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Lu
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 220 Bewertungen
Bewertung vom 26.05.2025
Diskriminierung geht uns alle an
Apraku, Josephine;Antmann, Debora;Bordo Benavides, Olenka

Diskriminierung geht uns alle an


gut

„Diskriminierung geht uns alle an“ ist ein kluges, zugängliches und wunderbar vielseitiges Sachbuch, das wichtige Themen auf eine einfühlsame und gleichzeitig klare Weise vermittelt. 19 verschiedene Autorinnen und Illustratorinnen teilen persönliche Texte und Bilder, die zeigen, wie sich Diskriminierung anfühlen kann, wie sie entsteht, wie wir sie erkennen und was wir tun können – von Ableismus über Antisemitismus bis hin zu Rassismus und Sexismus.

Besonders gefallen hat mir die Vielfalt der Perspektiven und die anschauliche, leicht verständliche Sprache, die sich an Kinder ab 12 Jahren richtet, aber auch für Erwachsene gut zu lesen ist. Ich glaube außerdem, dass auch jüngere Kinder bei gemeinsamer Lektüre schon etwas mit dem Sachbuch anfangen können. Ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Empathie und Empowerment, werden Leser:innen ermutigt, genauer hinzuschauen und Verantwortung zu übernehmen. Trotz meiner eigenen Vorkenntnisse konnte auch ich noch dazulernen. Wertvoll ist auch, dass sich das Buch immer wieder direkt an betroffene Kinder wendet, sie informiert und ihnen Mut macht.

Ein wichtiges, abwechslungsreich gestaltetes Buch, das in keiner Schulbibliothek, keinem Klassenzimmer und keinem Haushalt fehlen sollte!

Bewertung vom 26.05.2025
Killer Potential
Deitch, Hannah

Killer Potential


gut

Ein spannendes Szenario, das sofort neugierig macht: Die junge Nachhilfelehrerin Evie Gordon gerät mitten in einen Doppelmord in einer reichen Familie – und findet sich kurz darauf auf der Flucht mit einer stummen Frau wieder. Was wie ein klassischer Thriller rasant beginnt, entfaltet sich bald zu einem Gedankenkarusell, bei dem Evie zwischen Tatverdacht, öffentlicher Meinung und dem Kampf um die Wahrheit gefangen ist.

Ich mochte den Einstieg: schnelles Tempo, ein packender Moment jagt den nächsten, die Ausgangslage ist filmreif. Doch leider verliert die Geschichte danach spürbar an Schwung. Über weite Strecken ziehen sich die Ereignisse zäh, weil es kaum Dialoge gibt und sich die Handlung in Evies innerem Monolog verliert. Das bremst die Dynamik, die der Anfang so vielversprechend aufgebaut hatte. Die geheimnisvolle stumme Frau an Evies Seite blieb lange zu rätselhaft, um bei mir wirklich Interesse zu wecken.

Die zwischendurch interessante Dynamik zwischen den beiden Protagonistinnen hat mich zwar ein bisschen entschädigt, konnte für mich aber die langatmige Mitte des Romans und die sich wiederholenden Szenen nicht vollends ausgleichen. Die Themen Klassenunterschiede, Obsessionen und moralische Grauzonen sind interessant gesetzt, bleiben aber oberflächlich. Wer sich auf eine langsame, psychologisch aufgeladene Erzählweise einlassen kann, wird hier vielleicht dennoch fündig.

Bewertung vom 11.05.2025
Swift River
Chambers, Essie

Swift River


sehr gut

Swift River erzählt die Geschichte der 16-jährigen Diamond, die nach dem Verschwinden ihres Vaters in einem strukturell rassistischen, emotional kargen Umfeld aufwächst. Geborgenheit findet sie vor allem im Essen, in Büchern und zunehmend in kleinen, vorsichtigen Beziehungen zu anderen – seien es ihre neue Freundin Shelly, neuer Kontakt zu ihrer Cousine Lena oder ihre Fahrstunden, die ihr zum ersten Mal echte Selbstständigkeit ermöglichen. Ihre Mutter dagegen schafft es nicht, Diamond wirklich zu unterstützen.

Die Coming-of-Age-Geschichte von Diamond ist feinfühlig und schmerzhaft ehrlich. Besonders berührend fand ich ihre Entwicklung: Sie beginnt, sich von den Projektionen und Erwartungen ihres Umfelds zu lösen, findet neue weibliche und Schwarze Vorbilder, und erkennt langsam, dass sie mehr verdient als das, was ihr Umfeld ihr bisher gegeben hat.

