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Benutzername: 
Mrsroman
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 25.05.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


sehr gut

Idylle mit Schattenseiten

Romy Fölck hat es mit ihrem neuen Roman geschafft, eine interessante und ansprechende Geschichte dreier Menschen zu erzählen, die an den Lasten ihrer Vergangenheit tragen und sich bemühen, mit diesen im Leben irgendwie zurechtzukommen.
Angesiedelt ist der Roman auf einem Bauernhof in der Lüneburger Heide, der von dem zurückgezogen lebenden eigenbrötlerischen Benno als Gnadenhof für Tiere bewirtschaftet wird. Aus wirtschaftlicher Notlage heraus nimmt er Thea- ebenfalls Mitte fünfzig-, eine heimgekehrte Aussteigerin aus Portugal mitsamt ihren zwei Ziegen als Untermieterin auf. Bereits nach kurzer Zeit wird deutlich, dass ein reibungsloses Zusammenleben erforderlich macht, überkommene Verhaltensweisen zu überdenken um den gemeinsamen Alltag zu meistern- eine Situation, die für beide eine Herausforderung darstellt, zumal sich der Hof in erheblicher wirtschaftlicher Schieflage befindet, die Benno bislang mit Erfolg zu verdrängen versucht hat.

Doch als unfallbedingt die gerade volljährige Juli auf dem Hof Rast machen muss und frischen Wind in den Alltag hineinbringt, scheint sich das Blatt zu wenden und gemeinsam versucht man, die Insolvenz zu vermeiden.
Eine Reihe vorhersehbarer und auch nicht absehbarer Ereignisse führen zu unerwarteten Entwicklungen und gestalten die Geschichte interessant und es wird hinreichend Spannung aufgebaut, ob die Hofgemeinschaft es schafft, den Verkauf des Anwesens zu verhindern und ob sie offen genug ist, sich auf ein Miteinander einzulassen.
Mit einem guten Blick für Details schildert Romy Fölck die norddeutsche Landschaft um die Lüneburger Heide herum so überzeugend, dass man sich mitten in die Natur hineinversetzt fühlt. Die Autorin schafft es, atmosphärisch dicht zu schreiben; so sind aus meiner Sicht auch die Charaktere gut herausgearbeitet, so dass die entstehenden Konflikte nicht zu gekünstelt erscheinen sondern auch recht subtil beleuchtet werden, wobei sich das Ganze natürlich schon in schöner Umgebung mit idyllischer Landschaft abspielt und insgesamt das Leben auf dem Hof doch ein bisschen zu sehr beschönigt wird; insgesamt jedoch ein Wohlfühlroman zum Wegschmökern!

Bewertung vom 28.04.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


ausgezeichnet

Sehr berührender Roman
Dass es in Kriegen nur Verlierer gibt, ist hinlänglich bekannt, aber häufig stehen dabei die Toten und körperlich Versehrten in Blickpunkt. Der Roman „Wo die Asche blüht“ zeigt nicht nur auf welche existenziellen Nöte der Vietnamkrieg für die Bevölkerung mit sich gebracht hat, sondern er befasst sich auch mit den unsichtbaren Wunden der Kriegsbeteiligten und der Privatpersonen, die nicht aktiv am Kampfgeschehen beteiligt waren.
Dass diese psychischen Verletzungen vielfältig und sehr schwerwiegend sein können, hat die Autorin sehr eindrucksvoll und berührend in ihrem Buch geschildert.
So steht auf der einen Seite der Protagonisten der traumatisierte ehemalige US-Soldat Dan, der noch Jahrzehnte nach Kriegsende unter Angststörungen leidet, welche nachhaltig seine Ehe beeinflusst haben. Er versucht durch eine Rückkehr nach Vietnam, sein Traumata zu überwinden und sich seiner Vergangenheit zu stellen. Auf der anderen Seite Phong, der als Kind eines schwarzen US Soldaten in Vietnam aufgewachsen ist , und aufgrund seiner Abstammung „ als Kind des Feindes „ weder in Vietnam akzeptiert, noch von den USA als amerikanischer Staatsbürger anerkannt wird und sich nun verzweifelt um ein Visum für sich und seine Familie für die USA bemüht.
Beide Akteure werden im Rahmen ihrer Bemühungen mit Tatsachen konfrontiert, mit denen sie nicht gerechnet haben und die ihre weiteren Lebensentscheidungen beeinflussen.
Die Autorin wechselt in ihrer Erzählung zwischen der Gegenwart und der Zeit des Vietnamkrieges, in dessen Verlauf die Ursachen gelegt wurden, die das Leben von Dan und Phong nachhaltig beeinflusst haben.
Die Autorin schildert das Geschehen sehr realistisch wobei sie weder bewertet noch anklagt aber aus meiner Sicht empathisch und dabei schonungslos aufzeigt, welche Konsequenzen das Kriegsgeschehen in Vietnam für die Vietnamesen auf beiden Seiten und auch für die im Einsatz befindlichen Soldaten gehabt hat. Berührende Bilder, ein Blick für die Feinheiten des menschlichen Wesens für seine guten und schlechten Seiten sowie eine geschickt angelegte Geschichte machen das Buch so packend, dass man es nicht aus der Hand legen kann.
Den Wegen von Dan und Phong zu folgen und zu erfahren, ob Verbitterung und Kriegsleid überwunden werden können und tatsächlich aus „Asche „ wieder Hoffnung erwachsen kann, ist hochinteressant und macht das Buch gerade in der heutigen Zeit so lesenswert.

