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Manuela Hofstätter, Buchhändlerin,
Wohnort: 
Zurüch

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 09.09.2011
Wurzeln im Sand
Baur, Monika

Wurzeln im Sand


sehr gut

Eleni war Griechin, ihre Mutter Artemis heimlich immer noch den alten Göttern treu, herrschte und Eleni ging. Bloß Deutschland hatte nicht so viel Sonne für Eleni wie ihre Heimat und so nannte sie dann auch ihre Tochter Sarah “meine kleine Sonne”. Die kleine Sonne vermochte das Schicksal nicht aufzuhalten und so stand sie im kindlichen Alter von neun Jahren am Grab ihrer Mutter, Sarahs Weg war von nun an gezeichnet. Sarahs Vater heiratet bald eine andere Frau, welche Sarah auch eine wirklich gute Ersatzmutter ist, sie liebt Sarah wie eine eigene Tochter, aber sie muss mit ansehen, wie die junge Frau eine innere Kälte und Distanz zu allen Menschen bewahrt. Sarah ist eine betörend schöne Frau, ihr Geist aber ist sarkastisch, sie spielt mit den Männern, amüsiert sich über deren Gehabe, heiratet dann Mark, weil er sich doch so Mühe gegeben hat. Es ist eine seltsame Ehe, kinderlos und bald belastend. Mark, der diese Schönheit erobern wollte, kapituliert nun doch ob deren Unnahbarkeit, er wird gar aggressiv um wenigsten eine Gefühlsregung von seiner Frau zu sehen. Sarah begegnet durchaus Menschen, welche erkennen, dass sie Herz und Tiefe hat, diese Dinge aber unter Schock und Trauer begraben liegen, doch irgendwie schafft sie es auch, diesen Menschen auszuweichen. Schließlich bricht sie ihre Ehe mit einem Drama, durch einen Unfall, bei welchem der Bruder ihres Mannes stirbt und Sarahs Gesicht entstellt wird. Sarah muss nicht nur mit der Scham leben, dass ihre Affäre aufgeflogen ist, sie muss auch ertragen, dass sie von vielen als Schuldige für einen Todesfall angesehen wird. Sarah droht endgültig zu entgleisen, da erreicht sie eine Einladung aus Arizona, ausgerechnet von Fernando. Fernando, ein Freund aus ihrer Kindheit und Jugend, welcher so viel jünger er auch war, sie inniglich gern hatte, Sarah hat Fernando nie vergessen und so schwierig die Umstände auch sind, sie folgt seiner Einladung. Vielleicht Sarahs Rettung?
Fazit
Ein kleiner, junger, deutscher Verlag, eine besondere Entdeckung für alle, welche das Besondere suchen. Monika Baurs Roman las sich für mich anfangs nicht ganz so leicht, doch dann fesselt Sarahs Schicksal und ihre Charaktere ungemein. Dies ist ein psychologisch spannender Roman, er dreht sich um das Wesen der Menschen und warum wir so wurden, wie wir sind. Einerseits unsere Wurzeln, was die Kindheit uns bescherte, für mich besonders eindrücklich, wie wichtig unsere Eltern für uns sind, und dann, welche Entscheidungen wir trafen und welchen Menschen wir begegneten und nicht zuletzt, wie das Schicksal uns mitspielte.
Meine Wertung: 7/10 Monika Baur / Wurzeln im Sand
Verlag: caminando, Seiten: 347

Manuela Hofstätter
Habt keine Angst vor Büchern! Ungelesen sind sie ganz harmlos.
Eure Buchhändlerin

Bewertung vom 15.04.2011
Verborgene Glut
Jelica, Joy

Verborgene Glut


ausgezeichnet

„Tanz der Gefühle“, Joe Jelicas Debütroman ist Entwicklungsroman, Liebesdrama und Lovestory, Abenteuergeschichte und Krimi, Psychogramm, Gesellschaftsporträt und Reiseroman in einem. Dass die Autorin die unterschiedlichsten Genres souverän verknüpft, macht den Roman zusammen mit der ebenso abwechslungsreiche Sprache und der Handlung voller dramatischer Wendungen zu einem ungewöhnlichen Leseerlebnis.

