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Benutzername: 
Schabrackentapir
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 16 Bewertungen
12
Bewertung vom 17.04.2024
Dao De Colonia
Wittschier, Michael

Dao De Colonia


sehr gut

Das Büchlein ist ein gewagter Spagat zwischen der bekannten lokalpatriotischen Kölsches-Grundgesetz-Literatur und einem Blick auf die chinesische Denkrichtung des Daoismus.
Die Idee hat was, denn Daoismus und rheinisches Naturell verbindet in der Tat eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Mitmenschen und dem Schicksal im Großen und Kleinen.
In der Ausführung stellt der Autor die sattsam bekannten kölschen Sprüchelchen und Zitate (à la: "Et es wie et es" und "Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domit!") in Zusammenhang mit daoistischen Ansichten, vor allem jenen des Zhuang Zi. Das wirkt einerseits manchmal bemüht, andererseits sind die Gegenstücke aus der chinesischen Klassik gut gewählt und werden mit Respekt vorgestellt. Der Spagat zwischen Kölschem Schunkelgefühl - selbstverständlich stammt das Vorwort von Konrad Beikircher, dem Nestor der kölschen Grundgesetze - und dem gelassenen Ernst der alten Chinesen gelingt dabei nicht immer, manches Mal wirkt die Kölschtümelei platt und leicht unangemessen.
Der Autor legt dabei Wert auf gute Lesbarkeit, Allgemeinverständlichkeit und vielerlei Humor, so dass auch Leser, die noch nie ein philosophisches Werk zur Hand genommen haben, mitgenommen werden.

Negativ gewendet bleibt es Wohlfühl-Literatur für selbstgefällige (Wahl-)Kölner. Immerhin: Als Geschenk für Solche machen Sie mit dem Buch nichts falsch!
Positiv gewendet ist es sicherlich einer der besseren Vertreter jener Gattung und weckt das Interesse für die alten chinesischen Weisheitslehrer.
Unabhängig davon, und das ist vielleicht das Wichtigste, ist das Buch eine ernst gemeinte Werbung für eine gelassene und tolerante Ethik und Weltanschauung.

Ein Lob auch an den Verlag für die liebevolle äußere Gestaltung des Buches!

Bewertung vom 12.04.2024
Brüssel sehen und sterben
Semsrott, Nico

Brüssel sehen und sterben


gut

=== Selbsterfahrungstrip in Brüssel ===

Nico Semsrott hat sich 2019 mehr oder weniger aus Spaß auf Listenplatz 2 der PARTEI setzen lassen, obwohl es ihm seelisch nicht wirklich gut geht. Als er dann tatsächlich gewählt wird, erweist sich das Europäische Parlament als gaanz schlechter Ort für die geistige Gesundheit.

In Brüssel/Straßburg möchte sich Semsrott bewusst nicht an der Parlamentsarbeit im engeren Sinne beteiligen, sondern konzentriert sich auf öffentlichwirksame Aktionen. In der Folge beklagt er sich, dass er als einzelner Abgeordneter - nun gut, immerhin wechselt er bald zur Grünen-Fraktion - praktisch keinen Einfluss hat. Und auf einen Paradiesvogel wie ihn reagiert die Parlamentsverwaltung in seinen Augen nicht adäquat.

In der Folge wird Semsrott zusehends desillusioniert und passt sich der von ihm beklagten Selbstbedienungsmentalität der EU-Parlamentarier allmählich an. Zu seinem Leidwesen haben die Parteien, die in seinen Augen allein die Interessen der Milliardäre vertreten (Christ- und Freidemokraten, im Verbund mit den Sozialdemokraten) die Mehrheit im Parlament (und auch im Europäischen Rat), so dass die Kräfte, die die Interessen der Bevölkerung vertreten (der linke Flügel der Grünen und alles, was noch weiter links ist) nichts bewegen können. Außer vielleicht die Rechtsfraktionen als Nazis zu beschimpfen.

Manch eine Episode im Buch ist ganz interessant und unterhaltsam, auch wenn man sich als Leser fragt, ob der jeweilige Sachverhalt objektiv wiedergegeben ist.