Bewertung vom 20.02.2024
Hallo, du Schöne
Napolitano, Ann

Hallo, du Schöne


ausgezeichnet

Familie vor der Zerreißprobe
Mit „Hallo du Schöne" hat Ann Napolitano einen ganz besonderen Familienroman geschrieben, der an Intensität und Dichte seinesgleichen sucht.
Das Buch schildert im Kern das Erwachsenwerden und den Lebensweg von vier Schwestern einer italienischstämmigen Familie in Chicago im Zeitraum zwischen 1963-1985, deren Wege sich mit dem von William, einem lieblos aufgewachsenen Einzelkind kreuzen. Während William mit den Folgen seiner schwierigen Jugend zu kämpfen hat und sein Selbstbewusstsein lediglich aus seiner Basketball Begabung ziehen kann, wachsen die vier Padavano Schwestern in einem zwar eher ärmlichen, aber sehr innigen, zugewandten Familienverband auf, geliebt vom unterschätzten, eher philosophisch veranlagte Vater, der die Erwartung seiner Ehefrau nicht erfüllen kann, seine Töchter hingegen in ihren Eigenarten erkennt und in ihren Fähigkeiten positiv bestärkt. Dominiert wird die Familie von der zielstrebigen Mutter Rose, die bestimmte Lebenswege und gesellschaftlichen Aufstieg für ihre Töchter vor Augen hat.
Erwählt von der ältesten Tochter Julia, die in William den Mann sieht, mit dem sie ihre klaren, karriereorientierten Lebenspläne umsetzen kann, wird William durch die Heirat mit ihr in den lebhaften, funktionierenden Familienverband aufgenommen. Dem ersten Anschein nach wendet sich Williams Leben zum Besseren, und er kann seine psychischen Schwierigkeiten zunächst verdrängen, nicht zuletzt auch durch seine voranschreitende Karriere als Basketballspieler.
Doch das Leben mit seinen unvorhergesehenen Wendungen und auch die Auswirkungen Williams verkorkster Kindheit durchkreuzen die Lebenspläne etlicher Beteiligter und der einstmals starke Familienverband bricht auseinander.
Die Großfamilie in ihrer ursprünglichen Form ist zerfallen und jede der Schwestern versucht, ihren Weg zu finden, um mit diesem Verlust und den damit einhergehenden Enttäuschungen fertig zu werden und im Leben ein bisschen Glück zu finden, wobei die beiden jüngsten Schwestern daneben versuchen, die Restfamilie zusammenzuhalten. Wenngleich nicht jedes Verhalten der Familienmitglieder vernünftig erscheint, hat es die Autorin verstanden, die Sichtweisen der einzelnen Beteiligten sehr empathisch und ausgesprochen eindrucksvoll wiederzugeben, wobei diese Entwicklungen jeweils aus Sicht der verschiedenen Protagonisten geschildert werden.
Ann Napolitano hat sensibel viele Themen aufgegriffen, die für eine Familie zur Belastung werden können, dies dabei, ohne ins Klischeehafte abzugleiten, so fesselnd und berührend beschrieben, dass man förmlich in das komplexe Familiengefüge mit seinen diversen Wirrungen hineingezogen wird.
Ein sehr intensiver, hochinteressanter und sehr gut zu lesender Familienroman, der aufzeigt, dass das Leben an sich nicht planbar ist, aber auch wie stark und belastbar Familienbande sein können, und die Liebe und der Mut zur Offenheit letztlich das verbindende und heilende Element in Krisensituationen sein kann. Ein Buch, das man gerne auch ein zweites Mal lesen wird, unbedingt zu empfehlen für Anhänger von guten Familienromanen!

