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keinkaenguru

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 12.07.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


gut

Puh, schwierig. Grundsätzlich ist der Plot wahnsinnig fesselnd: was passiert eigentlich mit einer ganz normalen Familie, wenn ein autoritäres Regime an die Macht kommt? Wie schnell können erste Einschränkungen eskalieren? Wie sieht der Alltag in einer solchen Situation aus? Es ist deutlich spürbar, dass die Gefahr immer und immer näher rückt; dass die erlassenen Gesetze immer strenger werden, die ersten Nachbarn urplötzlich verschwinden und die Gewalteskalation ihren Lauf nimmt. Man spürt, wie schnell und wie wahllos eine scheinbar zufällige Familie wie die von Eilish Stack, ihrem Mann und ihren vier Kindern daran zerbricht. Der sehr gut gezeichneten Dystopie steht jedoch der sehr anstrengende Schreibstil gegenüber. Für die ersten 20, 30 Seiten wird man dadurch wahnsinnig mitgerissen, danach fehlt mir einfach die Atempause. Natürlich wird hierdurch gut dargestellt, wie hektisch das Geschehen ist. Aber mir gingen damit zu viele Handlungsstränge verloren.

Bewertung vom 10.07.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


ausgezeichnet

Chaos im Kopf

Jella rennt weg. Vor Yannick, der sie geschlagen hat, und vor den Erwartungen, die sie in ihrer Beziehung nicht mehr erfüllen konnte. Durch die zahlreichen Rückblenden lässt sich Jellas Lebens- und Liebesweg gut nachzeichnen, in dem sie schon früh lernt, dass ihre Beziehungen zu Männern ganz anders ablaufen, als sie sollten.
Man spürt vor allem Jellas Zerrissenheit zwischen dem ersten Mann, den sie so richtig geliebt hat und der sie doch fast getötet hätte. Die Überforderung durch die Verpflichtungen im Studium, die Beziehung zu ihren Freundinnen, die alle ihrer Beziehung mit Yannick weichen müssen.
Beinahe nebenbei schafft die Autorin es, den gesellschaftlichen Umgang mit Frauen generell und häuslicher Gewalt im Speziellen, den West-Ost-Konflikt in Deutschland und die allgemeinen Stolperstellen einer jungen Erwachsenen anzusprechen.

Bewertung vom 14.06.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


gut

Brillianter Einstieg, starker Abfall

Ich fand die Prämisse des Romans wahnsinnig interessant, vielleicht auch, weil mir gerade von den Ergebnissen der Europawahl immer noch akut schlecht ist. Wie geht man mit einem Kriminalfall um, der für eine solche gesellschaftliche Aufruhr sorgt? Gerade zu Beginn des Romans merkt man Kling an, dass er sich einerseits gute Charaktere ausdenken kann und gesellschaftskritische Inhalte mit viel Humor rüberbringen kann.

Wie immer ist das von ihm gesprochene Hörbuch auch sehr angenehm, auch wenn man auf den ein oder anderen imitierten Dialekt vielleicht verzichten könnte.

Ungefähr ab der Mitte brennen aber seine Handlungsstränge mit ihm durch. Für ein Hörbuch von knapp sechs Stunden (oder ein Hardcover mit unter 300 Seiten) passiert einfach viel zu viel. Gleichzeitig fällt Kling hier immer mehr in die typisches Klischees eines 08/15-Krimiromans, die handwerklich eigentlich unter seinem Niveau sind. Auch die eher subtilen Anspielungen auf gesellschaftlich relevante Themen werden später eher mit dem Vorschlaghammer in Monologform verarbeitet.

Bewertung vom 08.06.2024
Die Sache mit Rachel
O'Donoghue, Caroline

Die Sache mit Rachel


ausgezeichnet

Fesselnd!

Oberflächlich geht es in diesem Buch um Rachel, eine junge Englisch-Studentin aus Irland, die in einem Buchladen arbeitet und dort einen interessanten Mann namens James kennenlernt.

Im Laufe des Romans setzen wir uns vor allem mit dem Erwachsenwerden einer Frau Anfang Zwanzig auseinander, deren Leben durch zwei James' - ihrem schwulen besten Freund und dem Mann, der ihr den Kopf verdreht - bestimmt wird. Gleichzeitig ist da noch Dr. Fred Byrne, ihr Professor, für den sie erst schwärmt und der dann eine Affäre mit James beginnt.

Gleichzeitig eingeflochten ist hier aber auch eine Auseinandersetzung mit einem entstehenden Klassenbewusstsein einer Frau, deren Familie einmal Geld hatte und es dann verlor, die Wirtschaftskrise in Cork, das Auseinandersetzen mit der Homosexualität ihres besten Freundes und die Schwierigkeiten ihres Liebeslebens.