Im Ganzen ist das Buch halb eine Beschreibung der Verhältnisse im Europaparlament, halb eine Autobiographie bzw. Bespiegelung des Wandels seiner Person durch sein Amt. Was lernt man aus dem Buch? Immerhin, dass konsequentes Gendern (à la: "Jeder:m so wie es ihr:ihm gefällt") über gut 300 Seiten hinweg einfach extrem nervt.

2 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.06.2023
Betriebsrat aus Arbeitgebersicht
Hahn, Natalie

Betriebsrat aus Arbeitgebersicht


sehr gut

Gut für österreichische Arbeitgeber
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Nachdem in unserem Unternehmen eine Betriebsratswahl angekündigt wurde, habe ich mir schnell dieses Büchlein bestellt. Nach dem Durchblättern muss ich sagen: Im Prinzip wäre es genau das Buch, dass ich in dieser Situation brauchen würde: Ein knappe, praxisorientierte Darstellung der wichtigsten Fragen, die sich einem als Arbeitgeber stellen, begleitet von Angaben zu wesentlichen Gesetzesinhalten und Mustern für wichtige Dokumente.
Das Problem für mich als deutschen Unternehmer: Das Buch stellt die Situation in Österreich dar, und die Gesetzeslagen sind anscheinend in der Struktur ähnlich, aber im Detail unterschiedlich (z.B. Anzahl der BR-Mitglieder nach Unternehmensgröße). Deshalb muss ich das Buch leider zurückschicken. Für österreichische Unternehmen dagegen sieht das Buch sehr empfehlenswert aus.

Bewertung vom 12.06.2023
König Johann
Shakespeare, William

König Johann


ausgezeichnet

In meinen Augen ein sehr unterschätztes Drama von Shakespeare.
Sein König Johann, ein von seinem Potential her ziemlich durchschnittlicher, aber doch klug abwägender und mitfühlender Mensch, der letztlich kläglich scheitert, ist für mich eine seiner plastischsten und interessantesten Figuren.
Auf jeden Fall ganz anders als die populäre Geschichtsschreibung und die Robin-Hood-Legende die historische Person sieht.

Bewertung vom 12.06.2023
Kacka Sutra
Young, Daniel Cole

Kacka Sutra


gut

Kurz: Das Buch ist einfach nur sehr albern.
Der Titel hält, was er verspricht - es geht um verschiedene naheliegende und absurde Stellungen zwischen menschlichem Körper und Norm-WC. Jeweils ein Bild mit beschreibendem Text.
Wenn Sie das witzig finden, werden Sie das Buch wahrscheinlich witzig finden. Ansonsten eben: Nur albern.

Bewertung vom 12.06.2023
Die offenen Adern Lateinamerikas
Galeano, Eduardo

Die offenen Adern Lateinamerikas


sehr gut

Ausbeutungsgeschichte eines Kontinents
=============
Galeanos mittlerweile an die 50 Jahre altes Buch versteht sich als Komplementärgeschichte. Den chronologischen historischen Ablauf der Geschichte von der "Entdeckung" Amerikas bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts kann (und sollte) man anderswo in der "offiziellen" Geschichtsschreibung nachlesen. In diesem Buch geht es um die Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die in diesen Büchern nur am Rande zu finden ist.
Galeano geht es um die Kontinuität der sozialen Verwerfungen auf diesem Kontinent. Er zieht eine ununterbrochene Linie von der Ausbeutung der Indios und schwarzen Sklaven durch die iberischen Kolonialherren über das Hazienda-System der lokalen Oberschichten zur nach- und neokolonialen Ausbeutung des Kontinents durch das euro-amerikanische Industriekapital (und die lokalen Eliten) unter massiver politischer und (para-)militärischer Unterstützung der Industriestaaten.
Der Autor bekennt sich als Linker und war zur Zeit der Abfassung des Buches ein recht junger Mann. Entsprechend ist der Ton des Buches leidenschaftlich und anklagend, bis hin zur einseitigen Darstellung und der selektiven Auswahl von Tatsachen. Dennoch wird der verständige Leser kaum abstreiten dürfen, dass in dieser Gesamtdarstellung mehr Wahrheit liegen könnte als in der Betrachtung der "oberflächlichen" Geschichte aus Eroberung, Befreiung, Nationalstaaten, Bürgerkriegen und Regimewechseln.
Insgesamt unverändert lesenswert.