Bewertung vom 31.01.2024
Verborgen / Mörderisches Island Bd.3
Ægisdóttir, Eva Björg

Verborgen / Mörderisches Island Bd.3


ausgezeichnet

Miss Elma ermittelt...
"Verborgen" war der erste Band, den ich aus der Island Krimireihe von Eva Aegisdottir gelesen habe und es wird sicherlich nicht der letzte sein!
Ein interessant angelegter Krimi mit der alleinstehenden, sympathischen Kommissarin Elma, und einem zur Abwechslung mal intakten familiären Umfeld, die in Akranes, einer Kleinstadt Islands, zu klären versucht, ob das Opfer eines Brandes- ein allgemeine beliebter junger Mann, der offenbar ein unauffälliges Leben geführt hat, einem Mord zum Opfer gefallen ist. Während der Ermittlung zu diesem Fall wird eine weitere Leiche gefunden, die im Zusammenhang mit dem ersten Todesfall zu stehen scheint. Die ersten Befragungen der Anwohner und die Information der neugierigen Mutter von Elma sowie die Auswertung einer Kamera, die auf das Haus des Opfers gerichtet war, ergeben zwar einige Anhaltspunkte, führen jedoch nicht gleich zum Täter. Ein kompliziertes Beziehungsgeflecht des Freundeskreises des ersten Opfers deutet auf Spannungen hin, in denen durchaus ein
Motiv für die Tat begründet sein könnte. Auch die gut bürgerlichen Fassaden in Arkanes täuschen zusätzlich, sodass Elma und ihr Kollege Saevar die losen Enden der zahlreichen Ansätze verknüpfen müssen. Dies hat die Autorin äußerst spannend beschrieben, wobei es erfreulicherweise nicht zu brutal zugeht, im Gegensatz zu manch anderen aktuellen Krimis, die vor drastischen Schilderungen nicht zurückschrecken. Die einzelnen Protagonisten sind gut charakterisiert und es wird eine überzeugende, spannende Handlung entwickelt, die unvorhersehbare Entwicklungen mit sich bringt.
Ein gekonnter Krimi nach welchem man trotzdem noch gut schlafen kann, wobei die Spannung konstant bis zum Ende aufrechterhalten wird.

