Gesteinsfragmente in bis zu 3 Kilometer Höhe ausgeworfen. In den folgenden Tagen erhebt sich über der Ausbruchstelle zehn Meter über der Oberfläche des Nordatlantiks eine Insel, die in den folgenden Tagen etwa 60 Meter pro Tag an Höhe zulegt. Eine Insel war geboren, auf der noch kein Leben existieren konnte: Die Isländer gaben ihr den Namen Surtsey.
Für Biologen war dies eine einmalige Gelegenheit, zu untersuchen, ob und wie sich Leben auf einer Insel, die keine Landverbindung hat, entwickeln kann. Nach einigen Jahrzehnten bildete sich tatsächlich allmählich Vegetation aus. Wie konnte das geschehen? Menschen war das Betreten der Insel verboten, aber Vögel konnten Samen mitgeführt und auf der Insel ausgebracht haben.
Aber woher sollten die benötigten Nährstoffe für die Vegetation kommen? Phosphor konnte man in der Lava finden, aber Stickstoff war kaum vorhanden – das war schmale Küche für junge Pflänzchen.
Nun kommt das „Poop“ aus dem Titel ins Spiel: Die Exkremente der Vögel, insbesondere die Harnsäure, lieferten den benötigten Stickstoff in großen Mengen und so konnten sich widerstandsfähige Pflanzen entwickeln. Dann kamen Insekten, die, wie alles Leben, den Zyklus „Eat-Poop-Die“ durchliefen und so ständig weitere Nährstoffe heranführten. So hat sich, scheinbar aus dem Nichts, Leben auf der neuen Insel Surtsey entwickelt.
In zehn Kapiteln berichtet der Autor über die enge Verzahnung von Tier- und Pflanzenwelt und deren Abhängigkeiten voneinander. Bindeglied sind Kot und Kadaver beziehungsweise die darin enthaltenen Nährstoffe, hauptsächlich Stickstoff.
Wissenschaftlich fundiert, aber dennoch allgemeinverständlich erklärt und unterhaltsam geschrieben, berichtet Joe Roman aus Forschungsprojekten im Bereich der Zoo-Geochemie und vermittelt die Zusammenhänge im Ökosystem unseres Planeten. Nicht belehrend, sondern auf unterhaltsame Art und Weise erfährt der Leser anhand der Forschungsergebnisse, wie leicht dieses fragile System aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann und wie selbst kleine Veränderungen weitreichende Folgen nach sich ziehen. Das Fazit: Die Artenvielfalt zu erhalten ist kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung dafür, dass unser Planet lebenswert bleibt.
Das ist Infotainment vom Feinsten mit nachhaltigem Lerneffekt! Ein empfehlenswertes Sachbuch.
Joe Roman - Eat, poop, die
aus dem Englischen von Nikolaus de Palézieux
hanserblau, Oktober 2024
Klappenbroschur, 304 Seiten, 18,00 €