Bewertung vom 12.06.2023
Reise Know-How KulturSchock Ecuador
Pfaffenholz, Julia;Jarrin, Raul

Reise Know-How KulturSchock Ecuador


ausgezeichnet

Ich hatte das Glück, das Land mit einem Ecuadorianer bereisen zu können - und als ernsthafte Reisevorbereitung habe ich dieses Buch zur Hand genommen.
Nach meiner Rückkehr bin ich nicht nur vom Land selbst, sondern auch von der Qualität dieses Buches beeindruckt, welche sicher darin begründet ist, dass die beiden Autoren aus Ecuador bzw. Deutschland stammen und das jeweils andere Land ausgezeichnet kennen. Das Schwierige an der Beschreibung des Landes und seiner Kultur ist, das es auf relativ kleinem Raum enorm vielgestaltig ist. Die Unterschiede zwischen Quito und Guayaquil; Hochland, Küstengebiet und Regenwald; Esmeraldas und Cuenca sind gewaltig - und das Buch kann hier gezielt verallgemeinern und differenzieren. Ich habe sehr viele der im Buch beschriebenen Themen wiedererkannt und konnte sie deswegen schneller einordnen: Glaube und Aberglaube ("Natürlich gibt es den bösen Blick - meine Cousine wurde letztens davon geheilt!"), tief inkulturierter Rassismus ("José lässt sich nächsten Monat für 3.000 Dollar die Haut aufhellen. Für seine Karriere in der Bank ist das wichtig.") und umwerfende Freundlichkeit (Wie viele Lebensgeschichten habe ich in gut zwei Wochen ungefragt gehört?). Stolz und Selbstorganisation der Indigenen im Hochland und anderswo, die politische Lagerbildung (Correisten, Post-Correisten, Konservative, Pachakutik...), auf (fast) alles war ich vorbereitet.
Gleichzeitig kennt das Buch auch die deutsche/westeuropäische Perspektive und kann Unterschiede in der Lebenseinstellung und Herangehensweise der Menschen erläutern. Dass die Ecuadorianer ein unzufriedenes, aber glückliches Volk sind und dass andererseits die Corona-Pandemie (nach Drucklegung des Buches) gerade in Ecuador so entsetzlich gewütet hat ("Regeln gelten selbstverständlich für alle, aber jetzt gerade nicht für mich..."), das versteht man schon sehr gut.
Fazit: Ein hervorragender Beweis für Qualität und Berechtigung dieser Buchreihe und nicht nur als Reisevorbereitung zu empfehlen.

Bewertung vom 25.07.2022
Wie reich darf man sein?
Neuhäuser, Christian

Wie reich darf man sein?


gut

Reichtumskritik in leichter Sprache

Die Sache ist doch ganz einfach, um den Inhalt des Buches zusammenzufassen:
Wie reich darf man sein? Nicht allzu sehr, sonst ist das "schädlicher Reichtum".
Wie ist das mit Gier und Neid? Gier ist schlimm, weil die "Marktgesellschaft" mit ihren profitorientierten Unternehmen nur nach Profit und Reichtum strebt. "Neid" dagegen meistens nur ein Trick, um Reformen, die den Reichen schaden, ideologisch abzuwehren.
Was kann man gegen schädlichen Reichtum tun? Einkommensteuer-Spitzensatz von 100 %, dazu Vermögen- und Erbschaftsteuer. So kann man (schädlichen) Reichtum praktisch verbieten.

Herrn Neuhäusers Buch provoziert durch seine Schlichtheit. Inhaltlich durch die oben genannten Thesen, formal durch seinen Versuch, das Thema derart "einfach" und allgemeinverständlich zu erzählen, dass man sich von Anfang bis Ende an einen besseren Schulaufsatz der 9. Klasse erinnert fühlt (gelegentliche Orthografie- und Grammatikfehler inbegriffen). Es war für mich schwer, das Buch durchzulesen - mehrfach habe ich es kopfschüttelnd weggelegt.

