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Benutzername: 
Zabou1964
Wohnort: 
Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 188 Bewertungen
Bewertung vom 16.07.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


ausgezeichnet

Auf dieses Buch wurde ich durch eine Leseprobe aufmerksam. Das Cover, das den Unterkörper eines Mannes unter Wasser zeigt, hat sofort mein Interesse geweckt. Und auch die Inhaltsangabe klang sehr vielversprechend. Das ernste Thema Demenz aus der Sicht eines 15-jährigen Mädchens erzählt zu bekommen, hatte einen ganz besonderen Reiz.

Linda lebt allein mit ihrer Mutter. Am liebsten würde sie ihrem Leben ein Ende setzen. Aber da gibt es den 86-jährigen Hubert, den dementen Nachbarn, den sie drei Nachmittage in der Woche betreut. Und es gibt ihren Freund Kevin, der fest an den Untergang der Welt glaubt. Hubert wird von der polnischen Pflegekraft Ewa betreut, die mir im Laufe der Geschichte sehr ans Herz gewachsen ist. Aber auch Linda war mir sehr sympathisch. Ihre erfrischend unkomplizierte Art, mit dem dementen Hubert umzugehen, hat mir sehr gefallen. Auf vielfältige Art und Weise versucht sie, Huberts Erinnerungen wach zu halten. Da er früher als Bademeister gearbeitet hat, bläst sie zum Beispiel einmal mit ihm Schwimmflügel auf. Das Parfum seiner vor sieben Jahren verstorbenen Frau Rosalie, auf die er trotzdem noch immer wartet, versprüht sie mit Ewa auf seinem Kopfkissen. Einige Gedankengänge fand ich für eine 15-Jährige erstaunlich erwachsen. Aber gestört hat mich diese Tatsache nicht.

Das Buch ist unterteilt in sehr kurze Kapitel von drei bis sieben Seiten. Die Zahl über jedem Artikel ist von einem scheinbar handgemalten Kreis umrundet. Der Sinn dahinter erschließt sich dem Leser bei der Lektüre des Buches. Farbiges Vorsatzpapier in einem knalligen Schwimmflügel-Orange und ein Lesebändchen runden die gehobene Ausstattung dieses Hardcovers ab.

Petra Pellini war früher in der Pflege demenzkranker Patienten tätig. Sie weiß also, worüber sie schreibt, was man ihrem Erstlingswerk anmerkt. Mich hat vor allem der lockere Schreibstil aus der Sicht eines Teenagers sehr begeistert. Weitere Werke der Autorin werde ich mit Sicherheit lesen.

Bewertung vom 12.06.2024
Provenzalische Flut / Pierre Durand Bd.10
Bonnet, Sophie

Provenzalische Flut / Pierre Durand Bd.10


ausgezeichnet

Ich verfolge diese wunderbare Reihe vom ersten Band an. Somit begleite ich den sympathischen Chef de Police municipale Pierre Durand bereits seit zehn Jahren. Ich freue mich jedes Jahr auf einen neuen Band aus der Feder von Sophie Bonnet. Ihre Beschreibungen der Landschaften, der Menschen und der kulinarischen Genüsse wecken jedes Mal mein Fernweh. Verknüpft sind diese immer mit einem spannenden Kriminalfall.

Im vorliegenden zehnten Band verbringen Pierre und seine Ehefrau Charlotte ihre Flitterwochen an der Côte Varoise. Leider haben sie nicht lange etwas von ihrer trauten Zweisamkeit. Direkt am ersten Morgen rettet Pierre einen Mann vor dem Ertrinken. Es handelt sich um einen Taucher, der trotz der sofortigen Rettungsmaßnahmen eines Notarztes leider noch am Strand verstirbt. Die örtliche Polizei geht von einem Unfall aus. Aber der Notarzt bezweifelt das. Pierre möchte Charlotte nicht enttäuschen und will sich aus dem Fall heraushalten. Als ihn der Notarzt allerdings anruft und Andeutungen macht, den Mörder des Tauchers zu kennen, lässt Pierre sich auf ein Treffen ein, zu dem der Arzt jedoch nicht erscheint. Pierre beginnt, nach dem Arzt zu suchen, versucht aber gleichzeitig, dies vor Charlotte zu verheimlichen. Ob ihm das lange gelingt, und wie sie darauf reagiert, solltet ihr selber lesen.