Die Perspektive wechselt zwischen der älteren Rachel, die auf "die Sache mit Rachel" vor zehn Jahren zurück blickt, und der jüngeren Rachel, die genau diese Erlebnisse schildert. Rückblickend passiert in diesem Roman, aber genau das ist eigentlich das Schöne daran. Es fühlt sich so an, als würde man heimlich das Tagebuch der besten Freundin lesen und es zieht einen unheimlich in seinen Bann.

Bewertung vom 27.11.2022
Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen
Sträter, Torsten

Du kannst alles lassen, du musst es nur wollen


sehr gut

Witzig!
Vermutlich sollte man Sträter kennen, um das Buch lustig zu finden. Ich tue das - ein Glück. Man hat beim Lesen sofort seine Stimme im Ohr, was das gesamte Erlebnis signifikant verbessert. Vermutlich wäre es als Hörbuch noch ein ganz kleines Bisschen witziger, aber auch so musste ich mich oft wegschmeißen vor Gelächter. Lustigerweise merkt man beim Lesen sogar, wo jetzt eine kleine Pause gewesen wäre.

Der Humor übersetzt sich tatsächlich sehr gut ins Schriftliche, was mich sehr freut. Durch die kurzen Kapitel eignet sich das Buch super für kurze Pausen oder als Entspannung vorm Einschlafen. Die Themen sind etwas kreuz und quer sortiert und nicht jedes Kapitel hat mich total abgeholt (kann bitte niemand jemals wieder über Corona schreiben?), aber im Großen und Ganzen macht das Buch wirklich Spaß. Definitiv typisch Sträter.

Bewertung vom 29.09.2022
Carrie Soto is Back
Reid, Taylor Jenkins

Carrie Soto is Back


ausgezeichnet

Unfassbar spannend

Ich habe persönlich keinerlei Interesse an Tennis. Dementsprechend skeptisch war ich, als ich mir die ersten Seiten durchgelesen habe. Doch obwohl es inhaltlich sehr viel um Tennis geht - das übrigens auch für Anfänger sehr gut erklärt wird - ist das eigentlich nebensächlich. Reid schafft es, ihre Protagonistin Carrie Soto so facettenreich darzustellen, dass sowohl die positiven als auch die negativen Seiten ihres Ehrgeizes gut nachvollziehbar sind.

Die gleiche Unnachgiebigkeit, die sie zur besten Tennisspielerin der Welt gemacht hat, sabotiert gleichzeitig alle ihre Beziehungen. Quasi ganz nebenbei integriert die Autorin dabei auch noch die Frage, wie wir eigentlich mit erfolgreichen Frauen umgehen, die diesen Erfolg auch wirklich wollen. Ich konnte sehr gut mit Carrie mitfiebern und fand auch das Ende absolut gelungen.

Bewertung vom 26.09.2022
Connemara
Mathieu, Nicolas

Connemara


gut

Mal so, mal so

Mathieu schreibt hier über die Lebenskrisen zweier Menschen, deren Leben sich seit den ersten Begegnungen in der Teenagerzeit sehr gewandelt hat. Die vormals schüchterne Hélène ist objektiv erfolgreich; hat den Traumjob, das Haus, den Mann, die Kinder und vor allem die erfolgreiche Flucht aus der Heimat. Christophe hingegen konnte an seinen Ruf als Superstar-Athleten in der Jugendzeit nie anknüpfen. Und doch kriselt es bei beiden; dem Autor gelingt es sehr einfühlsam, die inneren Spannungen beider Charaktere darzustellen.

Das Werk wechselt regelmäßig zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit, was manchmal etwas unsauber wirkt. Grundsätzlich verliert der Plot zur Mitte hin etwas an Fahrt und wird dann gegen Ende so rapide aufgelöst, dass man sich doch noch 20-30 Seiten mehr gewünscht hätte. Auch der politische Bezug gelingt zu Anfang besser, während einem am Ende eine ganze Seite Abhandlung über die politischen Gegebenheiten Frankreichs präsentiert werden.
Grundsätzlich hat Mathieu hier eine gelungene Charakterstudie mit recht wenig Plot präsentiert.
Mathieu schreibt hier über die Lebenskrisen zweier Menschen, deren Leben sich seit den ersten Begegnungen in der Teenagerzeit sehr gewandelt hat. Die vormals schüchterne Hélène ist objektiv erfolgreich; hat den Traumjob, das Haus, den Mann, die Kinder und vor allem die erfolgreiche Flucht aus der Heimat. Christophe hingegen konnte an seinen Ruf als Superstar-Athleten in der Jugendzeit nie anknüpfen. Und doch kriselt es bei beiden; dem Autor gelingt es sehr einfühlsam, die inneren Spannungen beider Charaktere darzustellen.