Einige Punkte seiner Analyse der Auswirkungen des Reichtums sind schlüssig und nachvollziehbar, gerade was die gesellschaftlichen Auswirkungen des Reichtums (oder allgemeiner: der wirtschaftlichen Ungleichheit) angeht. Reichtum führt zur Bildung und Verfestigung sozioökonomischer Klassen, deren obere ihren Status reproduzieren und gerne Einfluss auf Politik und Massenkommunikation nehmen wollen (und es eben auch können!). Eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen kann viel besser als die breite Masse leben, obwohl sie als Rentiers keine gesellschaftlich nützliche Arbeit verrichten.
Diese Aspekte ertrinken jedoch über weite Strecken in einer bis zur chemischen Sättigung gezuckerten Sauce, dass die meisten Menschen doch eigentlich ganz lieb seien (Modell: Teilnehmerinnen eines soziologischen Hauptseminars), dass sie nur von der strukturellen Gier benebelt sind und in "sozialen Gesellschaften mit einer Marktwirtschaft" (ohne schädlichen Reichtum) ihre Gier vergessen und sich neuen Formen der sozialen Kooperation mit Verwirklichung der Würde Aller hinwenden werden. Ok, gibt der Autor zu: das real hinzukriegen wird schwierig.

Bei aller Kritik muss man berücksichtigen, dass es sich um einen philosophisch-soziologischen Aufsatz handelt, der keinen Anspruch auf ökonomische Fundierung erhebt, so dass ihm in dieser Richtung natürlich viel Fantasie erlaubt ist.

Bewertung vom 04.10.2020
Grenzen der Demokratie
Lessenich, Stephan

Grenzen der Demokratie


gut

Klassenkampf reloaded

Der Titel ist bewusst mehrdeutig und vielleicht sogar etwas irreführend. Es geht darin kaum um die politische Funktionsweise und die Leistungsfähigkeit der repräsentativ-demokratischen Herrschaftsform. Der Autor rechnet in diesem Büchlein mit der liberalen Demokratie der westlichen Gesellschaften ab, indem er darin immanente Begrenzungen oder "Schließungen" aufführt. Das heißt, dass eine privilegierte Gruppe ihre einmal erlangten Vorteile absichert und Macht über die Ausgeschlossenen ausübt. Dieser Ausschluss erfolgt über vier Dimensionen:
1. Der klassisch marxistische Gegensatz zwischen den ausbeuterischen Kapitalist*innen und den unteren ca. 99 Prozent.
2. Gegensätze innerhalb der 99 %, etwa zwischen Besser- und Schlechterverdienenden, Akademiker*innen und Arbeiter*innen, Männern und Frauen sowie Jungen und Alten. Dabei grenzt jeweils die erstere die letztere Gruppe aus.
3. Die Angehörigen eines Staates grenzen die nicht staatsangehörigen aus, d.h. die lange ansässigen Ausländer*innen, die frisch angekommenen Migrant*innen und die im Ausland lebenden Menschen.
4. Alle Menschen beuten die Natur (Tiere, Pflanzen, Rohstoffe, Ökosysteme) aus.

Der Ansatz ist an sich durchaus interessant und wird vom Autor plastisch herausgestellt. Methodisch ist es aber nichts anderes als eine Erweiterung des marxistischen Materialismus auf weitere Dimensionen. Fast ausschließlich wird der ökonomische Blickwinkel herausgehoben, kulturelle Aspekte sind allenfalls 'geistiger Überbau'. Und wie Wohlstand entsteht, interessiert ihn nicht, nur die Verteilung. Die Klassengegensätze, die der Autor auch explizit als solche verstanden wissen will, werden in klarer und bisweilen gehässiger Schwarz-Weiß-Sicht zwischen Privilegierten und Unterdrückten gezeichnet.

Das grundlegende Rezept zur Überwindung der genannten Missstände ist eine etwas diffuse "kämpferische Solidarität" der jeweils Ausgegrenzten mit dem Endziel einer "Utopie". Letztlich führt eine Abschaffung des "Systems der privaten Verfügung über den Prozess der wirtschaftlichen Wertschöpfung" wohl auf sozialistische Wege. Die einzige wirklich konkrete Maßnahme, die er vorschlägt, ist die sofortige Verleihung aller staatsbürgerlichen Rechte an alle im Lande lebenden Ausländer sowie Migranten nach der Einreise. (Ok, und natürlich das Gender-Vollprogramm, deshalb hier auch die Sternchen.)