Der Kriminalfall ist wieder sehr spannend erzählt. Pierre stößt bei seinen Nachforschungen auf der Insel Porquerolles nicht nur auf eine traumhafte Landschaft, sondern auch auf Umweltaktivisten, die sich durch recht ungewöhnliche Aktionen Gehör verschaffen wollen. Interessant fand ich die Schilderungen des Wasserproblems, das von den Touristen noch verstärkt wird. Neben der Ermittlungsarbeit bleiben den Frischvermählten noch genügend Gelegenheiten, den kulinarischen Freuden der Region zu frönen. Bei den Beschreibungen der Speisen lief mir regelmäßig das Wasser im Munde zusammen. Sophie Bonnet fügt am Ende ihrer Romane immer ein paar Rezepte hinzu, sodass der Leser diese zuhause nachkochen kann.

Mich hat dieser zehnte Fall der Reihe wieder vorzüglich unterhalten. Man kann die Bände einzeln lesen, jeder Fall ist in sich abgeschlossen. Ich empfehle allerdings die komplette Reihe zu lesen, denn sie ist wirklich ein Genuss.

Bewertung vom 29.05.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Nachdem mir bereits der Debütroman der Autorin – 22 Bahnen – sehr gut gefallen hatte, wollte ich natürlich auch den Nachfolger lesen. In diesem Roman geht es um Ida, die jüngere Schwester von Tilda, der Hauptfigur des ersten Buches. Wieder konnte mich die Autorin mit ihrem außergewöhnlichen Erzählstil sofort in ihren Bann ziehen.

Ida ist mittlerweile eine erwachsene junge Frau. Nachdem ihre Schwester Tilda zum Studieren nach Berlin gegangen war, blieb sie als 11-Jährige mit der alkoholkranken und depressiven Mutter allein.
Sie beginnt zu schreiben, um ihre Gefühle zu verarbeiten. Als sie – mittlerweile erwachsen – eines Tages nach Hause kommt, hat die Mutter sich das Leben genommen. Ida versinkt in Wut und Schuldgefühlen, schafft es nicht mal, zur Beerdigung der Mutter zu gehen. Schließlich verlässt sie die Wohnung und bricht alle Brücken zu ihrem alten Leben hinter sich ab. Zu Tilda, die mittlerweile in Hamburg lebt und eine Familie hat, will sie auch nicht. So landet sie auf Rügen, trifft dort Knut, in dessen Kneipe sie jobbt, und dessen Frau Marianne. Außerdem lernt sie Leif kennen, einen jungen Mann, der auch sein Päckchen zu tragen hat.

Idas Geschichte hat mich noch mehr bewegt als die von Tilda. Der Selbstmord der Mutter hat sie wütend und traurig zugleich gemacht. Streckenweise sucht sie sogar die Schuld bei sich. Ihre Wut schwimmt sie sich in der Ostsee weg. Sie schwimmt jeden Morgen bei Sonnenaufgang, egal wie das Wetter ist, bis zur völligen Erschöpfung. In Knut und Marianne, die sie spontan bei sich aufnehmen, findet sie eine Art Ersatzeltern. Marianne kümmert sich liebevoll um sie. Und dann ist da noch Leif, in den sich Ida Hals über Kopf verliebt. Die beiden kommen sich näher, aber Ida hat Angst vor der Nähe und bleibt vorsichtig. Wahrscheinlich ist die Angst vor einem weiteren Verlust zu groß.

Caroline Wahl hat eine ganz eigene Sprache. Ihre Sätze sind kurz und schnörkellos. Die Dialoge sind wie in einem Drehbuch geschrieben. Das hat mir Ida noch nähergebracht. Ich konnte ihre Wut, ihre Trauer, ihre Verletzlichkeit sehr gut fühlen.

Jetzt bin ich sehr gespannt, was Caroline Wahl als nächstes schreiben wird. In einem Interview hat sie erzählt, dass sie gerne mal einen Fantasyroman verfassen möchte. Das ist überhaupt nicht mein Genre – aber von Caroline Wahl würde ich es trotzdem lesen.

Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 17.05.2024
Bonjour Agneta
Hamberg, Emma

Bonjour Agneta


ausgezeichnet

Auf dieses Buch aufmerksam geworden bin ich durch das fröhliche Cover in knalligen Farben: Eine Frau mit lila T-Shirt und knallrotem Rock sitzt lachend auf einer Schaukel vor strahlendblauem Himmel. Die Inhaltsangabe hat mich sofort angesprochen, da ich sowohl Schweden als auch Frankreich sehr gerne mag. Die Lektüre versprach ein vergnügliches Abenteuer zu werden.

