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Benutzername: 
Cosmay
Wohnort: 
Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2016
Die Gang
Laymon, Richard

Die Gang


ausgezeichnet

“Die Gang“ kippt erst auf den letzten 100 Seiten in das Szenario, welches der Klappentext in seinen abschließenden Zeilen andeutet ~ und drängt den Leser abermals in eine verfälschte Richtung.
So rasch die Story damit zusammenfassbar ist, dass eine Gruppe Jugendliche sich zusammengeschlossen hat, um die sog. „Trolle“ aus der Stadt zu vertreiben und die Übergriffe hierbei immer ausgefeilter wie auch brutaler werden, so sehr setzte der Verfasser in seinem dramaturgischen Thriller auf eine umfassende Figurenzeichnung und erzählte seine Geschichte in einer durchgängig anspruchsvollen Art und Weise, platziert immer wieder kleine Gedankenanstupser wie gesellschaftskritische Beobachtungen respektive Analysen, die manch einer von diesem Autor vermutlich nicht erwartet hätte. „Die Gang“ ist in meinen Augen ein ernsthaftes Buch, lassen sich somit die sonstig vorhandenen makaberen Unterhaltsfragmente ein wenig vermissen; würden diese gleichwohl jedoch ein wenig deplatziert wirken.

Der bedrohlich-magische Zauber, der von Jahrmärkten und ähnlichen Orten ausgeht, wurde meines Entsinnens nach bereits in mehreren Publikationen thematisiert und auf den gruseligen Punkt gebracht. Mit dem Einbruch der Nacht, wenn sich die Zahl der betrunkenen, pöbelnden oder einfach düsteren Gesellen summiert, verliert der Ort des Geschehens an seinem Zuckerwatte-Flair und kippt in eine ähnlich gänsehautfördernde Atmosphäre, die auch von dem ansässigen Kuriositätenkabinett auszugehen scheint.

Während zig Bücher ihre Spannung schrittweise aufbauen, warf Laymon seine Leser ohne großes Tamtam unmittelbar in die Geschehnisse herein. Ähnlich wie Jeremy wird man somit in eine Szenerie hineinkatapultiert, in der man eigentlich nur wissen will, was genau sich hinter der nächtlichen Aktion verbirgt, um sodann wenig später festzustellen, dass man bereits mittendrin steckt. Mittels einer durchgängig glaubwürdigen Darlegung vermochte der Autor es, Jeremy das tun zu lassen, was er eben tut ~ der unstete Wunsch nach Akzeptanz, des Dazugehörens, des Neubeginns und nicht zuletzt die Hoffnung, andere zu beeindrucken, ist zum Großteil nachvollziehbar. Insbesondere der Zeitungsartikel, den Gloria themenspezifisch verfasst, geht unter die Haut und lässt „Die Gang“ (deutlich) tiefschürfender erscheinen als es bspw. hinsichtlich „Das Treffen“, „Der Wald“ oder „Das Spiel“ der Fall war.

Wie so oft zog Richard Laymon das Tempo im Finale drastisch an und macht bedauerlicherweise nicht vor einem äußerst unglaubwürdigen Einschub halt. Grundsätzlich überschlagen sich die Entwicklungsstränge diverse Male, um mich als Leser zunehmend mehr mit (An)Spannung, Nervenkitzel und Fassungslosigkeit zu erfüllen. Buchseiten, in denen man automatisch die Augen aufreißt häufen sich zunehmend und beweisführen einen äußerst infantilen Einfallsreichtum, um möglichst gewitzt noch ein paar buchstäblich gewaltige Elemente in den Roman zu bugsieren.

Warum um alles in der Welt Richard Laymon abschließend der Meinung war, „Die Gang“ unbedingt mit einem völlig unsinnigen Zeitensprung im 48. Kapitel fortführen zu müssen, ist mir persönlich definitiv ein Rätsel. Erfreulicherweise erfolgt sodann jedoch eine Art Rückblick, der zwar ein wenig zusammengeschustert wirkt, mich allerdings mit einer überaus bösen und zugleich moralträchtigen letzten Seite überraschte und zugleich einen gefühlten Volltreffer hinsichtlich der abschließenden Aussage landete.