Bewertung vom 31.01.2024
Die Halbwertszeit von Glück
Pelt, Louise

Die Halbwertszeit von Glück


ausgezeichnet

Kluger, warmherziger Roman
Das wunderschöne, farbintensive Cover mit den stilisierten Bäumen, und seiner besonderen Haptik durch die strukturierte Oberfläche, ist genauso ansprechend wie der Inhalt dieses lesenswerten und warmherzigen Buches, welches sich mit der schwierigen Frage nach dem Glück, und ob man es festhalten kann, befasst.
Louise Pelt hat sich ein schwieriges Thema vorgenommen, es aus meiner Sicht jedoch verstanden, anhand der Geschichte dreier unterschiedlicher Frauen dieser Frage nachzugehen und in sehr eindrucksvoller und unterhaltsamer Form aufzubereiten. Allen drei Frauen, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft, die in unterschiedlichen Regionen dieser Welt angesiedelt sind, ist gemeinsam, dass ein Schicksalsschlag sie trifft, beziehungsweise eine unerwartete Wendung im Leben eintritt und das bisher geordnete Dasein, welches sie als glücklich empfanden, verändert.
Während Mylene ihr Glück in der bevorstehenden Heirat und dem Aufbau ihrer Firma sieht, strebt Holly in Los Angeles nach dem Erfolg als Drehbuchautorin und Johanna versucht durch den Rückzug von der Welt ihren Seelenfrieden wiederzufinden. Wie letztlich Schicksalswendungen auch die Vorstellung davon, was Glück für jeden persönlich ausmacht, beeinflussen und die Sicht auf die Dinge verändern, ist wunderbar beschrieben. Aber auch die weiteren Nebenfiguren im Buch haben sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen; so verliert Johannas Mutter ihren jüdischen Verlobten, der ein Opfer der Nazis wird- ein Thema das leider wieder an Aktualität gewinnt. Sie muss sich vor Augen führen „wenn das Unmögliche Wahrheit wird, bleibt nicht viel mehr als der Schmerz über die eigene Kurzsichtigkeit.“ Einer von vielen klugen Sätzen dieses Romans.
Louise Pelt hat die Schicksale dieser Frauen sehr empathisch und nachvollziehbar geschildert und auch die jeweils unterschiedlichen Charaktere so beleuchtet, dass man in die jeweilige Geschichte regelrecht hineingezogen wird. Die Autorin schafft es, nicht nur zum Nachdenken über die Frage, inwieweit man Glück festhalten kann, anzuregen, sondern spendet auch mit ihrer Geschichte die Hoffnung, dass verlorenes Glück sich in einer anderen Form wiederfinden lässt.
Wie sie letztlich den Bogen schafft, die verschiedenen Schicksale miteinander zu verknüpfen, ist äußerst gekonnt.
Besser als mit diesem wirklich klugen und lesenswerten Roman, den man am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte, kann ein Leserjahr nicht beginnen!

Bewertung vom 14.01.2024
Pilgrim / Oxen Bd.6
Jensen, Jens Henrik

Pilgrim / Oxen Bd.6


sehr gut

Vertraue niemandem....
Das neue Buch von Jens Henrik Jensen weist, wie zu erwarten war, die bekannten und bewährten Züge der Oxen Serie auf: mehrere zunächst unzusammenhängend erscheinende Vorfälle werden in einer komplexen Erzählung zusammen geführt, wobei die Spannung auf hohem Niveau gehalten wird.
Der Band „Pilgrim“ knüpft inhaltlich an den vorhergehenden Band „Noctis“ an und es empfiehlt sich in jedem Fall, diesen gelesen zu haben, da die doch sehr komplizierten Zusammenhänge des neuen Buches sich dann besser nachvollziehen lassen. In „Pilgrim“ geht es nicht nur um die Wiederaufnahme der Suche nach den untergetauchten Tätern der Kellermorde, sondern auch um Steuerhinterziehung in großem Stil, dem durch geleakte Unterlagen auf die Spur gekommen werden soll. Dass sich der Tätersuche ständig neue Hindernisse in den Weg stellen, die von Oxen und Margarete Franck und auch Sally Finnsen umschifft werden müssen, war zu erwarten, wobei jedoch erschwerend hinzukommt, dass der amerikanische Geheimdienst auf dänischem Boden ein perfides, mörderisches Spiel betreibt, so dass sich ein spannendes Katz- und Mausspiel entwickelt, in welchem die verschiedenen Interessenlagen zunächst völlig undurchsichtig erscheinen.
Die aktivere Rolle in diesem Band liegt aus meiner Sicht diesmal bei Margarete Franck, die von Mossmann- dem unruhigen, pensionierten Ex-PET-Chef, bei der Sicherung der geleakten Steuerunterlagen hinzugezogen wird. Doch die Beziehung zu ihrem alten Chef wird überschattet von Vorkommnissen, die Mossmann in einem völlig anderen Licht dastehen lassen. Ein wieder mal sehr spannender Thriller, der der sich jedoch aufgrund der Zusammenhänge mit dem Vorgänger Band nicht ganz einfach liest. Ein Muss für alle Oxenfans!