Sehr amüsant war der Einstieg in die Geschichte. Die 49-jährige Agneta lebt allein mit ihrem Ehemann Magnus in einem Haus in Schweden. Die Kinder sind aus dem Haus und melden sich nur, wenn sie Geld von Agneta wollen. Ihr Mann hat sich zum Gesundheitsfanatiker entwickelt, der auch Agneta alles verbietet, was Spaß macht. Deshalb isst sie heimlich Käse und Weißbrot und versteckt ihren Wein vor ihm unterm Bett. Ihre heimliche Sehnsucht ist ein Haus in Frankreich. Deshalb bewirbt sie sich spontan auf eine Stellenanzeige als Au Pair in der Provence. Als sie dort ankommt, findet sie statt des erwarteten Kindes einen alten, leicht dementen Herrn vor. Einar lebt, nachdem sein Lebenspartner verstorben ist, allein in einem riesigen Kloster, das er und sein Mann, sehr außergewöhnlich gestaltet haben. Agneta schwört sich zunächst, nur zwei Wochen auszuhalten, bevor sie zurückgeht. Doch dann kommt alles anders …

Agneta habe ich sofort gemocht. Sie ist leicht übergewichtig und genießt trotzdem mit allen Sinnen das Leben. Aber auch Einar, der zunächst ziemlich brummig und abweisend rüberkommt, hat sich schnell in mein Herz geschlichen. Die beiden sind ein herrliches Gespann. Dann gibt es noch die Nachbarin Bonnibelle, die sich bisher um Einar gekümmert hat und den Barbesitzer Fabien, einen charmanten Junggesellen. Beide unterstützen Agneta und sogen dafür, dass sie sich doch sehr schnell in ihrer neuen Rolle wohlfühlt. Für mich war dieser Roman wie ein kleiner Urlaub. Das französische Savoir-vivre habe ich sehr genossen. Die sympathischen Charaktere und der flüssige und witzige Schreibstil haben mich das Buch nicht aus der Hand legen lassen.

Mit großer Freude habe ich gelesen, dass Emma Hamberg bereits an einer Fortsetzung schreibt, die ich mit absoluter Sicherheit auch lesen werde.

Bewertung vom 05.04.2024
Sommerhaus am See
Poissant, David James

Sommerhaus am See


sehr gut

Eigentlich bin ich kein Freund amerikanischer Literatur. Die meisten Romane sind mir zu oberflächlich und berühren mich nicht. Bei „Sommerhaus am See“ hat mich zuerst das Cover angezogen. Es zeigt eine Frau im Badeanzug vor einem See, eingewickelt in ein grünes Handtuch, das Kinn nachdenklich auf ihre Hand gestützt. Auch die Inhaltsangabe und die Leseprobe haben mich neugierig gemacht. Meinen Entschluss, dieses Romandebüt zu lesen, habe ich nicht bereut.

Die Familie Starling trifft sich jeden Sommer in ihrem Häuschen an einem See in North Carolina. Doch dieses Jahr soll es das letzte Treffen in diesem Haus sein, da die Eltern Richard und Lisa sich entschlossen haben, das Haus zu verkaufen und ihren Lebensabend in Florida zu verbringen. Ihre Söhne Michael, der mit seiner Ehefrau Diane angereist ist, und Thad, der seinen Partner Jake mitgebracht hat, sind wenig begeistert davon, dass dieses Relikt ihrer Kindheit bald nicht mehr der Familie gehört. Gleich am Anfang des Romans geschieht ein schreckliches Unglück: Ein Junge einer anderen Familie ertrinkt im See. Michael versucht, ihn zu retten, scheitert aber. Nach und nach erfährt der Leser immer mehr über die einzelnen Familienmitglieder. Was zunächst nach einer ganz normalen glücklichen Familie aussah, entpuppt sich im Laufe der Geschichte immer mehr als eine Gruppe von Menschen mit Geheimnissen und Sehnsüchten.