Das Werk wechselt regelmäßig zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit, was manchmal etwas unsauber wirkt. Grundsätzlich verliert der Plot zur Mitte hin etwas an Fahrt und wird dann gegen Ende so rapide aufgelöst, dass man sich doch noch 20-30 Seiten mehr gewünscht hätte. Auch der politische Bezug gelingt zu Anfang besser, während einem am Ende eine ganze Seite Abhandlung über die politischen Gegebenheiten Frankreichs präsentiert werden.
Grundsätzlich hat Mathieu hier eine gelungene Charakterstudie mit recht wenig Plot präsentiert.

Bewertung vom 12.09.2022
Erste Hilfe für die Erde
Maslin, Mark

Erste Hilfe für die Erde


gut

Durchwachsen

Grundsätzlich spricht mich die Prämisse des Buches total an - simple, faktenuntermauerte Tipps, wie wir den Klimawandel bewältigen. Einige Aspekte sind meiner Meinung auch sehr gut gelungen: es werden sehr viele Facetten angesprochen (Handlungsanweisungen für Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen, verschiedene Zukunftsperspektiven). Genau das ist aber auch das Problem des Werks. Auf gerade einmal 257 Seiten - ohne Nachwort und Literaturverzeichnis sogar nur 190 - werden so viele verschiedene Themen angeschnitten, dass natürlich keine detaillierten Erläuterungen folgen können.

Das versucht der Autor vor allem durch prägnante, kurze Sätze mit vereinfacht dargestelltem Inhalt zu kompensieren. Dabei simplifiziert der Autor allerdings manchmal nicht den Inhalt, sondern lässt einfach die Erklärung weg.
Gerade in Kapitel 9 ("Retten wir unseren Planeten und uns selbst") werden so viele internationale Organisationen, Institutionen und Abkommen angesprochen, dass mein Allgemeinwissen irgendwann heulend in der Ecke lag. Ich habe ja noch auf die unzähligen Fußnoten gehofft, aber die verlinken allesamt auf komplizierte Studien und nicht auf eine kurze Erläuterung. Das ist sicherlich sehr sinnvoll für die Wissenschaft, zwingt mich dann aber trotzdem zur eigenen Recherche oder verdammt mich zur Unwissenheit.

Der Schreibstil des Nachworts, in dem der Autor sich etwas mehr ausholt, hat mir lustigerweise viel besser gefallen als der Rest. Dem Verständnis des Buches hätten 100-200 Seiten mehr sicher stark geholfen.

Bewertung vom 06.09.2022
Anleitung ein anderer zu werden
Louis, Édouard

Anleitung ein anderer zu werden


sehr gut

Mitreißend

In "Anleitung ein anderer zu werden" beschreibt Édouard Louis einfühlsam seinen sozialen Aufstieg aus einem kleinen Dorf in der Picardie bis hin zur Veröffentlichung seines ersten Buches. Er beschreibt sehr ausführlich und reflektiv seinen Kampf mit sich selbst; seine Herkunft aus einer armen Arbeiterfamilie, seine Homosexualität (die er jahrelang verleugnet und für die er immer wieder gemobbt und verprügelt wird) und schließlich seine Persönlichkeitsänderung. Immer wieder entflieht er seinem Leben, seinem alten Ich. Dabei erläutert er seine Gefühlslage und seine innere Zerrissenheit sehr eindrücklich. Seine Getriebenheit schlägt sich auch im Schreibstil nieder, was diesem manchmal schadet. Das Werk fühlt sich stellenweise etwas gehetzt an; zudem folgt das Ende etwas abrupt. Grundsätzlich lohnt sich das Lesen aber dennoch sehr.

Bewertung vom 05.08.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


weniger gut

Naja?
Hauptsächlich hat mich das Werk verwirrt zurückgelassen. Klar, die groben Handlungsstränge sind eindeutig, die Gesellschaftskritik der Autorin auch - aber der gesamte Aufbau der Handlung erschließt sich mir nicht wirklich. Es passiert bis ca. zur Hälfte überhaupt nichts, doch sobald sich die Handlungsstränge von Yada und Helena verbinden, folgt ungefähr alle drei Seiten ein komplett neues Ereignis. Ich muss sagen, dass ich den Plottwist zur Mitte hin nicht habe kommen sehen, das war aber so ziemlich der einzige Überraschungsmoment. Die scheinbar wichtigen Aspekte vom Anfang von Yadas Erzählung werden zum Ende hin überhaupt nicht mehr aufgegriffen. Überhaupt wirkt es so, als hätte die Autorin auch durch die Nutzung des "Archivs" einfach so viele gesellschaftskritische Anspielungen wie möglich eingebracht, ohne sie wirklich zu erklären. Es war einfach nicht mein Fall.

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