Fernerhin hätte mir mehr Geradlinigkeit in der Gesellschaftskritik gewünscht, stattdessen kippt „Die Gang“ im Finale in einen Blutrausch und erinnert die Leserschaft lediglich auf der allerletzten Seite wieder an die vermeintliche Moral der Geschichte ~ Gretchenfrage somit jedoch, ob man diesen Faktor dem Buche zum „Vorwurf“ machen kann, stellt im Grunde genommen die Publikation ein Werk dar, auf dem konsequenterweise Laymon nicht nur draufsteht, sondern auch drinsteckt.

Bewertung vom 26.03.2011
Warum, Frankenfish?
Christoph Straßer

Warum, Frankenfish?


ausgezeichnet

Das Buch beginnt mit einem quasi-Zitat und beeindruckt mich schon allein durch diesen Umstand. Das im weiteren Verlauf überdies ein ganzes „Rammstein“-Album seine „Anwendung“ findet, erfüllt mich persönlich mit ebensolchiger Begeisterung ~ wobei ich gleichermaßen nie behauptet habe, dass ich sonderlich schwer zu beeindrucken oder gar -geistern wäre.

Nichtsdestotrotz fällt es leicht, sich in die jeweiligen Szenerien hineinzufinden, sich regelrecht in den Erzähler hineinzu_fühlen. Dadurch, dass das Buch im Präsens geschrieben wurde, verstärkt sich der Eindruck, selbst Zeuge der diversen Alltags-Skurrilitäten zu sein.
Während womöglich insbesondere die Leser, die bspw. In einer Anwaltskanzlei arbeite(te)n, bislang dachten, sie hätten wirklich bereits alles erlebt, was es an schrulliger Kundschaft gibt, wird man durch „Warum, Frankenfish?“ eines besseren belehrt. Hinzu kommt, dass vermutlich jeder Leser bereits selbst einmal in einer Videothek war und womöglich Zeuge mancher Szenerien war, die man durch das Buch nocheinmal von einem anderen Blickwinkel her betrachten darf.
Es mag niemanden überraschen, dass „Warum, Frankenfish?“ keine schwere Kost ist und überdies durch manche Vorhersehbarkeiten schlicht und ergreifend zu amüsieren versucht. Erfreulich in diesem Zusammenhang, dass es kaum etwas ausmacht, dass sich früh erahnen lässt, auf was gewisse Ereignisse hinauslaufen sollen und werden ~ vielmehr stellt der potentielle Leser fest, dass es genau das (zum Teil bösartige) Ende ist, welches man der betreffenden Person gegönnt hat. Für's Karma kaum förderlich, aber dennoch eine Logik, die durchaus bestechlich tangiert:

„Streng genommen sind Jason und ich ja jetzt quitt: ich krieg fast aufs Maul und er steht lachend daneben. Und er kriegt tatsächlich aufs Maul, ich lache aber nicht. Ist ja nicht so, als habe Fortuna nicht an ihn gedacht; er hat ja schließlich noch die Spiele, die ihn trösten können.“
(Zitat, S. 48)
Die einfache Sprache macht es dem Leser nicht schwer, das kurze Buch (überdies in recht großem Schriftformat) binnen einer guten ¾ Stunde quasi ad acta zu legen; selbst dahingehend, dass man mancherlei Absätze aus purer Unterhaltung gleich zweimal lesen mag. Nichtsdestominder bietet die Lektüre durchaus (unverhofften?) Tiefgang, liefert Denkanstöße, die den ein oder anderen, je nach Grübelgrad der eigenen Mentalität, noch eine geraume Weile beschäftigen werden:
„Bei den Paaren finde ich es besonders gruselig. Ist es so schwer, mit dem Menschen, den man angeblich liebt, seine Zeit zu verbringen? Warum muss sich der Mann von Paar A an jedem Wochenende PC-Spiele leihen, während sich seine Frau irgendwelche Ami-Schnulzen ansieht?“
(Zitat,