Die Tatsache, dass dieser Roman im Präsens geschrieben ist, hat mich zunächst etwas gestört. Aber ich hatte mich schnell an den Schreibstil gewöhnt. Die Perspektive wechselt kapitelweise zwischen den einzelnen Familienmitgliedern und deren Partnern. Jeder hat seine Geschichte und sein eigenes Schicksal. Die Handlung spielt im Jahr 2018, Trump ist amerikanischer Präsident, was einiges an Diskussionsstoff bei der Familie Starling bietet. Die zum Teil tragischen Geschichten der Protagonisten haben mich bewegt. Einiges mag mehr oder weniger typisch amerikanisch sein, wie das Leben von Michael und Diane, die beide schuften, um sich ein Leben über ihren Verhältnissen doch nicht leisten zu können. Andere Dinge wie Alkoholismus und Untreue geschehen überall auf der Welt.

Alles in allem konnte der Autor mich mit seinem Debut überzeugen.

Fazit:
Feinfühliges Portrait einer amerikanischen Familie.

Bewertung vom 08.02.2024
Der Schacherzähler
Pinnow, Judith

Der Schacherzähler


ausgezeichnet

Auf dieses Buch aufmerksam geworden bin ich durch die zahlreichen sehr positiven Buchbesprechungen in den sozialen Medien. Da ich mit Schach überhaupt nichts anfangen kann, hätte ich um diesen Roman sonst wahrscheinlich einen großen Bogen gemacht. Und, um das gleich vorwegzunehmen, hätte mich dadurch um einen echten Lesegenuss gebracht. Für alle, die dieselben Befürchtungen haben, sei gesagt: Die Hauptfiguren spielen zwar Schach, aber man braucht absolut keine Vorkenntnisse, das Spiel an sich ist nebensächlich.

Die Geschichte beginnt mit einem alten Mann, der vorgestellt wird. Er ist seit einiger Zeit Witwer und weiß ohne seine Frau nicht so recht, wie er seinen Tag bewältigen soll. Er lebt nach einem festen Zeitplan. Ein Teil dessen ist, dass er mit seinem Schachbrett und einer Thermoskanne mit Tee in den Park geht, um dort gegen seine verstorbene Frau imaginäre Schachpartien zu spielen. Eines Tages begegnet er dort dem 9-jährigen Janne, der auf einer Skateranlage übt. Der Junge ist neugierig und geht auf den alten Mann, der sich ihm als „Oldman“ vorstellt, zu. Seine alleinerziehende Mutter Malu arbeitet in einem Café und ist oft mit der Erziehung Jannes überfordert. In der Schule gilt er als schwierig, oft muss Malu zur Lehrerin kommen und sich deren Beschwerden anhören. Erst als Janne und Oldman sich annähern, und Janne beginnt, das Schachspiel zu erlernen, wird er ruhiger. Doch eines Tages ist Oldman nicht an seinem Platz im Park.

Diese Geschichte hat mich sehr berührt. Es geht hier nicht nur um die Einsamkeit eines alten Witwers oder um die Probleme einer alleinerziehenden Mutter und deren Sohn. Dieses Buch ist viel mehr. Die Autorin vermittelt ihren Lesern, wie wichtig Freundschaft und Familie sind, ohne jemals belehrend zu wirken. Sie erzählt aus verschiedenen Perspektiven, wie sich die Protagonisten nach und nach annähern. Auch aus Oldmans Vergangenheit, die eine nicht unerhebliche Rolle spielt, erfährt der Leser einiges. Das Ende hielt für mich noch eine echte Überraschung bereit und ließ mich das Buch mit einem Lächeln im Gesicht zuklappen.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die sehr hübsche Gestaltung des Buches: Eingestreut in die Geschichte sind kleine Illustrationen von Vivien Thiessen, die sehr gut zu der Handlung passen. Auch die Gestaltung des Covers in einem hellen Grün mit roter Schrift hat mir ausgesprochen gut gefallen. Es zeigt einen alten Mann und einen Jungen, die nebeneinander hergehen, eingerahmt in Kastanienblätter.

Bewertung vom 25.12.2023
Lindy Girls
Stern, Anne

Lindy Girls


sehr gut

Auf diesen Roman bin ich durch das hübsche Cover aufmerksam geworden, das zwei junge Frauen in der typischen Kleidung der 20er Jahre zeigt. Auch der Klappentext sprach mich sofort an. Jazzmusik und Tanz in Berlin Ende der 20er Jahre interessierten mich sehr. Von der Autorin hatte ich bisher noch nichts gelesen, allerdings sehr viel Gutes gehört.