Bewertung vom 01.12.2023
Stille Falle / Leo Asker Bd.1 (eBook, ePUB)
de la Motte, Anders

Stille Falle / Leo Asker Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Böse im Miniaturformat !
Gleich vorab gesagt: das Buch „Stille Falle“ von Anders de la Motte, war so spannend, dass ich es mehrere Male aus der Hand legen musste, weil ich einfach nicht mehr weiterlesen konnte vor Spannung!
Dabei ist die Handlung eigentlich eher klassisch: ein junges Pärchen verschwindet, und die Suche beginnt. Also kein eher neues Krimi- Thema, jedoch aufbereitet in einer ganz ungewöhnlichen Art und Weise mit ungewöhnlichen Protagonisten! Hauptakteurin der Suche ist die Kommissarin Leonore Asker, die eigentlich als Gruppenleiterin der Abteilung für Schwerverbrechen in Malmö bereits eine gefestigte Position hat, jedoch durch das Auftauchen eines ehemaligen Kollegen, mit dem sie eine unschöne Vergangenheit verbindet, von ihrer Position verdrängt und in eine unwichtige Abteilung abgeschoben wird, in der sich die „Loser“ des Polizeiapparat wiederfinden. Das hindert sie jedoch nicht daran, die von ihr ursprünglich aufgenommenen Nachforschungen nach dem Verbleib des Pärchens weiter zu betreiben, wobei sie sich ihrer eher ungewöhnlichen Kollegen bedient, die sich teilweise als recht hilfreich herausstellen. In diesem Zusammenhang trifft sie auf verschiedene Vermisstenfälle aus der Vergangenheit, deren einziger gemeinsamer Nenner Vorkommnisse im Zusammenhang mit einer Modelleisenbahn Anlage zu sein scheinen- der Teufel steckt in diesem Fall im Detail.
Asker steht nicht nur vor der schwierigen Aufgabe, rätselhafte Vorkommnisse um die Modelleisenbahn zu klären, es beginnt auch ein raffiniertes Katz- und Maus Spiel mit dem vermeintlichen Täter sowie noch ein Wettlauf der ermittelnden Kommissare.
Die einzelnen Buchkapitel widmen sich zum Teil dem Rückblick auf die ausgesprochen ungewöhnliche und schwierige Kindheit Askers, zum andern werden auch die Perspektiven des Täters sowie anderer Akteure dargestellt, wobei die Schilderungen der Tätersicht für zusätzliche Gänsehaut sorgen.
Was die Glaubwürdigkeit der dargestellten Personen anbetrifft, haben mich die Schilderungen der Hauptakteure überzeugt, wohingegen ich die Beschreibungen der Außenseiter in ihrer Abteilung für etwas überzeichnet halte, insbesondere hat mich gestört, dass die Sekretärin der Abteilung den gleichen Namen trägt, wie in den Romanen von Adler Olsen um Kommissar Car Mork, nämlich Rose. Auch die Versetzung Leonores in die Abteilung für hoffnungslose Fälle erschien mir nicht ganz nachvollziehbar, die Ermittlungen wären auch in einem anderen Zusammenhang spannend darzustellen gewesen.
Ansonsten ein sehr vielversprechender Auftakt einer ausgesprochen spannenden Krimiserie um Leonore Asker, auf deren Fortsetzung ich mich jetzt schon freue!