Zusätzlich gibt es eine historische Rahmenhandlung, die erklärt, warum Diamond die einzige Schwarze in der Stadt ist. Die Erzählung um Clara, die als Schwarze Frau Anfang des 20. Jahrhunderts trotz massiver Diskriminierung in Swift River blieb, hat mich ebenfalls beschäftigt, auch wenn ich mir manchmal etwas mehr Kontext gewünscht hätte. Dass sich die Schwarze Bevölkerung der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts kollektiv gezwungen sah, Swift River zu verlassen, ist ein zentrales, aber wenig dokumentiertes Thema. Der Roman deutet hier auf reale rassistische Vertreibungen hin, ohne sich dabei zu sehr in historischen Details zu verlieren – was einerseits Raum für Interpretation lässt, andererseits ein wenig Orientierung erschwert.

Was Swift River besonders macht, ist die zarte Hoffnung, die sich durch die oft schmerzhafte Handlung zieht: Trotz Verlust, Isolation und einem Mangel an Fürsorge gelingt es Diamond, sich selbst eine Zukunft zu erschließen – langsam, tastend, aber stetig. Eine bittersüße Geschichte über Identität, Herkunft und die Suche nach einem Ort, an dem man wirklich gesehen wird.

Bewertung vom 28.04.2025
Unter den Sternen von Paris
Schützer, Karolina

Unter den Sternen von Paris


gut

„Unter den Sternen von Paris“ bietet auf den ersten Blick alles, was man sich von einem romantischen Wohlfühlroman wünschen würde: Die frisch geschiedene Sophia steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie muss entscheiden, wie sie sich ihr zukünftiges Leben vorstellen soll - ob als rasende Reporterin in der ganzen Welt oder als Besitzerin einer kleinen Bar in Paris. Dazu kommen das hübsche Cover des Romans, die Magie von Paris, eine charmante Bar im Quartier Latin und eine Prise Familiengeheimnisse. Die Idee, Sophias Neuanfang mit der Entdeckung der Vergangenheit ihrer Großmutter zu verbinden, von der sie die Bar geerbt hat, hat definitiv Potenzial und die Kulisse hätte viele schöne Momente hergeben können.

Leider bleibt die Umsetzung hinter den Erwartungen zurück: Die Dialoge wirkten oft hölzern und die Figuren konnten mich emotional kaum erreichen. Zwischen Sophia und ihrem love interest entstand kein echtes Knistern und keine glaubwürdige Dynamik. Auch die große Enthüllung am Ende des Romans zur Vergangenheit der Großmutter fühlte sich für mich wenig zeitgemäß und konstruiert an – ein dramatischer Effekt, der eher künstlich wirkte als tatsächlich zu berühren. Überrascht ist hier wohl nur, wer wirklich konservative Ansichten hat.

Trotz allem ließ doch der Roman schnell und leicht lesen, die Beschreibung der Renovierung, die wohl in keinem Wohlfühlroman fehlen darf, mochte ich. Insgesamt eine nette Lektüre für zwischendurch, vor allem für Fans von Paris-Romanen – für mich persönlich fehlte es aber an Authentizität und Tiefe.

Bewertung vom 27.04.2025
Tradition trifft vegan
Unterweger, Lena

Tradition trifft vegan


sehr gut

„Tradition trifft vegan“ zeigt auf sympathische Weise, dass Südtiroler Klassiker wie Knödel, Apfelstrudel oder Gulaschsuppe auch ohne tierische Produkte richtig lecker sein können. Die junge Autorin setzt dabei auf klare Anleitungen, die alle mit Fotos der Gerichte illustriert sind und legt großen Wert auf saisonale und regionale Zutaten, sodass es für mich keine Zutaten gab, die ich nicht leicht bekommen könnte. Die Gerichte sind abwechslungsreich und liebevoll zusammengestellt – perfekt für alle, die die Südtiroler Küche neu entdecken möchten.

Trotzdem hätte ich mir an einigen Stellen etwas mehr Tiefgang gewünscht: Hinweise, wie sich Rezepte gesünder, schneller oder variantenreicher gestalten lassen, fehlen leider. Gerade Kochanfänger könnten hier zusätzliche Tipps wahrscheinlich gut gebrauchen, weil viele Gerichte doch sehr aufwendig und dann sehr mächtig sind. Zudem habe ich ein Rezept für Spinatknödel vermisst, die für mich einfach zur Südtiroler Küche dazugehören.

Insgesamt ein schönes, solides Kochbuch mit tollen Rezepten, aber es bleibt etwas Luft nach oben, was Kreativität und Flexibilität angeht.