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive der vier Frauen. Wally Kaluza, genannt der General, ist eine strenge Tanzlehrerin, die ihrer Tanztruppe hartes Training abverlangt. Sie findet acht Mädchen auf den Straßen Berlins, die nicht zu viel Erfahrung mit dem Tanzen haben. Eine von ihnen ist Alice, eine junge Jüdin, die tagsüber in einer Fabrik schuftet und sich alleine um ihren Bruder Ben kümmert. Thea entstammt einer reichen Familie, der sie, als sie verheiratet werden soll, den Rücken kehrt. Auf der Straße lernt sie Gila kennen, eine Sekretärin bei einer Zeitung, die davon träumt, einen eigenen Roman zu veröffentlichen.

Auf knapp 350 Seiten beschreibt Anne Stern die Gründung der Gruppe, das Training und die ersten Engagements der Lindy Girls. Nebenher geht sie noch auf diverse private Probleme der Haupt- aber auch der Nebenfiguren ein. Das Aufkommen der Nazis, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, die Folgen des Ersten Weltkriegs. Das war mir etwas zu viel. Trotzdem hat der Roman mich sehr gut unterhalten und ich habe die Tanz- und Musikszenen ganz besonders genossen.

Bewertung vom 25.12.2023
Eine halbe Ewigkeit
Kürthy, Ildikó von

Eine halbe Ewigkeit


ausgezeichnet

Cora Hübsch ist zurück! Was habe ich den Roman „Mondscheintarif“ vor 25 Jahren gefeiert! Damals war ich in etwa so alt wie Cora Hübsch, heute bin ich es logischerweise immer noch. Cora ist mittlerweile Mitte 50, Fotografin, verheiratet und Mutter von drei Kindern, die gerade alle das Elternhaus verlassen haben. Aus ihrer Ehe ist die Luft raus, man lebt nebeneinander her. Bei einer Aufräumaktion findet sie ihr altes Tagebuch und beginnt, darin zu lesen.

Am Altpapiercontainer trifft sie eine Schauspielerin, die sie mal am Set fotografiert hat. Diese nimmt sie mit in eine nahe gelegene Villa, in der eine bunte Gruppe Menschen lebt. Eine Hochzeit steht an und der Fotograf ist ausgefallen. Was liegt also näher, als Cora den Job anzubieten? Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Auf Cora wartet ein turbulentes Wochenende.

Ich liebe den feinen Humor von Ildikó von Kürthy. Sehr oft habe ich mich in der Figur Cora wiedererkannt. Mit feinem Spott beschreibt die Autorin die kleinen und mittelgroßen Probleme einer Frau in den Wechseljahren. Es gibt aber auch Szenen, die nachdenklich machen. Es geht um Sterbehilfe und wie man den Rest seines Lebens damit leben kann.

Mich hat diese „Fortsetzung“ bestens unterhalten. Man brauch übrigens „Mondscheintarif“ nicht unbedingt gelesen zu haben, um „Eine halbe Ewigkeit“ zu verstehen. Ich kann allerdings jedes Buch der Autorin empfehlen.

Bewertung vom 15.11.2023
Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23
Bernard, Caroline

Ich bin Frida / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.23


ausgezeichnet

Ich bin ein riesiger Fan der Malerin Frida Kahlo. Deshalb war es für mich Pflicht, diesen Roman über ihre Zeit in New York und Paris zu lesen. Die Literaturwissenschaftlerin Caroline Bernard beschäftigt sich bereits zum zweiten Mal mit der mexikanischen Ausnahmekünstlerin. Im ersten Buch „Frida Kahlo und die Farben des Lebens“ geht es um Fridas Anfänge als Malerin und das Kennenlernen ihres späteren Ehemannes Diego Rivera. Der vorliegende Band behandelt die Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, in der Frida sich als anerkannte Künstlerin aus dem Schatten ihres berühmten Mannes herauskämpfen kann.

Mit Anfang 30 lebt Frida neben ihrem Mann Diego Rivera, der in Mexiko und den USA ein anerkannter Künstler ist. Die beiden verbindet eine außergewöhnliche Liebe. Aber Frida ist unglücklich, sie fühlt sich neben dem großen Diego unbedeutend. Bis sie eines Tages Einladungen zu je einer Ausstellung in New York und Paris erhält. Sie ist überglücklich und stürzt sich in die Vorbereitungen. In New York feiert sie einen triumphalen Erfolg. Dort trifft sie auch ihre heimliche Liebschaft, den Fotografen Nick Muray, wieder. Ihre Liebe zueinander entflammt erneut. Jedoch stellt er sie vor die Wahl: Diego oder er. Diese Entscheidung kann und will sie nicht treffen.