Bewertung vom 29.10.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Ein großartiger Roman mit vielen Facetten!
Dieses Buch mit nur wenigen Sätzen zu besprechen, fällt mir ziemlich schwer, weil es sich um einen dermaßen vielschichtigen, empathischen und interessanten Roman handelt, dass man seinen Facetten in einer kurzen Besprechung nicht gerecht werden kann.
Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen, zum einen im Zeitraum 1850-1875 und erfasst damit die Zeit vor und während des amerikanischen Bürgerkrieges, ein weiterer Handlungsstrang spielt in den fünfziger Jahren und die 3. Erzählebene in der heutigen Zeit.
Dem roten Faden, der sich durch diese Jahre zieht, liegen das Leben des realen Rennpferdes Lexington und die von ihm gefertigten Gemälde zu Grunde.
Lexington- ein Ausnahmepferd in jeder Hinsicht- wird von klein auf von dem versklavten Jungen Jarret betreut und trainiert. Obwohl auch Jarret als schwarzer Trainer ein Ausnahmetalent ist, so wird sein Dasein doch von seinem Status als unfreier Sklave bestimmt. Die Autorin versteht es meisterhaft mit viel Empathie, die drückenden Verhältnisse von damals zum Leben zu erwecken, ohne ins Sentimentale und Klischeehafte abzugleiten und so begleitet man Jarret auf seinem schwierigen Weg bis in die Zeit nach dem Bürgerkrieg. Durch alle Höhe und Tiefen seines Trainerlebens, wobei ihm die tiefe Bindung zu Lexington hilft, diese durchzustehen, aber auch mit dem Pferd gemeinsam über sich selbst hinaus zu wachsen.
Aufgrund seiner besonderen Leistungen als Rennpferd und Zuchthengst wird Lexington einige Male porträtiert, wobei die Leser auch einiges über die Lebensumstände und Schwierigkeiten der damaligen Porträtmaler von Pferden erfahren. Eines dieser Bilder taucht unvermittelt in der Jetztzeit durch einen Zufallsfund wieder auf und zwar entdeckt von dem nigerianisch- amerikanischen Doktoranden Theo in Washington. Dieser trifft auf die Zoologin Jess, die als Geschäftsführerin eines Testlabors für Knochenkunde von Wirbeltieren an einem Museum beschäftigt ist.
Gemeinsam begibt man sich mit den Lesern auf die spannende Spurensuche des Bildes, wobei auch das vergessene Skelett des berühmten Rennpferdes, welches aus der Versenkung auftaucht, eine Rolle spielt und begleitet gleichzeitig die aufkeimende Beziehung zwischen Theo und Jess.
Die Autorin zeigt feinfühlig auf, dass Rassismus nach wie vor in Amerika eine Rolle spielt, unabhängig davon, ob man sich in akademischen Kreisen bewegt oder nicht. Die Gegenüberstellung von Jerret, dessen Leben als Sklave und dem Alltag von Theo zeigt zwar, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit damals verbessert haben, aber dass Voreingenommenheit und Rassismus nach wie vor latent vorhanden sind. Die Autorin hat mit diesem Roman eine sehr dichte, intelligente Geschichte mit geschickt verwobenen Handlungssträngen und Thematiken erschaffen, die sich zwar leicht lesen lässt aber sich als sehr tiefgründig darstellt. Das Buch hat mich sehr beeindruckt und es gehört mit zu den besten Romanen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, obwohl ich mich bisher nicht ausgesprochen für Pferde interessiert habe. Einblicke in die Pferdezucht, die Trainingsmethoden von damals waren ebenso erhellend wie die vermittelten Informationen über das Kunstgeschehen in den 50er Jahren sowie die Knochenkunde von Wirbeltieren, so dass das Buch abgesehen von der gut durchdachten Geschichte her auch viele Informationen vermittelt. Klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 26.08.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


ausgezeichnet

Solider skandinavischer Krimi
Das für skandinavische Krimis typische, eher düstere und unheilverkündende Cover weist schon darauf hin, dass ein Gewässer hier eine entscheidende Rolle spielt.
Nachdem die Kriminalbeamtin Frederika Storm nach einem Vorfall in Stockholm sich auf eine Stelle in ihrem Geburtsort Lund hat versetzen lassen, wird sie gleich mit einem tragischen Todesfall konfrontiert, bei dem ihre Großmutter Gun Zeugin war. Ob es sich um einen Unglücksfall handelt, dass die junge Frau in das Eis des Sees Vombsjön eingebrochen und ertrunken ist oder ob mehr dahintersteckt, wird sich im Laufe des Buches herausstellen. Im Zuge der Ermittlungen in dem kleinen Ort stößt Frederika immer wieder auf Spuren, die bis in ihre Familie hineinreichen, ein Spagat zwischen Loyalität der Familie gegenüber und ihren beruflichen Verpflichtungen, wobei ihre intuitiven Ermittlungsansätze mich nicht immer ganz überzeugt haben
Zudem muss Frederika sich mit einem neuen Ermittlerteam arrangieren. Ihr wird Henry Calment zugeteilt, der auf den ersten Blick mehr an Sherlock Holmes erinnert und recht anspruchsvoll zu sein scheint, sich im Lauf des Buches jedoch als zuverlässiger, wenn auch etwas geheimnisvoller Kollege herausstellt. Sowohl er als auch Frederika haben mit persönlichen Problemen zu kämpfen, überzeugen jedoch aufgrund der authentischen Schilderung als neues, interessantes Ermittlerduo mit Potenzial für weitere Bücher.
Die Autorin hat einen flüssigen und interessanten Schreibstil, sowohl im Hinblick auf die beschriebene Natur als auch im Hinblick auf die Akteure, so dass die Handlung ohne große Längen vorangetrieben wird. Frida Skybäck schafft es zudem, den Spannungsbogen durch viele Wendungen im Geschehen bis zum Schluss konstant aufrecht zu erhalten.
Ungewöhnlich empfand ich persönlich die Vielzahl kurzer Kapitel, so dass es relativ viele „ Leerflächen“ gibt, was vielleicht nicht jedem zusagt- ich selbst mag eher eine kompakte Druckdarstellung.
Dessen ungeachtet ein spannender Anfang einer nordischen Krimiserie, den man flott lesen kann und der sich nicht in grausamen Details verliert.

