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Benutzername: 
Hermine
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Frankfurt

Bewertungen

Bewertung vom 04.09.2010
Frauenmörder / Hiobs Spiel Bd.1
Meißner, Tobias O.

Frauenmörder / Hiobs Spiel Bd.1


ausgezeichnet

Ich kam an dieses Buch über seine Rezensionen, die sich größtenteils wiederholen (haben sie von einander abgeschrieben, weil sie es nicht fertig brachten das Buch von vorne bis hinten zu lesen?) . T.O. Meißner würde den Mund zu voll nehmen, es sei blutrünstig und böse, ja geradezu blasphemisch...In den hier schon zitierten Kritiken der Frankfurter Allgemeinen, heißt es,es sei ein blasphemischer Versuch mithilfe der Kunst Gott und die Welt zu verneinen (klingt nach Buch überflogen, Zusammenhang nicht verstanden), die Süddeutsche Zeitung lästert über das "etwas Vollmundige" Vorhaben und darüber, dass es Buch statt Band heißt. Schließlich bewegten mich gerade solche hohlen Rezensionen dazu zu überprüfen, warum sich viele den Mund darüber zerreißen. Das dies viele nötig haben wundert mich nun, nachdem ich es gelesen habe, allerdings nicht mehr. Dieses Buch ist nichts für jedermann. Ich würde es niemandem empfehlen der in seinem Leben nicht einiges schon hintersich gebracht hat und dem noch nicht klar ist, dass etwas ganz gehörig mit unserer Welt nicht stimmt. Nicht umsonst heißt es dort im Auftakt: "Vieles von dem, was hier verhandelt wird, ist wahr, ist zumindest bezeugt worden, und was nicht wahr is, wurde in Alpträumen durchlebt. Niemand würde sich so etwas einfach nur ausdenken. Niemand der noch nicht verloren ist." und es heißt über die Figuren in dem Buch "Aber sie lernen. Sie sind unter Schmerzen dabei, sinnliche und übersinnliche Erfahrungen zu sammeln. Und genau so wird es euch ebenfalls ergehen. 'Lohnt sich das?' werdet ihr fragen. Ich kann nur antworten 'nicht für jeden'. " Und Meißner hat nicht zuviel versprochen. Er spiegelt die dunkelsten Tiefen des menschlichen Daseins, Dinge von denen wir lieber möchten, dass sie unmenschlich sind weil sie zu grauenhaft sind. Doch richtig betrachtet gehen die Schandtaten von Menschen aus nicht von den auch vorkommenden Dämonen, sind durch menschliche unbefriedigte Bedürfnisse, Ängsten, Leere, Fehlerhaftigkeit des Geistes, mangelndem Gewissen motiviert. Hiob, spielt gegen den Meister des Wiedenflieses, genau aus diesem Grund. Er hat ein Gewissen, er sieht mit offenen Augen wozu der Mensch und die Welt fähig sind, er leidet darunter. Alles was die Menschen in diesem Buch tun, ist denkbar, hat man schon mal gehört, will man aber nicht wahr haben. Man mag die Augen schließen und ins Nirwana fallen wo das endlich aufhört. Ebenso ergibt sich für mich der Verdacht, dass jene, die das Buch einfach abtun als blasphemisch, als böse, diejenigen sind die die Augen schließen mögen, sich die Finger in die Ohren stopfen und laut 'lalala' machen um nichts hören zu müssen. Jene aber, die Wissen, dass was geschrieben wurde wahr ist, jene die eben nicht die Augen zu machen können, jene die ebenso leiden, eben weil sie sehen, denen erscheint das Ausprechen dieser Unaussprechlichkeiten und Hiobs Spiel wie eine tiefgreifende Katharsis.
Ja das Buch ist unheimlich anstrengend, erschlagend, "sehr harter Tobak" wie man sagt. Aber es rückt durch seine Aussprache auch etwas richtig, auch gegen den Widerwillen derer, die das Geschriebene nicht konfrontieren können und sich deshalb das Maul darüber zerreißen müssen. Was mich noch an den Kritiken wundert ist, dass es die Kritiker so aufregt, dass Meißner für seinen Plan 50 Jahre veranschlagt hat. Er hat mit 25 angefangen zu schreiben, jetzt ist er 35 und schreibt am dritten Buch. So what? Was die literarische Qualität betrifft, ist sie meines Erachtens weit im oberen Bereich anzusiedeln und ich finde es nicht im geringsten verwerflich, dass er mit allen möglichen und unmöglichen Techniken zu Felde zieht. Er meistert sie und es gibt dem Ganzen auch die äußere Besonderheit, die sein Vorhaben schon von innen her hat. Ob er nun 50 Jahre schreibt oder nicht, spielt keine Rolle. Ob er anstrebt ein epochales Werk zu schreiben, was regt die Leute daran auf? Wahrscheinlich, dass das Unaussagbare mit kraftvollen Worten geäußert und dadurch relevant wird.

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