Welche Position Lessenich zur real existierenden westlichen Demokratie letztlich bezieht, ist nicht ganz eindeutig. Er gesteht zu, dass es in den (proto-)demokratisch verfassten Staaten der letzten 200 Jahre möglich war - wenn auch gegen erhebliche Widerstände der jeweiligen Obrigkeit -, Dinge wie Bürgerrechte, Sozialstaat und rechtliche Gleichstellung der Geschlechter (inkl. Frauenwahlrecht) durchzusetzen. Seit etwa den 1970ern scheint das seiner Ansicht nach nicht mehr der Fall zu sein - im Gegenteil, die Besitzenden hätten den sozialen Konsens einseitig aufgekündigt. Die seitdem erfolgten Fortschritte in der Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutzgesetzgebung nimmt er dagegen gar nicht erst zur Kenntnis. Es bleibt offen, ob er die von ihm gewünschten Änderungen innerhalb der heutigen, von ihm so genannten "national-sozialen" Demokratie für durchsetzbar hält oder es ein anderes System braucht.

Insgesamt eine einigermaßen lesbare, in sich abgeschlossene und auch logisch recht tragfähige Fundierung eines "links-grünen" Weltbildes. Angehörige anderer Weltanschauungen müssen bei der Lektüre etwas Toleranz mitbringen, sowohl gegenüber dem Inhalt als auch dem Duktus des Autors.

Bewertung vom 26.04.2020
Kunststofftechnik
Bonten, Christian

Kunststofftechnik


sehr gut

Ich arbeite seit einiger Zeit als gelernter Kaufmann in einem Unternehmen aus einer Nachbarbranche der Kunststoffindustrie und hatte zur Aneignung eines gewissen Grundlagenwissens vorher schon "Ulf Bruder: Kunststofftechnik - leicht gemacht", gelesen, was mir dann aber zu sehr verbal-qualitativ ausgefallen war.

Insofern wurde ich vom vorliegenden Buch nicht enttäuscht. Prof. Bonten bietet einen zusammenhängenden Einstieg in die wesentlichen Kunststoffherstellungs- und -verfahren. Es werden zunächst die notwendigen Grundlagen in Sachen Werkstoffphysik und Polymerchemie dargestellt und anschließend zu Kunststoffaufbereitung und -verarbeitung sowie einem kurzen Abriss der Produktentwicklung übergegangen. Dabei werden in didaktisch sinnvoller Weise Formeln, Tabellen, Abbildungen und Links zu Youtube-Videos eingesetzt. Manchen Ingenieuren und Technikern mag das immer noch zu verbal ablaufen, aber für mich war es die richtige Mischung.
Ein bisschen durchwachsen war das Umwelt-Kapitel am Ende, das zwar gut über die verschiedenen Arten von Biokunststoffen aufklärt, aber ansonsten eher oberflächliches klimapolitisches Allgemeingut enthält und bei den weiteren Themen (Giftstoffe, Abfälle, Umweltschutz) bei aller berechtigter Verteidigung der Werkstoffklasse "Kunststoffe" die Einwände unter Verweis auf verschiedene Einzelstudien mehr oder weniger ab- und wegbügelt. In diesem Zusammenhang hat mir das fast gar nicht behandelte (und für mich besonders wichtige) Thema des Kunststoffrecyclings gefehlt. Man erfährt zwar, dass Kunststoffabfälle in Deutschland angeblich zu 99 % recyclet werden (dabei aber überwiegend "thermisch recycelt" = verbrannt), aber die Fragen des stofflichen Recyclings hätten mich schon interessiert. Welche Probleme ergeben sich bei der Sortentrennung? Welche Polymere sind überhaupt wie gut recycelbar? Wie funktioniert die Aufbereitung und welche Unterschiede muss man beim Einsatz von Recyclat statt Neuware beachten? Wie entwickelt man Produkte recyclinggerecht? All das hätte man in den einzelnen Kapiteln neben den anderen immer wieder erwogenen Eigenschaften (Funktionalität, Stabilität, Kosten) darstellen können. Hat man aber leider nicht.

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