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Tautropfen

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Bewertung vom 01.06.2011
Ich krieg dich!
Martin, Leo

Ich krieg dich!


sehr gut

Nach der Lektüre des Buches fragte ich mich, ob es dem Autor gelang, mich an sich zu binden, mein Vertrauen zu gewinnen. Warum sollte ich einem Autor glauben, von dem ich weiß, dass mindestens sein Name falsch ist?

Dass die beschriebene Agentengeschichte sich genau so zutrug wie beschrieben, bezweifle ich. Sie scheint mir eher ein Stilmittel zu sein zwecks Verpackung der Theorie - ein gelungenes Stilmittel, zweifelsfrei. Es soll die LeserInnen fesseln. Die Agentengeschichte ist so spannend, dass man unbedingt weiter lesen möchte.

Richtig geärgert hat mich die Bitte des Autors um Verständnis für die Verwendung der männlichen Sprachformen (Agent statt Agentin oder AgentIn). Wenn er schon meint, sich für das ein oder andere entscheiden zu müssen, dann könnte er ja auch die weiblichen Sprachformen verwenden. Er könnte sich selbst das zumuten, was er bei seinen Leserinnen wie selbstverständlich (und überaus männlich) voraussetzt, nämlich dass Frau dem zustimmt, nur mitgemeint und ganz sicherlich nicht angesprochen zu werden. Er könnte selbst demonstrieren, was er an anderer Stelle als vertrauensbildende Maßnahme versteht:: Um sich in die Welt der Leserinnen einzufühlen, müsste er in den Schuhen von Frauen gehen. Dann erlebte er, wie es sich anfühlt, sprachlich eher nicht vorzukommen. Er müsste den inneren Widerspruch aushalten, der sich daraus ergibt. Warum soll Frau sich mit der männlichen Vokabel identifizieren, wenn umgekehrt Männer nicht entsprechend bereit sind?
Hätte er doch nicht ausdrücklich um Verständnis gebeten! Vielleicht wäre mir die männliche Sprachform nicht einmal aufgefallen. Aber extra darauf aufmerksam gemacht zu werden?!
So viel zur Vertrauensbildung.

Ich bin weder Agent noch Agentin. Daher führt die Verwendung des Wortes 'Agent' zur Distanz zum dargelegten Sachinhalt. Auch das scheint ein Stilmittel zu sein, um die Spannung zu erhöhen. Es spricht das innere Kind an, das 'Räuber und Gendarm' spielen möchte. Wiederholt galt es, die entstandene Distanz zu überwinden. Dazu musste ich die entsprechenden Textpassagen sozusagen in meine Lebenswirklichkeit hinein übersetzen.

Der theoretische Teil des Buches, nichts Anderes als ein Durchmarsch durch die Kommunikationspsychologie begeistert mich. Ich hätte gern mehr komplexe Zusammenhänge derartig gut gegliedert, strukturiert, auf das Wesentliche eingedampft, präzise vorgetragen, klug garniert mit leicht verständlichen und ganz sicherlich nachvollziehbaren Beispielen des Alltags, die vermutlich jede LeserIn kennt. Was Fachliteratur wortgewaltig und ausschweifend darlegt, bringt Leo Martin kurz und bündig auf den Punkt, das Wesentliche grau untermalt zusammen gefasst am Ende eines Abschnitts.

Ja, alles in allem ist es dem Autor gelungen, mich an das Buch und seinen sowohl informativen als auch spannenden Inhalt zu fesseln, ja mich zu begeistern. Die Kombination aus Theorie und Agentengeschichte führt zu Verknüpfungen im Gehirn, die verhindern, dass die theoretischen Aspekte allzu schnell wieder vergessen werden. Das Kognitive wird mit inneren Bildern verknüpft und bleibt so länger lebendig.
Das ist eine unterhaltsame und lesenswerte Lektüre, während der man so ganz nebenbei lernt, hilfreich zu kommunizieren, Vertrauen aufzubauen und die Verantwortung für die eigenen Gedanken und Geisteshaltungen, das eigene Tun und Lassen zu übernehmen.
Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen! Es eröffnet neue Horizonte!

18 von 23 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.