Vom Weltuntergangsszenario in München am Beginn bis zur letzten Seite stürzt „Tanz der Gefühle“ nicht nur die Protagonistin Lauren, sondern auch den Leser in ein emotionales Wechselbad. Denn Joe Jelica gelingt mit ihrer Hauptfigur im internationalen Kaleidoskop konträrer Charaktere etwas sehr Seltenes: ihre Lauren erzeugt beim Leser mal tiefe Sympathie, mal Antipathie.

Seit fünf Jahren verbindet die brillante Lektorin Lauren eine leidenschaftliche innige Liebe mit ihrem geheimnisvollen Ehemann. Ein Leben ohne Samir, dessen undurchsichtige Vergangenheit sich in seiner zigeunerhaften Attraktivität spiegelt, ist für die temperamentvolle junge Frau unvorstellbar. Sogar als Samir unbedacht in ein Drogengeschäft schlittert, eine für seine ahnungslose Frau alptraumartige Hausdurchsuchung provoziert und zu einer hohen Haftstrafe verurteilt wird, hält Lauren zu ihm. Als sie ihren Arbeitsplatz infolge der Wirtschaftskrise verliert, engagiert sie sich mit Erfolg als schnell hoch geschätzte kompetente Sekretärin in einer feudalen Rechtsanwaltkanzlei, um Samir beizustehen. Ihre Liebe zu dem Hasardeur ist weder durch Morddrohungen noch durch die langjährige Trennung zu erschüttern – bis Lauren krank wird.

Was mit Depressionen beginnt, entwickelt sich zur schweren Psychose, die in Euphorie gipfelt. Dass ihre ausgeglichene Freundin Christine sich aufopferungsvoll um Lauren kümmert, hilft ihr ebenso wenig wie Therapien und der Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt. Lauren gerät zunehmend in Gefahr, ihre Identität zu verlieren. In München stürzt sie sich ins Clubleben und avanciert zum Star der Tanzszene. Immer kurzfristiger und exzentrischer flüchtet Lauren aus ihrem Alltag und reist dazu auch spontan in Städte wie Dubrovnik und Belgrad.

Hier eskalieren Laurens kriminelle Eskapaden. Von ihrem Vater aus dem Gefängnis und zurück nach München geholt, arbeitet sie bis zu Samirs Entlassung als Bedienung. Lauren erkennt ihren Mann nicht wieder: Er hat sich zum fanatischen Politagitator verwandelt, trennt sich von ihr und treibt Lauren nach Lissabon. Hier gibt ihr die gütige Familie eines guten Freundes Halt. Wieder in München entdeckt sie dank eines Hinweises von Christine ihre Lebensaufgabe und die wahre Liebe ihres Lebens: Lauren zieht als Entwicklungshelferin für die UNESCO nach Casablanca, engagiert sich in der Alphabetisierung vor allem von marokkanischen Kindern und findet in dem Nähnadelimporteur Jalal einen einfühlsamen ebenbürtigen Partner.

So breit gefächert wie die Emotionen sind die Charaktere, mit denen Lauren konfrontiert wird. Das Spektrum reicht vom gefährlichen Heroinhändler und dem besessenen Richter, dessen Sohn drogensüchtig ist, über den aristokratischen Staatsanwalt, Rechtsanwälte, Ärzte und Angestellte unterschiedlichster Naturelle bis zu faszinierenden Ausnahmefiguren wie zum Beispiel dem weisen chinesischen Gastronom, dem phänomenalen Musiker Jaden oder der leidgeprüften bosnischen Wahrsagerin Nermina.

Den vielen Persönlichkeitsfacetten korrespondieren die Einblicke in Einrichtungen wie Kliniken und Gefängnisse Europas, in die Komplexität der deutschen Sprache und psychische Krankheiten, in angesehene, einfache oder verpönte Berufe, in spezifische Problemlagen, Bewältigungs- und Überlebensstrategien. Letztere umfassen den klassischen Mutter-Tochter-Konflikt ebenso wie die Situation von Häftlingsfrauen, Gastarbeitern und Einwandern.

„Tanz der Gefühle“ setzt sich darüber hinaus mit brisanten Konstellationen wie etwa Selbstmord und Mord, Sexualität, Abtreibung und Religion auseinander.

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