Bewertung vom 22.04.2025
Only Margo (eBook, ePUB)
Thorpe, Rufi

Only Margo (eBook, ePUB)


sehr gut

Margo steht mit einem Baby und ohne Perspektive da, nachdem der Vater des Kindes – ihr ehemaliger Professor – sich aus dem Staub gemacht hat. In ihrer Verzweiflung landet sie auf der Plattform OnlyFans, wo sie beginnt, erotische Inhalte zu produzieren. Was als verzweifelter Schritt beginnt, wird bald zu einer Reise zu mehr Selbstbewusstsein, Solidarität und ungeahnter Sichtbarkeit – aber bald hat der schlechte Ruf ihrer neuen Arbeit auch negative Konsequenzen. Margo muss versuchen, zwischen den Ansprüchen anderer und materiellen Erfordernissen herauszufinden, was sie will.

„Only Margo“ hat mich mit seiner Mischung aus Humor, und Tiefgang positiv überrascht. Die Darstellung hätte leicht ins Klischeehafte abrutschen können. Stattdessen bekommt man eine erfrischend ehrliche, witzige und empowernde Geschichte, die das Thema Sexarbeit, weibliche Selbstbestimmung und digitale Öffentlichkeit mit überraschender Leichtigkeit behandelt, ohne oberflächlich zu sein.

Stilistisch fand ich die Perspektivwechsel zwischen Innen- und Außenblick von bzw. auf Margo besonders interessant. Sie verleihen der Geschichte Tiefe und erlauben es, Margo wirklich kennenzulernen. Dass Margo nicht nur auf sich allein gestellt ist, sondern mit Mitbewohnerhin Suzie und ihrem Vater Jinx auch schräge, aber herzensgute Unterstützer:innen an ihrer Seite hat, macht das Ganze zu einem echten Wohlfühlroman. Wer Lust auf einen feministischen Roman mit Witz, Herz und Haltung hat: lesen!

Bewertung vom 22.04.2025
Schicksalsstunden einer Demokratie
Ullrich, Volker

Schicksalsstunden einer Demokratie


ausgezeichnet

Ein absolut lesenswertes Sachbuch für alle, die sich für Geschichte interessieren und noch nicht so viel Vorwissen haben – aber auch für alle, die verstehen wollen, wie zerbrechlich Demokratie sein kann. Volker Ullrich erzählt, wie die Weimarer Republik entstanden ist, welche Chancen sie hatte – und wie sie schließlich scheiterte. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf den großen Ereignissen, sondern auch auf den Menschen, die mit ihren Entscheidungen Geschichte geschrieben haben. Von Rathenau bis Papen sind hier alle wichtigen Persönlichkeiten versammelt, aus deren Schicksalen und Entscheidungen wir heute lernen können.

Mich hat vor allem beeindruckt, wie klar und nahbar Ullrich schreibt. Das ist keine trockene Geschichtsstunde, sondern ein spannend erzähltes Sachbuch mit vielen Aha-Momenten – und leider erschreckend vielen Parallelen zur Gegenwart. Dass Demokratie nicht einfach da ist, sondern aktiv geschützt werden muss, zeigt dieses Buch sehr eindringlich. Gleichzeitig macht mir die Analyse auch Hoffnung, dass Faschismus eben nicht unaufhaltbar ist, sondern durch Entscheidungen verhindert werden kann.

Perfekt für alle, die sich mehr politischen Kontext und geschichtliches Hintergrundwissen wünschen – oder einfach gute, kluge Sachbücher lieben.

Bewertung vom 20.04.2025
Beeren pflücken
Peters, Amanda

Beeren pflücken


sehr gut

Im Sommer 1962 verschwindet die kleine Ruthie spurlos vom Rand eines Beerenfeldes in Maine. Ihre Mi'kmaq-Familie ist aus Nova Scotia angereist, um als Saisonarbeiter:innen Blaubeeren zu pflücken. Joe, das nun jüngste Kind der Familie, macht sich Vorwürfe, weil er Ruthie zuletzt gesehen hat. Was folgt, ist eine Erzählung voller Schmerz und Schweigen: Die Familie wird nie ganz heilen, besonders Ruthies Bruder Joe bleibt ein Leben lang gezeichnet von der Ungewissheit und dem Verlust. Parallel dazu begleitet der Roman Norma in Maine. Sie wächst unter der kühlen Strenge ihres Vaters und der klammernden Liebe ihrer Mutter auf. Wiederkehrende Albträume und ein tiefes Gefühl von Unstimmigkeit und fehlender Zughörigkeit begleiten sie bis ins Erwachsenenalter.

Amanda Peters gelingt es auf sehr einfühlsame Weise, zwei Welten miteinander zu verweben: Die indigene Perspektive, geprägt von Armut, Rassismus und tiefer Familientrauer, und die privilegierte Welt Normas, in der die Wahrheit ebenso sorgfältig verdrängt wird wie das eigene Unbehagen. Die Sprache, gelungen übersetzt von Brigitte Jakobeit, ist schlicht, aber eindringlich.