In Paris läuft es zunächst nicht so gut. André Breton hält die gemachten Versprechungen nicht ein. Er hat weder eine Galerie für sie gefunden noch löst er ihre Gemälde beim Zoll aus. Erst Marcel Duchamp verhilft ihr zu der geplanten Ausstellung, die dann doch noch ein Erfolg wird.

Es war eine Freude, den Weg nach New York und später nach Paris mit Frida zu gehen. Der Autorin ist es großartig gelungen, Fridas Psyche zu zeichnen. Zunächst ist sie von Selbstzweifeln geplagt, als sie Erfolg hat, kann sie ihr Glück kaum fassen und wird zu einer stolzen und selbstbewussten Frau. Überschattet wird dies alles von den ständigen Schmerzen, die sie plagen. Als Kind war sie an Kinderlähmung erkrankt und als junge Frau hatte sie einen sehr schweren Verkehrsunfall, dessen Folgen sie sehr lange Zeit ans Bett fesselten und lebenslange Nachwirkungen hatten. Immer wieder greift sie zu Schmerzmitteln in Verbindung mit sehr viel Alkohol. Daneben ihre sehr schwierige Beziehung zu Diego Rivera, mit dem sie eher eine Hassliebe verbindet. Er betrügt sie ständig, sogar mit ihrer eigenen Schwester. Aber wenn sie ihn braucht, ist er für sie da.

Die Stimmung in diesem Roman hat mich einfach mitgerissen. Es ist unglaublich, wem die Künstlerin auf ihren Reisen begegnet ist: Pablo Picasso, Josephine Baker, Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, um nur einige zu nennen. Die Beschreibungen von Fridas Bildern waren so genau, dass ich sie mir ganz genau vorstellen konnte, wenn ich sie nicht schon kannte.

Dieser Roman ist nicht nur für Fans der Malerin Frida Kahlo interessant, sondern für jeden, der etwas über die Stimmung in den USA und Frankreich kurz vorm Zweiten Weltkrieg erfahren möchte. Ich kann ihn uneingeschränkt empfehlen.

Fazit:
Sehr intensiver Roman über Frida Kahlos Zeit in New York und Paris

Bewertung vom 03.11.2023
Miss Emily und der tote Diener von Higher Barton
Michéle, Rebecca

Miss Emily und der tote Diener von Higher Barton


ausgezeichnet

Bisher spielten die Romane von Rebecca Michéle in Higher Barton in der Gegenwart. In ihrer neuen Reihe hat sie die Handlung zwar am selben Ort belassen, allerdings spielt die Geschichte im Jahr 1905. Die Protagonistin ihrer neuen Reihe ist Miss Emily Tremain, eine 28-jährige Frau aus London, die sich sozial engagiert und für Frauenrechte kämpft. Da ihrer Mutter dieses Verhalten ein Dorn im Auge ist, wird Emily zu ihrem Onkel Alwyn nach Cornwall geschickt. Mit ihrer modernen und resoluten Art eckt sie dort mehrfach an. Auf dem Land ticken die Uhren noch etwas anders.

Gleich bei Emilys Ankunft wird ein toter Diener der Familie in der Nähe des Herrenhauses entdeckt. Da Emily dem örtlichen Polizisten nicht traut, mischt sie sich in die Ermittlungen ein und schnüffelt auf eigene Faust herum. Das geziemt sich natürlich für eine anständige Frau nicht! Deshalb stößt Emily an allen Stellen auf Ablehnung und Misstrauen.

Die resolute Miss Emily habe ich von Anfang an in mein Herz geschlossen. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Ein ebenbürtiger Gegner, der sich regelmäßig Wortgefechte mit ihr liefert, ist der Vikar des Dorfes. Die Szenen mit den beiden Streithähnen fand ich köstlich. Nebenbei wird die Situation der Minenarbeiter und ihrer Familien in Cornwall zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehr anschaulich beschrieben. Die Autorin ist sehr oft in der Region und eine echte Kennerin der Gegend und der Geschichte.

Auch die Lösung des Kriminalfalles kommt selbstverständlich nicht zu kurz. Ich habe mit Spannung verfolgt, wie Emily die ein oder andere falsche Spur verfolgt hat, wobei sie sich durchaus auch mal in Gefahr begab. Weitere Fälle für die taffe Miss Emily werde ich auf jeden Fall wieder lesen.