Bewertung vom 13.08.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

Mütter-Töchter und Erwartungen !
Das Buch von Alena Schröder mit dem wunderschönen Cover stellt eins meiner Highlights in diesem Lesejahr dar!
Ich hätte diese wunderbare Familiengeschichte der Borowskis in einem Rutsch durchlesen können, habe mich aber gezwungen langsam und in Abschnitten zu lesen, um ein längeres Leseerlebnis zu haben!
In der Geschichte, die auf 2 Zeitebenen spielt, 1989 und der Entwicklung seit 1950, handelt es sich im Kern um ein Buch, dass sich mit gesellschaftlichen und persönlichen Erwartungen auseinandersetzt- Erwartungen an den Bruder der traumatisiert aus dem Krieg heimkehrt, an die Freundin, die sich durch Heirat verändert, an die Töchter, die sich nicht den gesellschaftlichen Konventionen anpassen und auch an die Mütter, denen es an Zuneigung und Innigkeit mangelt.
Im Kern geht es um Folgendes:
Die frisch gebackene junge Mutter Silvia - enttäuscht und wütend von der abweisenden Haltung des Vater des Kindes und über die Rücksichtslosigkeit ihrer Mitbewohner -flüchtet überstürzt mit ihrer kleinen Tochter Hannah aus ihrer alternativen Berliner WG zu ihrer Mutter in das Dorf Ildingen ihrer Kindheit, dem sie eigentlich zu entfliehen gedachte. Dort trifft sie auf die im Gegensatz zu Berlin kleinbürgerliche, beklemmende Atmosphäre, und ihre abweisende Mutter; die greifbare Spannung zwischen Mutter und Tochter hat die Autorin hervorragend eingefangen. Wer in einer Kleinstadt aufgewachsen ist, wo jede Veränderung bzw. Abweichung mit Argusaugen beobachtet wird, wird an den subtilen Schilderungen der Autorin großen Gefallen finden.
Der parallel dazu geschilderte Rückblick in die 50 er Jahre befasst sich mit zunächst mit der Eheschließung von Silvias Eltern und deren familiärem Umfeld, wobei deutlich wird, wie tiefgreifend die Kriegserlebnisse die Familie geprägt haben. Einfühlsam schildet Alena Schröder die berufliche Entwicklung von Silvias Mutter, die trotz absolvierten Medizinstudiums und Doktortitels in den 60er Jahren nicht die berufliche Anerkennung und Selbstverwirklichung erfährt, die sie sich vorgestellt hat. Als den allgemeinen Erwartungen entsprechend sich endlich das erwünschte Kind einstellt, entwickelt sich dieses nicht wie von der Mutter erwartet, so dass die Frustration der Mutter, die in die Hausfrauenrolle gedrängt wird, die Kindheit Silvias überschattet.
Die gesamte Entwicklung der Mutter - Tochter Beziehung ist genau beobachtend, höchst einfühlsam geschildert und man fühlt und leidet mit den Romanfiguren, die die Vergangenheit, verschwiegene Geheimnisse und die Sprachlosigkeit überwinden müssen.
Neben diesen beiden zentralen Figuren gibt es weitere interessante Protagonisten, wie z.B. die leicht verbitterte und vom Leben enttäuschte aber unkonventionelle Tante Betti, die sich den Mund nicht verbieten lässt „Pfeif auf die Leut“ und die für Silvia in ihrer Jugend zu einem festen Halt wird.
Die Autorin hat nicht nur die Figuren des Buches authentisch wiedergegeben sondern auch den Zeitgeist und die Atmosphäre auf beiden Zeitebenen perfekt eingefangen und die Feinheiten und Schwierigkeiten des Miteinanders genau beobachtend geschildert, so dass das Lesen des Buches eine reine Freude ist!
Ein unterhaltsamer Roman mit Tiefgang- unbedingte Leseempfehlung!