Sowohl Joe als auch Norma wachsen nicht glücklich auf und leiden im Erwachsenenalter unter ihren Gefühlen von Unzulänglichkeit und Schuld, aber auch unter anderen Schicksalsschlägen wie Krankheit und Tod. Schmerz und Schweigen sind eigentlich immer präsent. Deshalb war die Lektüre für mich recht düster. Das wird zwar mit dem letzten Teil des Romans etwas ausgeglichen, dennoch ist dieser so auf Rührung ausgelegt, dass man Taschentücher bereit halten sollte. Wenn man das mag, ist es wirklich ein Roman, der zu Herzen geht – und einem das Herz auch mal schwer macht.

Bewertung vom 19.04.2025
Wut und Liebe
Suter, Martin

Wut und Liebe


sehr gut

Noah ist Künstler, Anfang dreißig, charmant, etwas verloren – und gerade frisch verlassen. Seine Freundin Camilla hat sich mehr vom Leben erhofft als das Mitfinanzieren ihres Partners und einen langweiligen Job. Als sie ihn für die Perspektive eines besseren Lebensstandards verlässt, trifft Noah eine alte Dame, die ihm Geld anbietet, um für sie Rache zu nehmen. Noah kommt zunehmend in Versuchung.

Diese Grundidee hat mich an Dürrenmatts Besuch der alten Dame erinnert: Was, wenn ein Verlassener seine große Liebe nur zurückgewinnen kann, indem er sich auf einen zweifelhaften Deal einlässt? Doch leider brauchte der Roman aus meiner Sicht recht lange, um in Fahrt zu kommen. Die ersten zwei Drittel plätscherten für mich dahin – kurze, leicht konsumierbare Kapitel, viele kleine Beobachtungen, die leichtfüßig geschildert werden, aber wenig Tiefe.

Was mich außerdem gestört hat und mir jetzt schon in mehreren anderen Romanen negativ aufgefallen ist, ist der übermäßige Alkoholkonsum sämtlicher Figuren, der beiläufig geschildert wird, als wäre es ganz normal, jeden Abend mindestens eine Flasche Wein zu zweit zu leeren. Und auch die Vorliebe der jungen Protagonist:innen für klassische Boomer-Küche wirkte auf mich eher wie eine Vorliebe des älteren Autors als ein glaubwürdiger Charakterzug für Millenials.

Und dennoch: Im letzten Viertel nimmt der Roman Fahrt auf und das intelligente Ende hat mir gut gefallen. Für diesen Abschluss und die interessante Grundidee lohnt sich die Lektüre am Ende dann doch.

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Bewertung vom 18.04.2025
Der Duft des Wals
Ruban, Paul

Der Duft des Wals


sehr gut

Ein toter Wal, ein All-inclusive-Resort und eine Familie am Abgrund – Der Duft des Wals ist ein bitterböser, schräg-komischer Roman über den Zerfall: von Beziehungen, Illusionen und ganzen Urlaubsparadiesen.

Judith, Hugo und ihre Tochter Ava flüchten ins mexikanische Luxusresort, um ihre bröckelnde Familie zu kitten. Während Judith eigentlich schon innerlich abgeschlossen hat und mit einem Angestellten flirtet, versucht Hugo mit touristischem Eifer und neuen Rastazöpfen das Ruder herumzureißen. Ava durchschaut das Schauspiel längst – und zieht sich in sich zurück. Daneben gibt es noch weitere Charaktere: ein verliebter Angestellter und eine Stewardess mit Geistererscheinungen. Als ein toter Wal angespült wird und sein Verwesungsgeruch unerträglich wird, beginnt die schöne Fassade des Resorts zu bröckeln.

Paul Ruban, flüssig übersetzt von Jennifer Dummer, gelingt eine absurde und manchmal fast groteske Erzählung, die mit viel bösem Humor das Scheitern inszeniert. Für mich hatte das Buch ganz klar White Lotus-Vibes: Menschen, die in ihrer eigenen Wohlstandsbubble den Zerfall nicht wahrhaben wollen, bis es zu spät ist. Besonders gelungen fand ich die wechselnden Perspektiven von Judith, Hugo und Ava – jede:r mit eigener Sprache und Sicht auf das Unausweichliche. Manche Ideen wie die Geistererscheinungen waren für meinen Geschmack etwas überdreht, passten aber zum surrealen Grundton. Trotzdem war der Roman kurzweilig und unterhaltsam geschrieben, sodass ich ihn an einem Nachmittag gerne gelesen habe.